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Fregatte aus Elfenbein, Grünes Gewölbe Auch die dünnen Segel sind au» Elfenbein geschnitzt einer einzigen Echieferplatte. Das ist die berühmte Pan- t el o s a n r u Sg r n pp e. — Doch nun hat niemals die Jchthyosaura geküßt, die sich im Meer tum melte; er konnte ihr höchstens vom User Kußhändchen zu werfen. Doch zu den Sauriern gehören die ältesten Vierfüßler SachsenS, gefunden vor den Toren Dresdens, zwischen Döhlen und Oberdöhlen. Gleich sechs Tiere derselben Art sind vor handen, „zu scheußlichen Klumpen geballt", verewigt auf diesen Klängen öffnet sich der Himmel, und die Gestalt Gottvaters wird sichtbar, die segnend die rechte Hand bewegt. Aus dem unteren Teile des Himmels senkt sich eine Zahn stange, aus deren Querbalken drei musizierende Engel be festigt sind. Gleichzeitig beginnen auch die Figuren aus der Plattform zu lebe». Bor dem Stasi vo« Bethlehem mit Maria uud Joseph, dem Jesuskind in der Wiege und Ochs und Esel an einer Futterkrippe erscheinen die Hirten, ihnen folgen die drei Könige aus dem Morgculande uebst Dienern mit den Geschenken, und alle wenden sich zum Heiland, ver neigen sich, wenden sich wieder »nd gehen weiter. Inzwischen ist der Ehoral beendet, und anschließend ertönt das Lied „Joseph, lieber Joseph mein". Dabet bringt Joseph durch Ziehen an einer Schnur die Wiege zum Schaukeln, und auch die Tiere, Ochs und Esel und rin paar Schase, beginnen sich munter zu bewegen. Ist das Lied zu Ende, kommen die Figuren wieder zur Ruhe. Das Museum für Völkerkunde, beriihmt wegen seiner vielen frühen Stücke, ist mit seinen Schätzen der Siidsec an dieser Stelle gewürdigt worden, als der Diebstahl des Göttinger Fedcrmantels, den mau immer noch nicht wieder hat, die Ausinerksamkcit aus unsere Dresdner Kostbarkeiten lenkte. Auch heute betrachten wir wieder nur eine Abteilung, eine Schatzkammer für sich: unsere Bronzen von Benin. Bor kurzem war in Parts eine große BeninauSstcllnng; die Dresdner Stücke, die qualitativ an erster Stelle stehen, sind eben Hurttckgc- kommen. Benin war ein Negcrstaat in Obergumca; er erlebte seine Blütezeit vom 16. bis 18. Jahrhundert, und aus dieser Zeit stammen unsere Arbeiten. So kunstvolle Werke traut man Negern ost gar nicht zu, denn prächtig sind die Menschen- und Tierstatuctten, die Hoheitszeptcr und die wundervoll beschnitztcn Nushörner aus ganzen Elesantenstoßzähncn. Als Halsorden trugen die Großen vo» Benin schwere, viereckige Glocken aus Bronze; was sie von Europa wußten, ist nicht gerade schmeichelhaft, denn den Sockel eines Schützen im Anschlag mit Radschloß- gewchr zieren betrunkene Gestalten. Bom Zwinger ziehen wir zum Johanneum, Die Porzellansammlung ist cs, die uns dort fesselt, denn Ihr Weltruf ist fest und sicher begründet. Eine Hauptzicrbc der Sammlung sind jene in ihrer Menge und Schönheit einzig dastehenden Monumental vasen, die größten Erzeugnisse in chinesischem Porzellan anü älterer Zeit. Auf den Ausbauen des Mittelganges ruhen sic, jede von besonderem Neiz, darunter die sogenannten „Tra- goncrvasen", die August der Starke von König Friedrich Wilhelm l. von Preußen bei Abgabe eines Regiments Dra goner in Zahlung genommen haben soll. Ganz allgemein gibt die Sammlung wie kaum eine andere einen vollkom menen Ueberblick auch über die chinesische Keramik. Daß da neben vor allem Meißen vertreten ist, vom roten Böttgcr- Stetnzcug bis aus unsere Zeit, versteht sich von selbst; prächtig vor allem die großen für das Japanische Palais von Kändler ausgeführten Tierplastiken. „Ich kenne Dresden wie meine Westentasche. „Auch den eingeweckten Blitz?" Anger^t geht das Gespräch hin und her am Stammtisch der „Ewig... Jugend". Ein paar Künstler gehören dazu, ein paar Akademiker, ein Ingenieur, zwei Buchhändler — durch, weg Herren, deren Wiege fern von Sachsen stand, die aber in Dresden ihre zweite Heimat fanden und unsere Stadt schätzen und lieben lernten. Einige von ihnen sind so ver messen, zu behaupten, sie wüßten in Dresden besser Bescheid, als mancher Einheimische. „Gar nichts wißt ihr", erklärt der Maler, der den cingcweckten Blitz in die Debatte warf. Lebhafter Protest erschallt von allen Seitem Da vcr- steigt er sich zu dem unerhörten Borwurs, Weltberühmt helten seien uns unbekannt, und wenn wir ihm keinen Glauben schenkten, so wolle er sie nns wohl zeigen. Dan» kommt cö heraus, was er meint: Glanzstückc der Dresdner Museen. Natürlich nicht der Gemälde galerie, die dürfte wohl jeder wiederholt besucht haben. „Bilder sprechen sür sich selbst", sagt der Maler, „aus der Galerie nimmt jeder etwas mit nach Hanse." Aber die Schätze der anderen Sammlungen, fährt er fort, bleiben selbst vielen Besuchern, die sich hinctnverirren, Bücher mit sieben Siegeln. Sie blicken in die GlaSschränke, gehen von Nische zu Nische, und wenn sic nicht irgendein Spcztaltntcr- esse hergestthrt hat, sind sie von der Fülle des Gebotenen so verwirrt, daß sie froh sind, wenn sic wieder draußen sind. Ta fehlt der gute Freund mit dem gesprochenen Wort, das eindringlicher ist als jede gedruckte Erläuterung. Einen Führer braucht man, der bewußt darauf verzichtet, alles zu zeige», sondern sich darauf beschränkt, ans das Beste hin- znweisen, das aber zu erklären, den toten Gegenstand mit Leben zu erfüllen, damit er im Beschauer Leben erweckt. Huch, «ar das eine lange Rede. Aber Ne hatte zur Folge, daß wir uns wirklich eines Tages ausmachtc», in der nächsten Woche wieder und in der dritten abermals, Teile des unbekannten Dresdens zu entdecken. Bef den Sammlungen des Zwingers singen wir an. Immer noch sehe ich unseren Führer vor nns stehen, wie er mu uns durch die mineralogisch-geologische S a m m lung zieht, nicht rechts und nicht links blickt. Mit einem Male sagt er „Halt!" Er dreht sich um, wendet sich uns zu, und von seinen Lippe» kommt mit einer gewissen feierlichen Andacht, das Wort: „Raumeria Reichenbachs ana". Wir sehen nichts als einen versteinerten Baumstamm. Doch mit der Erklärung gehen uns langsam die Augen auf. Die Naumcria ist der Senior der Sammlung, schon 1751 aus Galizien geholt, wo sic in einem Sumpfe bet Wiliczka ge funden und mühsam hcranögcschasft wurde. Sie hat alle Schicksale erlebt, die ein solches Stück haben kann. Erst als Kuriosität bewundert, dann für eine Koralle gehalten, stellte sich später heraus: ' ' -" -. Dies ist der älteste Zwittervlütler Europas, ein überaus wichtiges Glied in der Entwicklungs geschichte der Pflanzen. Die Naumcria gehört zu den Palmfarne.n, bet denen die Blüten unmittelbar aus den, Stamm heraüöwachse». Der braune Block vor uns ist das ältcste und schönstc Exemplar in Europa. Sein Nus erstreckt sich über die ganze Welt. Ein großer ameri kanischer Forscher, Professor Wieland an der Universität Newhaven. hat um ein Stück des Dresdner Exemplars zu genaue», Studium gebeten und eS auch bekommen; bas ist der Keil, der aus den, Block hcranügesägt ist. Als er von, Erzherzog Na iner sür seine früheren Forschungen die goldene Medaille erhielt, schrieb Wieland an das Dresdner Museum, er wisse diese Auszeichnung sehr zn schätzen, aber eine größere Ehre sei es sür ihn, daß man ihm ein Stück der Raumeria zur Untersuchung anvcrtraut habe. — „Mammut muß sterben, ist noch so jung, jung, jung" trällert unser Malerömann gleich darauf in seiner humor vollen Art, und er zeigt uns das kleinste Mammut- Europälscher Schütze im Anschlag Bronze au» dem Negerstaat Benin, lS. Jahrhundert bavy der W e k t, gestorben gleich nach der Geburt, gefun- den zu OelSnitz im Vogtland und sehr vollständig erhal ten. Ein solcher Fund ist nicht einmal aus Sibirien be kannt, wo man doch die EiSzettclcfantcn in solchen Mengen anögebuddelt hat, daß jährlich bis zu 20000 Kilogramm fossiles Elsenbeiu der Industrie zugcstthrt werden konnten. Den Sauriern wenden wir uns zu. Den Jguanodon, den „Lümmel", hat Viktor von Scheffel bös- willig verleumdet; er, der ein reine« Landbewohner war, zum Glanzstück des Mineralogischen Museums. Hinter einem Vorhang ist es verborgen, erstens, damit das Publikum merkt, daß hier etwas Besonderes los ist, und zweitens, damit das Licht die Schiescrplattc, auf der es ruht, nicht so sehr anäbleicht. Ein Kindlcin noch ist es, ein kleiner Ichthnosauruü quadriScissus, ein Wirbeltier, das dem Leben im Meere hervorragend an gepasst ist, und was unser Exemplar so auSzcichnet, ist die teilweise erhaltene Haut. — In einem der Nachbarsäle hängt unter Glaü an der Wand, leuchtend weiß, hierhin und dorthin verzweigt, so wie man cs aus photo graphischen Ausnahmen sieht, der konservierte Blitz, gesunden In den Glassanden von Guteborn bei Hohenbocka, die er, als er in die Erde fuhr, zu diesen weißen Strängen zusammcnschmolz. Mit 1,67 Meter Länge ist er die grüßte bekannte Blitzröhrc, ein Schaustück von eigenartigem Neiz. „Run auf, ins Reich der Technik, der Weg führt über den Zwingerwall", sagt unser Maler, und in dem Mathemattsch-Phustkalischen Salon finden mir uns wieder in einer ganz anderen Welt. Hier wird man klein und bescheiden, diese einzigartige Sammlung lehrt mit ihren Instrumenten und Geräten, daß auch der kühnste In genieur der Gegenwart nur ausbaut auf dem, was seine Vorväter ersannen. Aus der Fülle greifen wir nur ein paar Stücke heraus. Eine Kupferschalc von 102 Zentimeter Durchmesser wirst einem ihren Glanz in die Augen, daß man fast geblendet wird. Das ist der Vrennspicgcl des Walter von Tschirn Haus, 1680 in KicßliugSwalde an- aesertigt, mit dem er Steine und Erde» schmolz und dessen Wärmeleistung erst vom elektrischen Flammenbogcn über troffen wurde. Bestrahlung zu Heilzwecken? Uralte Sache! Den riesigen flachen Hohlspiegel dort, der dasSonnenlicht schwach konzentriert, baute sich um 1715 Andreas Gärtner, der „sächsische ArchimcdcS", um seinen gtchtkranken Gliedern wohlzutu». — Klein und unauffällig steht im Globusschrank eines der frühesten Stücke der Sammlung, ein arabi scher Himmelsglobus aus Bronze, im Jahre 1270 in Merägha am persischen Hof von Mohammed ben Muyld el-Ordht kunstvoll und peinlichst genau geformt. Gerade ist dieser Globus wieder photographiert worden für ein eng lisches wissenschaftliches Werk. Das Adlerplane, tartum in Chtkago bemühte sich vor kurzem um eine Nachbildung; aber kein Handwerker sand sich, der sich die schmierige Arbeit zutraute, und als endlich doch ein ge schickter Graveur ein gangbares Verfahren ausfindig machte, stellten sich die Kosten so hoch, daß selbst das reiche ameri kanische Institut von der Ausführung Abstand nehmen mußte. Auch daS „lausende Band" ist keine Erfindung unseres Jahrhunderts, Schon vor rund.880 Jahren hat es der Augsburger Meister Hans Schlottheim angewandt; allerdings eilte die Er findung ihrer Zett weit voraus, wurde infolgedessen gründ- lich vergessen, und erst 250 Jahre später machte der Franzose Galle die Erfindung von neuem. Das Werk nun, mit dem zum ersten Male in der Geschichte der Feinmechanik und des Maschinenbaues eine Kette aus plattensörmigen Gliedern austritt, die mit Zahnrädern vorwärtsbewegt werden, ist eine mechanische Weihnachtskrippe, hervorragend auch in akustischer und künstlerischer Ausstattung, und gleichzeitig die früheste mechanische Weihnachtskrippe überhaupt. Aus ihr spricht tiefe, reine Frömmigkeit. Das Schönste aber ist, daß sie trotz ihres ehrwürdigen Alters heute noch ihren Dienst versieht. Nicht ohne Scheu löst man ihr Spielwerk aus. Klar und rein beginnt die eingebaute kleine Orgel den Choral: „Bom Kimmel hoch, da komm ich Herl" Unter Vierzehn staatliche Sammlungen hat Dresden. Davon haben mir vier hier gestreift. Doch schließen wollen wir nicht, ohne wenigstens noch schnell einen Blick in die Schatz kammer der Wettiner geworfen zu haben, in das Grüne Gewölbe. Was der Kunstsinn der sächsischen Fürsten, vom Kur fürsten August an, vor allem aber August der Starke, Dresden und Sachsen bescherten, erreicht hier eine Krönung, wie wir sic in dieser Einheitlichkeit und vollendeten Schön heit unter den gleichgestimmten Museen Europas nicht wicdersinden, weder in Wien noch in München, nicht tu Paris, Florenz oder Madrid. Die Glanzstückc der Samm lung bilden die Werke des Hofgoldschmiedeö Augusts des Starken, Johann Melchior Dinglingcr, die eine» absoluten Höhepunkt der Juwclicrkunst aller Länder und Zetten darstellen. Etwas einzelnes hier hcrvorhcben? Wer häufiger hergeht, sucht sich sein Lieblingöstiick selber, sei es der Neger mit der Smaragddruse, ciu Schmuckschrank oder ein Gefäß, gefalle ihm nun der Apistcmpel besser oder die Dle älteste mechanische Weihnachtskrippe Sie kennt, um 1555, schon da« „laufende Band" Brtllantschleife mit dem „Grünen Brillanten". Ganz löst« lich ist auch die Fregatte aus Elfenbein, 1020 von Yakov Zeller gefertigt, deren Rumps die Namen säch sischer Herrscher von Widukind bis Johann Georg l. trägt. Doch vier Jahrhunderte handwerklicher Meisterschaft, un vergleichlicher gestaltender Genialität spiegeln sich in den Schätzen des Grünen Gewölbes, und man kann, will umn gerecht sei», nur das Loblied der Gesamtheit der Samm» lnng fingen, nicht das eines Einzelstttaes, _ U. v, ,