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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.01.1918
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191801184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19180118
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19180118
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-01
- Tag 1918-01-18
-
Monat
1918-01
-
Jahr
1918
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Freitag, 18. Sarrrrar 1V18 Leipziger Tageblatt Abend-Aasgave. Sette S Ausblicke In die Zukunst Galiziens Di« Proklamation vom S. November, die den Aufbau eines selbständigen Polenstaates und di« Autonomie für Galizien ver sprachen, haben keineswegs einen allgemeine« EnchaslaSaurS anS- gelöft. WaS Galizien im besondere« augeht, so waren auch die österreichischen Polen anfangs wenig erbaut. El» Teil zeigte Ach enttäuscht und ernüchtert, ein anderer verhielt sich kühl und skeptisch stellte sofort Bedingungen, verlangte nationale Garan tie« innerhalb und außerhalb Galiziens. Der Deutsche DolkSrat für Galizien hatte schon früher eine .Denkschrift betreffend dt« Wünsche und Forderungen der Deutschen Galiziens' eingereicht. Jetzt tagten die Karpathendeutschen noch im November zu Wien und äußerten die Befürchtung, daß die Deutschen durch daS pri vilegierte Polenkmn vergewaltigt werden würden. Den schärfsten Widerspruch erhob die ukrainische Parlamentsvertretung. Sie erklärte die angekündigte Sonderstellung Galiziens als tiefste Verlefprng der ukrainischen Rechte und als Auslieferung des viertgröhlen Volkes der Monarchie an die unbeschränkte Herr schaft des nationalen Gegners; sie verlangte die Bildung eines besonderen ukrainischen Kronlandes. Das Mißlichste aber war, daß die österreichische Regierung selbst unsicher wurde. Der Ministerpräsident ZÜrber hatte am 27. November die galizische Proklamation als etwas Fertiges übernommen; er hatte dieses Erbe Stürgkhs nur widerwillig angetreten und, wie verlautet, in den Entwurf des kaiserlichen Handschreibens dös bedeutsame Wort .gesetzmäßig' eingefügt. Er wollte nicht gleich seinem Vor gänger mit Hilfe des H 14, d. h. ohne Parlament, im Verordnungs weg die einschneidenden Maßnahmen treffen. Das mit größten Hoffnungen allgemein begrüßte Ministerium Korber brach rasch zusammen. Körbers Nachfolger Llam-Martinitz nahm von An fang an eine unsichere, ja, wie es scheint, ratlose Haltung ein. Die Radikal-Deutschen verlangten Sonderstellung und Ausscheiden Galiziens aus den km Reichsrat vertretenen Ländern mit Hilfe des 8 14, andere Parteien dagegen begehrten vorerst die Einberufung des Relchsrats. Polen, Ruthenen, Deutsche waren eifrig mit Verhandlungen über Galizien beschäftigt. 3a die Ausschüsse des Polenklubs haben schon im Januar ihre Arbeiten abgeschlossen und die polni schen Wünsche der Wiener Regierung überreicht. Staats- männlsch klug haben sie sich rasch in die neuen Verhältnisse ge funden und unter vorläufigem Verzicht auf politische Vereinigung mit dem Königreich Polen einen maßgebenden Einfluß auf die positiven Ordnungen der Gegenwart zu gewinnen begonnen, ohne damit zukünftige Veränderungen zu verbauen. Da brachte im März 1917 die russische Revolution, ^er Sturz des Zarentums, eine unerwartete Wendung, militärisch sicherlich einen Gewinn für die Mittelmächte, poliliscy aber eine Fülle von neuen Schwierigkeiten. Die Verkündung der Völkerautonomie für alle Stämme des demokratischen Rußlands erregt eine neue Bewegung unter Polen und Ukrainern, löst die alten und neuen Sympathien für einen Anschluß an Oesterreich und die Mittel mächte, wirbt für eine Verbindung mit dem .demokratischen' Rußland und erweckt alte phantastische Großmachtpläne. Wieder steigen die Träume vom 3agellonenrcich auf uird daneben die Ge danken von der Aufrichtung eines Ukrainesiaakes unter völliger Mißachtung der gegenwärtigen politischen Grenzen. Vorkomm nisse in dem von Deutschen und Oesterreichern verwalteten Kon- greßpoien und besonders die Erklärungen der slawischen Parteien in. der ersten Sitzung des österreichischen Reichsrats am JO. Mai offenbaren Tendenzen, die die Lebcnsinteressen der verbündeten Mittelmächte gefährden. Die Lockungen der russischen Demo kratie beeinflusse,l verhängnisvoll die Bestrebungen der West slawen. So lebhaft die Deutschen das Erstehen eines selb ständigen Polens und einer selbständigen Ukraine begrüßen, so kräftig müssen sie aus wirtschaftlichen und politi schen Gründen eine engere Verbindung mit diesen Völkern zu erhalten und zu pflegen, ein Abschwenkcn zum Mcskowitertum zu verhindern suchen. Hier liegen die Gefahren, die Hoffnungen und Wünsche. Ein Zusammengehen der Ukrainer, der Polen und aller Westslawen mit den Mittelmächten entspricht den wahrsten Bedürfnissen dieser Völker ebenso wie denen ihres großen deutschen Nachbarn. Wird eine nicht allzu ferne Zukunft zu diesen Zielen führen? Erst allmählich werden die verschiedenen Forderungen, die einander widerstreikenden nationalen Bedürfnisse der Polen, der Ruthenen, der Deutschen, dazu die Erfordernisse des österreichischen und des deutschen Staaksgedankens in Uebereinstimmung zu bringen sein. Denn dazu gehören gegenseitiges Vertrauen und mancher Verzicht der einzelnen Völker. Diese Voraussetzungen wüsten erst gewonnen werden. Unser Zeitalter wird, wenn nicht alle Zeichen trügen, keine Aufteilung Galiziens unter einen ruthenischen und polnischen Staat vornehmen. Zunächst wird nur das augenblicklich Nötige und das durch die individuellen Zeltverhältnisse Gestattete und leicht Möglich« geregelt »«den, daS «ordere der Zukunft vo^ behalten werde». Von größter Wichtigkeit aber ist «S, daß bet den angenblich- Ücheu Ordnunge« auch daS i» weiterer Ferne stehend« Ziel nicht vergeßen «erd«. U«d deshalb muß bei« Ausbau d^ am 5. No vember verkündeten Nenordnmra l» Polen und in Galizien der Grundsatz durchaeführt werden: Keine Auslieferung einer Nation an die brutale Unterdrückung einer anderen; gleicher Schuh für alle. Die Worte d«S Handschreibens vom S. November, der Be völkerung GalizienS solle die Gewähr ihrer nationalen Ent faltung geboten werden, gelten für alle Völker GalizienS in gleicher dvetse, für Polen, Ruthenen, Deutsche. Daher ist die Teilung GalizienS in ein polnisches and in ein rukhenifcheS Kron land abzulehnen, denn das würde zu heftigsten nationalen Kämpfen Anlaß «eben. Deshalb ist eine Ordnung zu fordern, die alle welt lichen Minderheiten schützt. ES müssen vor allem Vorkehrungen getroffen werden, die jede Vergewaltigung des deutschen Ele ments unmöglich machen. Daher ist, das ist die wichtigste Aufgabe, das polnische Machtstreben von vornherein in feste Schranken zu bannen und seine Ausbreitung über weißrussisches, lettisches, ukrainisches und deutsches Gebiet zu verhindern. Denn diese Aus breitung würde nicht nur die Bedürfnlsssse der benachbarten Grobstaaten stören, sondern dem Grundsatz der Völkerautonomie schroff widersprechen. Ganz Mitteleuropa hat «in Interest« daran, daß Galizien, ein Land der verheißungsvollen Zukunft, ein Land der wichtigen Verbindung auf dem Wirtschaftsweg nach dem Südosten, zur Blüte gebracht werde*). *) Mit Erlaubnis des B bllographlschen Instituts in Leipzig und Wien dem soeben erschienenen zweiten Band des Werkes: .Der Krieg 1914/17' entnommen. Graf HerMrrq und die Friedensdedkite im Herrenhaus D Berlin, 18. Januar. (Drahkbericht unserer Berliner Schriftleitung.) Die „Norddeutsche Allgemeine Ztg." schreibt unter ihrem offiziösen Schriftzeichen: „Der Herr Reichskanzler und Ministerpräsident Graf von Hert.ing empfing heute eine Abordnung der konservativen Fraktion des Herrenhauses zu einer Besprechung über schwebende politische Fragen." Bei der Gelegenheit wird wohl der Verzicht auf die Friedens aussprache des Herrenhauses entschieden worden sein. Jur Entsendung des Grafen Podewils (D Berlin, 18. Januar. (Drahkbericht unserer Berliner Schriftleitung.f Die Entsendung eines besonderen bayrischen Ver treters nach Brest-Litowsk hat hier und da verwundertes Kopsichütleln erregt, und man w.rü schon gestrhen dürfen: sonderlich sympathisch be rührt diese Betonung des bayrischen Reservairechies nicht. Man möchte in diesen Zähren gemeinsamen Kampfes und gemeinsamer Nöte, wo daS Reich durchaus als einheitliche Organisation gewirkt hat, nicht so aufdringlich an dessen bundesstaailichen Charak ter erinnert werden, Indes muß man die Menschen und auch die deutschen Stämme nehmen, wie sie nun einmal sind. Wer sich der Ent- siehung'g.'schichts des Deutschen Reiches erinnert, weih, mit welch un- jägltchcr Mühsal die Verträge von 1870 zustande gekommen sind und welche Zugeständnisse an die bayrische Eigenliebe und manchmal auch an die bayrische Eitelkeit damals gemacht werden muhten. Die Be rechtigung, bei Verhandlungen über den Frieden durch einen eigenen Abgesandten vertreten zu sein, ist eins von diesen Zugeständnissen, übrigens äo kaeto, ein ganz unschuldiges: denn auch Gras Podewils wurde vom Reichskanzler instruiert, und jede Abweichung von den für die anderen deutschen Unterhändler gegebenen Richtlinien ist ausge- fchlossen. . Nürnberg erhöht den Straßenbahntnrif Nürnberg, 18. Januar. (Eigener Drahkbericht.) Die städtischen Kollegien in Nürnberg beschlossen die Hinauf setzung sämtlicher Straßenbahnpreise (neuer mindestens IS Pfennig, während der alte 10 Pfennig war) ebenso die Preise für Gas, Elektrizität, Wasser, Bäder, Kehrtcytabfuhr usw. Die jährliche Mehreinnahme hierfür wird aus rund 4 Millionen Mark veranschlagt. Die Störungen im sächsischen Fernverkehr Dresden, 17. Januar. Das Kaiserlich« Fernsprechamt in Dresden teilt mit: Die gestrige» Stürme Haden abermals zahlreiche Störungen in den Fernsprechleitungen verursacht. Da auch die in tehker Zeit durch Rauhfrost und Schneestürme herbeigeführten Stangen- und Drahtbrüche noch nicht endgültig wieder hergestelll sind, ist der Sprechverkehr zwischen Dresden und Leipzig und Hamburg sowie in der Richtung Bautzen, Zittau, Görlitz, Breslau, Freiberg und Chemnitz teils ganz unter brochen, teils erheblichen Verzögerungen ausgesetzt. Durch diese und die in anderen Gegenden bestehenden LeitungSslörungen ist ferner der Sprechverkehr zwischen Sachsen und Thüringen, Bayern und dem Westen nur in ganz beschränktem Mähe möglich. Die Beseitigung der Störungen ist im Gange. Letzte MhtNiWten Der Sowjet lätzt den König von Rumänien verhafte« Bafel, 18. Jam»«. (Eigener Drahtberlchl.) .Neuler" berichtet a»S Petersburg: Di« Volkskommissare habe« am Sonnabrnb die Verhaftung des Königs von Rn- «änie« verfügt -er »ach Petersburg geführt wurde. KSt». IS. 2a»,mr. (Eigener Drahtberich 1.) Die „Kdlu. Volkszlg." erfährt von sehr geschätzter zuverlässiger Seite voa ei««« aus Stockholm zarückkehrenden Gewährsmann«, der mit ei«», de» linksstehenden russischen Parteien angehörenden Raffe» el» «l» gehendes Gespräch hatte: Die mit ihren Waffen von der FroM entlassenen Soldaten haben die Gewalt. Sie ermorden ihre Offiziere and stellen jede» Widerspenstigen kalt. 2m Anfang der Bolschewlkt- bewegvng ging es oerhüllnismäßig ordentlich zu, jetzt mache« betrunkene, bewaffnete Soldaten was fie wolle», rauben and plündern. Die eigenllichen Arbeiter and Bauern erkenne», daß das Bolschewiklreglment zu keinem guten Ende führen Kan«. Sie stehen keineswegs auf ihrer Seite, ebensowenig wie die Ukraine und der Kakausus. Das Schreckentrepiment bewirkt, daß keine Aeußerrm- gen von Leute», d'e früher im öffentlichen Leben gestanden haben, vev- nomnien werden, Jeder fürchtet für sein Leben. KersnskL w?Ä sich rechtfertigen Stockholm, 18. Januar. (Eigener Drahtderichk.) LaM „Djen" trafen in Petersburg neue Nachrichten voa Kerenski el«. Dieser teilte mit, daß er sich wohl befinde, sein ausführlicher Bericht über seine Tätigkeit als Justizminister, KriegSm nlsler und Regieruags- oberkaupl sei nahezu vollendet. Das Blatt wiederholt, daß Kerenski in der gesetzgebenden Versammlung seine Rechtfertl« gungSschrist selbst verlesen werde. Eme Schlacht in Odessa Basel, 18. Januar. (Eigener Drahtbeeichts Nach einer Pariser Hava -Meldung aas PeksrShurq ist in de» Straße» voa Odessa eine Schlacht zwischen Ukrainer» »»- maximalistischen Trappen eatdrannt. Die Ukrainer hallen die Theater und die Gebäude der Nada besetzt. Das Gewehr feuer hat sich ans die ganze Skadi ausgedehnt. Der Kreuzer „Siaope- und andere Schiffe find in die Häfen ringe fahren und Hoden das Fever eröffnet. SmDeutfcher inFrankrelch zumTode verurteilt Bern. 19. Januar. (Eigener Drahtberich t.) Der Deutsche Olten, der früher in Gens lebte, ist in Frankreich vom Kriegsgericht wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt worden. Olten wurde seinerzeit in Gens aus ein Motorboot gelockt, dort betäubt und an das gegenüberliegende französische Ufer gebracht. Hochwasser in Westdeutschland Bingen a. Rh„ 17. Januar. (E i g. D r a h t b e r i ch t.) Der Rheftl und seine Nebenflüsse führen Hochwasser. Der Kölner Pegel stieg vo» Mittwoch zum Donnerstag um 4'- Meter. DaS Hochwasser des Rhens hat großen Schaden in de, Fabrik Vallendar angerichtet, wo 1000 Fässer Marmelade fortgeschwemmt worden sind. Kastel, 17. Januar. Die Schneeschmelze und die reichlichen Regen fälle der letzten Tage haben die Flüsse In Kurhessen beträchtlich an schwellen lasten. Die Lahn hat mehrere Dörfer durch Ueberschwem- mang vom Verkehr völlig abgesperrt. Auch die Werra führt Hoch wasser. Besonders gefahrdrohend steigt die Fulda, die zudem aus der Eder starken Zufluß erhält. Heute nacht wurden mehrere Straßen > der Kasseler Altstadt überschwemmt, io daß der Fußgängerverkehr völlig stockte. Stellenweise schlägt mm, Brücken. Die Keller jener Gegend stehen unter Wasser. Ein Soldat wird vermißt. Man glaubt, daß er ertrunken ,st. Jena, 18. Januar. 2m Saalegebie ist gestern unerwartet starkes Hochwasser emgetretcn. Weite Gebiete sind überschwemmt; viele OrtS- verbtndungen unterbrochen. In Jena sind ganze Stadtteile über schwemmt. Zahlreiche Häuser stehen, unter Wasser. Der Verkehr wird durch Notbrücken und Kähne aufrechterhalten. - dvotixoo UsrNasr »ürv, MoU <U» Uur» UV 8r»pUt»oli« u o 8» v ioil^vaetr! voräva vorder O«I<1 vorn«» OestorroloU- Lei«» Ur« 1ioI6 irrt«» UoII«a<j . . 215,50 216 — 213.0 216,- «.4S5 86.5» 15256 1 3 1525» 153 — Notednr'i, . «6 86^ «6 XL -«Kurien . »632, 16! 7. »i3 2, : 63,75 konntLottnon. 18.S5 IS.« 18.3V »81 2 > 18! 75 1512. 16175 Lvimiso 117,56 11LS6 117,50 IIS,so »12 50 ! 12 7^ >12,53 112.75 Hauptschriftletter: Dr. Erich Everth. S»kI,N«N«k IS» P-Nltk Sv»,,. »«, -«adsttMn«, Veilh« Schind««»: i»r L»I»Ua«r, iüchNich« Aagelig-nv«»«» an» »«rtchl p«Ila«d: «ük «»,« «ad -t0ll>«licha» V». g»i«d»Ich S«dr«ch»> «St Mostd «»,»» S«,»<dr i« V,«»^ »Sd« «ck V«kd«d, v». «r»k> Sch«!»«». — S»' »«« V«l»»tch »«»1«. Drvck »d vertag: leipziger ^aaevlall Dr. Hetadolv L t» "EtpItA, Berit,« Schrtftlfittvng; Dk Ntcharö Bsch» S-rtstl*U«G B«— Vchsiz«. Mathilde Fandreys neue Ehe ISj Roman von Kurt Moreck. iRachdnrch o«rdoI«»Z Siebentes Kapitel. Es war auf Haus Fandrey eine bäuerliche Gewohnheit, daß man um 12 Uhr zu Mittag speiste. Niemand war cs eingefallen, von dieser Gewohnheit abzuweichen. Sons! erschien Mathilde meist erst, wenn das erste Zeichen rief, unten im Hause. Aber seit einiger Zeit war sie eine der ersten, mit denen das Leben im Hause erwachte. Wie die Dämmerung begann, war es mit ihrem Schlaf vorbei, obschon sie abends nicht einschlafen konnte. Ls iftüf nichts, daß sie die Laden schloß und die Gardine!» zuzog; dos machte die Schwüle im Zimmer nur unerträglicher-und peinigen der, und sie glaubte, nicht atmen zu können. Dann lag sie in der Frühe, schob die weißen Arme unter den Nacken und starrte gegen die blasse Decke, um die ein schmaler Goldrand lief. Und sie war tete darauf, daß es Tag würde. Aber auch der war nicht bester. Unausgeschlafen, war sie am Morgen nervös und gereizt, und der Mittag machte sie mit seiner Glut schlaff und elend. Erst gegen Abend wurde es besser; aber sie sah doch ein, daß diese Störungen auf die Dauer unerträglich werden Mühlen. Die kurzen Stunden des Schlafes wurden da^i noch von Träumen beherrscht, in denen sie selbst eine große Rolle spielte. Sie erinnerte sich dieser unverständlichen, vielfach verschlungenen und beziehungslosen Geschehnisse zwar nicht deutlich, aber soviel war ihr doch klar, daß sie selbst darin eine wildbewegte, abenteuer liche Existenz führte. Manches, was in diesen gegenwärtigen Tagen gewesen war, kam darin wieder, gleichsam als ein Aus gangspunkt oder als ein Bindeglied zwischen der ruhig ver laufenen wirklichen Vergangenheit und den bunten Traum abenteuerlichkeiten, die wie die Spiegelungen einer phantastischen Zukunft erschienen. So geschah es zum Beispiel, daß sie in ihrem Traum aus dem Haufe auf die Terrasse trat. Sie hatte nur die weißen Halb schuhe und ein ganz leichtes, weißes Kleid auf der bloßen Haut, weil sie zum Baden gehen wollte. Aus der Terrasse saßen Maren und Christoph und unten spielte Wolfaang mit der Gouvernante Bast. Irgendwoher trat plötzlich Norbert und küßte sie. Dann aing sie hinunter, durch den Park, der ganz still und schattig war. Auf den Rasenstücken brannten die Farben der Beeke. Sie ging langsam, denn sie batte ja Zeit, un- im Gehen fuhr sie mit -er Hand durch das warme Laub. Obschon sie baden wollte, schritt sie doch am Weiher vorbei, denn plötzlich hatte sie das Gefühl, daß jemand am Ende des Gartens sie erwarte. Und bald darauf sah sie jemanden unter einem Baume stehen. Er trug einen weißen Anzug und sein Gesicht war gelb. Als sie näher kam, er kannte sie Arrhenius in ihm. Da stand er schon bei ihr un küßte sie. Sie hing sich an seinen Arm, schmiegte ihre Gestalt an die seine, und in einem Rhythmus schritten sie dahin. Es war noch immer der Park, und nun kamen sie beide zu den» kleinen Pavillon mit der morgenländischen, bunten Bemalung. Arrhenius öffnete die Türe, sie träte»» ein. Aber jetzt war es gar nicht mehr der Pavillon im Garten des Hauses Fandrey; eS war ein weiter Saal voll Musik, Licht und Tanz. Von der Wärme, der Helle und dem lauten Wesen der Menge betäubt, fühlte sie sich von Arrhenlus' Seite und in den Arin eines Fremden gerissen, der sie in einen ausgelassenen, wilden Tanz zog. Eine unheimliche Angst lähmte sie; sie sah in lauter fremden, heißen, grinsenden Gesichtern nur hämische Freude an ihrer Hilflosigkeit; sie wollte scbreien, aber die Stimme versagte ihr, und der feurige Rhythmus der Musik riß sie hin. Sie war plötzlich wie trunken und taumelte willenlos aus Arm in Arm und wirbelte durch den Saal, der kein Ende nehmen wollte. Arrhenius sah sic nicht mehr. Von überall her griffen die Hände nach ihr, um sie zu erfassen, und sie fürchtete sich, weil sie nur das dünne Kleid und die weißen Schuhe anhatte. Auch andere Frauen erblickte sie unter den Tanzenden, aber sie trugen ein abenteuerliches, wildes Wesen zur Schau, und ihre Gebärden waren lüstern und verworfen. Endlich ruhte sie, vom Rosetanz erschöpft, mit fliegender Brust am Arm eines Mannes aus; als er den Kopf zu ihr senkte, hatte er Norberts Gesicht. Doch im nächsten Augenblicke entglitt sie ihm an einen Fremden und wieder weiter zu einem andern, der Arrhenius' Züge trug. So ging ihr peinigender Tanz weiter, bis alles ein roter, rau schender Nebel um sie war. An ihrem Entsetzen erwachte sie, einen ungelösten Schrei wie einen Knebel in der Kehle. Solches kam jetzt häufig vor. Manche Träume wieder holten sich auch in wenig veränderter Form. Es war, als lebte sie zur Nacht ein anderes Leben. Spiegelten die Träume ein Leben, wie ihre unbewußten Wünsche und schmachtenden Sinne es sich ersehnten? Wenn sic dann mit Morgendämmern aofwachte, ohne Schlaf lag und den mit fohlen Lichtern aufqllmmenden Tag das Zimmer langsam erfüllen sah. dann dachte sie diese kühnen, verwegenen Träume zr» Ende. Vlel beschäfttaten sich bann ihre Gedanken mit Arrhenlus, -er ganz plötzlich wieder in ihren Gesichtskreis ge treten war. Ein sonderbares Spiel spielten oft dle Träume, indem Mathilde einem Manne mit Norberts Zügen begegnete, an seiner Seite ging, sich von ihm umarmt und geküßt fühlte, und plötzlich wechselten diese dann, und es war Arrhenius' Gesicht. Daran denkend, schloß sie dle Augen; sie hatte mehr Lust und Wärme empfunden, als Arrhenius Gesicht sich über sie bog, denn bei Norberts Kuß. Und sie spielte mit dem Gedanken, Arrhenius liebe sie, er gestehe ihr draußen in der Heimlichkeit des Parkes an einem Sommerabend seine heftige Leidenschaft und bewege sie, mit ihm zu fliehen. Sie dachte sich das alles aus wie ein kleines Mädchen, das wach von seinem ersten Geliebten träumt. Sie verlor die Empfindung für den Unterschied von Traum und Wirklichkeit und alles spielte in ihrer Phantasie ineinander über. Einmal hatte sie es versucht; dann fand fie in diesem Ge danken, in dieser Vorstellung soviel Lockendes, daß sie es öfter wiederholte, sich das ausmalen: sie und Arrhenius. In ihren Mädchenjahre»» war sie so klug gewesen, zu klug für diese Zeit; darum mußte sie ihre Torheiten jetzt noch begehen. So betrach tete sie eS, wenn sie ausgestanden und angekleidet war. Aufgestanden und angekleidet war sie eine andere Mathilde, eine ganz andere als die, weiche die Arme unter den Nacken geschoben, ihre nächtlich abenteuerlichen Träumen welterlebte. Dann war sic wieder ganz klug und besonnen, verwarf eS, so sinnlosen Gedanken nachzuschwärmen, und wußte, waS man tat und waS die Haltung erforderte. Auch dann dachte sie häufig an Arrhenius; aber doch nur mit den» stillen, herzlichen Wunsche, daß er kommen und ein wenig Abwechselung in diese sommerliche Einförmigkeit bringen möge. Mathilde hatte ihn vergebens erwartet; es war eine Woche vergangen, seit Norbert von seiner Begegnung mit Arrhenius ge sprochen. Vielleicht hatte dieser sich kurz entschlossen und war abgereist, ehe er einen Besuch aus Haus Fandrey machen konnte. Er hatte ihr ja erzählt, daß er selten lange Vorbereltungen trefte, weil das sich zum Reisen verhalte, wie der Orchesterlärm vor Be ginn der Ouvertüre zur Opernmuslk. Es waren ihr lange Tage gewesen. Dle Hitze hatte nicht nach gelassen, wenn auch ein paar Gewitter brüllend und nässend über die Gegend gepannen. Der durstige Bode,» schluckte die Feuch tigkeit gierig ein, and nach ein oaar Stunden Sonnenscheins wölkte schon wieder Staub bei jedem Schritt auf den Wegen. Der Park hatte selbst abends kaum Kühle. Er war wie eii» zerwühltes Bett, in dem der heiße, träge Tag mit schweren Gliedern geschlafen. (Fortsetzung in der nächsten Abend-Außgabe)
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