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Heinrich IV. im Bann. 49 36. Hier glaube ich, was ich oben aufgeschoben habe, nach holen zu müssen, daß das römische Reich, welches bei Daniel') mit dem Eisen verglichen wird, aus Eisen und Thon gemischte Füße hatte, bis es, durch den vom Berge ohne Hände losgerissenen Stein erschüttert, zusammenbrach. Tenn wie könnte ich — ohne einer bessern Ansicht vorzugreifen — unter dem ohne Hände los gerissenen Stein etwas anderes als die Kirche verstehen, den Leib ihres Hauptes, der ohne fleischliche Vermischung vom heiligen Geiste empfangen und von der Jungfrau geboren ward, die Kirche, die selbst auch ohne menschliches Zuthun und aus Geist und Wasser wiedergeboren wurde? Diese herrliche Jungfrau, weil sie ohne Flecken zu einem neuen Menschen wie eine junge Magd wieder geboren und deshalb ohne Runzel ist und so täglich Jungfrau bleibt, gebiert ein neues und schön gestaltetes Volk, wie die Mutter ihres Hauptes Jungfrau blieb gegen das Gesetz der Natur, und doch eine neue und schön gestaltete Frucht gebar, so über ihre Jungfräulichkeit sich freuend, daß sie doch nicht unfruchtbar bleibt. Dieses Reich also hat sie?)' gegen dessen Ende hin, worauf die Füße deuten, indem es eisern wegen des Krieges, thönern wegen seiner Beschaffenheit ist, an dem schwächeren Theile erschüttert, als sie den König der Stadt nicht wie den Herrn des Erdkreises zu ehren, sondern wie ein gemäß menschlicher Beschaffenheit aus Lehm gemachtes thönernes Geschöpf mit dem Schwert des Fluches zu treffen beschloß. Zu welch' großem Berge sie selbst aber, die vorher klein und niedrig war, emporgewachsen ist, können jetzt alle sehen. Wie großes Unheil aber, wie viel Kriege und Kriegs gefahren daraus gefolgt sind, wie oft das unglückliche Rom be lagert, genommen, geplündert, daß Papst über Papst wie König über König eingesetzt wurde, — dies zu erzählen widert mich an. Kurz, so viele Uebel, so viele Spaltungen, so viele Gefahren für Leib und Seele birgt dieser Wirbel des Sturmwinds in sich, daß I) Daniel 2, W ff. — 2) D. h. der Stein, den Otto als die Kirche deutet. — 8) Statt des unverständlichen und ungrammatischen ckoeuit ist die Lesart äocrerit vor- Luziehen. W. ^ Geschichtschreiber. Liefrg. 60. Otto v. Freising. 4