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Sonntags-Ausgabe für uad H-r-N« zvelmal »«,!>» In« ^IOAUAöPkkrS» Ha»« g«dracht,Sonntag« al»M»kg«nou«ucd,, monall. M. lU.-, »l«r«,lirdrI. M.SU.—: Ilr Äddal'k inonaIl.A».SU>0. Durch »a!«r« a»1wartIg«»FiItaI«a in« Ha»« »«brach« moaatl.4N.il>.—, »I«rt«> Ldrl. M.SV —: d»rch dl« Post lnn«rbalbD<»tIchlond« G«saml-4Ia^ad« moaatl. M. 7.L8, »««rleljidrilch 47!. 24.50, Mor»«n-Au«j>abe M.5.—. ^d«ad-Au«. gad« M. 7.5Sanntagl-Baigod« M. 1.— monatlich (aa«lch!i«h>lch Post» b«ft»llg«düdr>. Aotlandto«rsand: moaatl. M. Ist — ».Drucklochen-Porl», <t»»j«.n»»»«r» M»r»«a-4I»<aad« 48 v'. Adend-Aat-ad« :0 Pt» Sonatagt-Aotgab« LV Pf. Haupischrifileiter: Dr. Trick Lverih, Leipzig. Amtsblatt des Rates der Stadt Leipzig 114. Jahrgang 4lnj«ia«a oon Dtkirdtn «m am«»««» Teil di« 4lonp°rc1ll«j«>u M. S^V, ,.aa«w.dr.S.-; »i«ln, 4lnj«i,«a »i« N»npar«lU«j»i,-M 1.4V, aon -a«wdktt 47IK l.S!>,<v«lchäfI4an„Ia«n ml« Pladoorichrillin m Pr««I, «rdtdl. Plab and DalenoorlchrllI »da« P«rblndllchb«il. PeilaatnarrlI« für dir B«Iamtaufla,« da« Taasrnd Md. l2- n«ll». kllc rrl'ausla,« da« Tousrnd Mk >L.— n«I«o, für Postaaflaz« Postsebadr «,Ira. Firaspirch.4Inlchlall4ir.l4K>», 14644 an» l l — Post«ch«4>Koni»72VU. Schrillleilan» aad <S«lchäll«ftrlIr Zohoanilpall« 4ir. 8. Verlag: Dr. Reinhold L To.» Leipzig. Nr. 212 Sonntag, den S. Mai 1820 Kmelten-WtSn Ehrhardt verläßt feine Brigade Berlin, 8. Mai. fDrahtbericht unserer Berliner Schrlftleitung.) Korvettenkapitän Ehrhardt, der Führer der zweiten zurzeit im Munsterlager in der Auflösung begriffenen Marine brigade, hat mit dem heutigen Tage den Befehl über di« Bri gade niedergelgt und das Lager verlassen. In einem Ab schiedsbrief an die Truppen, der heute vormittag durch den Chef des Stabes, Major von Falkenhausen, den Soldaten mitgeteilt worden ist,sagt« er: .Ich habe meinen bisherigen Entschluß, mich freiwillig in Haft zu begeben, aufgegeden. Entscheidend war für mich der feste Wille der Brigade, weder eine gewaltsame Festnahme noch eine freiwillige Stellung zuzulassen. Mit beeinflußt hat mich, daß mir von allen Seiten von einer Gestellung abgeraien wurde. Auch nicht eine Stelle hat mir zugeraten. Leicht ist mir der Entschluß nicht geworden, in Sicherheit zu gehen, aber ich konnte und durfte die Truppe nicht in die Lage bringen, für mich mit der Waffe einzustehen oder mich in Schuh nehmen zu lassen. Das Bolk wird es etnsehen, was es mit der Brigade verloren hat, wenn es geschehen ist. Wohin Sie auch kommen, halten sie das Banner der Brigade weiterhin hoch. Der anständige Mann wird Immer durchkommen, und kommt es erneut zu ernsten Kämpfen in unserem ermüdeten Baterlande, so hoffe ich, daß uns dl« alt« Kriegsflagg«, die wir wieder zu Ehren gebracht haben, erneut vereint.' v Korvettenkapitän Ehrhardt hatte dem Thes der Heeresleitung General von Serckt beim Abmarsch von Döberih nach dem Munster- lager das Wort gegeben, daß er für die Auflösung der Brigade sorgen werde, die bis End« 4Nai durchgeführt sein sollte. Etwa ein Fünftel der Driglche ist tatsächlich heute bereits in das Zivilleben zurückgekehrt, der Rest wird zum größten Teil dis End« des Monats entlassen sein, der kleiner« Teil, der bis dahin noch nicht ein^ neu« Stellung gefunden har, wird noch Zusammenhalten und allmählich mit Hilfe der Gewerk schaften und der Arbeitsnachweise bürgerlichen Berufen zugeführk werden. Lin Teil der entlassenen Leute wird voraussichtlich Sied lung stand unter sachverständiger Führung von der Regierung er- EWrdt Mhen halten. Die Offiziere sollen zum größten Teil aus dem Mili tärdienst ausscheiden, ein kleiner Teil, sowie die Deckoffiziere und Unteroffiziere in die Reichsmarine ausgenommen werden. Wohin Korvettenkapitän Ehrhardt selbst sich gewendet hat, ist nicht bekannt. * * * Wie die .Dena' berichtet, hat die Korrespondentin der .Daily News', Frau Stan Har dinge, eine Unterredung mit dem Kapitän Ehrhardt im Munsicrlager gehabt. Auf die Frage, weicher Ursache er das Mißlingen des Kapp-Putsches zuschreibe, erwiderte Kapitän Ehr hardt, ohne sich zu besinnen: .Nicht dem Generalstreik, sor.sern den In trigen jüdischer Unterstaatssekretäre, denen es gelungen war, einen Streik der Regierungdbeamten herbeizüsühren und so die Staatsmaschine lahm zulegen. Wir haben es Unterlasten, diese Unterstaatssekretäre zu er schießen, ein bedauerliches Bersehen! Die Feigheit des Bürgertums ist ebenso verantwortlich für unseren Mißerfolg. Die Bürgerlichen waren zwar über unseren Putsch entzückt, blieben aber zu Hause und wuschen ihre Hände in Unschuld, anstatt offen herbejzueilen und uns zu helfen.' Vom Generalstreik meinte der Kapitän, daß eine Regierung, die eine starke Militärmacht hinter sich hätte, durch den Generalstreik nicht bezwungen werden könnte. Im Rahmen dieser Unterredung gebrauchte Ehrhardt auch den bezeichnenden Ausdruck: .Das Militär muh'die Ord nung aufrechterhalten und Plünderungen verhindern und die Regierung muß soviel Nerven haben, einmal 10000 Menschen im nördlichen Berlin Hungers st erbenzu lassen, dann wird das Bolk für eine Weile wohl keinen zweiten Generalstreik unter nehmen.' ^Auch in Frankreich gibt es eine Frage der Schuldigen" Paris, 8. Mai. (Drahtbericht.) Der sozial-radikale Politiker Frank lin Boullon richtet im .Matin' «inen scharfen Angriff gegen Llemenceau wndTardteu als Urheber de« fär Frankreich un seligen Friedensvertrages; er schreibt: Auch in Frankreich gibt es eine Frage der Schuldigen, und die Stunde ist nahe, wo sie gerichtet werden sollen. Der Streit «m Spa Seitdem in San Remo beschlossen worden ist, deutsche Ver treter zur Konferenz in Spa zuzuziehen, erleben wir, wie schon so oft, das Schauspiel eines heftigen englisch-französischen Presse kampfes. Kaum war es bekannt geworden, Laß deutsche Ver treter der kommenden Konferenz zugezogen werden sollten, wurde von Paris aus sofort der Versuch gemacht, die dem bisherigen Einfluß und der Sonderpolitik Frankreichs drohenden Gefahren von vornherein auszuschalten. Zugleich las man in Len Boulevard- bälttern, daß die deutschen Vertreter nicht gleich berechtigt den Alliierten gegenüberstehen, sondern daß sie nur die Forderungen der Entente entaegennehmen sollten und höch stens über den Modus -er Ausführungen mitsprechen dürften. Lnglischerseits wurde sogleich betont, daß die deutschen Vertreter als gleichberechtigte Verhandlungsteilnehmer in Spa erscheinen würden. Seitdem sind Tage ins Land gegangen, und den erst so eindeutig ausgesprochenen englischen Standpunkt findet man kaum noch in der Londoner Presse, jedenfalls wird er nur vereinzelt und bei weitem Licht mit der ursprünglichen Entschiedenheit ver treten. Es ist höchst bemerkenswert, daß .Daily Chronicle', das bekanntlich Lloyd George nahesteht, vor 2 Tagen geschrieben hat, der deutsche Kanzler werde nicht an den Erörterungen teilnehmen, die den Betrag und -en Zahlungsolan der Entschädigung betreffen. Wenn damit die Ansicht der englischen Regierung wiedergegeben wäre, so bedeutete dies einen abermaligen Rückzug vor -em fran zösischen Verlangen. Die Pariser Presse hätte dann wiederum einen Sieg erfochten. Für die gesamte internationale Lage aber wäre der Fortschritt kaum zu ernennen, wenn die deutschen Ver treter, wie in Versailles, nur das Diktat entgegenzunehmen hät ten. Der Fortschritt, daß die Deutschen über den Modus der Ausführungen mitsprechen dürften, wäre doch in der Tat zu ge ring, und es bliebe wohl zu überlegen, falls die Entente der deut schen Vertretung eine solche Rolle wirklich zudenkt, ob der Reichskanzler, wenigstens für seine Person, auf die Teilnahme in Spa nicht verzichten sollte. Inzwischen hak Dr. Mayer in Paris den Wunsch der deutschen Regierung übermittelt, in Spa möchte die Gesamtsumme der von Deutschlandzu zahlenden Entschädigung fest gesetzt werden. Das ist die zweite große Streitfrage, die jetzt die französische und englische Oeffentlichkeit in Atem hält. Die Franzosen würden es am liebsten sehen, wenn überhaupt kein fester Betrag genannt würde, sondern wenn ihnen jeweils das Recht zustünde, die Forderungen zu erhöhen. Sie wollen also auch die Finanzforderungen genau so dehnbar halten, wie die übrigen Ansprüche aus dem Versailler Vertrag. Das Bestreben ist ganz offensichtlich, immer von neuem an Deutschland mit Forderungen herantreten, das deutsche Volk immer wieder strangulieren zu können. Die Pariser möchten dann, wenn Deutschland vielleicht einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung genommen hätte, das Mittel in der Hand Haden, dies« Entwick lung zu hemmen, wenigstens sie nicht zu einer beachtlichen Kon kurrenz auswachsen zu lasten, und die Früchte einer solchen neuen Blüte kür die eigene Tasche zu sichern. Die .Times , die sa auch 'nen mündlichen Meinungsaustausch mit Deutschland sind, unterstützen selbstverständlich die französischen Absichten. Schon die Opposition der .Northcliffe-Preste' gegen Lloyd George be- - stimmt sie dazu. Auf der anderen Seile aber kann man mit Be friedigung seslstellen, daß der realpolitisch« Sinn der Engländer die Bedenken aussprlcht, -ie mit einer solchen französischen Kaut- schukpolitik verbunden sind. Eine ganze Anzahl der vernünftigen Blätter weist darauf hin, daß Deutschland keine Veranlassung habe, seine volle Arbeitskraft einzusehen, wenn es wisse, daß es dadurch nur die Höhe -er zu zahlenden Kriegsentschädigung selbst steigere. Unter -en gegenwärtig schwankenden Verhältnissen wünscht man, wenigstens in diesem Punkte mit festen Tatsachen rechnen zu können. Man erkennt, daß die sich jedes Jahr wieder holende Festsetzung der Entschädigungssumme jedesmal eine po litisch-wirtschaftliche Krise auslösen würde, und dies wird vor allen Dingen von den wirtschaftlich interessierten Kreisen als sehr be denklich verworfen. ES ist ein besonderes Verdienst der .Daily News', daß sieden Zusammenhang aufdecken, der zwischen der deutschen Entwaff- nunasfrage und -er Kriegsentschädigungsfrage besteht. Die Ko st en für dieBesahung haben nach dem Friedensvertrag den Vorrang. Sie kommen in erster Linie auf die französische Rechnung. Nun vermöchte wohl durch eine Entwaffnung Deutlsch- lands die Stärke der alliierten Besatzungstruppen bedeutend her abgesetzt zu werden. Aber Frankreich zeigt das Bestreben, einen beträchtlichen Teil des stehenden französischen Heeres in das be setzte Gebiet zu verlegen, und so unter der Flagge .Besatzungs truppen' sich -en eigenen Heeresaufwanü von Deutschland zum großen Teil bezahlen zu lassen. Es würde sich dann ergeben, daß Deutschland für die Erhaltung der Militärmacht desjenigen Staa tes arbeitete, der mit seinem Militär das deutsche Volk in dau ernder Sklaverei halten will. Mit Rücksicht auf alle diese Fragen wird es notwendig sein, daß -le deutscheRegterung nicht nur der französischen ver sichern läßt, sie würde den Beratungen von Spa großen Wert bei messen, sondern daß sie sich über ihre Haltung den angedeuteten Gefahren gegenüber klar wird. Vor allem auch sollte sie bald mit ihrem Programm für Spa an -ie Öffentlichkeit treten, damit den Bestrebungen der übelgesinnten Presse, wie beispielsweise der .Times', die Spitze abgebrochen wird, die ja überhaupt den bösen Willen und die Hinterhältigkeit der deutschen Regierung zu be weisen suchen. m. * * * Wie unsere Berliner Schrlstleitung mitteilt, ist von feiten der Re gierung seinerzeit bei der Uebergabe der Einladung durch ven italieni schen Geschäftsträger in Berlin ein Bedauern ausgesprochen worden aber den gewählten Zeitpunkt, der Im Hinblick auf die unmittelbar danach folgenden Wahlen der deutschen Regierung nicht sehr angenehm sei, aber die Einladung ist angenommen worden und es ist von deutscher Seit« kein Wunsch geäußert und keineswegs der Antrag ge stellt worden, die Konferenz zu vertagen. Wir willen auch nicht, welcher Grund die Regierung dazu veranlassen könnte, Entscheidun gen noch weiter hinauszuschieben, auf die wir schon seit langem warten und die für Deutschlands Wiederaufbau, für den Erhalt unserer Kredit« im Ausland« die allergrößte Bedeutung haben. Allerdings Haden di« Franzosen bisher noch kein« Miene gemacht, die Besetzung des Ma ingaues aofzuheben, und sie scheinen im Gegenteil versuchen za wollen, die Besetzung noch weiter auSzadehnen, und dieser Wunsch scheint sie bei ihrer Prestekompagne zu bestimmen. Dann mögen sie vielleicht recht haben, daß der Termin der Konferenz noch zu s'.tih ist, denn die deutschen ReglerungSvertreter dürften sich kaum in Spa mit den Franzosen an den Verband- jungstifchsehen, solange bi« widerrechtsiche Besetzung deS M a i n - gauet andauert, zumal wenn st« nur als ein« Art .Vortragender Räie' nach Spa befohlen werden und kein« wirklichen Verhandlungen beabsichtigt sind, wie dies der ReichsfinanMlnister gestern auch in Dres den ausdrücklich betont hat, . — Der rechte Weg Von Gustav Schneider-Sachsen, M. d. N. Die innere politische Lage ist gefahrvoller als vor einem Jahre. Damals drohte nur die Pulschgefahr der äußersten Linken, die aus den Widerstand der übergroßen Mehrheit des ganzen Volkes, auch der demokratisch gesinnten Arbeiter stieß. Jetzt ist die Putschgefahr von Rechts hinzugekommen, die geschlossene Abwehrfront nach der äußersten Linken auss empfindlichste schwächend. Man braucht nur nach Pommern, nach Ostpreußen, nach dem Munsterlager, nach Bayern zu blicken, wo die Weisungen der Regierung mit offenem oder versteckten Hohn behandelt werden, um zu erkennen, wie stark die militärische Nebenregierung sich fühlt- Wie weit verzweigt der Kapp-Lüttwih-Putsch war, wird mit jedem Tage offenkundiger; offenkundig ist aber auch, daß diese Organisation mit dem Kapp-Putsch nicht zusammcgebromen ist. Sie ist da, arbeitet und wartet auf den günstigen Augenblick des Losschlagens. Der Gegensatz der preußischen und bayrischen Militaristen ist zwar nicht überwunden; die einen wollen die Hohenzollern, die andern die Wittelsbacher wieder auf den Thron setzen, aber darin sind sie einig: Der freie Volksstaat muß beseitigt werden! Um dieses Ziel zu erreichen, scheut man auch -ie Verbindung mit den Feinden nicht. Oberst Bauer hat es ausgesprochen, daß zwar nicht alle, aber doch einige der Alliierten von dem Kapp-Putsch wußten und ihn billigten. Die Triarier Ostpreußens suchen Verbindung mit den Polen; sie wollen lieber Vasallen des polni schen Staates sein, als Bürger des freien deut schen Volks st aakes. Die Kreise in Bayern knüpfen zynisch an den Napoleonischen Rheinbundgedanken an; Anlehnung an Frankreich, wenn sie als Lohn die Loslösung von Deutschland und die Angliederung Oesterreichs und Tirols erhalten. So Ist der deutsche Gedanke bet früheren Mitträgern der Vaterlandsparket entartet. Auch das Letzte, was wir aus diesem opferreichen Krieg« gerettet haben, die deutsche Einheit, wollen sie hingeben, um Ihrer selbsüchklgen, staatsfeindlichen Ziele willen. Der Kampf um diese Ziele führt durch ein Meer kostbaren deutschen Blutes. Man kann die tiefe Sehnsucht im deutschen Volke nach Ruhe, Ordnung und Sicherheit verstehen. Don ihr sind weite Kreise der Arbeiterschaft ebenso erfüllt, wie die der Bürgerschaft. Aber diese Sehnsucht wird weder erfüllt, wenn man tatenlos beiseite steht, noch wenn man unentwegt nach der Gewalt ruft, um die Unzu friedenen niederzuhalten. Mit Gewalt sind ans Unzufriedenen nicht Zufriedene zu machen; mit viel größerer Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen, daß die brutale Gewalt die Schar der Unzu friedenen vermehrt. Das liegt in der ganzen traurigen Lage, mit der doch schließlich jeder unzufrieden ist, die aber daraus ent stand, daß wir ein besiegtes Volk sind. Diese Tatsachen müssen erkannt werden, denn aus dieser Erkenntnis folgt die andere, daß keine Regierung, aus welchen Parteien auch immer sie gebildet sein mag, imstande wäre, bessere Doseinsbedingungen zu schaffen. Unsere traurige Lage ist doch die unmittelbare Folge einer geradezu gigantischen Gewaltpolitik, die alles Vertrauen in die Vernunft der Staatsleiter zerstört hat. Ist es denkbar, daß die gleiche Politik das Zerstörte wieder aufbauen kann? Es gehört die ganze Kraft einseitigen militärischen Denkens dazu, um das zu glauben. Nüchterne, politische Ueberlegung, die alle im Volke wir kenden Kräfte in ihre Berechnungen einstellt, wird anders urteilen. Mag ein Teil der Bürgerschaft, umgaukelt vom alten militärischen Geiste, hoffen, durch ihn und mit ihm die Kraft der Masten wieder brechen zu können, und sich deshalb den Parteien der Rechten wieder zuwenden. So groß wird dieser Teil nie wieder, daß er eine tragfähige Regierung bilden könnte. Eine Regierung, die das Vertrauen der Arbeiter, Angestellten und Beamten nicht hat, ist unmöglich. Das haben auch die Kapp und Lüttwitz erkannt und gar nicht gescheut, sogar mit den Unabhängigen zu verhandeln. In der Regierung muhten die Parteien der Rechten genau daS Gleiche tun, was viele Bürgerliche der Demokratischen Partet zum Vorwurf machen; mit den Mehrheitssozialisten zusammen gehn. Was gewinnt also dasBürgertum, wenn eS aus müder Verärgerung nach rechts wandert? Nichts! „ Aber welchen Gefahren setzt es sich aus? Jede Stärkung der Rechten ist eins Stärkung der militärischen Neben regierung. Der Kapp-Putsch ist zusammengebrochen, weil er nicht nur aus den Widerstand der gesamten Arbeitnehmerschaft, son dern auch den des fast gesamten Bürgertums stieß. Könnten die putschsüchtigen Militärs hoffen, daß der gegen sie gerichtete Wille des Bürgertums geschwächt wäre, so würden sie zu neuem Schlage ausholen. Dieser Schlag würde wieder automatisch den Generalstreik herbeiführen, aucy ohne besondere Aufforderung. Noch mehr, er würde den großen Teil der Arbeiter, Angestellten und Beamten, die bereit sind, aus der gegenwärtigen StaatS- grundlage mitzuarbeiten, in die Arme der Linksradikalen treiben. Ein Bürgerkrieg würde entfesselt werden, der auch die letzten Reste ' unseres Wirtschaftslebens vernichten würde. Mili tärische Putsche heben eben letzten Endes den Bolschewismus in den Sattel. Das hat sich im Ruhr gebiet gezeigt. Nichts hat den Bolschewismus in Rußland stärker gefördert, als die militärischen Unternehmungen zahlreicher ehr geiziger Generale. Sollten nicht gerade die Industriellen und Kaufleute die Ding« einmal auS diesen Gesichtspunkten erwägen und prüfen? Gerade von ihnen fordert allerdings die neue Entwicklung mancherlei Opfer, das sott nicht verkannt werden. Aus sie stürmen die Forderungen und Wünsche der Arbeiter und Ange stellten am stärksten ein, sie unterliegen daher am leichtesten den Eindrücken ihrer persönlichen Erfahrung, wenn sie nicht an daS Schicksal der Gesamtheit denken. Schließlich hängt aber auch