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40 Der Kanonikus von Wyssehrad. >110 Nacht beriechen, wollten einige diesen, andere jenen erwählen und auf den Thron setzen. Indessen blickte die ganze Versammlung auf den einen Nacerat, um sich demjenigen, den immer er er wählen würde, ohne Ausnahme und eimnüthig zu unterwerfen. Während dies geschah, konnten jene, welche um Herzog Sobezlaus waren, wie auch seine Frau Gemahlin, kein Zeichen der Wieder genesung an ihm bemerken und salbten ihn mit dem Oele. Als darauf die Schwäche seines Körpers immer mehr zunahm, empfing er die heilige Wegzehrung und verließ am 15. Februar diese Welt. O Schmerz! Welche Sorgen und welche Aufregung Böh men damals beunruhigt haben, das bleibt schwer zu erzählen. Mit Recht ängstigte es sich nach dem Verluste eines solchen Be schützers und Vaters, der von so großer Vaterlandsliebe beseelt war, daß er für Alle sorgte, und jederzeit bereit war, für Frei heit und Ehre seiner Unterthanen zu sterben. Deshalb mied er auch sorgfältig die Fleischeslust, welche einen so großen Theil der Männer entkräftet. Der wackere Herzog Sobezlaus, durch seine Erscheinung vor Allen ausgezeichnet, liebenswürdig im Ge spräche, tapfer im Feld, klug im Rath und freigebig im Almosen spenden — wußte er doch aus der Erzählung seiner Hauscapel- lane, daß der heilige Gregor gesagt: „Warum seid ihr nachlässig im Geben, da ihr doch das, was ihr dem zu Boden Liegenden reicht, jenem darbringt, der im Himmel thront" — sorgte auch eifrig für das Wohl der Armen, weil er kein tauber Hörer der evangelischen Lehre war: „Was ihr dem Geringsten der Meinen gethan habt, das habt ihr mir gethan". Denn obgleich ihn schon die Sorge für sein Herzogthum sehr in Anspruch nahm und er auch Mähren und Sirbien >) seine Sorgfalt zuwendete und dem König von Ungarn in vielen Angelegenheiten Rath er- theilte, wie ich oben hinreichend dargethan habe, so zog er sich doch oft in sich selbst zurück, damit nicht seine Seele, in derlei Sorgen verstrickt, unvorbereitet zu Grund ginge. Deshalb faßte >) Die in der Mark Meissen gelegene» böhmischen Gebietsiheile. —