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Sächsische Volkszeitung : 16.02.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193702167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19370216
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19370216
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1937
-
Monat
1937-02
- Tag 1937-02-16
-
Monat
1937-02
-
Jahr
1937
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 16.02.1937
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IstI»rt VON Mir kam ein schneller Ge« s n n (Fortsetzung folgt.) die »ung lium ein be tens. r e ^ußballkriea lind Ltihballsriede»» )iS- ner »en. Ilen >er- !ho- )er- >an- Die len- iert den lnes eten n ck le ?r IS e- n. e- a- rn ?n ls -ß ad rit nn ler in en at- ng Sie Sie ie- md lio- ler rhr In den böhmischen Städten nnd ans den repräsentativsten Futz- ballfeldern ganz Europas Tore schob und Lorbeeren pflückte. Denn er war der „Star" dieses Klubs, zu welcher Stellung ihn sein fußballerisches Talent und die Tatsache, daß er Mittel stürmer war, vorzüglich besah gte. Nur ganz wenige werden ganz genau wissen, wieviel ihm seine Stürmerleistungen eingebracht haben in Prag. Leute, die es wissen wollen und vielleicht sogar ungefähr missen, Leute von der Presse vor allein, haben, als der Krieg um Braine im vollen Gange war, Erhebungen, besser vielleicht Schätzungen über sein Jahreseinkommen, seine Ersparnisse und sonstigen, nur mittelbar mit dein Fntzballsport zusammen hängenden Einkünfte angestellt. Ein früher bei „Sparta" be schäftigter Mann hat in einem tschechischen Blatt das Jahres einkommen Braines auf rund 100 000 Kronei» (tschechische natürlich!) beziffert, das sind in sechs Jahren sechsmal so viel. Davon habe er, so meint dieser Kenner, eine der bestmöglichen Quellen in dieser wichtigen Frage, gut und gern eine Viertel million Kronen ersparen können. Da er darüber hinaus aber keineswegs geschästsunkundig gewesen sei. müsse er auch aus Nebengeschästen nicht unbeträchtliche Summen gezogen haben. Das wären freilich ungewöhnliche Summen, hätte die Tschechen krone nicht «Inen verhältnismähig geringen Wert, zeigte sie nicht dazu noch seit einigen Jahren die Neigung zur Ab wertung, zur staatlich geregelten natürlich. Heute ist sie nur etivas mehr als 8,8 Pfennige wert, und Raymond Braine hat davon den Sä-aden gehabt. Da gerade von Zahlen die Rede ist: in Ländern des reinen Bcrusssutzballs bildet sich, zwar nicht wie die Kurse an einer Börse, aber doch in gleichsam halbamtlicher Notierung, gewisser- matzen ein Handelspreis für die guten und begehrten Spieler der grotzen Vereine heraus. In der „Sparta" von Prag, auch dasür konnte man Prager Blätter als Zeugen nennen, führte Braine bei weitem. Sein Handelswert wurde an Ort und Stelle auf eine runde Biertelmillion Kronen geschätzt: der ihm . am nächsten kam, hätte im Verkaufsfalle nur 180000 Kronen erbracht, und keiner der anderen hätte mehr als 80 000 Kronen der Verelnvkasse zugestihrt. Was also Raymond Braine für dle Prager „Sparta" bedeutete, kann man — gibt es einen sichere ren Matzstab? — in Zahlen ablesen . . . Diesem ebenso teuren wie unersetzlichen Fußballspieler siel es nun eine» schönen Tage« ein, in die Heimat in Urlaub zu gehen. Da» war im Dezember, und jeder wird mit Drain» geben: es ist möglich, das; Braumüller um diese Zeit ver schwand. Der Schutz fiel ungefähr zehn Minuten späterl Es scheint natürlich ebensogut denkbar, das, Ihr Freund die Wohnung erst verlieb, als die Wirtschafterin zum Haus meister lief." „Was sagt Karl zu der Sache? Warum war er hier? Wann gibt er an, gegangen zu sein?" Tamm lachte zornig. „Nichts gibt er an — ganz einfach deshalb nicht, weil wir ihn nicht fragen konnten. Er ist weg! Verschwunden! Seine Frau erklärt, er sei geschäftlich nach Berlin gefahren und habe auf dem Wege zur Bahn noch einmal bei Decken wegen des Plakates sür die Uraufführung vorsprechen wollen. Das ist alles." Ich folgte ihm in das Arbeitszimmer. Der Professor lvar durch einen Schutz aus allernächster Nähe getötet worden. Die Wunde wies erhebliche Brand ränder auf. Der Tod schien infolge einer innerlichen Ver» dlutung eingetreten zu sein — wenigstens lautete der vor läufige Befund des Polizeiarztes so. Im ganzen Zimmer fand sich nicht die geringste Spur eines Kampfes. Der Tod mutzte in kurzer Zeit eingelreten lein. Unerfindlich war — wenn man nicht das Gleiche wie der Inspektor vermuten wollte, der Karl sür den Täter hielt — wie der Mörder in den Raum hinein- und wieder herausgekommen war. Aber Karl als Schuldiger, das schien mir ebenso widersinnig, wie wenn jemand behaupten würde, ich sei es gewesen. Ich kannte meinen Freund seit unserer gemeinsamen Schulzeit. einer Meinung sein, dntz man zu Weihnachten am besten zu Hause aufgehoben äst- Aber er ruhte sich nicht nur aus, er iiämpste auch mit den „Noten Teufeln" gegen die „Austria" aus Wien, und er kämpfte brillant. Belgien spürte mlt einem Male wieder den ganzen Verlust, den Braines Weggang vor sechs Jahren sür den belgischen Fntzballsport bedeutet hat. Und cs blieb nicht bei dem einen Spiel, Braine zeigte keine Lust mehr, nach Prag zurückzukehren, um so mehr Neigung aber, in einen Antwerpener Fußballklub cinzutrcten, in den „Beer- schot-AC." In Prag hatte man dcrwcilc erfahren datz Braine seine Arbeitsbewilligung als Ausländer — auch Juß- ballgrötzen kommen da nicht herum — bei den tschechoslowaki schen Behörden nicht hatte verlängern lassen, obwohl es ihm ein leichtes gewesen wäre, sie, die immer ohne Schwierigkeit durch volle sechs Jahre verlängert worden war, zu erhalten. Und inzwischen hat cs denn auch sein Verein sür ihn besorgt und sie bis Ende 1038 bekommen. Das alles hat aber Braine nicht gerührt, er ist in Belgien geblieben und hat sich inzwiscl)«n bei seinem neuen Verein, der eigentlich sein altangestammter Klub Ist, schon hervorragend be wahrt. Wie cs gekommen ist, datz er an Prag und seiner berühmten „Sparta" alle Lust verlor, wer könnte das ivisscn und sagen. Vielleicht hat den Spieler, der auch nicht mehr der allerjüngsten. wenn auch immer noch der allerbesten einer ist, das Heimweh nach Hause getrieben und die Heimatluft mit starkem Arme festgehalten . . . Und warum soll man dies nicht annehmen: denn auch Berufssportler haben Herz und Gefühl. Und wie schön war die Freude der Landsleute zu sehen, die den verlorenen Sahn willkommen hictzcn! Aber die „Spartaner" von Prag wollten den Edelstein aus Ihrer Krone nicht ohne weiteres dahinsahrcn lassen. Es gibt Mittel und Wege, einen Profi bei der Stange, an die er sich elbst geschirrt, zumindest für eine Weile zu hallen, ihm im chlimmsten Falle aber die neue Anstellung ein wenig zu ver eiden oder sie hinauszuzögern. Wo kämen wir hin, wenn edcr so aus heiterem Himmel „kontraktbrüchig" lso k)«itzt das chöne Wort) werden wollte; das gibt es nicht einmal beim Theater noch In der Filmindustrie. Die „Sparta" hat getan, was sie konnte, das darf man, ohne Einzelheiten hier zu nennen, ruhig glauben, aber Braine Ist doch daheim geblieben. Der belgische Futzballverband hat Ihm dabei geholfen, und dann kam noch die FIFA, und hat die beiden Vereine, den verlasse nen und den beglückten, der die alte Untreue ganz vergessen und verschmerzt hat, schlietzlich an den Verhandlungstisch ge bracht und darüber gewacht, datz alles ins Reine koinme: denn der Krieg hatte schon lange genug gedauert. Sie haben sich jetzt geeinigt, Braine bleibt bei „Beerschot" in Antwerpen, und danke. „Wo ist die Waffe, mit der die Tat begangen wurde?" fragte ich, „an welcher Stelle des Zimmers hat man sie gefunden?" „Man hat sie nirgends gesunden", erwiderte Tamm, „sie ist nicht da. Der Mörder mutz sie mitgenommen haben." Ich trat an das Fenster. Aber es schien unmöglich, datz hier ein Mensch Hinein oder herausgekommen war. Er hätte sich das Genick ge brochen. Auch von draussen her (ich hatte das vermutet) konnte man Decken nicht erschossen haben, denn der Schütze stand höchstens einen Meter von seinem Opfer entfernt, und der Schreibtisch war mindestens vier Meter vom Fenster fort. Ich trat kopfschüttelnd zurück. Der Inspektor schien in meinen Gedanken gelesen zu haben, denn er sagte lächelnd: „Es geht nicht. Wir haben auch da» schon untersucht." Ich setzte mich in einen der grotzen Stühle, die wir erst gestern noch benutzt hatten, und starrte stumpf vor mich hin. Was bedeutete das alles? Bis vor einer Woche noch lief die Welt einen so ruhigen und friedlichen Lauf, datz ich mir Gäste einlud, um nicht vor Langeweile umzukommen — dann geschah ein grauenvolles Ereignis nach dem anderen, und alle meine Bekannten hatten Geheimnisse, die sie ver bargen, benahmen sich seltsam, beschuldigten einander und sich selbst... Für den Bruchteil einer Sekunde stieg Lisas Bild machtvoll in mir auf, aber ich drängte den Gedanken an sie gewaltsam zurück. Diese drei Morde waren von ein und derselben Per son begangen worden, aus einem Grunde, der uns völlig unbekannt blieb. Wo steckte hier der Sinn? Es ist mehr als wahr, datz man in neunundneunzig von hun dert Fällen mit den Beweggründen zugleich auch den Mör der findet — aber das was hier geschehen rvar, schien so sinnlos, datz man anneymen mutzte, es handele sich um die Tat eine» Irren. Und doch steckte Zusammenhang in allem. Lisa war irgendwie mit der Angelegenheit verknüpft. Wie kam sie zu der Brieftasche Sollichs? Wer war der Mann, dessent wegen sie nach Oppeln fuhr — nur um ihn heimlich zu treffen? Ich sprang auf. Diese Gedanken sratzen an mir, als wollten sie mich wahnsinnig machen! Ohne es zu »vollem nur mit der unbewuhten Absicht mich abzulcnken, trat ich an die Vitrine, die Deckens Cammluug enthielt. Ich blickte hinein nnd stutzte. Tamm, Spürhund wie immer, bemerkte mein Beneh men und stand sofort an meiner Seite. „Was haben Sie?" Ich war sehr ausgeregt Lnde gut — alles gut Seit Weihnachten vorigen Jahres etiva gab es zwischen zwei Ländern im unruhigen Europa einen netten, kleinen, doch nicht ohne Erbitterung geführten Krieg. Die beiden Staaten im Kriegszustand« haben zum Glück keine gemeinsamen Gren zen, und die miteinander um einen nicht geringen Slegesprcis ringenden Völker waren auch nicht ganz und gar im Spiel, andern nur die beiderseitigen, an Zahl nicht armen Heer- charen der Fußballer, Futzballanhiinger und sonst noch am run- >cn Lederball Interessierten. Es war, wenn man die Tages- und Fachpresse der beiden Länder jeweils als dle Stimme des Volkes gelten lasten wollte, ein „rassiger" Kampf, wie es so gerne In der Futzballsprache heißt; und um Fußball ging es letzten Endes hier auch (genauer: um einen Fußballer). In zwischen Ist der Friede einqekehrt, ein Friede ohne Sieger und Besiegten, denn eine höhere Instanz hat eingearisfen, zumindest vermittelt, die FIFA., von der jeder Fußballsreund weiß, datz sie eine ebenso praktische wie wohlklingende Abkürzung sür den Internationalen Futzballverband darstellt. Also: wenn schon ein Sieger, dann die FIFA.: wenn ein zweiter Gewinner, dann Belgien, wenn ein Leidtragender, dann die Tschecho slowakei. Zwischen diesen beiden Ländern tobte nämlich der Streit. Und das kam so: Es war einmal ein belgischer Fußballspieler, ein Stürmer von Gottes Gnaden sozusagen, ein ursprüngliches Naturtalent des Namens Raymond Braine. Als dieser bportsmann sich schon dem Gipfel seines Könnens und Ruhms näherte, als alle großen Futzballvereine, nicht nur die des Heimatlandes, sich bereits die Finger nach Ihm leckten, ihn um waren, wie man nur Diven ans den verschiedensten Gebieten menschlicher Betätigung zu umwerben pslcgt, nahm der also Umworbene den Antrag, wahrscheinlich das günstigste Angebot, eines berühmten ausländischen Fußballklubs, der „Spart a" in Prag, an. Die „Sparta" ist nämlich ein Profi-Nerein, was zu deutsch bedeutet, daß sie ihre Spieler gegen Entgelt beschäftigt, und Raymond Braine war ein Berufsspieler, er spielte Fuß ball nicht nur, weil es ihm wie den anderen ein Herzens bedürfnis war, sondern auch weil es sich dazu noch lohnte. Zwar ist es ein Märchen, daß alle Fußball-Prosis in den Ländern, die diesem System zugetan sind In Frankreich oder Oesterreich, in England und Belgien und wo sonst immer, enorme Einkünfte hätten. Nicht wenige fristen nur bescheiden vom edlen Fußballspiel ihr Leben. Aber Braine hat nicht schlecht verdient in den sechs Jahren, in denen <r für „Sparta" Dke Dahnyossuhr" zeigte neun Minuten nach der achten Stunde. Zeitungsverkäufer schrien Extrablätter au«, al» ich das Bahnhofsgebäude verlieb. Ich erwarb eines. „Mord!" lautete die Schlagzeile. „Professor Decken in seinem Arbeitszimmer erschossen aufgefunden!" Es war wie ein Faustschlag. Ich raste nach der Garage, holte meinen Wagen und fuhr zur Wohnung des Regißeurs. An der Tür stand ein Polizeiposten und wehrte mir den Eintritt. Erst auf persönliche Erlaubnis von Inspektor Tamm, der die Untersuchung führte, durfte ich in die Woh. nung. Man war mitten in den Arbeiten, die ich in meinen Romanen so oft beschrieben habe, ohne sie genauer zu ken nen, und vor denen ich jetzt ein unheimliches Grauen empfand, nachdem ich ihnen zum dritten Male innerhalb weniger Tage beiwohnte. Photographen, Fingerabdruck sachverständige und Gott weist »vas für Beamte eilten bin und her und taten scheinbar sinnlose Sachen — es war die Unruhe eines Ameisenhaufens. Tamm hatte einen roten Kopf und fluchte jämmerlich, als ich ihm entgegentrat. Ich konnte kaum zur Frage an setzen, al» er auch schon wild den Kopf schüttelte. „Nein", schrie er, „keine Ahnung von dem verfluchten Täter — die Polizei verfolgt auch keineswegs eine Spur, die schnellstens zum Ziele führen dürfte, wie es in den Zeitungen immer so schön heißt!" Er war nicht mehr in der Lage sich zu beherrschen und schlug mit der Faust so stark auf ein Tischchen, datz die Vase, die darauf stand, in die Höhe hüpfte und zerschmettert zu Boden fiel. „Es sieht aus, als wolle ein Wahnsinniger alle Menschen ermorden, die irgendwie mit Kunst zu tun baden", brüllte er. „auch wenn sie mit ihr so lose zu sammenhängen wie Deouday. Sollich, der Theater diener, Decken, eine verflucht seine Liste — und wenn man daran denkt, wieviel Personal es noch bei der Komödie gibt, kann man sie nach Belieben verlängern." Ich glaubte, datz es am besten wäre, seine Aufgeregt heit nicht zu beachten und fragte so ruhig als möglich: „Wie geschah es?" Er fluchte. „Die Wirtschafterin hat es zuerst gemerkt. Sie Han- tierte nach Tisch in der Küche. Es soll gegen drei Uhr ge wesen sein. Decken satz in seinem Arbeitszimmer und schrieb. Dafür, datz er schrieb, haben wir nur ihre Aus sagen: es ist nichts soeben Geschriebenes bei ihm oder im Zimmer gefunden worden. Plötzlich hörte sie einen Schuß, holte, da sie Angst hatte, das Zimmer allein zu betreten, den Hausmeister und fand Decken erschoßen am Schreibtisch fitzen. Vom Mörder keine Spur. Das ist alles, was wir wissen." „So wie ich die Wohnung kenne, muß jeder, der in das Arbeitszimmer will, an der Tür zur Küche vorbei — die Wirtschafterin hätte ihn hören müßen, auch wenn diese Tür geschloßen war", erwiderte ich überlegend, „zudem ist es sicher ihre Ausgabe, etwaigen Besuchern zu öffnen, wenn sie läuten." Er nickte grimmig. „Jawohl", erwiderte er, „alles bereits sestgesteNt und nachgeprüft: es kam heute nachmittag nur ein Besucher. Die Wirtschafterin ließ ihn ein und führte ihn in das Arbeits zimmer. Es war Karl Braumüller." Ich sah ihn erstaunt an. „Ja", antwortete er auf meine stumme Frage, und es lag ein seltsamer Ton in seiner Stimme, „es ist tatsächlich wunderlich, daß der Zeichner bei jedem der drei Morde zur Zeit der Tat an der Stelle rvar. Die Wirtschafterin hat ihn zwar hereingelassen, weiß aber nicht, rvann er wieder ging — das ist etwas, was mich an der ganzen Geschichte noch viel seltsamer berührt. Sie war allerdings während der Zeit auk einen kurzen Sprung im Keller. Ick will ru- 22. Fortsetzung. Lisa stand an der Bank de» Geschäftsführer» und ver handelte mit dem Portier. Ihre wundervoll singende Stimme hallte zu mir herüber — als seltsam-wonnevoll ruhiger Tonfall nur; ohne daß ich ein Wort verstand. Der junge Mann an ihrer Seite blickte in so liebevollem Ver trauen zu ihr auf, daß es mir schwarz vor den Augen wurde, und als er antwortete, lag verehrungsvolle Ergeben heit in seiner Stimme. Sie hatte mich noch nicht gesehen. Ich schämte mich plötzlich, hier zu sitzen und sie zu beobachten. Hastig griff ich nach der auf dem Tisch liegenden Zeitung und verbarg mein Gesicht dahinter. Der junge Mann ging. Ich fühlte jeden seiner Schritte (obwohl er auf dem Teppich unhörbar war) als Schmerz in meinem Innern. Lisa stand noch eine ganze Weile an der Bank, als sei sie unschlüssig, dann blickte sie nach der Uhr und schickte sich endlich, wie mir schien, nur zögernd an, ebenfalls zu gehen. Ich sah, unfähig mich zu rühren, da und starrte ihr nach. Dabei hatte ich die wahnsinnige Empfindung, das Ganze sei ein Abschied, und ich werde nach der Sekunde, in der sie durch di« Drehtür hindurchging, nie mehr froh wer den. Meine Finger hatten die Zeitung fallen gelaßen. Sie glitt auf die Knie und von dort raschelnd zu Boden. Ich glaube kaum, daß es mir bewußt wurde. An der Tür, die Spanne eines Augenblickes, ehe sie Pndurckschritt und damit aus meinem Leben verschwand (weiß Cott, wie dieser verrückte Gedanke sich festfraßl), wandte sie sich noch einmal um, sah mich, blieb wie ange wurzelt stehen und wurde glühend rot. Es war die Röte des Zornes. Ich sprang auf, stürzte ihr entgegen... ich glaube, daß ich mich in dieser Sekunde sinnlos benahm. „Lisa!" Sie maß mich mit einem einzigen Blick. Nicht, daß er kalt war, schneidend, vernichtend... es lag soviel ruhige Trauer darin, daß ich ihre Hände liest und zu Boden sah. „Ich hätte das nicht geglaubt", sagte sie leise, „von dir nichts Dann hatte sie die Halle verlaßen. Wieder war jener rasende Wunsch in mir, ganz unbän ¬ dig zu lachen — zu lachen, wie Tiere zu brüllen, wenn sie terben wollen, ohne es zu können. Wieder bezwang ich hn, wurde kalt und fremd wie Eis, trat wie ein Automat ,. n vie Telephonzelle, ließ mich mit jenem Cafö verbinden, n dem Gertrud Harnoth wartete und bat sie an den Apparat. „Ihre Schwester wohnt im Hotel Gloria, Simsheimer Strane — Sie werden sie hier erreichen können, obwohl sie zur Zeit ausgegangen ist. Aber ich würde nicht raten hierherzukommen. Unsere Sorge war zwecklos — Fräulein Lisa Harnoth ist sehr wohlbehalten. Ich fahre mit dem nächsten Zuge nach Hause zurück." Es war, als hätte jemand Fremdes aus mir ge sprochen. Ich legte den Hörer auf die Gabel ohne abzuwarten, was Gertrud auf meine Mitteilung hin sagen würde, zahlte dem Portier das Gespräch und trat auf die Straße hinaus. Die Taxe wartete noch. Ich hatte den Wagen vergeßen; nun sprang ich hinein und fuhr zum Bahnhof zurück. Der Zug ging erst in nahezu zwei Stunden, und für Augen- blicke hatte ich das wahnsinnige Verlangen, Kommissar vraumüllers Rezept zu befolgen und mich ganz sinnlos zu betrinken — dann tat ich die Sache mit einem verächtlichen Achselzucken ab. Mir war nicht wohl dabei. Ich kaufte eine Zeitschrift, setzte mich in den Wartelaal und las dumme und unwahrscheinlich kitschige Geschichten mit einer trotzigen Verbissenheit die ganze Fahrt hindurch, nur um an nichts denken zu müßen. 2ck war angelanat.
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