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Sächsische Volkszeitung : 08.04.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193904083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19390408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19390408
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-04
- Tag 1939-04-08
-
Monat
1939-04
-
Jahr
1939
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.04.1939
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1939 Oster-öeilsLe 6er 8äck8i8c:ken Volk^eitung 8 /9. /ipril Oer k'rükling sl8 Lzxmbol In ^lstur un6 Frömmigkeit Bei den Alten herrschte der Glaube, daß die Welt tn einen- Frühling erschaffen worden war. Wir finden Zeugnisse davon <- allen Mythologien, bei Vergil wie in der Edda. Es ist sa auch kaum anders vorstellbar, als daß der Morgen der Schöpfung ein schöner und verheißender Anfang war, und immer, wenn die Völker Sehnsucht hatten nach neuem Anfang, mußten sie ihn unter dem Bilde eines unvergänglichen Frühlings sehen, der Uber dem Grab der alten Hoffnungen entstehen sollt«. Und selbst der moderne Mensch der Städte, den die Technik immer unabhängiger gemacht hat vom rhythmischen Wandel der Jahres zeiten, der den Winter liebt als Zeit schönen, entspannenden Sportes, weiß noch genau um das Geheimnis des Lenzes, als >aß er nicht ihn zum Sinnbild seiner schönsten Hoffnungen, einer Lebensivenden zu neuem Anfängen nähme, — ein Er- ebnis, wie unvergleichlich gUltig Uhland in seinem Liede „Früh- Ingslaube" geformt hat: Die inden Lüfte sind erwacht, Sie iiuseln und weben Tag und Nacht, Sie chaffen an allen Enden. O fr scher Dust, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles ivenden! Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiß die Qual! Nun muß sich alles, alles wenden! Im Frühling ist Gottes Zeit, Gottes besondere und heilige Zeit ,in der sich alles Lebendige und zum Leben Kominende noch geborgener in seinen Händen fühlen kann als sonst; Con rad Ferdinand Meyers „Säerspruch" singt davon: Bemeßt den Schritt! Bemeßt den Schwung? Die Erde bleibt noch lange jung! Dort fällt ein Korn, das stirbt und ruht. Die Ruh ist süß. Es hat es gut. Der Bauer und der Winzer iverden vorgeführt in ihrer hoff, nungsfrohen Arbeit. Aber nicht darin liegt die eigentliche Preis würdigkeit dieser Frühlingstage, sondern darin, daß die mensch- iche Natur wieder auflebt, die Herrin aller Naturdinge. Denn >ie Frühlingszeit bringt die Auferstehung, durch die alle Meu chen zur Neuheit des Lebens verwandelt iverden. Alle müssen n dieser Zeit, die besser ist als alle anderen Zeiten, ihre Natur erneuern, weil ein geistlicher Frühling in Christus ange brochen ist. Konkret wird das Bild vom geistlichen Osterfrühling vor allem in seiner Beziehung zur heiligen Taufe als einem herr lichen Anfang des neuen Lebens. Ein Kirchenvater des fünften Jahrhunderts hat „Frühling" geradezu definiert als „des Lebens Erneuerung durch die Taufe und Auferstehung" oder als „Friede der Kirche". Und Zeno von Verona sagt in einer Osterpredigt: „Als heiligen Frühling müssen wir nehmen den Brunnen der Taufe. Aus seinem reichen Mutterschoße, nicht vom wehende» Westwind befruchtet, aber vom Heiligen Geiste gezeugt, wohl verschieden an Geistes Gnade, aber doch in einer Geburt gehen hervor die überaus herrlichen Blüten der Kirche, unsere süßen Taufkinder. In seligem Glauben hauchen sie aus den göttlich:» Wohldust." Wie im Frühling die erste Schöpfung vor sich ging, sagt Ambrosius, und alljährlich sich wiederholt, so wird das Pascha im Frühling der Anfang eines neuen Jahres, der An bruch des ersten Monats, die Wiederbelebung der geschossenen Welt. Der Winter ist den Vätern das Bild finsteren Götzen- diensteg und unfruchtbarer Weltweisheit: durch sein Leiden im Frühling hat Christus diesen Winter überwunden und das Ant litz der Erde durch die Blüte der Märtyrer und aller Heiligen geziert Die symbolstarke Auffassung des christlicl>e» Altertums vom natürlichen Frühling als dem sprechendsten und erhabensten Sym bol des geistlichen Frühlings, wie ihn die Frier der österlichen Mysterien des Leidens und der Auferstehung alljährlich herauf führt, lebt, vermischt mit Elementen germanisch-mittelalterlicher Noliirbetrachtung und Frömmigkeit, in der kultisch-liturgischen Dichtung der Deutschen weiter; als deren schönstes Beispiel folge hier eine Sequenz Adams von St. Viktor in der Uebersetzung von Franz Wellner sWien 1037), die übrigens auch von den Minnesängern wiederholt ins Deutsche übertrage» wurde: Seht, erneut ist olles Land Neu die Freude, neu dk Pracht: Mit dem Herrn, dec aufecsland, Ist die ganze West erwacht. Selbst der Elemen.e Drohn Wandelt sich in treue Fron: Denn sie fühlen Schöpfers Macht. Klarer wird des Himmels Blau, Meeres Brandung minder rauh. Und die Lüfte streichen lau Ueber unser blumig Tal; Alles Trockne will erblüh», Alles Kalte neu erglüh» Unter Frühlings ivarmem Strahl. Todes starres Eis zerschellt, Schmählich flieht der Fürst der Welt, Und sein stolzes Reich zerfällt, Das in uns errichtet >var; Das zu halten er begehrt, Was mitnichten ihm gehört, Ward er aller Rechte bar. Leben sprengt des Todes Tor, Und was einst der Mensch verlor, Steigt erneuert ihm empor: Edens selges Heimatland. Nicht mehr ist der Weg verwehrt, Denn des Cherubs Flammenschwert Ruht gesenkt in seiner Hand. Christ erschließt den Himmel neu, Und von Ketten macht er frei. Die der Sünde Tyrannei Furchtbar hielt in Todes Haft. Solchem Sieg zu frommem Lohn. Preist den Vater und den Sohn, Preist des Geistes heilige Kraft. Ostern in 8ovvjetrn6Innd Von HII kisl8er-^1k1er8te!n Hier eins, das durch die Scholle bricht. Es hat es gut. Süß ist das Licht. Und keines fällt aus dieser Welt Und jedes fällt, wie's Gott gefällt. Cs gibt wohl kaum einen Dichter, der sich nicht vom Frühling hätte anrühren lassen zu Liedern, In denen das von der Natur auf den Menschen übergreifende Wunder lenzliäfen Neuwerdens gepriesen wird. Auch die Völker haben die ihnen geschenkten Neuanfänge ihres völkischen Lebens als einen heiligen Frühling empfunden, als ein geheimnisvolles Zuriickgehen auf die ungebrochene Lcbenssiille ihrer ersten Prägung durch den Gott. Sie waren in Notzeiten bereit, durch ein wesentliches Opfer den neuen Volksfrühling aus der Hand der Götter zu erbitten. Der Be richt vom ver sacrum (heiliger Frühling) der Latiner, in dem das Volk die Blüte seiner Jugend den Göttern weihte, um den neuen Anfang zu haben, ist ein Beispiel für das heilige Früh lingsopfer, das allerdings meist nicht auf einen freiwilligen Entschluß des Volkes zuriickgcht, sondern in der ultima ratio des Krieges sich ergibt, mit dem ein Volk seine Existenz nicht nur erhalten, vielmehr In demütiger Unterwerfung unter das Schicksal neu begründen will. Ihn absichtlich herbeizufilhren im Hinblick auf solche völkische Erneuerung, wäre Vermessenheit; denn Frühling muß immer Geschenk sein, aus Gnade empfangen und nicht aus Verdienst. In seiner schönsten Vollendung zeigt sich das Frühlings- snmbol, da wo es auf die vollendete Neuschöpfung hinweist, die der alten Schöpfung je zuteil wurde, — auf die Erlösung durch den A u fe r st a n d e n e n. Die altchristlichen Liturgien sind erfüllt von dieser Symbolik und interpretieren mit ihr das Geheimnis des christlichen Osterfestes als des Festes der neuen Schöpfung. Der kirchliche Hymnus kündet Woct>en vorher das hohe Fest mit den Worten an: Es kommt der Tag. es kommt Dein Tag, An dem in neuer Blüte alles steht. Der Ostcrmonat ist der vorzüglichste aller Iahresmonate, denn er hebt das Gewicht, durch das die Welt beschwert wird. Er kleidet die kahlen Bäume, denn er ist ein Bild des Vaters der Waisen. Das Jahr betet den Besieger des Todes an durch seinen Sohn, den Ostcrmonat. Wie beim Tode des Herrn die Elemente trauerten, so ziemt es sich, bei seinem österlichen Triumphe, daß sie den heilbringenden Tag mit festlichem Aufwand begehen. Erde, Luft und Himmel schmücken sich, um den Men- schen durch ungewohnte Helligkeit zu erfreuen. In den grie chischen Hymnen und Predigten wird am Ostertag das reine Eonn"nlicht und der schöne Schmuck der Berge und Wälder er hoben, in echt hellenischer Freude an der schön gebildeten Welt. .— Ueber dem alten niederen Schulhaus hängt eine Wolke. Der letzte fahle Sonnenstrahl an der Wand des kahlen Klassen raumes tanzt verstohlen hinaus. Grau und trübe düstert das Schulzimmer... Vor den Kindern steht der Lehrer, neben ihm ein Sekretär der kommunistischen Zelle. Heute war Inspek tion. „Nun", schließt der Bevollmächtigte seine Rede nach vor angegangener Prüfung, „wenn ihr brav seid, wird euch zur Lenlnfeier ein schöner Film gezeigt werden. — Gibt es sonst noch etwas?", wendet er sich dann an den Lehrer mit dem fanatisch straffen Ausdruck tn dem junge» Gesicht. Der hat ein zartes frommes Bübchen unter de» Schülern, dem er gerne eins versetzen möchte „Einen Augenblick nur", schneidet kalt und metallen seine Stimme, „Ilja, tritt vor." Ein schmaler blasser Junge schiebt sich zage vor die Klasse. „Sag mal, Ilja, du betest doch zu Gott?" — In de» Kin deraugen glänzt Treuherzigkeit. „Ja, Genosse, ich bete." — „Wer lehrte dich beten, Ilja?" Und mit einem Leuchte» In dem weichen, mädcl-enhaften Gesicht antwortet er: „Meine Mutter". — Da betet ihr wohl zu Halise noch recht fleißig, wie?, interessiert sich der Sekretär plötzlich teilnehmend für Iljas Familienangelegenheiten. Jähes Erschrecken zuckt durch das Kinderherz. „Du darfst niemals darüber sprechen, Ilja", hatte ihm die Mutter gesagt, als sie beide einmal von stiller Andacht aufstanden und das Heiligenbild wieder sorgsam verpackt in feinem Versteck bargen. „Die Menschen sind böse und wolle» von Gott nichts mehr wissen. Aber er lebt und wird uns beide beschützen und uns den Vater wieder bringen, wenn wir zu ihm beten." Dem Jungen läuft es heiß über den Rücken. Um Gottes willen, was hat er jetzt gesagt! Was hat er gestanden! — Aber was denn? Was denn? Soll er lügen? Seinen Glauben ver leugnen? Seinen Gott verraten? Äiclleicht muß er das schöne blaugoldene Heiligenbild herbringen, auf dem die heilige Jung frau mit dem süß lächelnden Iesusknabcn zu sehen ist, und sie werden es ihm abnehmen, verbrennen. Und er ist ei» Verräter wie Judas. Aber dann wird man ihm ein Denkmal sehen, wie man es jetzt für Judas tut. Flammende Wetten fliegen über sein verstörtes Knabengesicht. Der erste seelische Konflikt drängt mit schwerem Pulsschlag tn ein junges Leben. „Ob ihr zu Hause immer betet, will der Genosse wissen?!" Herzlos roh schrillt die erneute Frage des Lehrers an ihn heran. Ilja aber denkt: Nein, Ich werde nicht lügen. Lehrte mich die Mutter nicht auch: „Deinen Gott können sie dir niemals aus dem Herzen reißen. Merke dir das, Ilja, auch wenn ich einmal nicht mehr bei dir sein sollte. Er ist dein heiligste» Heiligtum, kein Feind wird ihn dir rauben können, wenn du nicht willst." „Ja, Genosse, wir beten immer zusammen." Bescheide», leise, aber klar und fest hat der Kindermund gesprochen. Ein spöttisches Lächeln ist die Antwort. „Dann wird es euch zu Hause ja gut gehen, Ilja. Wenn ihr etwas wollt, braucht ihr es nur zu erbitten und euer Gott verläßt euch sicher nicht." Das Kind schwelgt. Die zwei Satansaposlel schen sich an. Ir gendwo wollen sie den Kleinen mit dem frommen Gesicht packen. „Sag mal, Ilja, hast du Hunger?" „Ja, ich habe Hunger, Genosse." „Nun, fo bitte doch deinen Gott, er wöge dir Brot ge ben." Fragend sieht das Kind von einem zum andern. Wa» wollen sie nur von ihm? Warum foltern sie ihn so sehr? „Los, knie nieder, vorwärts!" Gewaltsam fühlt sich Ilja auf die Knie gerissen. „Bete zu deinem Gott um Brot." Ein tiefer Btick aus gläubigen Kinderaugen Da stößt der Lehrer in aufwallendem Acrger über sich selbst den Kleinen puffend zurecht, weil ihm die reinen Augensterne des Kinde» irgendwie unangenehm sind. Zitternd schlagen kleine Hände andachtsvoll das Kreuz. Dann verneigt sich Ilja mehrere Male tief bis zur Erde und beginnt zu beten. Dis Klasse hält den Atem an. Fünfzig Kinder verfolgen mit Spannung die Szene. Wahres und spöttisches Mitleid, bange Erwartung, Ucbcrlegen- heit, Bewunderung und Angst sprechen aus ihren Miene». Jede Kinderseele liegt offen und zügellos in selbstvergessenem Gesicht. Ein tiefer Blick vermag ohne Mühe zu lesen: Hier und da wohnt Kott »och in verschwiegenem Herzenswinkel, In diese jungen Seelen ist »och niemals ein Schimmer seiner Gnade hineingedrungen und in jenen gedeiht oder wuchert schon de» Satans Saat. — Ilja verharrt in stillem Gebet. „Nun, hat dir dein Gott Brot gegeben?" „Nein, Genosse, er gab mir lieins." „Siehst du. er kann dir auch kcins gebe», denn er exi stiert ja gar nicht. — Oder siehst du ihn vor dir?" — ..Nein." — Versuche cs lieber mit den Menschen. Du wirst sehen, das ist viel einfacher. Bitte doch deinen Lehrer einmal »in Brot." Obwohl das Kind schon immer eine tiefe Abneigung gegen den Vorgesetzten empfindet, wendet es sich gehorsam, wie ihm ae- heißen, „bitte, Genosse, gib mir Brot." — Der zieht ein Weiß brot aus seiner Rocktasche. „Ja. warum hast du mich nicht Ostern in kiorn Von tieinrlck 8ctrarp Unvergeßlich bleibt das Erlebnis der Stunde, in der der Papst zum österlichen Hochamt in die Peterskirche einziebt. Alle Herrlichkeit und Glorie der Kirche, Licht und Farbe, Musik und Jubel klinge» zu einem unvergleichlichen Bilde zusammen. Wenn von der Empor« über dem Eingang die Trompeten dvr Nobel garde erklingen, entzünden sich alle Lichter: unzählige feinglie« drige Lampen aus geschliffenem Glas an den Pfeilern und Bo gen, in der Rundung der Kuppel, in der tiefen Oeffnung der Apsis. Die roten Damastteppiche mit schmaler Goldborte, die von den Gesimsen bis zum Boden herunterhängen, sättigen sich mit warmleuchtender Farbe. Die Kup;>el schivebt dämmrig auf der strahlenden Lichterflut, als brauche sie weder Halt noch Stüh«. Der im stark luuvegten Rhythmus des Barocks aufsteigende, aus Bronze gegossene Baldachin Berninis Uber dem Papstaltar klingt wie ein starker nachhallender Akkord in den weiten Raum hin ein. Rechts vor den ewigen Lampen an dem Marmorgeländer des Petrusgrabes trägt das alte, dunkle Bronzestandöild des Petrus steif und feierlich einen roten goldgestickten Mantel und die dreifache Krone der Tiara. Die päpstliche Palatingarde hält den Mittelgang frei: gutmütige römische KleinbUrgergesichtsr, Bäcker, Metzger, Schuhmacher und Kleinladner, die heute zu ihrrm Ehrendienst eine bunte Uniform angezogen, einen schwar zen Tsck-ako aufgesetzt haben und stolz das Gewehr mit aufge pflanztem Bajonett präsentieren. Weiter nach dem Eingang zu stehen die päpstlichen Gendarmen. Das sind breitbrustig« Hü nengestalten mit Stulpenstieseln, weißen Reithosen, schwerem Schleppsäbcl und aeivalttg hohen Bärenmllhen. Der Einzug beginnt. Die Schweizergardisten mit stähler- nem schimmerndem Panzer, dunkelrotem Helmbusch und langen Hellebarden schreiten voran. Das Auge findet kaum Zeit, all« genau zu unterscheiden, die nun folgen: den Hosprediger und den Beichtvater des päpstlichen Hofes; die Generalprokuvatoven de« Bettelorden in brauner, schivarzer und weißer Ordenstracht; Konsistorialadvokaten, »Mtlicke Kammerherren und Prälaten; Geheimkapläne, die Mitra und Tiara des Papste» tragen; Prä laten der Signatur mit sieben Leuchtern, unter ihnen ein Rota prälat mit dem päpstliä-en Kreuz; den lateinischen Subdiakon zwischen dem Diakon und Subdiakon des griechischen Ritus; die Beichtväter von St. Peter, die als Zeichen der Bußgeivalt zwsi lange schlanke Ruten, aus bunten Blumensträußen herausragend, vor sich hertragen. Dazwischen fällt der Blick auf die Sänger der päpstlichen .Kapelle. Sie gel-en singend hinter dem Chor- moister, der im Vorwürtsschreiten mit hocherhobenen Armen nach rückwärts dirigiert. Bald komme» auch in der wohlgeglie« derten Rangordnung der Hierarchie mit Chormantel und weißer Mitra die Aebte, Bischöfe, Erzbischöfe und Patriarchen, dar unter die Kirä-enfürsten des Orients mit langwallenden Bärten. Hinter ihnen schreitet das Kollegium der Kardinale, auch sie alle mit der weißen Mitra: die Kardinaldiakone in der Dalma- tik, die Kardinalbischöfe tm Chormantcl. Hinter dem Kardinal, der das Amt des Diakons versieht, hinter den Kommandanten der Schwelzergarde und der Palatingarde und andern Würden trägern ivivd auf einem Tragsessel, der Sedia gestatoria. die auf den Schultern von Dienern tn roter Damastlioree aufruht, von einem seidenen Baldachin überdacht, von zwei mächtigen Fächern aus weißen Straußenfedern begleitet, der Papst herein- getragen. Er trägt über seinem weißen Gewand eine» roten oder weißen goldgestickten Mantel und auf dem -Haupte die drei fache Krone der Tiara. Offiziere der Nobclgardc mit hellrotem Waffenrock. Schärpe und Paradehclm und wiederum Schweizer gardisten begleiten den Tragsessel. Im weiteren Gefolge sieht man mich weltliche Kammerherren In schwarzer szenischer Hof- tracht, mit Mantel, Degen und gestärkter Halskrause. Den Ab- schluß bilden wieder hohe Prälaten des Hofstaates. Wo der Papst mit väterlich segnender Gebärde vorüberzieht, brechen Sturm« de» Beifalls los: Händeklatschen, Tücherschwenken, Hoch- rufe. Da» ist oer Augenblick, in dem die Kirche den pichen Glan, ihrer Tradition, die Pracht ihrer Farben, den vielfältigen Reiz «del aemeflener Formen, die ganze Herrlichkeit ihrer äuße ren Erscheinung entfaltet. Dem Romptlaer bleib« dieser Augenblick für das ganze Leben im Gedächtnis. (Aus „Wie di« Kirche r«oä«vt wird", von Dr. Heinvich Schasp, Freiburg, Herder, «art. RM. 2,SO.) sofort gebeten? Hier hast du Brot." Das Kind greift danach. Die zu kurzen Aermel seiner Bluse lassen ein dünnes zerbrech liches Handgelenk frei. „Und dann überlege dir für die Zu kunft, was vorteilhafter ist. es mit den Mensclren zu kalten oder mit deinem Gott, der In Wirklichkeit nicht existiert." Es läutet. Die Stunde ist zu Ende Ungestüm drängen die Kinder hinaus. Isja steht unschsüssig. Am liebsten möchte er mitlaufen und mit Genuß das Weißbrot verzehren. Aber da hält ihn der Inspektor zurück, und spricht auf einmal ganz freundlich zu Ihm, kameradschaftlich, fast wie ein aroker Bruder „Höre, Ilja, du bist ei» kluger und begabter Junge. Des halb wollen wir, daß du in jeder Beziehung, auch in religiöser, klar und vernünftig denken lernst. Du lebst in einem dunklen Wahn, und wir müssen dir die Augen aufreißen. Es scheint dir vielleicht erbarmungslos, wird dir wohl auch schwer von der Gewohnheit des Betens zu lassen, aber wenn du dich tapfer durchkämpfst, wirst du eines Tages erkennen, daß wir es gut meinen, und uns danken, daß wir einen freien Menschen ans dir gemacht haben." Ec klopft dem Jungen, der groß und fragend aufblickt, wohlwollend auf die Schulter und kährt fort: „Du weißt doch, ivle wir das nennen, die Religion?" — Ilja schüttelt den Kopf. „Opium. Weißt du. was das ist?" — „Nein, es steht immer auf den großen Wagen: .Religion ist Opium für das Volk'." — „Ja. Ich will dir erklären, was Opium ist. Opium ist ein Gift, ein Rauschgift. Wer Opium genießt, den vergiftet es Immer mehr und mehr, bis er daran zugrunde geht. Co ist cs auch mit deiner Religion. Sie ver giftet. Nicht körperlich, aber geistig. Sie bedeutet Verfall, Versklavung des Denkens Du fühlst dich klein, elend und unfrei, weil du glaubst, dich immer vor deinem Gott verant worten zu müssen. Wie lächerlich und unsinnig ist dies alles." Wüst und wirr beginnt cs plötzlich in Iljas Kopf zu tanzen. Er möchte gerne sprechen, frage», antworten, hundert Dinge zugleich. Doch die Kehle Ist trocken, die Zunge schwer wie Blei. Der Inspektor fährt fort zu reden: „Deine Religion ver dummt und vernichtet dein persönliches Selbst. Erst wenn du dich vollkommen dieses Giftes entwöhnt hast, dann bist du du selbst. Jetzt tust du nur das, ivas dein Gott befiehlt. Du
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