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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.12.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141212016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914121201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914121201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-12
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
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LelpHta« 2og«dlatL Sonnavenü, l2. vnemver lSH. Nr. SSO. Marseo-Nusssve. Settr 7. Kunst- Wissenschaft und Unterhaltung Leipzig, ir. Dezember. Neue« Theater. Lus Bremerhaven nahte sich Flotows Martha ein neuer, schüchterner Verehrer. Aber falscher Wegmetsung schien er gefolgt zu s:in. Denn als lyrischer Tenor steht Herr Hans Diedrich am unrechten Platz; zum Buffo hätte die Stimm« allenfalls gelangt, obwohl man auch dann etwas Schmelz und Glanz ab und zu recht wohl vertragen könnte. Der Tenorist war mehrere Male auch im Soloquartctt kaum oder nur sehr schwer vern-hm- bar. allerdings deckte ihn das Lonradsche Orchnter dann gehörig zu. Auch im Spiel wich der Gast keinen Zoll breit vom Theater ab: Eine gute Folie für d.n köstlich lebensfrischen Plumkett Hans Müllers und die graziöse Harriet Cläre Hansrn-Schulthetz', denen wir bisher noch nicht auf Richmonds Markt beg^net waren. —pn— * Städtische Theater. Wegen andauernder Er krankung von Cäcilie Rüiche-Endorf mutz die für Sonntag geplante Aufführung des neu ein- studierten „Oberon" noch um einige Tage verschoben werden. Gegeben wird dafür „Aida". * Der Schillerverein (Literarische Gesellschaft) zu Leipzig S. B. veranstaltet mit Unterstützung von Rektor und Senat der Universität heute abend 8 Uhr in der Alberthalle seinen 15. und letzten Vater ländischen Abend zugunsten einer Weihnachtsbe scherung für Kinder gefallener Leipziger Krieger. Den Abend eröffnet Organist Max Fest mit Pa- storale-Ciaconna für Orgel von Joh. Pachelbel Als dann hältHerr Geh. Hofr.Pros.Dr. RichardSchmidt einen kurzen Vortrag betitelt: „Der französische Volks geist". Den Schluß des ersten Teiles bildet der gemein same Gesang „O Deutschland, hoch in Ehren". Den zweiten Teil leitet umer geschätzter Kurt Stieler mit den Eoetheschen Dichtungen: Der Totentanz; Prometheus; Das Göttliche, ein. Hierauf folgt ein kurzer Vortrag von Prof. Dr. Georg Wit kowski über das Thema: „Der deutsche Volksgeist vor hundert Jahren und in der Gegenwart". Der gemein ame Gesang „Deutschland» Deutschland über alles" wird den Abend beschließen. Karten erhält man dis 6 Uhr in der Linckeschen Buchhandlung, Burgstr.1—5, und bei Kastellan Meisel, sowie von 7 Uhr ab an der Abendkasse. * Der Konflikt am Dresdner Alberttheater, der bekanntlich vor etwa einem Jahre dadurch entstanden war, datz der Direktor Maxime Rens kündigungslos entlassen worden war, und der, wie erinner.ich, ganz Dresden monatelang in Aufregung gehalten hat. ist. wie uns aus Dresden gemeldet wird, durch einen Vergleich aus der Welt geschafft worden. Vor dem Oberlandesgericht einigten sich beide Parteien darauf, datz die Alberttheatergejellschait ihrem früheren Direktor eine Abfrandsiumme von 3750 zahlt und die Hälfte der Gerichtskosten übernimmt. In erster Jnsianz war bekanntlich Direktor Rens mit seiner Klage abgewiesen worden, aber das Obertandes gericht hatte sich von vornherein auf einen anderen Standpunkt gestellt und der AlberttheatergeicUschaft den dringenden Rat gegeben, Rens zu entfchüdigen. * Professor W. Hinrichscn s. Im Kampfe für das Vaterland siel, wie bereits kurz gemeldet, bei einein Sturmangriff in Polen der Privaldozent für allge meine Chemie an der Berliner Technischen Hoch schule. ständiger Mitarbeiter am Kgl. Matcrial- prüfungsamt zu Berlin-Dahlem Professor Dr. F. Willy Hinrichsen, Leutnant d. R. 1877 in Berlin geboren, erwarb er 1899 in Heidelberg den Doktor grad, war dann Bolonkärassistenk bei Prof, van t'Hoff in Berlin. 1900-1901 AMent bei Prof. Dr. Landolt am II. chemischen Institut, später bei Prof Classen in Aachen, wo er sich am 4. Mai 1904 für allgemeine und physikalische Chemie habilitierte. Am 1. Mai 1906 zum Mitarbeiter an der Abteilung für allge meine Chemie am Kgl. Araterialprüfungsamt in Berlin berufen, wurde er hier Ostern 1907 zum stän digen Mitarbeiter ernannt. Im Sommer 1906 habi litierte sich Hinrichsen an der Berliner Technischen Hochschule und erhielt Dezember 1908 das Prädikat Professor. Seine Arbeiten betreffen u. a. ungesät- llgte Verbindungen, Atomgewichtsbestimmungen (Kalzium, Tantal), technische Analyse. In Buchform veröffentlicht er: „Valenzlehre" (1W2), „Chemische Atomistik" (1908). Der Schinkelwettdewerb 1915 und der Krieg. In dem durch Staa.sprehe ausgezeichneten Schinkel- Wettbewerb des Architektenvereins zu Berlin, dessen Arbeiten aus Antrag des Einsenders auch als Reglerungsdaumeifterarbeiten dem staat lichen Oberprüsungsamt rwrgelegt werden, waren für die zum nächsten Jahr gestellten Aufgaben im ganzen nur drei Arbeiten eingegangen, da die meisten der in Frage kommenden jungen Architekten im Felde stehen. Um dieien jedoch ,u ermöglichen, die vor dem Krieg begonnenen Preisarbeiten auch jetzt noch fertigzustellen und zu verwerten, hat der Vorstand des Architektenvereins besondere Bestimmungen ge troffen. Die betreffenden Preisbewelber stellen bei dem Archiieklenverein, sobald sie in der Lage sind, an der Arbeit weiterzuarbelten, den Antrag, datz ihnen zur Beendigung eine Frist gewährt wird. Sie geben schriftlich die eidesstat liche Versicherung ab, datz sie die Arbeit vor Beginn des Krieges ange- fangen haben, und datz sie durch den Krieg an der Fertigstellung bis zum festgesetzten Ein lieferungstermin. dem 2. November 1914, ver hindert worden sind. Sofern sie Wert darauf legen, datz ihre Arbeit als Baumeisterarbeit gelten soll, fügen sic einen entsprechenden Antrag an den Mi- nister der öffentlichen Arbeiten bei. Während die rechtzeitig emgegangenen Arbeiten in der feftgelegten Zeit und Weiie vom Verein und dem Oberprüsungs amt beurteilt werden. >o datz die Be-anntgabe des Ergebnisses bis zum SchinkeUage. dem 13 März 1915, erfolgen kann, werden die nachträglich eingehenden Arbeiten später, jedesmal nach ir,rem Eingänge, vom Verein und, sofern es sich um Baumelsterarbeiten handelt, auch vom Oberprüsungsamt beurteilt. Wird einzelnen der nachträglich eingehenden Arbeiten die Schinketdenkmünze oder ein Schintelpreis zuerkannt, so erfolgt deren Aushändigung an dem der Beurtei lung folgenden Schlnkelfeste. Wird eine der naib- träglich eingehenden Arbeiten eines Schinkelpreises wert erachtet, so erbittet dieien der Archiieklenverein bei dem Minister oder, falls dieser solchen nicht zur Verfügung stellen kann, gibt der Verein selbst die Mittel dazu her * Dr. Alexander Lippmann, der junge begabte Meteorologe und Physiker, ist als Gefreiter und Kriegsfreiwilliger der Dresden-Kaditzer Luftschiffer abteilung einem Automobilunsall zum Opfer gefallen. Lrppnrann, der rm 32 Lebensjahre stand, sah einer hoffnungsvollen Laufbahn entgegen. Er war seit einigen Monaten als Geschäftsführer der von ihm ins Leben gerufenen Gesellschaft zur Gründug eines Observatoriums in Oberhof tätig und hatte vor einigen Jahren den Preis der Universität Leipzig für eine mathematische Arbeit erhalten. * Eine Stiftung für rheinische Künstler. Um den Künstlern der Rheinlande eine bescheidene Verkaufs möglichkeit zu geben, hat der Vorstand des Ver bandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein unter Genehmigung seines Protektors, des Grotz. Herzogs Ernst Ludwig von Hessen, und mit Zustinr- mun, des Stifters beschlossen, den für das 2aor 1915 fälligen Betrag der Konlul-Friedrich-Stif- tung mit 5000 ./ü schon jetzt auszugeben, aber nicht für Preise, londern für Verlosungsankänfe im Höchst beträge von je 250 " Hochschulnachrichten. Wie die ...Hochschulkorre- spondenz" erfährt, ist in der katholisch - theologischen Fakultät der Universität Breslau der außer ordentliche Professor Dr. theol. Joseph Wittig zum Ordinarius der alten Kirchengeschlchte und der Privatdozent Dr. theol. Franz Laver Seppelt zum außerordentlichen P ofessor der mittelalterlichen und neueren Kirchengeschichte in Aussicht genommen. — 2n der medizinischen Fakultät der Universität Halle habilitierte sich Dr. med. Paul Zander für das Fach der Chirurgie. — Profenor Dr. Joseph Hansen, Direttor des städtischen Archivs in K ö l n. wird dem Ruse an die Universität Kiel keine Folge leisten. Er sollte dort das Ordinariat der mittelalterlichen und neueren Geschichte als Nach folger von Prof. Rachsahl übernehmen. — Dein Ver nehmen nach wird oer B r e s l a u e r Privaldozent Prozessor Dr. Willy Kabiy dem Rufe als außer ordentlicher Professor der Philosophie an die Uni versität Münster i. W. zu Beginn des kommenden Sommer.emesters folgen. — Aus Giegen wird ge- meloer: Der o. Proseßor der Zoologie Geh. Hoi rat Dr. Joh. Will) Spengel ist zum ordent.ichen Mitglied der Kgl. Ge.ellschaft der Wissenschaften in Upsala ernannt worden. * Weiterer Rückgang des juristischen Studiums. Im Sommersemester 1914 betrug die Zahl der Iu ra stud ie re nd e ii an den deutschen Univer sitäten 9824 gegen 10390,im Sommer,emester 1913 und 11087 im Sommeriemester 1912. Es hat alfo im letz en Semester ein werterer Rückgang gegenüber dem Vorjahre um 572 oder 5 5 Proz staitgefunden. Dieser Rückgang ist zwar nicht so groß wie im letzten Jahre, wo er 691 ober 6,5 ^roz. betrug, aber immer hin beträchtlich genug und trug der Ueberfiillnnq Rechnung, die bei den Anwärtern auf den höheren Justlzdienst m allen deutschen Staaten bis zum Be- ginn des Krieges herrschte Wie sich nach der Be- endigun., des Krieges mir seinen ganz ungeheuren Opfern auch im Juriftenstande — die „Deutfche Juristenzeliung" zahlt in ihren drei Verlustlisten bis zuin 28. November 948 Juristen und höhere Lerwaltungsbeamte — die Verhältnisse gestalten werden, läßt sich noch nicht übersehen. * Gefallene Theologen. In Ausübung ihres Be rufes fanden den Tod für das Vaterland der evan gelische Pfarrer Kurt v. Wodtke aus Halle a. S., zurzeit Divisionspfarrer. Ritter des Eisernen Kreuzes, und der katholische Feldgeistliche Dr. Schwane. * Professor Dr. Emmerich s. Der Professor für Hygiene und Bakteriologie Dr. Rudolf Emmerich in München starb dort im 62. Lebensjahre. Emmerich hat 1870/71 den Feldzug gegen Frankreich nrit- acmacht. Er hat die b a t t c r t e n t ö t e n d e Wir kung des Blutserums künstlich immunisierter Tiere zuerst erkannt und mit Pettenkofcr das be rühmte Experiment des Selbstinfektionsoersuches mit Cholerabazillen gemacht. In den letzten Jahren hat er mit Professor Oskar Loew Untersuchungen üoer die Bedeutung der Kalziumialze für den menschlichen Organismus äuge stellt. * Wilhelm Wundt über den Orden l'oui le mei itv. Prof Dr. Rost in Chemnitz, der für die deutichc Bezeichnung des hohen preußischen Ordens I'our le merne crngetreten ist, wandte sich in dieser Frage an seinen Lehrer. Geheimrat Pros. Dr. Wilhelm Wundt, der selbstRttter dieses Ordens ist. Die Antwort Wundt» lautet: „Sehr geehrter Herr Professor! Die Frage des Namens Lo»r h- mdirc hat. wie ich glaube, zwei Setten. Einerseits haben Sie gewiß recht, wenn Sie es bedauerlich finden, daß dieser Orden einen franzö sischen Namen hat. Anderseits aber ericheint es doch mißlich. den Namen. den ihm nun einmal sein großer Suiter gegeben hat. zu ändern. Wir leiden eben iuer, wie in so manchem anderen, an unserer Geschichte, die es genigt hat. daß in der Zett des Großen Friedrich die geistige Kultur Deutschlands noch von Frankreich, ols dem älteren Kulturvolk beherrsch! wurde Gerade Friedrich der Große, der. wie besonders leine philo sophischen Schriften lehren ein durchaus denticher Charakter war, in doiiir ein beroorrogender Zeuge. Diesem Doppelweien Friedrichs, der nanzönfchen Außenseite und dem inneren deutschen Geist, enlipricht eben lener Zwieipalt zwischen den: Zweck des Ordens und »einem Namen. Nun sprechen aber dock, govichtige Gründe dasür, die Ermnernng un Friedrich den Große,,, die nun einmal diesem Orden seinen Wert gibt, nicht durch eine Unnaufe zu »erwuchen. Müssen wir doch im Rückblick auf unsere Geschichte heute Friedrich den Gronen als den Mann anerkennen der. wenn wir von dem Großen Zturuirsien nbiehen, die Grund lagen für die i eurige Entwicklung des Deutschen Reiches geichanen hat. Ritt Rücklicht darauf mochte ich daher, trotz Ihrer berechneten Bedeuten, für die Beibehalrunp des ursprünglichen Namens mich ent scheiden. Nrn den besten Grützen Ihr hochachtungs voll ergebener W. Wnndl." ° Tr. Paul Schneider gesallen. Der Besitzer und Chefredakteur der in Kassel erscheinenden „Hessischen Post' und des „Kasseler Stadtanzeigers". Tr. jur. Pan! Schneider, Hauptmann der Landwehr, hat an ter Spitze seiner Kompanie in Frankreich den Heldentod gesunden. * Die Abteilung siir Völlertnude auf der Welt ausstellung von San Francisco. Unter den Wundern der Wissenschaft und Kunst, die die Weltausstellung von San Francisco zeitigen wird, verdient be,ondcre Hervorhebung die rö»ken indlichc Abteilung, die von dem S in i t h f o n i a n Institutc. dem großen ameriiani cheu Völkerkunde Museum, vordere.ter wird. Die Ausslelluugsg-.'gcuitände, die alle aus den reichen Beständen des Museums stammen, werden auf mehreren Schiffen durch den Pauamakaual nach San Francisco geschafft. Die Abteilung besteht aus zwei Hauptgruppen. Die eine enthält Modelle. Bil der und wiisenfchaftliche Apparate, die die Einrich tuiig und die Arbeitsmethoden des Smikhjonian In stitute zeigen. Die andere Gruppe ist die eigentliche völkerkundliche, in der Sitten, Rcligionsgebräuche, Kleidung. Ornamentik und allgemeine Merkmale von vier vcrzchiedenen primitiven Rassen in einer bisher noch nie »orgeführten Vollständigkeit gezeigt werden. Die Völker, die man ausgewählt hat, sind die Ka- riben von Britisch-Gucniana, die Dajaks von Borneo, die Eskimos aus Alaska und die Zulus aus Süd afrika. Diefe systematisckze Darstellung wird ergäiut durch weitere ekhnole^gifche und anthropologische lOegenstände. die die Entwicklung des primitiven Menfchen zu den ersten Kulturstufen an dem Beispiel von zwölf verschiedenen Völkern zeigen. Es werden hier Zwölf verschiedene Dorfgruppen ausgestellt, von denen jede sechs Figuren und «in ganz realistisch aufgebantcs Milieu mit Zelten und Zeremonien ent Itzilt. Diese ganze sorgfältig ausgewähltc und vor bereitete Ausstellung wird nicht wieder ausgelöst werden, sondern in ihrer Gesamtheit dem neuen Museum überwiesen werden, das man im Zusammen Hang mit der Ausstellung für San Francisco bautz Vie aeukscve IM. 29s Ein Roman aus unseren großen Lagen von Paul Burg. (Line Bauernsrau — ihr Aeltester war in der ersten Schlacht gefallen — wischte sich herz haft dre Tränen von den Backen. „Ich hab ja noch drei Jungens dabei. Aber es hatte mich nichts so gefreut, ars wenn mein Aeltester das auch noch mitgemacht hätte. Nu ist er vielleicht in dem Glattben gestorben, datz wir doch nicht siegen, wir Deutschen. Wir wer den sie schon alle, alle zusammenschlagen, daß Ruhe wird in der Welt. —" In den großen Jubel hinein kam eine De pesche von Pizorek: „Jagemann wohl, Kamerad hier, Dank für Kiste. Grutz Kasimir." Elena schenkte dem glücklichen Mädchen zwanzig Mark für die Depeschenauslagen, die doch gar nicht so erheblich gewesen waren. Be ruhigt, beglückt lief sie mrtten binein in den Jubel der Straße und sang die frohen, stolzen deutschen Lieder mit. Der Kammerherr wich die nächsten Tage nicht von seiner Karte. Ec schieb den den schen Heeren die Wege und Siege in Frankr im vor. Mit der Begeisterung eines Jünglings las er allen, die es hören wollten, die markigen Be richte des Generalquartiermeisters vor, und jedes stillbescheidene Wort Steins von einem neuen deutschen Sieg kam schwer und stolz aus seinem Munde. Es war ein großes Freuen in diesen Tagen, und wem ein lieber, treuer Mann, ein Bruder oder Sohn im Getümmel der Schlachten fiel, der ging still ans dem Jubel beiseite und weinte seine heißen Tränen für sich. Aber sic alle, die Frohen und die Weinenden überwältigte die Kunde: Das eroberte belgische Gebiet ist als Kaiserlich Deutsches Gouvernement erklärt worden. Sein Gouverneur ist der Feld marschall von der Goltz! Ta war es um den alten Zimmern geschehen. Er stürmte in die stille Stube der Exzellenz. „Lina, Belgien ist deutsche Provinz! He», das geht strammer als Siebzig. Goltz ist Gouverneur geworden! Goltz, unt dem ich zehn Jahre Waitd an Wand gewohnt habe! Er wurde mein Freund, ist ein pracht voller Kerl; ich telegraphiere ihm. Er muß mich in Belgien unterbringen!" „Lieber Freund! Werden Sie mir doch nicht untreu, bleiben Sie Ihre paar letzten Tage im Baterlande und lassen Sie jungen Leuten den Platz an der Sonne!" bcrt die alte Frau mit einem wehen Lächeln. „Platz an der Sonne! Das Hst ein Wort, Oma, wir alten Leute brauchen S-onne. Mehr als die Jungen — —" „Soll ich vielleicht auch noch mitlommen nach Belgien, Zimmern? — Bleiben Sie doch hier!" Er ließ sich nicht halten. „Oma, Sie sind eine selbstsüchtige Frau, das erkenne ich jetzt. Was soll ich denn hier in Ihrer Ahnengalerie? — Die alten Bilder ab stauben? — Nein, ich war immer mitten drin i»n Leben. Nicht mal das letzte bißchen Freude gönnen Sic mir altem Kerl. Wer weiß, wie lange es noch dauert . . ." Da beschick sie sich und reichte ihm die Hand zum Abschied. „Sie sind ein alter Narr, aber eine gute Haut. Lassen Sie sich's also gut gehen, lieber Zimmern, denn zu halten sind Sie ja doch nichk, das weiß ich. Und sehen werden wir uns ja auch nicht noch einmal, wenn Sie schon bald reisen wollen. Leben Sie wohl! Ich glaube, cs ist das letztemal, Zimmern, daß wir uns die Hand geben. —" „Machen Sic lerne Geschichlen, Oma; Sie überleben uns doch alle," hielt er ihre Hände. Wehmütig schüttelte sie den Kops. „Nein, nein, Kamerad, letzt wird bald Feier abend geblasen für mich. Aber Sie haben ja noch ein bißchen Zeii, Sie lieber, alter Ausbund." Den weißen Sllieitel neigte sie an seine breite Brust, bot ihm den Mund. Kein Laut war in der stillen Stube um die beiden alten Freunde in dieser Abschiedsstunde. „Schlaf ruhig, Hans Martin!" winkte Zim mern dem Bilde Fagemanus zu. „Ich suche mir mal meinen Bcgräbnisplan rn neuer deutscher Erde." Er ging hinaus und schloß die Tür leise hinter sich, daß die alte Freundin nicht vor ihrer Einsamkeit erschrecke. Und die alte Exzellenz saß weinend bei ihren schätzebewahrenden Schublädclien und Kästchen, die ihr mit den Rosenranken und goldgemalten Ketten zuflüstertcn: Tn hast doch uns, Groß- siegelbcwahrcrin —! So fand sic Elena und sprach rhr lferzlich Trost zu. „Der Onkel Zimmern ist wirUnn ein Narr. Als ob sich der große Feldmarschall feiner er innerte! Und dann wird die Depesche gar nicht ankommen, dec Gouverneur keine Zeit und Lust haben, unserm lieben Obenhinaus mit seinen achtzig Jahren diesen verstiegenen Wnnscsi zu erfüllen." „Ach, er jehlt mir dock» recht, jetzt schon. Und ist noch nicht mal unterwegs. Liebe Elena, ich habe ein Gefühl, als wäre mir mein bester Kamerad von der Seite gerissen, mein seliger Mann mir heute noch einmal inr Kriege gefallen. Was wird werden — ?" Nun mußte die junge Frau die Greisin trösten, ihr immer wiederholen, daß Zimmern ja doch nicht abreiscn werde. Aber der Kammer herr hielt sich das Wort. Schon am Abend brachte Lina einen Brief von ihm fzeraus: „Liebe Oma! Liebe, alte Freundin meines Lebens! Ich habe also gleich depesch,err und Ant wort nach Aachen ausgeberen. Damit wich die Herren Eisenbahner auch schnell und sicher hin befördern, habe ich meine alte Hof- und Slaats- gala-Unisorm auS der Mottenkiste geholt, den goldenen Schlüssel geputzt und mich in Wicks ge bracht. Wie in alten Zeiten, liebste Jagemann . . . Wenn ich mich so im Spiegel betrachte, wird mir doll, weich um das alle räsonierende Herz, und ich glaube heute: ich bin immer ein echter Narr gewesen, datz ich vor dreißig Jahren und dreißig Jahre lang bis heute . . .na, sagen wir ruhig schon vor vierzig Jahren, nicht soviel Eourage aufgebracht habe, vor eine gewisse, ewig jugend liche Frau in diesem vollen Wichs hinzntreten: Oma, lassen Sie uns zusammen das Erinnern an Hans Martin tragen! Na, eS ist jetzt zu spät für uns beide. Aber den Augenblick heute morgen will ich doch als meine Kriegstrauung betrachten. Liebe alte Marianne, lebe wohl, solange du uns noch lebst, vergiß ihn nicht, den alten Konrad Zimmern." Diesen ersten und einzigen Bries des Kam. merherrn legte die alte Exzellenz in ein be sonderes Schubfach und deckte ihn mit den roten Rosenblättern zu, die er ihr in den ersten Kriege- tagen vom Wachtdiensi heimgebralln hatte. Sie waren west und strömten ein schweres, süßes Duften aus. Drc Fahncir flatterten im neuen Sieg von St. Ouentin. Elena hatte schon den sechsten Brief an Erhardt abgesandt und immer noch tein Lebenszeichen von seiner Hand. Wehmütig starrte sie in den lauten Jubel hinab, bis die Straßen stiller wurden. (Fortsetzung in der Abendausgabe.) ^smsillL lkm Vemkmtt in kriiftiM, fein »ronutdeder gurlM UeLorn in grossen kosten solort Selüel L V2, Lrv8lLu wii«siz'M Lreiseo ^.ckolpk Liebster, Inrrcksvkrrr Kersedorxer 8tr. <hik,mutlwi>tr. 17 Tel. 38440
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