Vorrede zum sechsten Suche. Der selige Prophet sagt, indem er die unbeständigen und kläglich schwankenden Umläufe der Welt betrachtet und sie vor Allem mit dem Meere zu vergleichen für passend erachtet: „Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt es ohne Zahl, beide große und kleine Thiere" (Ps. 104, 25). Scheint dir denn nicht die Welt nach Art des Meeres mit den ihm eigenen stürmischen Zeiten gleichsam durch die Fluthungen ihrer Stürme den Untergang zu drohen? Und wie könnte ich die Menschen, die für hinfällige Ehren sich abmühen, anders als Gethiere des Meeres nennen? wo wir sehen, wie die kleineren von den größeren, die niedrigen von den mächtigeren verschlungen werden, und wie sie sich endlich selbst zerreißen, wenn sie andern Stoff nicht mehr finden. Daher auch jenes Wort: „In sich stürzt das Große zusammen." Dieses alles wird der verständige Leser in dem Gang dieser Geschichte finden. Die Bürger Christi nun müssen nicht nach Art der Rep tilien ins Meer tauchen oder den treulosen Stürmen desselben un vorsichtig sich anvertrauen, sondern müssen im Glauben auf dem Schiffe, d. h. dem Holze des Kreuzes fahren und ihre Hände in Liebesthätigkeit hier auf Erden üben, damit sie auf dem Wege dieses Lebens zuin Hafen des Vaterlandes sicher zu gelangen ver mögen. Wie nun das so kläglich getheilte Reich der Franken nicht nur das römische Kaiserthum, sondern auch einen Theil des Fran kenlandes und Galliens mit der Pfalz von Aachen verloren hat, das bleibt in diesem Buche zu erzählen. Geschichtschreiber. Liefrg. so. Otto v. Freising. I