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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.12.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141230022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914123002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914123002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-30
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
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Mittwoch, 30. verrmber lS14. Leipziger Tageblatt. Sette 2. Nr. 661. Nvenü-Nusgave Hilfskreuzern in den Grund gebohrt worden sind. Nack» der Vernichtung des deu>sä>eu Kreuzer- geschwaders delxruptete England, die Seeschiffahrt sei nun wieder gefahrlos. Vorstehende Drahtmcldung zeigt indes, daß die lieben Vettern wieder einmal den Mund viel zu voll genommen haben. Neue Kun-e von öer ^Vres-en^. Einer Pariser Meldung der „Deutschen Tagesztg." zufolge habe nach der Seeschlacht bei den Falkland inseln der deutsche Kreuzer „Dresden" in P unta Arenas Kohlen eingenommen und sei wieder in See gestochen. Eiserne Kreuze. Mit dem Eisernen Kreuz wurden ferner aus gezeichnet: der Oberstleutnant und Bataillonskom- mandcur in einem Landwehr-Jnfanterie-Regiment Hans Schurig st. Klasses, der Major und Kom mandeur des :). Bataillons im Infanterie-Regiment Nr. i:w Teistler (1. Klasse): der Major im Jnf.» Regt. 1O.'> Fürstenau (1. Klasse, nachdem er am Anfang des Krieges das Eiserne Kreuz 2. Klaffe er hielt): der Oberleutnant im Reserve Infanterie-Re giment 242 Dr. Kuhfahl. Direktor der Dr. Güntz- ,chen Stiftung: der Oberleutnant der Landwehr und Kommandeur des 2. Pserdedcpots des 19. Armee korps Johannes Richter: der Leutnant im Jager-Bataillon 12 Hans Lindner. Mitinhaber der Firma Franz Heyne L Co. in Dresden, der Leut nant im Infanterie-Regiment 182 Hans Frisische: der Musketier im Infanterie Regiment Rr. 88 Carl Jungmichel: der Oberarzt beim Reserve-Feldlazarett 21 Dr. Vogt, Oberarzt der Kgl. Frauenklinik in Dresden: der Vizefeldwebel im Infanterie-Regiment 178 Paul Stie bing sei erhielt ausserdem die Friedrich-August Medaille in Silber verliehen): der Chefarzt eines Feldlazaretts. Oberstabsarzt Dr. St röscher aus Bautzen ser er kielt gleichzeitig die Schwerter zum Ritterkreuz 1. Kl. des Albrcchtsordens): der Einj.-Unteroffizier im In fanterie-Regiment IM Friedrich Rötschke taktiv bei der SängcrschaftErato-Dresden: das Eiserne Kreuz erhielt sein Vater übersandt, da sich der Ausgezeichnete in Kriegsgefangenschaft in Agen be findet), der Leutnant im Reserve-Znfantcrie-Regi- mcnt 21". Rechtsanwalt RudolsIvens (er erhielt ausserdem das Ritterkreuz 2. Klasse des Albrechts- srdcns mit Schwertern), der Leutnant im Landwehr- Infantcrie-Regimcnt 102 Erich von und zu Gilsa, der Gefreite Fritz Zeuner, Sohn des Schlossermeisters Oskar Zeuner in Brand-Erbisdorf, der Veterinär im Ulancn-Rcgiment 17 Dr. Quaas, Sohn des Schlachtsteuercinnehmers Quaas, der Kriegsfreiwillige im Reserve-Jäger-Bataillon 26 Johannes Peau, sämtlich aus Freiberg, der Bczirkskommandcur Oberst Hesse aus Wurzen, vom Feldartillerie-Negiment 78 (Wurzen): der Fähnrich M cltzer, der Unteroffizier der Reserve Otto, der Unteroffizier der Reserve Grimme, der Unter offizier Fröhlich, der Unteroffizier der Reserve Hilscbein, der Fahrer Otto, der Vizewacht meister Lasset, der Vizewachtmeister Bode (er ist erst vor einer Woche zum Vizewachtmeister befördert worden), der Unteroffizier der Reserve im Reserve- Infantcrie-Regiment 242 Lehrer Ernst Mat thäus aus Röcknitz bei Wurzen, der Leutnant der Reserve im Infanterie-Regiment 181, Realgymna- siallehrer Dr. phil. Alfred Holle. Sohn des Eiscnbahnassistcntcn i. N. R. Holle in Chcmnitz- Hilbcrsdorf, der Leutnant der Reserve und Aldjutant im Brigadc-Ersatz-Bataillon 88 Regierungsbau- mcister Kurt Hahnemann in Bautzen, ein ge borener Chemnitzer (er erhielt erst vor kurzem das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern des Albrechts ordens). weitere Mel-ungen. * In Dessau verstarb der Vorsitzende des Lan desverbandes des Deutschen Jlottenvercins Kapitän mr See v. Hippel, ein Enkel des preussischen Staatsbeamten, der Friedrich Wilhelms III. Aufruf „An mein Volk" verfasste. ?luf Sem Unterseeboot am Weihnachtsabend. Ein Maat, der zur Besatzung eines unserer kühn?n Unterseeboote gehört, gibt der „Weser zeitung" folgende stimmungsvolle Schilderung: Rach ein paar Tagen der Ruhe, während deren Im Verlaufe der von der französischen Heeresleitung anbefohlenen Offensive unternahmen unsere ver bündeten Feinde auch auf dem nordwestlichen Teil des Kriegsschauplatzes einige V o r stö ss c gegen die deutschen Stellungen, die jedoch alle ergebnislos verliefen. Bemerkenswerte Kämpfe gab es bei Nieuport. wo sogar die englische Flotte mit eingrlff und dann bei Festudert in der Nähe von Bethune. Hier erlitten besonders die Engländer, denen wir einen Teil ihrer Befestigungen entrissen, sehr schwere Verl uste. 19 Offiziere, 819 Farbige und Engländer, 14 Maschinengewehre. 12 Minenwerser und sonstiges Kriegsmaterial fielen dabei in deutsche Hände. Auf dem Kampffeld liess der Feind allein über 8000 Tote, zu deren Bestattung er, wie erinnerlich, um eine Waffenruhe bat. die II-Boote wieder instand gesetzt und zu neuen > Unternehmungen klar gemacht worden waren, geht die II - B o o t s f l o t t i l l e am Abend des 28. Dezembers wieder in Se.'. Ja langer Kiellinie fahren die Boote, nachdem sie die Schleuse passiert haben, die Jade hinab. Alle Luken der Boote sind luftdicht verschlossen, auf dem Turm steht der Kommandant mit seinem Stabe: Avachtoffizier, Signalmaat und Rudergänger. Im geschlossenen Laibe d:s Bootes entfaltet sich eine emsige Tätig keit, jeder befindet sich auf seiner Station, während die Motoren surrend die Schraubenflügel drehen, einen Lärm verursachend, der sogar das harte Schlagen der an der Bordwand sich brechenden Seen übertönt. Der Mannschaft legt sich die durch Oel-, Teer- und hundirterlei andere Gerüche geschwängerte Luft fck>wcr auf die Lungen. Durch das gefahrvolle Fahrwasser sich einen Wog suchend, passieren die Boote Helgoland und fahren nun getrennt, jedes seinen vorgcschriebencn Kurs einhaltend. Die Augen der auf der Brücke Stehen den, durch die scharfe Luft und die salzigen Spritzer gerötet, sind bemüht, die Dunkelheit zu durchdringen. Jeder klammert sich an die niedere Reling, um nicht von einer der Sturzseen hinabgerissen zu werden, die sich wütend auf das platte, linoleumbelegte Deck stürzen und die Absicht kundgoben, den ihnen schein- bar im 2lZege stehenden Turm mit den darauf be findlichen Menschen herabzureissen. Hochauf spritzt der Gischt gleich einer weissen Wolke über Deck und überschüttet di: Mannschaft, den entblössten Körper teilen einen nicht geringen stechenden Schmerz ver ursachend. Mittlerweile weicht die "Rächt dem dämmernden Morgen, und als die Boote auf der Höhe der „Dogger-Bank" ankommen, hat die liebe Sonne, deren Strahlen rvenig Wärme entwickeln, längst ihren Tageslauf begonnen. Die Schiffsleitung hat sich, da die Boote sich jetzt in feindlich:m Wasser bewegen, ins Innere des Turmes zurück gezogen, da die Vorsicht es erheischt, unter Wasser mit ausgebrachtem Periskop zu fahren. Während der langen Fahrt war trotz grösster Aufmerksamkeit kein feindliches Schiff in Sicht gekommen, und die Sonne verschwindet nun wieder hinter den west lichen Wellenbergen, leichte Ncbelschwadcn senken sich, mit zunehmender Dunkelheit immer dichter wer dend. auf die Wasserfläche herab, die sich im Schutze der englischen Küste beruhigt hat. Unser Boot gleitet, nur einige Meter getaucht, mit langsamer Fahrt durch das Wasser. Der Kom mandant, auf die Platte sehend, die ihm das vor dem Boot befindliche Seefeld vermittels des Periskops widerspiegelt, sieht nur Nacht, kein Licht schein kommt in Sicht. Seine Gedanken schweifen in die Heimat, zurück nach Frau und Kindern: er sieht sein« Lieben um den lichterglänzenden Weih nachtsbaum versammelt, strahlenden Auges blicken die Kleinen in den Lichterglanz der Kerzen. Und siehe — das oberste Licht überstrahlt alle die andern, es nimmt eine grüne und eine rote Färbung an, wird immer grösser, immer grösser, und — — — Was war da? Ein schriller Ton durcheilt jäh die Räume des Bootes, Kommandorufe erschallen, die Mannschaften, die an ihren Stationen teilweise auch ihren Gedanken nachgehangen hatten, werden durch d?n Klang der Alarmglocke unsanft in die rauhe Wirklichkeit gerissen, und führen nun mit grösster Schnelligkeit die erteilten Befehle aus. Di« Mo toren arbeiten heftig, und die Schraubenflügel drehen sich in rasender Geschwindigkeit, während di« Vertikalrudcr sich scharf nach unten legen. Bange Minuten folgen. Der Ticfmanzeiger zeigt, dem Beobachter viel zu langsam, ein Meter nach dem anderen an, und erleichtert atmet jeder auf, als zwanzig Meter Tiefe erreicht sind, und somit die (befahr. in der das Boot soeben geschwebt, vor über ist. Was war geschehen? Das rote und grüne Licht kündete das Heran nahen eines feind lichen Panzers, der den Kurs des II- Bootes kreuzte und sich mit großer Schnelligkeit dem Boote näherte. Dieses wäre überrannt worden, wenn der Kommandant nicht noch recht- zeitigdie Gifahr erkannt und Boot und Mannschaft vor dem Untergang bewahrt hätte. der letzte Srief eines Matrosen vom Kreuzer „Nürnberg". Der nachstehende Brief stammt von einem Matrosen auf S. M. S. „Nürnberg" und wurde unmittelbar vor dem heldenmütigen Kampf und Untergang des Kreuzers und seiner Besatzung geschrieben. Südsee, ii. Oktober 1914. Nach langer Irrfahrt sind wir glücklich in einem einigermassen zivilisierten Hafen gelandet. Di« alte „Nürnberg" lebt immer noch und auf ihr Euer blauer Junge in voller (hesundheit. Bekannt wird es wohl indessen geworden sein, dass wir nach tollkühner Fahrt in Honolulu landeten und dort Kohlen und so viel Proviant nahmen, wie wir zu lasten vermochten. Meinen Brief von dort hoffe ich schon in Eurem Besitz. .80 Freiwillige stell ten sich dort, darunter neun Lloydkadctten, als Ein- jährlg-Kriegsfreiwillige. Mit ihnen zusammen trage ich nun den schwarzweissroten Winkel. Dank meines Gönners, des Leutnants zur See Trafen von Spee. Nun noch etwas von unserem Aufenthalt in Honolulu. Ein amerikanischer Kreuzer lag im Hafen. Ein donnerndes, dreifaches Hurra be grüßte ihn, als er unsere Nationalhymne spielte. Alle schüttelten an Bord drüben den Kopf. Dann kam eine Glanzleistung: das Kohlen. Kaum waren wir fertig, ging's wieder weiter. Dieses er hebende Gefühl, das uns alle bei unserer Abfahrt durchzog, werde ich nie mehr vergessen. Es war spätabends. Alles war von Menschen dicht besät. Dicht am Kai standen die Deutschen, die uns mit allerlei Liebesgaben direkt über schüttet hatten. Laqsam zogen die Maschinen an. Ich hatte gerade Wache im Turm. Auf einmal stimmten wir alle wie aus einer Kehle die „Wacht am Rhein" an. Die Deutschen stimmten begeistert ein. Man sah nasse Augen und begeistertes Tücher gcschwenke. Das Publikum stand mit offenem Munde da und schüttelte den Kopf. Man war sprachlos. Ja, da steckt der Teufel hinter, mit diesen Deutschen ist nicht zu spaßen. Draussen lauerte der Feind, doch wir kamen glücklich durch und vereinten uns mit dem Geschwader. Von unserer weiteren Tätigkeit schreibe ich nichts und darf es nicht. Noch untätig waren wir gewiss nicht, liebe Eltern, sondern haben den Engländern einen gewaltigen Streich gespielt. Vier Panzer kreuzer sind wieder hinter uns her. Der Kommandant hält cs nicht für ausgeschlossen. Lass es morgen zu einem grösseren Gefecht kommt. Na. mir ist alles gleich. Meine Brüder daheim haben geblutet und schon Ungeheures geleistet. So lebt denn wohl, geliebte Eltern und Geschwister, seid viel tausendmal gegrüßt und geküßt von Eurem dank baren Sohn und Bruder Seit 6. 9 14 Einj. Matrose auf S. M. S. „Nürn berg", Hurra!! Wieder ein Stück näher meinem Ziele. Freut Euch mit mir, lebt wohl. Auf Wieder sehen! Der -rutsche Mbatros über Ser Ttzemjebucht. Aus Southend wird der „Times" über die Flic gerkämpfc an der Themse noch unterm 25. Dezember berichtet: „Kurz vor 1 Uhr erschien heute mittag ein deut sches Flugzeug von dem Albatrostyp bei Pur slect. Der dichte Nebel, der seit dem frühen Mor gen geherrscht hatte, begann sich in Fetzen auf-»lösen, als die Wochtmannschaften den unwillkommenen Gast sichteten. Dieser wurde sofort mit Schrapnellseuer aus den wider die Luftschiffe aufgestellten Geschützen beschossen. Sechs Schüsse wurden abgegeben. Der zweite scheint ein Treffer gewesen zu sein, denn einer der Flügel des Flugzeuges, eines Zwei deckers. begann sich loszulösen. Der Schaden kann jedoch nicht schwer gewesen sein, wie sich in der Folge ergab. Mittlerweile machten sich drei Dopvel- SvdrsidmLsvdinaa LkeMiML Orimmni^ebo tztr. 24. I'e!. 12989. Wandernde Musikanten. 14) Roman von Georg Dellavoss. Er fast mit dem Rücken gegen das Fenster, und sie konnte sein Gesicht nur verschwommen sehen, während sie sprach. Gr spielte mit einem elfenbeinernen Papiermesser und ihre Lingen folgten, wie magisch angezogen, den Bewegungen >einer schlanken, kräftigen Finger. Zum ersten mal siel ihr auf, das; er keinen Ehering trug, nur nm kleinen Finger der Linken einen Reif mit einem grossen, funkelnden Rubin. Als sie geendet hatte, legte er das Papier messer ans den Tisch zurück, ohne dabei seine be queme Stellung zu verändern. „Ich bin von der Sache unterrichtet," sagte er, „und cs ist kein 'Irrtum dabei im Spiel. Hoffentlich tränkt es Sie nicht zu sehr, wenn ich Ihnen sage, dass au der Verfügung im Augenblick nichts zu andern geht." Elie war blass geworden. „Nichts zu ändern geht —!" wiederholte sic fast atemlos. „Ja — was haben wir denn ver brochen?" Es ivar, als husche ein Lächeln nm Kar- dowskhs Mundwinkel, als er ruhig antwortete: „Verbrochen! Aber nicht das geringste!" „Warum lässt man uns dann nicht ab- reisen? Wir haben künstlerische Verpflichtungen in anderen Städten — Verpflichtungen, die auch grosses materielles Gewicht für uns haben. Mit welchem Recht will man uns znrückhalten, uns solchen Schaden znsügen?" „Bitte, setzen S>c )ich, Etisiaweta Iwa- irowna — cS tut mir leid, dass sie sich die Lache so zu Herzen gehen lassen! Glauben Sie mir, cs wird alles geschehen, nin Lie und Ihre Freundin tünsllcrifch und materiell zu entschädi gen. Aber zur Abreise kann gerade ich Ihnen nicht verhelfen, weil es eben auf meinen Wunsch geschieht, dass man Ihnen die Pässe verweigert!" Das Wort fiel wie ein Donnerkeil aus blauem Himmel auf Else nieder. Einen Augen, blick laug stockte ihr Herzschlag — sie starrte Kardowskp mit grossen Augen an. — Tann schoss ihr das Blut ins Gesicht und mit vor Zorn und Entrüstung bebender Stimme schrie sie: „Sie? Sic? Das glaube ich nicht — das kann ich nicht glauben!" „Warum nicht?" Else nahm sich zusammen — mit aller Energie meisterte sie ihre Aufregung, eine Auf regung, in die sich ein seltsames, atemloses Glücksgesühl mischte, nm ruhig sprechen zu können. „Ich glanbe cs nicht, Alexander Sergcitsch," sagte Fe, „weil cs eine Feindseligkeit wäre, meine künstlerische Laufbahn zu stören, Steine in meinen Weg zu werfen — eine Feindseligkeit aber habe ich nicht verdient! Ich nehme also an, dass es eine Laune ist, dass Sie einen Scherz machen wollen —" „Das hat noch niemand von mir erlebt!" „Dann wollen Sie mir etwas demonstrie ren," fuhr Else in wachsender Erregung fort, „irgend etwas, vielleicht die Macht eines rus sischen (Gouverneurs! Aber Sie vergessen, dass wir Ihnen nicht schutzlos ausgcliefcrt sind — wir haben einen Konsul, der uns unser Recht verschaffen muss!" „Ihr Konsul ist ein sehr netter, jovialer Herr," sagte kardowskn, ganz ungerührt von Elses Zorn, „und ich zweifle nicht, dass er feine Pflicht tun wird. Nur — dass ich ebenfalls Mittel und Wege habe, die Erledigung sehr lange hinauszuschicbcn, so lange, dass Sie nichts da bei gewinnen werden!" „So reisen wir morgen nach Wien zurück — das werden Sie nicht lsinbern können!" „Ich kann cs, sobald ich will! Und ich will!" Eine kleine Panse entstand. Dann drehte Else sich wortlos Jun und ging nach der Tür. „Elisiawcta Iwanowna! Wollen Sic sort- gehcn >vie ein schmollendes Kind? Nicht ein mal erfahren, warum ich auf einmal mich als widerwärtigen Machtl-aber zeige, als rücksichts losen Tyrann? Denn das nennen Sic mich doch jetzt im stillen!" ES lag etwas in seiner Stimme, das ElscS Zorn besiegte, das wieder dieses unsinnige, fiebernde Glücksgesühl auftodern liess. — Sie wendete sich nm und ging langsam nach dem Stuhl zurück, dessen Lehne sie mit beiden Hän den umspannte, ohne sah zu setzen. „Hören Sie mich an, Elissaweta Iwanowna — ich schulde Ihnen Aufklärung, und will sie geben. Ich null so offen mit Ihnen sprechen, ivie ich cs noch mit keinem Menschen getan habe, weil Sie ein tapferes Mädchen sind und ein treuer Kamerad wären — das ist das höchste Lob, das ich einer Fran zollen kann!" Else liess sich m den Lessel gleiten. Vor ihren Augen spannte sich ein grauer Schleier, der ihr das Gesicht des Mannes gegenüber verhüllte, und ihr Herz klopfte laut. Noch immer war es wie ein Rausch in ihrer Seele, aber in das Jubeln und Klingen hinein begann etwas zu stöhnen und zu flüstern — ein Angstgefühl kam geschlichen, setzte langsam Schrill für Schritt den Fuss weiter, trat ans das Glück, dass es sich zu winocn begann. „Es gibt zwc^Dinge auf dieser Welt," horte sie KardowskyS kühle nnd doch so metallene Stimme, sagen, „zwei Dinge, die mein ganzes Sein bedeuten, die mein Ich auSfüllen, denen mein Leben einzig und allein gewidmet ist! Tas Erste ist die Macht! Nach ihr habe ich gestrebt, seit ich die Kinderschuhe ausgezogen habe, sie war mein Ziel zu jeder Stunde — um sie zu er langen, habe ich eine Frau geheiratet, der ich heute gleichgültig geworden bi-n, weil ich sie nie geliebt habe! Und ich werde die Macht festhalten, solange mein Hirn arbeiten und denken kann — solange Blut in meinen Adern fliesst? Tas Zweite, Elissaweta Iwanowna, ist mein Kind!" Eine kleine Panse entstand. Tie so fest nnd ruhig gesprochenen Worte schienen im ganzen Zimmer zu widcrhallen. — „Ich bin kein Gefühlsmensch," begann Kar. dowskn wieder. „Ich habe nie das Bedürfnis nach Frcnndscl-aft oder Liebe verspürt, selbst nicht in den Jahren, wo das Herz allen Torheiten offen steht! Was ich liebe, ist mein Kind! Fleisch von meinem Fleisch — Blut von meinem Blut! Lachen Sic über mich, Elissaweta Iwanowna?" „Nein!" sagte Else leise. Das GlücksgeFihl war plötzlich zerronnen, die Angst mit ihm — sic sah wieder klar und deutlich, ohne Schleier in die grausame Helle des Tages. Nur ein Wchgcfühl >var zurückgeblieben, das bohrte und stach ganz leise, immer in dieselbe wunde Stelle — „Mein Kind ist ein krüvpcl!" sagte Kar- dowskh, nnd nun klang ein verzweifelter Hohn in seinen Worten, „ein Krüvpcl, dessen gesunde, schmerzfreie Stunden so selten sind, wie ein Sounenlächeln in unscrm finstern nordischen Winter! Tas ist mein Erbe — meiner Macht, meines Reichtums — für ihn bin ich gestiegen und gestiegen, ohne zu achten, auf wen ich dabei treten musste! Aber ich liebe ihn — mehr, als wenn er ein gesundes Kind wäre, mehr, als wenn er gerade Glieder hätte! Sic sind eine Fran, Lie werden das verstehen!" Else nickte nur. Die Augen waren ihr feucht geworden. „Ich weiss, dass er nicht alt werden wird! Die Aerzte konnten mich nicht täuschen. Nun — solange er lebt, soll er haben, was sein Herz begehrt nnd sollte ich es rauben oder stehlen müssen! Jetzt sind Lie sein höchstes Glück, der Gedanke an Ihre Abreise macht ihn stundenlang schluchzen. — Darum will ich Sic halten, so lange es geht!" „Alexander Sergcitsch —" jagte Else lang sam, „warum haben Sic mir das nicht gleich gesagt? Warum haben Sie mit Gewalt jeman den halten wollen, der aus Freundschaft für Andrej gerne so lange geblieben wäre, wie das möglich ist?" „Vielleicht wollte ich ganz sicher gehen," sagte Kardvwskn mit einem schattenlmften Lä. chcln. „Und dann — Sie sind nicht allein! Was machen die andern wandernden Musikanten ohne Sie, ohne Ihre erste Geige? Ich werde sie reich entschädigen - aber Sic durften nicht die Ver antwortung dafür tragen!" (Fortsetzung in der Morgens usgabrI'
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