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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.09.1917
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1917-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19170919012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1917091901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1917091901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-09
- Tag 1917-09-19
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Monat
1917-09
-
Jahr
1917
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Sette 2. Nr. 476. Morgen-Ausgabe sein, wenn zwischen den beiden Parteien der Weltkriege» zwar die Waffen niedergelegt werden, aber der wirtschaftliche Krieg mit aller Schärfe fortgesetzt wird. In jedem Augenblick kann es dann zu Zwischenfällen kommen, die ein Wiederaufflammen de» mit Mühe unterdrückten Feuers befürchten lassen. Ist es doch nicht zu erwarten, daß die im Laufe de» Kriege» so sehr gesteigerten Leiden schaften sich schnell beruhigen und einen gütlichen Au»trag der artiger Streitfälle ermöglichen werden. Gerade im Hinblick auf die gereizte Stimmung, von der die Völker jetzt so stark beherrscht werden, mühte man besonders darauf bedacht sein, durch -en Friedensvertrag derartige Keime, aus denen so leicht neue Zwistig keiten entspringen können, zu beseitigen. CS mag sein, -atz Eng land mit weitem Blick diese Fortsetzung des Wirtschaftskriege» vorbereitet hat, da es schon längst eingesehen hat, daß es während des Krieges das von ihm erstrebte Ziel der Nlederringung unserer Volkswirtschaft nicht erreichen wird. Aber dieses englische Inter esse darf doch nicht für alle Zelt das Verhältnis unter den Völkern beherrschen. Im übrigen dämmert es, wie ein Artikel des «Temps" (den wir gestern abend ausführlich behandelt haben. D. Sch.) deutlich beweist, auch bei unseren Feinden. Nun besteht vielfach die Ansicht, dah, wenn auch die Beschlüsse der Pariser Konferenz formell nicht zur Ausführung gelangen, dennoch die Völker selbst zu einer tatsächlichen Boykottierung der bisherigen Gegner schreiten werden. Mit einem solch stillschweigen den Boykott ist natürlich, wie nach jedem Kriege, so auch jetzt zu rechnen. Unser Handel und unsere gesamte Volkswirtschaft werden darauf gefaßt sein müssen, daß sie in den uns jetzt gegenüberstehen den Ländern auch nach dem Kriege zunächst noch auf Schwierig keiten stoßen werden, die früher durch jahrzehntelange Arbeit überwunden waren. Aber deutscher Fleiß und deutsche Hartnäckig keit werden auch dieser Schwierigkeiten Herr werden, wenn zwi schen den Staaten selbst ein wahrer Friede besteht, nicht aber eine .Fortdauer des Krieges mit andern Mitteln." Das parlamentarische System im sächsischen Berfaffungsausschutz Drohtbericht unserer Dresdner Schriftleitung. ---- Dresden, 18. September. In der heutigen Vormittagssihung des Verfassungsausschussrs be gründete der sozialdemokratische Abgeordnete Nihsche seinen Antrag zu 88 86 und 42 der Verfassungsurkunde betreffend Erweiterung der Rechte der Zweiten Ständekammcr. Er hob dabei hervor, daß der Ein bringung dieser Anträge die Absicht zugrunde gelegen habe, da» parlamentarisch« System entgegen dem jetzt bestehenden Obrigkeitssystem einzuführen. Die Volksvertretung müss« bei Besetzung der Aegierungs- bzw. Minister stellen Mitwirken. Mit einer Vermehrung der Rechte der Zweiten Kam mer müsse natürlich ein« Minderung der Rechte der Ersten Kammer verbunden sein. Während die Konservativen auf ein näheres Eingehen auf die Anträge verzichteten, weil diese für sie unannehmbar seien, äußerte man sich seitens der Fortschrittlichen Volkspartei zu der Tendenz zwar im allgemeinen zustimmen-, zum Teil aber hielt man sie, so sehr auch das parlamentarische System den modernen Anschauungen am meisten entspreche, doch für zu weitgehend. Die National liberalen konnten sich mit dem Antrag nicht befreunden, da sie auf unsere Verhältnisse nicht paßten. Gewiß wünsche man auch von dieser Seite ein« Vermehrung des parlamentarischen Einflusses (in diesem Sinne wird von nationalliberaler Seit« das parlamentarische System verstanden), dies könne aber nicht durch Verfassungsparagraphen herveigeführt werden, sondern müsse eine Folge historischer Entwicklung sein. Don der unabhängigen Sozialdemokratie wurde der Ge danke ausgesprochen, die ganze bestehende Verfassung, die lediglich ein Produkt der damaligen Zeit sei, müsse über den Haufen geworfen werden; es sel zwecklos, einzelne Bestimmungen herauszugreifen. Sine Abstimmung erfolgte nicht. Der Teil der sozialdemokratischen An- träge auf .ministerielle Gegenzeichnung der Beschlüsse des Landtage»' wurde formell zurückgezogen. Wegen der weiteren Anträge auf Erweiterung der Rechte der Zweiten Kammer erklärt« der Antragsteller, daß er noch nicht entschlossen sei, ob er sie aufrechlerhalten würde. Welter wurde über den Antrag Dr. Zöphel verhandelt, der dahin lautet, .entgegen der kollegialen Verfassung de» Gesamtmlntsteriums und der ressortmäßigen Verantwortlichkeit jedes einzelnen Minister» auf die politische Verantwortlichkeit eines einzigen Minister» (Ministerpräsident) hlnzuwirken". Der Antrag wurde vom Antragsteller eingehend unter Hervorhebung der Mängel des gegenwärtigen Zustandes begründet. Sozialdemokratie und Fortschrittliche Volkspartei erkannten Leip-tzet rttgevlatt Mittwoch, 19. September 1917 an, daß sich gewisse Vorteile bei einer Aenderung in Richtung de» An- trage» ergeben würden. Di« Konservativen erklärten aber, vor end gültiger Stellungnahme dazu erst nochmal» eine fraktionelle Rücksprache nehmen zu müssen. Von einem konservativen Mitglied« wurde auf die außerordentlich« Wichtigkeit der Fragen hingerotesen und sein« Stellung nahme auch durch Aussprüche von Bismarck -«gründet. Er stellte an heim, vor Veschlubfassuog erst nochmals Kommissare zu hören, welchem Wunsche zugestimmt wurde. Dabet aber wurde darauf hingewtesen, daß et sich del der Aussprache nicht um die Ansicht eines einzelnen Ministe- rtums, sondern deSgesamtenMtnistertums handeln müsse. Auch über einen Antrag Brodaufszu 8 1-2 der DerfaflungSurkund«, be treffend Antrag auf Aenderung dcr Verfassung-urkond«, soll zunächst I Sle I S neue Kriegsanleihe I I muß I I erfolgreich sein— D > sonst ermutigen vir D I England weitem- > I ttmpsen! — Sle I Z «L kann i W W V erfolgreich sein— , I denn es ist Geld ge- I I nug im Lande! — Z I llnd sie I ! wird I erfolgreich sein— g V wenn jeder handelt, D V als ob von ihm allein I D alles abhinge! g Kommissarische Beratung stattstnden. Zur weiteren Behandlung steht n der NachmiltagSsttzung »tn Antrag Hektarr» zu 8 75 der Ver- assungSorkunde, wonach «In zum Abgeordneten gewählter Staats- oder onstiger Beamter nur die Verpflichtung haben soll, die erfolgte Mahl einer vorgesetzten Dienstbehörde einfach anzuzeigen, elne Genehmigung zur Mahl elvzuholen aber nicht nötig hab«. D«r Antrag fand einstimmige Anyahme. Zu dem inhaltlich gleichen Antrag Heltner und Dr. Roth, betreffend die Aushebung der Minifiertellen Verordnung, nach der den Beamten verboten ist, Mit teilungen an Abgeordnete zu machen, wird nach längerer Aussprache ebenfalls ln kommissarische Beratung genommen. Au» de« Kohlenausschub ---» Dr«»»««, 18. September. fDrahtberlcht unserer Dretdner Schrtftlettung.) Die Deputation für die Kaatllchen Kohlenabbaurechte setzte am Dienstag die kommissarische Beratung fort. Zunächst wurde nochmal» eingehend der Wunsch der privaten Kohlenbergwerksunternehmer besprochen, wonach diese dem Staat eine gesetzliche Verpflichtung auferlegt wissen wollen, dah dieser unter gewissen Voraussetzungen ihnen auch Grubenfelder zum Abbau überläßt, die den Unternehmern vor dem 16. Oktober zwar gehört, aber so wett von dem Unternehmen entfernt liegen, daß sie zum Grubenfeld im Sinne des ß 2 nicht gehören. Eine Einigung über diesen Punkt hat noch nicht stattgefunden. Sodann wurden die Bestimmungen über die Be zugsverbände zu Ende geführt und ohne wesentliche Aenderung be willigt. Die dazu eingegangenen Petitionen wurden für erledigt erklärt. * * * — Dresden, 18. September. (Drahtbericht unserer Dresdner Schriftleltung.) Ueber den Antrag des Ab geordneten Koch und Genossen, betreffend die Gewährung von Teuerungszulagen an Staatsbeamte usw., wird die Zweite Kammer in ihrer Sitzung am Donnerstag in anderweite Schlußberatung eintreten. Ihre Finanzdeputation hat einen anderweilen Be richt erstattet und schlägt der Kammer vor, den Beitritt zu den Beschlüssen der Ersten Kammer beschließen zu wollen. Demnach würden die Teuerungszulagen an die Staatsbeamten glatt be willigt werden. Heimsendung von Kriegsgefangenen aus Dänemark "td. Kopenhagen, 18. September. (Drohtbericht.) Wie be kanntgegeben wird, soll eine Anzahl kranker Kriegsgefangener aus dem deutsch-österreichischen Gesangenlager bei Hald nach Deutschland und Oesterreich-Ungarn heimgesendet werden. Die be treffenden Gefangenen wurden für Ganzinvaliden erklärt und sind dauernd für jeden Kriegsdienst untauglich. Ein österreichischer Lazarettzug wird die deutschen und österreichischen Gefangenen aus Hald abh.olen. An deren Stelle trifft Ende des Monats eine ent sprechende Anzahl neuer Gefangenen aus Rußland ein. Dänische Aerzte sind bereits abgereist, um in den dortigen Gefangen lagern unter den Gefangenen Patienten a.uszuwählen, die nach Hald übergeführt werden. Politische Nachrichten * Zur gestrigen Abendtasel bei Ihren Majestäten im Neuen Palais waren geladen der Reichskanzler, Staatssekretär von Waldow und Etaatsminister von Eisenhardt- Rohde. * Der Kampf um das sächsische Wahlrecht. Nun erscheint auch der sächsische Landesvorstand der Unabhängigen Sozialdemo kratischen Partei mit einem Aufruf auf dem Plan, in dem er die Parole ausgibt «Fort mit dem Pluralwahlsystem! Nieder mit allem Wahlunrecht in Reich, Staat und Gemeinde! Heraus mit dem freien, demokratischen Wahlrecht!" * Der neue Oberbürgermeister von Köln. In einer außerordent lichen Sitzung der Stadtverordneten wurde an Stelle des zum Unter staatssekretärs im Reichsamt des Innern ernannten Oberbürgermeisters Wallraf der bisherige erste Beigeordnete Konrad Adenauer zum Oberbürgermeister von Köln auf die Dauer von 12 Jahren gewählt. * Die «Norddeutsche Allgemeine Zeitung' meldet: Von Vereinen und Körperschaften aus allen Teilen des Reiches gehen dem Herrn Reichskanzler Kundgebungen zu, die daS Bekenntnis zu vater ländischer Zuversicht und Entschlossenheit uns das Ge löbnis unbeirrten, zielsicheren Ausharrens dis zum glücklichen Ende zum Ausdruck bringen. Der Herr Reichskanzler ist leider außerstande, alle dies« Telegramm« einzeln zu beantworten. Mo deutsche Männer durch Wort und Tat für Deutschlands Selbstbehauptung, für das Erkämpfen eines Friedens wirken, der Freiheit, Blüte und Entwicklung des deut schen Volkes fest und sicher verankert, begleitet die freudige Zustimmung und der Dank des obersten Aeichsbeamlen ihr Streben und Schaffen. * Das türkisch« Generalkonsulat !n Berlin gibt bekannt, daß laut Verfügung des kaiserlichen Kriegsministeriums alle ottomani- schen Untertanen, die 1873 geboren sind, gleichgültig, ob sie die Militärbefreiungstaxe bezahlt haben oder nicht, vom 1. September 1917 an unter die Fahnen gerufen sind und unverzüglich nach Konstantinopel abreisen müssen. * Flleaeroberleutnant Curt Wolff, Ritter des Ordens Pour le Mrite, zuletzt Führer der lange Zeit von Freiherrn von Richt hofen geführten Jagdstaffel Nr. 11, ist am 5. September gefallen, fünf Tage nachdem er zum Oberleutnant befördert worden war. Zur Beschlagnahme der Denkmäler Von Bayern aus verbreitete sich tn der Presse dte Nachricht, all« Denkmäler von Bronze und Kupfer würden vom Staat« beschlagnahmt und sollten gleich den Glocken zu Munitionszwecken Verwendung finden. Viele zitterten schon für ihre mit Recht lieb gewordenen Schätze der Kunst, man sah tm Geist den Großen Kurfürsten von Schlüter u. a. m. bedroht. Ueber die Gefahr, so Wertvolles dahingehen zu sehen, konnte die Versicherung nicht trösten, daß Gipsabgüsse genommen würden, um später tn besseren Zetten dte Denkmäler wieder erstehen zu lassen. Wer die Verhältnisse kennt, wußte, daß die genügende Anzahl aelernter Arbeite» für diese Zwecke fehlt, und daß selbst, wenn die Modelle vorhanden sein sollten, ein Nachguß nie dem Originalguß gleicht, an den der Künstler selbst Hand gelegt bat. Die Pressenachricht gab aber dte Absichten der Regierung entstellt wieder. ES handelt sich, wie ich erfahren habe, nur um Denkmäler seit 1850, und auch unter diesen sollen bedeutungsvolle Erinnerungs zeichen erhalten bleiben. Nach 1850 sind in Deutschland allenthalben Denkmäler aus der Erde geschossen. Besonders seit 1871 glaubte jede kleine Gemeinde ihr Kriegerdenkmal nicht entbehren zu dürfe«». Unter diesen Denkzetchen —mögen sie auch den Einwohner liebe Erinnerungen bedeuten — befinden sich viele, vielleicht die Mehrzahl, Minder wertige. Leider überschätzt man allerdings den Gehalt an Metall. Die meisten Denkmäler sind nicht ln Vollguß, sondern hohl hergestellt, und ihr Gewicht steht oft in gar keinem Verhältnis zu ihrer Größe. Sollte die Beschlagnahme erfolgen, so soll man den Gedanken, dte atten Denk mäler wieder erstehen zu lassen, von vornherein autschaiten. Um den größten Teil ist eS nicht schade. Ist Deutschland wieder in der Lage, Denkmäler zu errichten, dann soll man den lebenden Künstlern neu« Aufgaben stellen; aber ich denke, man wird auf dl« Wiedererrichtung ganz verzichten. Ein Spielplatz oder Schmuckplah mit einer Tafel zur Erinnerung an große Zeit scheint mir geetgneter als die meisten Duhenddenkmäler. Auch soll man nicht durch j«tzt tn Eile gefaßte Beschlüsse dte Zukunft binden. Wenn wir Künstler haben, soll man ihnen würdige Aufgaben stellen, aber nicht zu gestellten Auf gaben Künstler erst suchen müssen. Wir wollen nicht wieder Not- Erzeugnisse als dauernde Erinnerungen tn Erz gießen; zeigt doch der Untergang der Denkmäler im Schmelzofen den Geltunaswert des Horaztschen VerseS, daß «tn Dichterwort Marmoroeltrin und Erz üder- dauert. Auch Heldennamen, Lirdltng« d«r Völk«r bedürfen ost w«ntg«r der Kunst, als sie ihrer bedarf. vr. K. 6. Eine ktafpfche Fälschung Zum Hundertjahrsjudiläum d«r Königinhofer Hendfchrift. Am 16. September 1817 wurde in dem böhmtschen Städtchen Königinhof durch den tschechischen Literatur- und Altertumsforscher Hanka jene HandschUft ans Licht gebracht, deren Geschtche tn den Annalen ter Fälsche« Künste geradezu als klassisch dezeichnet werden darf. Der röjähllge Hanka wollte beim Suchen tn dem Gewölbe des Turmes der Stadtktrche neben Pfeilen au- der Zeit ZiSkas und allerlei Gerümpel di« Pergamenidlätter entdeckt Haden, deren Inhalt bald da» Tages gespräch der gebildeten Welt ganz Europa- war. Dte tschechische Litera, tor, da» ging aus diesem Funde hervor, war um Jahrhunderte älter, als man angenommen hakle; Hanka selbst veröffentlichte Uebersehungen. Mit ehrfürchtigem Staunen erfuhr man aus den episch-lyrischen Balladen der Handschrift vom Kampfe der Tschechen gegen Karl den Großen, von den Heldentaten de» Prager Fürsten Neklan mit dem Lucanafürsten Dlaclav» vom Siege Oldericht über Boleslaus Chroby von Polen, und die lyrischen Gedichte fanden allgemeinen Anklang, ja der alt« Goethe, der dte «ganz unschätzbaren Reste der ältesten Zeit' mehrfach lobend be- sprach, verfaßte im Jahre 1822 ln Marienbad die Nachdichtung eines Gedicht» der Königinhofer Handschrift, die ln seinen Werken die Ueber- schrlft «Das Sträußchen" trägt. Im Laufe der Jahrzehnte erreichte Hanka, was er wollte; 1852 hatte er eine zwölffprachigr Iledersetzung veröffentlichen können, und die ganze gebildete Welt glaubte, was er ihr halte einreden wollen, daß dte böhmische Kultur und Kunst ein ehr würdiges Aller habe — dies allein war der Zweck der Fälschung. Es dauert« sehr lange, dis man dahinter kam, daß man in der Könlginhofer Handschrift nichts als eine Fälschung vor sich habe; die wenigen Gr- lehrten, dte zuerst die Echtheit angezweifelt hatten, behielten ihre Meinung zunächst für sich, und Hanka, dem später ein ganze Reihe weiterer literarischer Fälschungen nachgewiesen wurde, die alle in gleichem Sinne angelegt waren, galt bei seinem Tode (1861) als ange sehener Dezent der Prager Universität. Allein in seinen letzten Lebens- jähren hatte sein Ruf bei der deutschen Wissenschaft einen argen Stoß bekommen. Im Oktober 1858 erschien nämlich im «Taaetboten aus Böhmen" elne von David Kuh unterzeichnete Folge von Aufsätzen über «Handschriftlich« Lügen und paläographische Wahrheiten', in der die Iln- echtheit der Handschrift nachgewiesen und Hanka alt Fälscher hinge- stellt wurde. Der geistige Baier dieser Aufsätze war nicht Kuh, sondern der Prager Gelehrte Anton Zeidler, der sich freilich nie dazu bekannt hat. E» versteht fich von selbst, daß Hanka die scharfen Angriffe nicht auf sich fitzen ließ, und et kam zu einem langen Prozess«, der viel Staub aufwtrbeite; in der zweiten Instanz wurde Kuh verurteilt, und erst «in« besonder« Verordnung d«S Zastizministers, die die Aussätze nicht at» Be- leidigong, sondern al» wissenschaftliche Kritik bezeichnete, rettete Kuh vor einer entehrenden Straf«. Nach Hanka» Tode kam di« gesamte wissenschaftlich« Forschung allmählich zu der Einsicht, datz «ine Fälschung, und zwar eigentlich eine recht plumpe, Jahrzehnte hindurch at» wertvoll«, uralte Handschrift gegolten habe. Deutsche Gelehrte, so 2. Haupt und Watten dach, erklärten bi« Königinhofer Handschrift al» «ine Fälschung, schließlich bekannten fich auch die Tschechen, die au» nationalen Gründen sich der Einsicht «ine Zeitlang verschlossen, zu diesem Standpunkt«. Man begriff gar nicht mehr, wie man sich so unglaubliche Dinge von Hanka hatte bieten lassen können: di« literarische Kritik wie» grob« Verstöße gegen den volkstümlichen Ton noch; di« Sprachforscher fanden grob« Un möglichkeiten, dte Geschichttforscher stellten fest, daß die alttschechischen Balladen geschichtliche Ereignisse behandelten, die sich nie abgespielt halten, und die Fregnde der schönen Literatur erkannten, daß Hanka sehr gute Vorbilder benutzt hatte, serbische Dichtungen, zu denen er Parallelen geliefert hatte, russische Volkslieder, ja selbst neue deutsche Dichter, denn die Könlginhofer Handschrift enthält tatsächlich Anklänge an Bürger und an Schiller, dessen Rütliszene aus dem .Teil' in ein:m müßigen Abklatsch nachgeahmt ist! Auch die Untersuchung der Perga- mentblätter ergab merkwürdige Dinge: das Berlinerblau, ein Farbstoss, der nmS Jahr 1704 zuerst hergcstellt wurde, war von drm alttschechischcn Schreiber der Handschrift verwandt worden; überdies waren nach Han- kas Angaben die Pergamenkblätter durch Soldaten aus den Heeren Ziskas beschnitten worden, die die abgetrennlen Pergamenistreisen wahr, scheinlich zur Beflügelung von Pfeilen gebraucht hatten, auffälligerwelsc aber zeigt die genaue Betrachtung der Buchstaben, daß di« Pergament blätter erst beschnitten und dann beschrieben worden sind! DaS Tollste vom Tollen aber war, dah an einer Selle der Fälscher ganz frech seinen Namen genannt hat. Der Vermerk «Vlaclaw Hanka leckt" ist tatsächlich hineingeheimnist. Die Könlginhofer Handschrift, das Zeugnis für den frühen Ursprung altslawischer Dichtung, Hal lange zu den Schätzen des böhmischen Museums in Prag gezählt. Erst die vorjährig« Jahres versammlung des Prager böhmischen Museums hat in aller Form den .Beschluß gefaßt, die Handschrift auS der Sammlung des 14. Jahrhundert» auszuscheiden. K. I;. 2» der Schauspielschule de» Deutschru Theater» zu Berlin beginnt daS dreizehnte Schuljahr unter Leitung von Berihold Held am 1. Oktober. Zur Aufnahme gelangt nur eine beschränkte Anzahl begabter Schüler nach erfolgreich bestandener Aufnahmeprüfung. Ab solventen der Schauspielschule sind in diesem Jahre an vielen nam haften deutschen Bühnen tätig, so an den Hoftheatern in Berlin, Dresden, Wiesbaden, Darmstadt, Mannheim usw., an mehreren Bühnen Berlins, sowie in Wien, Frankfurt a. M., München, Bremen, Bres lau, Prag u. v. a. Die Aufnahmeprüfungen finden in der Zeit vom IS. bis 30. September statt. Tbeaterchronik. MaxBrodS bramaMche Dichtung „ DieHöhe de» Gefühls", al» Buch bei Kurt Wolff Verlag erschienen, wurde vom Dresdner Hofthe ater zur Aufführung in dieser Spiel- zett angenommen. * Mustk. Paul Graener, der Komponist der auch in Dresden erfolgreichen Over „Don Juans letzte» Abenteuer", ist nach Dresden überaestedelt und wird beim Modernen Muflkfest zu Dresden (24.—29. Oktober 1917) die reichsdeutsche Uraufführung seiner Sinfonie (D-Moll) Op. SS persönlich leiten. — Die Konzert- und Theateradteliung der Etappeninsvektion in Gent berief Kapellmeister Nichard Hagel« (Leipzig) als Leiter der Opernaufführungen in Gent und anderen Städten. — Zm Opernhaus zu Frankfurt o. M. gab Kammersänger Adolf Löligen vom Stadttheater in Breslau (früher in Dresden) ein erfolgloses Gastspiel auf Anstellung als Tannhäuser. Das norwegisch« Volksmuseum lnLhristlania hat ein Bildnis Henrik Ibsen» »au Pr»f. Walter Firle erworben. Da» Bild entstand im Jahr« 1889 in dem tirolischen Goffensaß. wo Ibsen in jenen Jahren mehrfach weilt«.
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