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5 Die Cella zerfällt der Tiefe nach in drei Abtheilungen, deren Einrichtung jedoch nachweislich nicht ursprünglich war, sondern mit der Aufstellung der berühmten Goldelfenbein-Statue des Zeus, des Hauptwerkes des Pheidias, zusammenhing. Man darf an nehmen, dass jene Einrichtung nach den Angaben des Pheidias selbst erfolgt ist. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die Parthenon-Cella die gleiche Dreitheilung aufweist, dass ferner die Vorderkanten der Sockel, welche die Tempelbilder tragen, in beiden Tempeln in gleichem Abstande von der Cellathür liegen. Offenbar hat Pheidias die in Athen beim Parthenon gemachten Erfahrungen über Aufstellung und Beleuchtung des Tempelbildes nach Olympia übertragen. — Eine Wiederherstellung des durch ein Erdbeben be schädigten olympischen Tempels scheint zwischen den Jahren 40—30 vor Christo stattgefunden und sich auf die Erneuerung einiger Figuren im westlichen Giebelfelde, einiger Marmorsimen an den Traufseiten, sowie die Abpflasterung der östlichen Vorhalle durch buntfarbige Marmorplatten erstreckt zu haben. Die vordere Abtheilung des Innern war jedem Tempelbesucher zugänglich; von hier aus betrat man die Seitenschiffe, welche einen vollständigen Umgang längs der Seiten- und Hinterwand und um die Zeusstatue bildeten. Schranken, und zwar in der vorderen Hälfte aus Stein, hinten aus Holz hinderten die Betretung des Raums unmittelbar vor dem Zeusbilde. Ihre Innenseiten, d. h. die dem Mittelschiffe zugewendeten Flächen waren von der Hand des Malers Panänos mit Malereien geschmückt. Unmittelbar vor dem grossen Bathron, das die Zeusstatue trug, befand sich ein quadratischer, um ca. 10 cm tiefer liegender Platz, der, um einen ruhigen Vordergrund für das Kultbild zu schaffen, mit bläulich- schwarzen Kalksteinquadern belegt und von weissen Marmorschwellen eingefasst war. Den ganzen hinteren Raum der Cella nahm das Bathron des Zeusbildes ein. Seine Ausdehnung ist durch die Auf schnürungen auf den Marmorschwellen erkennbar und ergiebt ein Rechteck von 9,99 m Länge und 6,64 m Breite. Das Material bildet ein bläulich-schwarzer Kalkstein. Die Profile des Bathrons sind indessen nur in Stein vorgebildet und hatten, worauf Stift löcher schliessen lassen, vermuthlich verkleidende Leisten aus Metall. Die Decke, sowohl der Cella wie der Ringhalle, bestand aus Holz. Das Dach war mit Marmor eingedeckt. Marmorne Dachziegel und Simen mit Löwenköpfen als Wasserspeier haben sich in grösser Anzahl wiedergefunden. Verschiedenheiten in der Bildung dieser Wasserspeier lassen auf wiederholte, im Laufe der Zeiten noth- wendig gewordene Wiederherstellungen und Ergänzungen am Mar mordache schliessen. Vom Rundbau im Asklepiosheiligthum bei Epidauros. Tafel 17 a. Die Reste des schönen Rundbaues, oder der Tholos, deren Grundriss, Querschnitt und hervorragendste Einzelheiten Tafel 17a darstellt*) sind von der griechischen archäologischen Gesellschaft bei ihren an Ergebnissen so reichen Ausgrabungen im alten Askle- piosheiligthume bei Epidauros blossgelegt worden. Nicht seine *) Die Tafel beruht in allen wesentlichen Punkten auf der ersten von W. Dörpfeld veröffentlichten Wiederherstellung des Rundbaues in den 7iQKXTixä rfjg Iv 'AOrivius (‘tQ/taoloyix.ijg htuQiag vom Jahre 1883 sowie auf den sorgfältigen Aufnahmen, welche R. Herold in der Zeitschrift für Bau wesen Jahrg. 1893, Blatt 58 u. S. 576 ff. herausgegeben hat. Grösse oder geschichtliche Bedeutung, wohl aber seine hervorragende künstlerische Ausstattung und Durchbildung machen den Rundbau zu einem der prächtigsten Baudenkmäler, die uns aus dem grie chischen Alterthume erhalten sind. Pausanias (II, 27) in seiner Beschreibung des Asklepiosheiligthums schreibt die Tholos, sowie das berühmte Theater, dessen Reste gleichfalls wieder ausgegraben wurden, dem Polyklet, dem Zeitgenossen des Pheidias zu. Die Kunstformen jedoch lassen eine so frühe Zeitstellung nicht zu, weisen den Bau vielmehr in etwas spätere Zeit, etwa in die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. Noch unsicherer als die Zeitstellung ist die Bestimmung des Bauwerks. Pausanias erwähnt nur seiner malerischen Ausschmückung von der Hand des Pausias. Der Rundbau gehört zu den Werken in gemischter Bauweise; er ist im Aeusseren dorischer Ordnung, enthält aber im Inneren eine korinthische Stützenstellung und zwar eines der frühesten Beispiele davon. — Von dem Bauwerke sind im Wesentlichen nur noch die Grundmauern stehen geblieben, für deren auffällige einem Labyrinth gleichende Anordnung (Fig. 14) bisher keine befriedigende Erklärung gegeben worden ist. Nur einzelne Kalksteinplatten vom Fussboden des äusseren Umgangs befanden sich noch an Ort und Stelle. Daraus liessen sich zunächst Axweite und Säulenzahl er mitteln. Der Fund der Säulen und Gebälktheile sowie der Wand glieder, deren Anordnung sich meist schon aus ihrer Bogenform ergab, ermöglichte ferner eine Wiederherstellung des äusseren Auf baues in den Grenzen, wie sie der Querschnitt Fig. 15 darstellt. Das Material der äusseren Ringhalle bildet sogen. Poroskalkstein, wenigstens für Säulen und Gebälk. Der Grundriss lässt die räumliche Anordnung klar erkennen. Die eigentliche Cella wird von einer Ringhalle mit 26 dorischen Säulen umgeben. Im Innern stehen 14 Säulen in solchem Ab stande von der Cellawand, dass zwischen diesen und den Säulen ein Umgang entsteht.*) Der Radius der äusseren Halle bis zur Säulenmitte gerechnet ^boträgt 9,55 m, der lichte Durchmesser der Cella etwa 13 m. Die äussere Säulenordnung Fig. 1 bis 2 unserer Tafel hat ein Gebälk, das schon in seinen Verhältnissen und Einzelformen den Charakter des spätdorischen Stils bekundet. Der Architrav ist er heblich kleiner als der Triglyphenfries, das Geison hat unter den niedrigen Tropfenplatten ein lesbisches Kymation. Die Metopen enthalten in den grossen Rosetten von kräftigem Relief aber über aus feiner Detailbildung einen bedeutsamen plastischen Schmuck. Die Marmorsima endlich zeigt das für die spätere griechische Zeit so bezeichnende Akanthus-Ranken- und Blattwerk in freiester, be reits stark auf malerische Wirkung gearbeiteter Ausführung. Ein zelne Theile des Blattwerks sind bereits völlig frei vom Reliefgrunde herausgearbeitet. In Fig. 1 bis 2 sind die Einzelheiten von Säule und Gebälk der dorischen Ringhalle dargestellt. Die Decke dieser Halle bildet eine Kassettentäfelung, deren Querschnitt samt der Innenseite des dorischen Gebälks in Fig. 4 und 5 zum Theil in punktirten Linien sichtbar wird. Der Grundriss Fig. 6 lässt die Theilung der Kassetten decke erkennen. Jedes der zwiefach abgetreppten Felder wird von einem plastischen Perlstabe umsäumt. Die Wellenglieder oder *) Der Fussboden der Cella bestand aus schachbrettartig zusammen gesetzten Marmorplatten von parischem Marmor und schwarzem Kalkstein aus Eleusis. Fig. 13. Wie die Mitte der Cella gestaltet war, im besondem ob hier etwa eine Rundöffnung zur Beleuchtung oder ein Zugang zu dem Labyrinth vorhanden, konnte nicht sicher ermittelt werden.