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Sächsische Volkszeitung : 08.04.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193904083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19390408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19390408
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-04
- Tag 1939-04-08
-
Monat
1939-04
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.04.1939
- Autor
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Vas Ostergeläute 1917 Vie vlenäe und Stangen zu sammeln: er hätte auch aus dem Ruheguartier Lisenzeug mit nach vorn geschleppt! hinwandert und schließlich ganz auf Ihm haften bleibt. Mi nutenlang ist es ihm unbehaglich. Dann wird ihm auf einmal licht und wohl wie einer Pflanze, die man vom Schatten in die Sonne gerückt hat. Reglos, ohne aufzuschouen trinbt er die Liebkosung des Mutterblicks. Wörme, heilende Strahlen tasten in ein wundes Knabenherz und tauen Schmerz und Wehe. Il a muß ein paarmal schlucken, trocken und beiß. Dann liegt er plötzlich vor der Mutter und gräbt seinen Kopf in ihren Schoß. Ihre Hand streicht über sein Haar. „Mein armer, armer Junge", sagt sie nur. Aber Ilja versteht in dem Klang ihrer Stimme zu lesen. Er hat begriffen, daß sie über ihm steht und daß sie alles, alles weiß. „Mamutschka", sagt er leise, ganz leise, „ich bleibe bei dir — und — bei Gott." Aber die Barbaren schlafen nicht. An einem der nächsten Tage verliest der Lehrer die Namen von drei Schillern, die „als Belobigung fiir gute Leistung" in eine Schule zweiten Grades, ein früheres Gymnasium, nach Moskau verseht wer den. Auch Ilsas Name Ist darunter. Es trifft ihn wie ein Schlag. Augenblicklich klemmt sick etwas atemraubend in seine Brust. Sein schmales KInderaesickt ist kreidebleich. Minu tenlang tanzen die Wände, grinsen die Tafeln. Wie aus weiter Ferne härt er die Stimme des Lehrers, daß sie sich in zwei Tagen reisefertig zu melden haben. Mit beiden Händen suckt er Halt an der Bank, reikt krampfhaft groß die Augen auf, mn die Tränen zurlickzuhalten. Im „Schiitzenhaus" sitzt Thomas Höfener am offenen Fenster der Gaststube. Er hat mit dem Wirt über den Zweck seiner Reise gesprochen und der hat ihm in seiner schlichten Art viel neuen Lebensmut gegeben. „Professor Hartmann? Da dürfen Sie schon Zutrauen haben I Zu dem kommen fi« weither, gar aus dem Auslandl" Still sitzt Höfener in der wärmenden Sonne. Morgen nun wird er vor dem berühmten Manne stehen, sein Urteil hören: Tod oder Leben! Entscheidungsschwere, erregende Augenblicke werden das sein. Aber er wird endlich aus der furchtbaren Unaewikibeit a-löst werden, e-dls-b , Er Morgenfrühe und erste, zage Helle über dem Thüringer Wald. Mählich mischen sich Farben hinein in das Sviel des anschwellenden Lichts Uber dem weiten, grünenden Wipfelmeer. In fließenden, zitternden Wellen geht und kommt es ocker und braun, violett und purpur, bis das volle Licht der Sonne rotgolden die Wälderweiten überslammt. Ganz so must es — äußerlich gesehen — gewesen sein, so Herrlich und ltchtgewaltig, an jenem großen Ostertag, als die Macht des Herrn den Tod für immer überwand, als die Kelsen zerbarsten, als die Jünger jubelnd und die Geister »er Tiefe in ohnmächtigem Entsetzen Zeugen seiner Auf« «rstehung, seines Sieges und Triumphes wurden. Freuet euch! Nie wird in der Menschheitsgeschichte »ine stunde sein wir dtesel Freuet euch, ihr, die ihr glaubet! — Wenn ich die Male seiner Hände und Füße nicht sehe, Meine Hand nicht in die Wunde seiner Sette legen kann, so Glaube ich nichts Thomas, der Zweifler aus der Schar der Erwählten, hat viele Folger genabt: Männer und Frauen, Fürsten und Diener, Wissenschaftler und Männer der harten Arbeit der Faust. Vor jeden von diesen ist der verklärte Todbezwinger trgendeinmal htngetreten, jedem von ihnen hat er liebend die Blende von den Augen zu lösen versucht. Er tritt immer »och durch verschlossene Türen. Zu Hause hangt er am Halse seiner Mamutschka und weint und weint. Kann lange nicht reden. Und als er ihr dann mit zuckenden Lippen erklärt, daß er als „Belobigung für gute Leistung" von ihr getrennt worden soll, weiß die Mutter, daß diese Begründung In der kommunistischen Zelle der Schule mit ganz anderen Worten verbucht wird, etwa: „Um die Kinder der Gefahr des verderblichen gegenrevolutionä ren Einflusses der Eltern zu entziehen". Sie weiß auch, daß ein Anflehnen gegen den allmächtigen Beschluß der Sowjets sinnlos ist. So verleben sie zusammen die zwei Tage in innigster Verbundenheit. Sie reden nicht viel. Sie kosten in langem, schweigendem Beisammensein den seligen Frieden ihrer Gottes- kindschaft. Und in diesen stillen Stunden trinkt Ilja Stärke und Kraft. — Am dritten Tage reist er ab Die Mutter läßt ihn ziehen. Ihre Seele ist ruhig. Das Höchste, was sie zu geben vermochte, nimmt er mit. In der Nacht träumt sic von unzähliaen Wölfen in Mos kaus Straken. Nirgends ein Mensch, nur überall Wölfe, Wölfe. In allen Winkeln und Gallen. Plötzlich kommt Ilja und geht aufrecht mitten in ein wildes Rudel hinein. Sie will auf schreien, hinlaufen und ihn zurückholtsn, aber ihre Glieder gehorchen nicht. Da wendet sich ihr Junge, winkt ihr zu und lacht. Unversehrt steht er In dem wirren Knäuel. Erscheint auf einmal übernatürlich groß und wächst wachst vor ihren Augen weiter ins Riesenhafte. Schon hebt sich sein blonder / Von / k>le6r!ck o. Der Chemiker Thomas Höfener hatte die ersten Keime dunklen Zweifel» in den Hochschul-Hörsälen ausgenommen und — der Zweifel ist eine gefährliche Wuchervflanze — «ur »inen kümmerlichen Nest seines frommen Kinderglau« hen» mit in« Leben htnausgenommen. Mit seinem Glau- Len war auch das herrliche Bild des Oster-Auferstehungs- morgens verdunkelt und verwischt. Was Tod und Tod überwinder? Er spürte blutvoll das junge Leben, und nach großen, herrlichen Diesseitszielen strebte seine stürmende Jugend. Mit neuen Forschungen, Erfindungen sich Geltung und einen Namen verfchasfen, das war »ine lockende, be glückende Aufgabe. Und nun: War das ein Traum, oder lag das alles schon unendlich viel Jahre zurück? Der schlanke, junge Mensch, der von der kleinen Bahnstation am Berge her langsam talzu wanderte, mochte solche Frage haben. Was hatte leinen stürmenden Schritt gehemmt, wer ihm den Weg ver sperrt zu Ruhm und Größe? Man stürmt nicht mehr, wenn »ine Blende das linke Auge deckt und die Sehkraft des anderen Auges so sehr geschwächt ist, daß man den Berg stock immer eine halbe Schrittlänge wie tastend voraus stoßen muß, den Weg zu sichern. Thomas Höfener hörte den schmetternden Schlag der Fin- ken und den lieblichen Sang der Meisen, die sich über ihm auf den schwankenden Wipfeln wiegten, hörte die Lerche über den Wiesen am Berghana tirilieren und ein Nächl-i>, plätschernd zu Tal gehen, aber er erlebt die herrliche Früh« lings-Frllhstunde nicht. Was ist schimmernde Weite, was strahlende Sonne und grünender Wald, wenn man in Dämmern hineingeht, wie in ständig zunehmendes Dunkel hinein? Und selbst die matte, schwache Helle, die sein Auge noch aufnimmt, wie lange noch wird sie bleiben? Wird nicht selbst dieser arme, karge Rest letzten Lichtes noch zer- sltHen, untergehend in endloser Finsternis? O, er weiß voll Schmerz und Bitterkeit um den neuen Lenz, um die grünenden Hänge und das weitleuchtende Tal. Was aber ist ihm, der fett Monaten um das köstlichste Himmels geschenk, das Licht feiner Augen, bangt, der in tiefster Hoff- nungslosigkeit schon gewillt war, sein junges Leben wie «ine wertlos gewordene Münze fortzuwerfen, was ist ihm all das Prangen und Blühen, all die jubelnde Freude der Menschen, was der-neue, lichthelle Ostertag? Weiter zu Tal, langsamen Schrittes, den Kopf gesenkt. Unten am Berg lag das Dorf, das Ziel seiner Wanderung, wohnte Professor Hartmann, der berühmte Augenarzt. „Meine letzte Hosfnung!" hatte er wie scherzend im Kran kenhaus erklärt, als er den Entschluß gefaßt hatte, Professor Hartmann aufzusuchen. „Eie dürfen zu dem Können des Professors Vertrauen Haven!" batte die iuna» Sckwester kragst immer: „Darf ich das tun" oder „soll ich jenes tun"« immer soll dein Gott entscheiden. Du handelst niemals selb ständig, du hast keinen eigenen Willen. Ist das nicht so?" Ilja nickt in verworrenem Staunen. Wie ist es möglich, daß jener ihn so genau kennt? „Ja, nun geh und überlege dir: mit Gott oder mit den Menschen. Und wenn du etwas zu fragen hast, dann komme zu mir und frage mich und nicht deinen Gott, der dir ja nie eine persönliche Antwort geben kann." Ilja ist entlassen. Langsam, versunken tappt er heim wärts Der Himmel hat sich vollkommen verdüstert. Ein feiner Schnee rieselt herab. Der Junge frier«. Abwesend kaut er an dem Brot Aber es will nicht mehr munden. Ja, wenn sie ihn vorhin beim Klingeln hätten laufen lasten, da hätte es ihm geschmeckt, heißhungrig wie er war. Doch jetzt, nach dem, was man ihm nun gesagt hat, ist es, als dränge jeder Bissen ein Stück seines Gottes aus seinem Herzen. Und plötzlich stiegt der Köder, mit dem man ihm sein Seelenheil abkaufen will, in hohem Bogen durch die Luft. Eiligen Schrittes strebt er nach Hause. In der zarten Kinderseele jedoch haftet noch «in feines Staubkorn der vergiftenden Saat. In einer einfachen Stube sitzt eine Frau. Sie mag viel leicht vierzig Jahre zählen, aber ein leiser, duldender Leidens zug und die etwas trübe Beleuchtung lasten ihr Gesicht älter erscheinen. Stricknadeln klirren unaufhörlich in Ihren Hän den, ihr Haupt ist leicht über die Arbeit gebeugt. Nur ab und zu, wenn ein umgefchlagenes Zeitungsblatt knistert, blickt sie auf nach dem Tisch. Dort sitzt Ihr Ilja und blättert lm „BesboschnIK". In einem tiefen, wehen Atemzug hebt sich dann jedesmal Ihre Brust, aber kein Seufzer kommt über Ihre Lip pen. Sic weiß, daß ihr Junge auch diese Gottlosenzeitung wie der mit besonderen Hinweisen von seinen Lebrern erhalten hat. Wenn Ilja auch nicht aufschaut, so fühlt er doch den Blick der Mutter, und solange ihre Augen aus ihm ruhen, ist er außerstande, auch nur ein Wort zu lesen. Sie haben lange nicht mehr zusammen gebetet, die beiden. Nahezu einen Monat wohl. Als sie zum letzten Male Ihre Andacht gehalten hatten und die Mutter wie immer die Ikone sorgsam verpackte, sah sie, ohne viel auszuschauen, daß ihr Junge ihr Tun mit einem mitleidigen Lächeln verfolgte. Und da ihr Herz und Hande noch zitterten, klang seine saft heraus fordernde Frage: „Warum bitten wir eigentlich immer Gott, er möge uns Vater bald schicken? Gehen wir doch lieber nach dem Lager und bitten die Menschen, sie mögen ihn freilasten." Die Mutter hatte ihm keine Antwort geben können. Ihr war «», als spränge plötzlich irgend etwas entzwei. Seither hat sich nichts geändert in diesem Raum. Jedes Ding steht noch an seinem Platz, und dock, ist es, als sei alles, alles ringsum anders geworden. Die alten Spielsachen des Kindes, oft der ganze Inbegriff seiner Seligkeit, verwaisen. Nüchterne, aus der Schule mitgebrachte Dinge drängen in den Vordergrund. Obwohl Ilja sich den Anschein gibt, als sei nichts geschehen, fühlt die Mutter, daß fremde, umformcnde Mächte von ihm Besitz ergriffen haben, daß in seinem Kinderhcrzcn der Kampf zwischen Gut und Böse begonnen hat. Ihre Liebe wird nicht müde, ihn zu umwerben. Aber auch die anderen, die Teufelsjünger, pflügen und bepflanzen den Grund feiner Seele, und der sonst so anschmiegsame Junge wird merkwürdig verschlossen. Nie mehr eine Frage, die vor ihr belehrende Er klärung heischt. Trotz allen liebevollen Bemühunaen entgleitet er langsam, fast unmerklich ihrem sorgenden Einfluß, gewinnt allmählich In seinem Herzen das Andere Raum. — Wohl fühlt Ista manchmal die heimelige Traulichkeit schwinden. Aber das ne« auf ihn Einstürmende. und wie er jetzt mit ganz anderen Augen betrachten lernt, hält ihn mit seinen Reizen gefangen. Und wenn sein zartes, anlehnungsbedürftiges Wesen in stillen Stunden ausbegehrt nach Liebe und Gott, dann versucht er, fein Sehnen durch Flucht in die Gesellschaft freidenkender Ka meraden oder allein mit den aufgepfropften Gedanken seiner schwarzen Lehrer zu ersticken. Manchmal zwar, weiß er die Mutter in seiner Nähe, will es fast kaum gelingen So auch heute, da er seit langem einmal still mit ihr zusammensttzt. — Immer wieder drängt es ihn, das Heiligenbild zu setzen, zu beten, wie oft er den Ge danken auch nlederringt. Aber mit tzerb verschlossenen Lippen verharrt er und stiert In die Zeitschrift. Liest längst nicht mehr, »endet voll innerer Unrast Blatt um Blatt. Und jedesmal fühlt er den Blick der Mutter, der öfter und öfter zu ihm Als eben die Sterne verflimmerten und die Morgennebel über den Gräben dampften, vernahmen wir plötzlich irgendwoher »in abgerissenes Hämmern, das bald hell, bald dunkel klang. Auch der Russe schien diese eigentümlichen Töne vernommen zu haben, denn er schickte einige Salven Gewehrfcuer herüber, und Leuchtkugeln schwirrten unausgesetzt In den grauenden Tag. Als aber die ersten Sonnenstrahlen golden über den Him mel schossen, einen herrlich leuchtenden Frühltngsmorgen kün dend, als eine Lerche jauchzend in die Lüft« kletterte, das ewige Auserstehungslied singend, vernahmen wir mit einem Male Glockenläuten. Rein und klar, wundervoll abgestimint, als käme es aus einer anderen Welt. Wir steckten die Köpfe aus dem Graben und sahen zu unserer Ueberraschung einige hundert Meter hinter der Kampf stellung ein einfaches Holzgerüst von zwei senkrechten und einer quergelegten Latte, an der Eisenstäbe, Granatsplitter und Mes- singstllcke hingen. Darunter ftand im lichten Strahl der auf gehenden Sonne der Soldat Michl und schlug mit einem um wickelten Hammer gegen die Erze, daß es klang wie Oster- morgengeläute. Es war so feierlich und so fein abgcstimmt, daß wir In der Tat die Wirklichkeit vergaßen, daß ivir vor Ent zücken lauschten und erst zur Besinnung kamen, als ein feind- fiches MG. unsere Berme haarscharf abkämmte. Aber der Soldat Michl läutete ruhig weiter. Er hörte nichts davon, er läutete immer lauter und hingegebcner, obwohl di» Geschosse um ihn Herumpfiffen wie auf dem Schicßstande die Kugeln der schlechten Schützen um die Zielscheibe. Plötzlich braust« heulend ein« Salve leichter Brisanzgrana ten über unsere Köpfe himveg. Vier kurze, schlagartige Ein schläge zerschmolzen zu einem einzigen scharfen Knall, und die Latten, die Gisenstäbe und Metallftiicke sausten, in Rauch und Qualm gehüllt wirbelnd in die Luft. Das Läuten war aus Als wir zurückeilten, nach Michl zu sehen, lag er. bös zu gerichtet, unter seinen „Glocken"trümmcrn. Ein halb glück seliges, halb schmerzliches Lächeln zitterte um seinen verblei chenden Mund. Sterbend sprach er — es klang fast wie die Entschuldigung eines stillen, bescheidenen Kindes: „Ich hab' doch nur den Vstermovgen einaeläutet und geglaubt, auch der Ruski müßte sich darüber freuen!" Fünf Minuten später konnte er ewiges Ostern halten. vpermorgen. Jahreszeiten-Wende, Aufbruch aus Starre und Winter« nacht. Das Dunkel weicht, die Welt ist voll Helle und Licht, »oll Bllttenschtmmer und Vogelgefang. Ostermorgen. Nicht manches Wort in der lieben deutschen Muttersprache hat, wie dieses, Klang und Melodie, kaum »ine» vermag, wie dieses, den ganzen Liebreiz und Zauber, Li« ganze beseligende Freude um das Frühlingwerden un« lerm Empfinden, unserer Vorstellung nahezubringen. Das klingt gleich wundersam und festlick in der friesischen Marsch «lnd im bayrischen Hochgebirge, in Rübezahls Reich in Schlesien und im Nebland am deutschen Rhein: Immer weht plötzlich Blumendust und rieseln silberne Quellen, tirilieren Lerchen, grünen Wälder und Hänge und sprießt junge Halmfrucht in den Feldern; immer leuchtet über Gottes weilen Gefilden und über viel unbegreiflichem Wun- Lergeschehen hell und herrlich die Sonne. Und immer auch läuten vleltausend Glocken den Jubel H«r neuen Osterfrllhe festlich und gewaltig weithin Uber deutsches Land: Christ ist erstanden I Alleluja! kköllnvllch erwidert. „Zuletzt aber ist es doch?in Ssidekrr, der Ihnen helfen muß!" „Ein anderer ?" beinahe schroff hatte Höfener das Gespräch beendet. Gläubig hatte er di» Reise angetreten. Jetzt aber waren sie nagend wieder da, die leisen, dunklen Zwetsel. Sein Fast war schwierig und seltsam. Er hatte lange Zeit im Fabrik« Laboratorium, trotz strengsten Verbots, experimentiert, hatte dann eine Rötung dir Augen nicht eher beobachtet, bis »ins Entzündung etntrat und er seine Versuche und feine beruf liche Tätigkeit überhaupt einzustellen gezwungen war. An di» endlosen, vielfältigen Untersuchungen dachte »r zurück, an di« stet» gleich undurchdringlichen Mienen der Aerzte, an fein drängendes Fragen. „Sie müssen Geduld haben!" hatte der Chefarzt zuletzt er klärt. „Ts handelt sich um »ine ungewöhnliche und sestsam« Erkrankung Ihrer Augen! Die Ursache ist noch nicht M- los geklärt, wenn auch die Einwirkung von Gasen, Säuren und Giftstoffen angenommen werden darf!" „Aber <s besteht Aussicht auf Heilung?" „Ich hoff» «,!" hatte der Chefarzt nach einigem Be sinnen erwidert. Bangen und Warten. Dann war einmal von Professor Kartmann und seinen aufsehenerregenden Erfoltzen ge sprochen worden, und sogleich hatte Höfener beschlossen, de« Professor aufzusuchen. „Wird er mir helfen, mir Heilung bringen?" Unter den dunklen Bäumen verwehte der bange Ruf. Aber die kindhaft-sanfte Stimme der jungen Schwester war plötzlich nah: „Zuletzt aber ist es doch ein anderer — ---!" Stumm und wie leise erschrocken ging Höfener unter den Bäumen hin. Plötzlich wecken ihn Helle Ktnderstimmen atz, seinem Sinnen. Eine Glocke tönt und eine Vielheit von Dingen wächst undeutlich vor feinen Blicken auf: Häuser und Tore, Hecken und Fenster, davon herab neugierig Menschen zu ihm niederschauen. Das Dorf. Höfener atmet atzf. Wird hier die Blende fallen? Wird er sehend «erden? Bange Frage. Wer weiß Antwort darauf zu geben? Die Vorwärtsbewegung der deutschen Armee in Rumänien halte in den ersten Monaten des Jahres 1S17 an der Putna und am Eereth befehlsgemäß ihr Ende erreicht. Die von der Ober sten Heeresleitung beabsichtigte strategisch kürzeste Linie war erreicht. Der Feind war niedergekämpft, wenn auch nicht ver nichtet. Di« reichen Schätze des rumänischen Bodens waren in unserer Hand; sie bedeuteten für tte Mittelmächte einen will kommenen Kräftezuwachs, besten sie dringend bedurften. Außer dem benötigte die Westfront für die zu erwartenden Ausgaben neuen Kräftezuschuß aus dem Osten. Und wir, die wir hier« bleiben mußten, hatten vorerst Bodenständigkeit dringend not, di« Angriffsdivisionen waren durch den ungestümen Vormarsch abgehetzt und abgerissen. So trat also der Spaten und Pickel wieder in den Vorder grund. Der Stellungsbau schritt den Witterungsverhältnissen entsprechend verhältnismäßig rasch vorwärts, schon waren Unter stände, Postenstände, MG- und Minenwerferstände in Arbeit genommen. Jeder hatte sein Spezialgebiet, waren doch die er fahrenen Kämpfer unter uns, die da gut Bescheid wußten. Die Stimmung von Offizier und Mannschaft war ausgezeichnet, jeder tat unverdrossen und willig seine Pflicht. In diesen Zetten tarnte ich wieder einmal meine tüchtigen, treuen Soldaten durch und durch Kennen, darunter auch einen, von dem diesmal die Rede sein soll: Ein merkwürdiger Mann war der Soldat Michl. Ein Mensch von einfacher Schönheit und Harmonie. Selten sah man etn so reines und klares Gesicht, so von innen heraus durch leuchtete Augen! Auch war Michl unerhört willig und zuvor- kommend. Er fies immer, wenn etwas fehlte oder wenn er nur glaubt«, es könnte etwas fehlen. Er liebte Blumen und Vögel, konnte sich am Schmettern der Lerchen, die an sonnigen Frühlingstagen jubelnd über dem „Niemandsland" gen Him mel trillerten und uns oft für Stunden den Krieg vergessen ließen, nicht satt hören. Und der Soldat Michel hatte auch ein« große Vorliebe für Glocken, die er für sein Leben gern läuten hörte. An den Sonntagen war er im Schützengraben immer etwas „hinter sinnig", Ihm fehlte das Glockengeläut«. In der Nacht zum Ostersonntag — wir lagen wieder ein mal in vorderer Linie — war Michl, der als Ellenholer an der Reihe war, nicht da, und so mußte «In anderer für ihn einsprin gen. Wir wunderten ims sehr, denn so etwas war bei ihm noch nie vorgekommen, zumal er doch mich vom letzten Posten recht zeitig abgclöst wurde. Mehrere Kameraden behaupteten, er wäre die letzten Tage weit und breit herumgestreift, um Eisenstücke
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