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Z^nton Lruelrners letzte 0kri8tnaekt in 8t. blorisn Anton Bruckner fichr nach einer Besserung sei nes Befindens über Weihnachten nach St. Florian. Hier ivohnte der sonderbare alte Herr mit den überiveiten, seine abgezehrte Gestalt schlotternd umgebenden Kleidern, den die Sängerknaben des Stiftes mit scheuer Ehrfurcht ansahen, der Christ- bescherung im grossen Musiksaal bei, stand an dein langen Gabentisch neben der mächtigen Weihnachts tanne und erinnerte sich seiner eigenen, lang ent- schmundenen Kindhettstage in der Heimat. — Ebenso ivie die Jungen da glückselig ihre Ge- chenke entgegennahmen — er hatte für feden von hnen ein Geldtäschchen mitgebracht, in dem ein unkelnagelneuer Biertelgulden blitzte —, harrte auch er oftmals Im Stifte der Weihnachtsbesche rung. Und dann enttaitchte der Erinnerung das Bild der ersten Christnacht in St. Florian, im Schulhaus im Markt und nachher im Hollen Dom. . . — Inzwischen hoben die Stiftsglocken ihren Weihnachtsgesang an. Dumpf und dröhnend und hell und singend, machtvoll erschallend und zu feierlichen Akkorden verschmelzend, verkündeten sie die Botschaft von der Erdenankunft des Erlösers. — Nun gingen auch die Sängerknaben in die Kirche hinüber, und Meister Bruckner begab sich auf das Chor der grotzen Orgel. Dort verweilte er die ganze Weihnachtsmette betend an der Chor brüstung. — Eine selige Entrückung sing ihn ein. Auch dies mal dünkte es ihm, als sehe er den Himmel offen, wie einstmals, da er als Knabe die erste Florianer Christnacht erlebt. Auch diesmal glaubte er das heilige Kind zu sehen. Es streckte wieder seine Händchen aus. Doch nicht mehr tröstend, segnend, sondern verlangend, rufend, .einladend . . . Ver zückt verfolgte er die heilige Gebärde und ward indessen nicht gewahr, das; die Mette ihrem Ende zustrebte. Erst als unten beim Altar der letzte Lobgesang ertönte, fand er sich in die Wirklichkeit zurück und trat an den Spieltisch. — Was dann folgte, ivar eine Improvisation von solcher Gröhe und Gewalt, wie man sie selbst von Anton Bruckner selten gehört hatte. Immer neue musikalische Gedanken schienen ihn zu bewegen, immer neue musikalische Bilder von eigenartiger Schönheit und Pracht entströmten dem königlichen Instrument, schier ohne Ende. Es dünkte, als könne sich der Meister von der geliebten Orgel nicht tren nen. Endlich verliehen die Andächtigen, die lange wartend verblieben, langsam und zögernd das Gotteshaus. Die Lichter vor dem Altar erloschen. Selbst die Engelchen am Vorbau der Orgel lächelten bereits ein wenig schlummersiichtig. Da lieh Bruckner noch einmal das volle Werk erbrausen und den Schluhakkord unendlich lang verklingen. Sonach schritt er einsam und wie ein Träumender hinab und vor die Kirchenpsorte. Eine wundervolle Winternacht mn« fing ihn da. Die Luft war glasklar, und am samtschwarzen Fir mament funkelten unzählige Sterne. Angesichts des schimmern den Sternengewölbes schlich es sich wie eine Ahnung in des Meisters Herz und verdichtete sich zur Gewihheit. Jetzt erst ver stand er voll und ganz die einladende Gebärde des heiligen Kindes! Er wuhte plötzlich, dah er seine letzte Weihnacht in „LtiNe Insekt, kettige I^aekt" Heliogravüre von Lruno Aveiener St. Florian verlebt und seinen Abschied von der grohen Orgel und der Heimat genommen hatte. — Nun vermochte er sich im dritten Satz seiner „Neunten" von allem Irdischen loszuringen, von Erdenfesseln frcizumachcn, bereit, die Himmelsleiter, die er in diesem Satz schon halb emporgestiegen. ganz zu erklimmen. Alles versank, was ihn» die Eide als schätzenswert gezeigt. Nur eines blieb: die Pflicht. Die heilige Verpflichtung, sein Lebensiverk, das ihm Gott auf erlegte, ganz zu vollenden und seine „Neunte" mit einem wür digen Finale zu bekrönen. (Aus „Bruckner — Der Roman der Sinfonie" von L. G. Bachmann. Verlag Ferd. Schöningh, Paderborn. Geb. 5,80 NM.) Oss ^Veiknsekt8ke8t im Krsnre 86mer Litten und Lräueke Wie einst in der stillen heiligen Nacht der sich Uber Beth lehems Flnren wölbende Sternenhimmel plötzlich in lichtem Gtaiue erstrahlte, wie selige Geister von Stern zu Stern zu den' ^dorrenden Blumen einer nach der ewigen Wahrheit durstenden Menschheit herniederschwebten, so ist auch heute wieder die Nacht der Weihe, die Nacht des göttlichen Segens angebrochen, die uns emporweist zu der unerschövslichen himm lischen Liebe, zu der majestätischen Unermehlichkeit des ewigen Friedens . . . Wie einst das Leuchten eines überirdischen Lichtstrahles dgs Düster der dunkeln Nacht jäh zerrissen Kat, so ist das Licht das Symbol des Weihnachtsfestes geblieben und spielt bei der Ausgestaltung des Festes eine »rotze Rolle. Das Licht ist das Zeichen der hell strahlenden göttlichen Liebe, die der Menschheit nun erschienen ist. Als Kern des Festglanzes und der Festfreude erstrahlt nun wieder der Christbau m , dieser würzig duftende Baum aus dem deutschen Wald, der mit allerlei hübschen Dingen verziert und vor allem mit den ge heimnisvoll knisternden und flimmernden Kerzen besteckt ist, der in Palästen und Hütten, in Gotteshäusern und auk freien Plätzen seine Lichtgarben ausschüttet. Das Weihnachtsfcst ist ein echt deutsches Fami lienfest. Bereits seit Wochen wird gebastelt und gewerkt, wird eingckouft und vorbereitet, um die Gaben für den Weih nachtstisch zu beschaffen und auch teilweise selbst hcrzustcllcn, nm die Weihnachtskrippe aufzubauen und herzurichtcn. Denn beim Weihnachtsfcst soll auch die C h r i st b e s ch e r u n g nicht fehlen. Denn an diesem Feste der Liebe weiss man sich gegen seitig mit Freuen und Erfreuen, mit zarten Beweisen der Güte und Zuneigung kaum genug zu tun. Wie heute eine weitverzweigte und Uber die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus berühmte Spielwarcnindustrie den Gabentisch der Kin der mit den köstlichsten Dingen auszustatten vermag, so pflegte man früher vielfach die noch bescheideneren Geschenke auf den WeIhnachtsmärkten zu beschaffen. So zog zur Eröff nung des bekannten Berliner Weihnachtsmarktes der „Weih nachtsmann" unter dem Jubel der ihn umringenden Kinder schar durch das Brandenburger Tor die Linden entlang zum Lustgarten, wo er sich auch weiter noch für das Winterhilss- wcrk einsetzte. Wie man an diesem Feste der Liebe und Freude In erster Linie der nächsten Verwandten und Bekannten gedenkt, so geht in manchen Gegenden unseres Vaterlandes ein alter Brauch über diesen begrenzten Kreis hinaus und zieht die Bedürftigen in die Freude des Gebens hinein. So wurde früher bei der Bescherung eine besondere Schüssel für die Armen, die „Gottesschiissel", aufgestellt oder es wurde von den besten Speisen des Festmahles ein Teil in die „Gottesschiissel" gelegt und den Armen überbracht; manchmal wurde auch ein Bedürf tiger zum Mahle geladen und durch den Ehrenplatz an der Tafel ausgezeichnet. Abgesehen von solchen zum Teil noch erhaltenen Bräuchen gehört es zu einer wahren Begehung dieses Festes der Liebe, datz man die armen Volksgenosse« nicht vergiht. indem man entweder selbst in. den Hütten der Bedürftigen den Christbaum entzündet oder sich wenigstens an den grohen Hilfswerken, wie dem Winterhilfswerk des deut schen Volkes, nach seinem Können beteiligt. Auch die Gräber der Lieben werden in manchen Gegen den in der heiligen Nacht mit Tannenzweigen, mit kerzen geschmückten Christbäumchen geschmückt, um so das Band der Liel>e und der Sippengemeinschaft um die Abgestorbenen zu schlingen und auch sie an der reichen Gnadcnsülle des Weih- nachtsglückes tcilhaben zu lassen. Schliehlich noch ein stilles Gebet für die einsamen Schläfer weih die dunkle Grabesnacht zu lichter Freude zu erhellen. Die heilige Nacht hat sich mit ihrem geheimnisvollen Zau ber herabgescnkt. Wiederum erklingen angesichts des geheim nisvoll strahlenden Christbaumes die altvertrauten Volks lieder und die sinnigen Kirchenlieder, die schon vorher wocl-enlang in der erwartungsfrohen Zeit des Advent gesungen wurden, und vereinigen sich in der heiligen Nacht zu jubelnden Machtakkordcn und wissen in unseren Herzen die freundlich schönen Erinnerungen zu wecken, die sich weiterspinncn durch die Jahre des Lebens hindurch, bis auch uns wie einstmals die Hirten auf dem Felde der Kell leuchtende Stern der heiligen Nackt hinführt zur Weiknachtskrippe. Dor deutsche Weihnachts gesang. der am volkstümlichsten und am weitesten verbreitet ist, ist die tiefinnerliche Weise des Liedes „Stille Nacht, heilige Nacht . . .". das von dem Organisten Franz Gruber am 24 De zember 1818 vertont und zum ersten Male am Abend dieses Tages in seiner ursprünglichen Gestalt von sechs Strophen in der Pfarrkirche St. Nicola in Oberndorf gesungen worden ist; das herrliche Lied ist allerdings erst im Jahre 1840 im Druck erschienen. Ein gern geübter Brauch war und ist das gemein same Absingen von Wc i h n a ch t s l i e d e rn. So hat man im Jahre 1984 in der Nicolaikirchc zu Berlin das soge nannte „Qneiistms-Singen" wieder cingcsührt. Diese Bezcich nung ist aus den Anfangsworten des Liedes „Quem pastorcm laudavere" entstanden. Wie in früherer Zeit üblich gewesen, haben sich auch in Berlin die jugendlichen Sänger ihre „Quem- pas-Heste" selbst verfertigt und mit zeichnerischem Schmuck versehen. Während des Singens halten sie brennende Kerzen in der Hand, deren Schutzhüllen die jungen Sänger mit Sch- rcnschnitten von Darstellungen aus der Weihnachtsgeschichte und Weihnachtssymbolen versehen haben. Die schon seit dem 0. Jahrhundert übliche dreifache Opserfeier in der heiligen Nacht — die Christmette, das Hirtcnamt und das durch den Prolog des Johannes-Evange liums die Geburt Gottes aus dem Sohn feiernde Hocl-amt — geht weiter noch zurück auf den mitternächtlichen Gottesdienst, der in der Geburtsgrotte von Bethlehem abgehalten worden ist. Am frühen Ntvrgen zog man zum Gottesdienst in der Auf erstehungskirche in Jerusalem und versammelte sich schliehlich zuletzt noch in der Konstanttnischen Basilika. Die zahlreichen Weihnachtslieder und Weihnachtslegenden haben dem zum Dramatischen neigenden Mittelalter Anlatz und Motiv gegeben, dem Weihnachtsgedanken in Umzügen, in Weih nachts- und K r i p p e n s p i e l e n sinnfälligen und plastischen Ausdruck zu verleihen und darin auch deutsches Gedankengut zu verweben. Denn das Volk vermag die Heils geschichte im Spiel leichter zu erfassen und sucht sie aus solche plastische Weise mitzuerleben Aus den Wechselreden und Wech selgesängen hatte sich unter gleichzeitigen Bewegungen und Handlungen die dramatische Szene herausgeschält. Auch die ansängliche Scheu vor der Heiligkeit des Gottessohnes und seiner hehren Mutter, die man nicht darzustellen wagte, wutzte man mit der Zeit zu überwinden. Indem man das Ernste mit dem Heiteren zu verbinden und lustige Jahrmarkts- und Lärmszenen in das erbauliche Spiel einzubeziehen wutzte. er zielte man einen eigenartigen und lebensvollen Volksstil. Der grösste Teil dieser Weihnachtsspiele, mit denen meist noch die Dceikönigshandlung und das Herodesspiel verbunden worden ist. ist im 11. Jahrhundert entstanden, der Zeit der »rotzen religiösen Einkehr und Umkehr, in der man auch durch starke äutzcre Mittel die Gemüter auszurülteln suchte. Von den alten Krippe «spielen haben sich noch manche in Sachsen, Schlesien, Oesterreich und vor allem unter dem Auslandsdeutschtum erhalten. 'Mit den sogenannten „Christsahrten", bei denen Knecht Ruprecht meist eine komische Gestalt ist, verbindet sich in Sachsen wie in Schlesien ein Christgeburtsspiel, das in seiner weiteren Ausgestaltung „Engel schar" genannt wird. Die Vereinigung von Christgeburtsspiel und Dreikönigsspiel heisst „Königsschar". Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die „Meltenspiele" sehr volkstümlich, in denen als Engel und Hirten verkleidete Kinder Weihnachts lieder absangen und um eine kleine Krippe herumtanzten. Im Westen unseres Vaterlandes hat sich besonders das Dreikönigs und Sternensingen bis in unsere Tage erhalten. Auch die Weihnachtskrippe weist in sprechender Weise aus den religiösen Inhalt des Festes hin. Die liebliche Sitte der Weihnachtskrippen ist in Italien entstanden, als im Jahre 1223 St. Franziskus von Assisi mit Erlaubnis des Pap stes mit diesem schönen Brauch begonnen und dadurch das Wcihnachtsfest volkstümlich gemacht hat. Die Krippen werden in recht mühseliger Arbeit von all den Bastlern und Schnitzern meist selbst hcrgestellt. In der Heimat der Schnitzer, im Säch sischen und Erzgebirgischen, werden in ost jahrelanger Arbeit die sogenannten „Weihnachtsberge" aufgebaut und in der Zeit von Weihnachten bis Epiphanias aufgestellt. Währeno die klei nen in den Wohnungen die Zimmcrecken aussüllen, können die »rotzen „Vereinsberge", die als Gemeinschastscrzeugnisse von Schniheruereinigungen zu gelten haben, bei ihren ost ganz gewaltigen Ausmatzcn nur in grötzeren Räumen Unterkunft finden. Diese „Weihnachtsberge" stellen nicht immer Weih nachtskrippen allein dar, sondern sind häusig umsangreiche Wiedergaben der heimatlichen Gegend, in der aber doch meist der religiösen Einstellung des Schöpfers entsprechend ein« Krippenszene an irgendeiner Stelle eingefügt ist. Hal sich die heilige Nacht, die geheimnisvolle Nacht der Wunder, in der das Wunder aller Wunder, die Menschwerdung Christi, geschehen ist, hcrabgesenlst, dann geht es wie ein ver- Kattenes Erwarten über die Menschen, die Natur scheint den Atem anzuhalten. Nach einer uralten und auch heute noch teilweise gellenden Bolksmeinung steht die Sonne zur Win- tersonnwcnde eine Stunde still, es ruht die Zeit, und es weht der Hauch der Ewigkeit. Aus dem Meer der Zeiten steigt die längst vergessene Vergangenheit wieder aut, längst zerfallene Kirchen und Burgen erheben sich plötzlich wieder aus Schutt und Asche und mit ihnen all die Menschen schon verklungener Tage. Es ist die uralte Sage von den Geisterkirchen und den Geisterburgen . . . Dann wandelt das Christkindlein selbst, wie cs so sinnig eine alte Legende zu schildern weitz, über die Gcsildc der Menschen dahin, alles mit seinen heilig-zarten Händen segnend, Mensch und Getier, Blume und Strauch. Um an diesen Segenskrästcn der heiligen Nacht teilzuhaben, pslegt man nach altem Brauch mancherorts Brot und Salz, auch Korn und Hou vor das Fenster zu stellen. Am Weihnachtsmorgen wird dann das Brot, das das vorüberziehende Christkind ge segnet hat. in der Familie verteilt, von dem gesegneten Salz wird der Rest in der Vorratskammer verwahrt. Korn und Heu bekommt schlietzlich das Vieh im Stall, damit auch alle clwas vom Segen dieser Nacht verspüren können. Ein geheimnisvolles Leben und Weben durchzittert Vies« Nacht der Wunder, in der nach der Legende „Honig vom Hiin- mel träufelt", in der plötzlich die Blumen ihre Knospenhiillen sprengen und die Bäume Früchte treiben. Die unvernünftige Kreatur bekommt in der „Heiligen Stunde'^ <d. i. von 12 bi» 1 Uhr nachtss das ihr versagte Gut der Sprachedie Tiere beginnen auf einmal in ihren Ställen zu reden und vermöge» sogar die Zukunft zu künden. Es ist die Nacht der Wunder, die stille, heilige Nacht . . , Dr. W. R. KireliLsnL am tteMßen ?1kenü Hoirscbnitt von Oeo D/roller