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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.11.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141130021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914113002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914113002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-30
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
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veur 2. Nr. 608. Nveuü»Nrmyade. Leipzig« Tageblatt. Momss, 30. November l9li. der Verteidigung de» Vaterlandes zurückgeschreckt jci«n, auch diesmal! zu allen Opfern bereit fein wür den. Zn dem gleichen Sinne gehalten« Telegramme find non dem Erzbischof von Man sowie an dern religiösen Oberhäuptern der Armenier etnge- troffen. Rücktritt -es vtzekönigs von Snöie«! Amsterdam, 30 November. Der Posten de» Vize» lönigs von Indien soll, wi« die „Daily Mail" m;l- bet, neu besetzt werden. Der jetzige Pizekönig, Lord Harbin gc, soll sich mit Rücktrittsgedan ken tragen. Eine große Erinnerung an -ie »Em-en^. Von unserer „Emdm", dem fliegenden Holländer des Indischen Ozeans, der an den Kokosinseln in ehrenvollem Kampfe zugrund: ging, werden jetzt noch Taten bekannt, die unsere Feinde bisher ängstlich verborgen gehalten haben Ein Privattelegramm der „D. M. berichtet: Frankfurt a. M., 29. November. Ans Tokio wird gemeldet: Nachträglich wird bekannt, daß die „Emden" noch zwei japanische Dampfer mit englischen Soldaten an Bord, also im ganzen drei japanische Schiffe, versenkt hat. Wahrscheinlich handelte .'s sich um Transporte indischer Truppen, die zur Verstärkung des japani schen Heeres vor Tsingtau bestimmt waren. der Sturm auf Zpern. Erlebnisse eines Kriegsfreiwilligen. I. Nan an den Feind! . . . November. ir.) Die Nacht war bitterkalt. Wir tagen, als Teil einer an dieser Stelle 700 Meter langen Fron*, ein Bataillon stark, in einem Neserveschützcngraben. etwa .'>00 Meter hinter der ersten Feuerlinie. Weir hinter uns stand unser« schwere Artillerie und sandle rhre Granaten fast ohne Unterbrechung über uns fort in die feindlichen Stellungen. Dre Engländer räch ten sich, indem sie gleichfalls eine Unmenge von Gra naten zu uns herüberwarfen, die eigentlich der schweren Artillerie da hinter uns galten, die aber fast alle in unsere Schützengräben niederfielen, so hast inanä-er brave Kamerad verwundet oder getötet wurde, ehe er selbst überhaupt nur einen Schutz ab gegeben hatte. Aber nicht die pseifenden englischen ..Zuckerhüte" waren es, die uns am meisten be unruhigten, sondern die empsindliche Külte. Wir hatten eine fast einen halben Meter dicke Strohauf- ichüttung in unserem Graben, die noch dazu auf einer ..requirierten" Matratze lag. aber dennoch drangen Nässe und Kälte überall durch. Obwohl wir in un serem Loch zu sechs Mann dicht zusammcnkrvchcn, fror uns kümmerlich, besonders an den Zützen und an den Knien. Der Mond schien hell und klar auf das voa Schützengräben ganz durchsurchte Nübenfeld. vorn, über dem Feinde, sah man unablässig unsere schweren Granaten platzen, das ganze Gehölz, tn dem die Engländer lagen, war zeitweilig eine einzige feurige Lohe. Hinter uns hob sich aus dem ganz zerschossenen tleinen Dorfe, dessen Namen niemand mehr kennt, der zerborstene Kirchturm scharf gegen den klaren Abendhimmel ab, und über uns funkelten die Sterne. Hin und wieder pfiff ein« verirrte Gewehrkugel über unseren Graben hinweg, und rom äutzersten rechten Flügel hörte man das dumpfe Groll«« der schweren Artillerie. Es war ein Uhr nachts, als plötzlich ein Mann gelaufen kam und nach dem Führer des dritten Zuges verlangte. Der lag in sanftem Schlummer in unserem Loche nnd mutzte sich erst die Augen reiben und ein wenig mit den Zützen stampfen, ehe er wieder ganz zu sich kam. „Das Bataillon macht sich fertig zum Einschwürmen in die erste Zeuerlinie!" lautete der kurze Befehl, dann war der Ueberbringer bereits wieder verschwunden. Wir sahen uns verdutzt an. Einschwärmen in die erste Feuerlinie, das hietz verzichten auf all« Bequem lichkeiten. verzichten auf Morgenkaffee und warmes Essen, nicht nur am kommenden Morgen, sondern für mindestens 21 Stunden, und dabei hatten wir !o nichts im Magen. Die ärgerliche Laune hielt aber nur kurze Zeit an, sollte cs doch nun endlich ran gehen an den Feind, sollten wir ihm doch nun heim- zahlen, was er uns in den letzten 18 Stunden mit seinen Granaten zugefügt hatte. Also fertigmachen. Der schwere Tornister — gleichzeitig der beste Schutz gegen Schrappnells — flog auf den Rücken, das Gc wehr schutzbereit in der Hand: nun konnte es los gehen. Um ^2 Uhr nachts kam der Befehl zum Elnschwürmen. Zn dünner Schützenlinie tief geduckt, so eilen wir nach vorn, aber die Engländer, die fort während Leuchtbomben werfen, haben uns entdeckt und überschütten uns mit einem mörderischen Ge wehrfeuer. „Hinlegen, volle Deckung nehmen!" tönt plötzlich — zum erstenmal seit drei Tagen — ein lautes Kommando durch die Nacht, fast verschlungen von dem höllischen «-«knatter vor uns. Bedenklich nahe über uns weg zischen die Geschosse, wie Hagelkörner prasseln vor und hinter mir die Kugeln in den Erd boden, plötzlich fühl« ich einen heftigen Schlag auf dem Rücken und höre einen blechernen Klang: besten Dank für d«n Rückenschutz und herzliches Lebewohl du fiskalisches Kochgeschirr auf meinem Tornister. Dein gefüllt«! Bauch zeigt ein bedenkliches Loch, aus dem kaltes Gulasch friedlich über meinen Rücken fliegt. Die Engländer schießen jeqt tiefer, das Surren, Zischen und Pfeifen l>at ausgchört, dafür fahren jetzt die Geschosse mit einem ncroenaus- pettschcnden, einförmigen tack, tack, tack in den Erd boden ein. II. Im vordersten Schützengraben. Endlich wird's ruhiger da drüben, die „Eng länder" stellen ihre Abendunterhaltung ein, ind leid zischt mit einem Male ein Kommando durch unsere Reihen: „Sprung auf! Marsch, marsch!" Wie der Blitz sind wir auf: was auf dem Tempelhofer Felde so oft Mühe machte, hier kommen wir hoch, als hätten wir Sprungfedern in den Beinen Mit gewaltigen Sätzen springen wir über das Rübcnseld, meiden mit seltsamer Sicherheit Löcher und Gerümpel und sink«« schließlich, von den wartenden Freunden ge zogen, in den vordersten Schützengraben Gott >ei Dank, wir sind heil angckommen. Für die Strecke von .'>00 Metern haben wir 2 Stunden gebraucht Als wir zu Atem gekommen sind, schauen wir uns um. Entsetzt haftet das Auge aus den Men'chen. die La vor uns stehen, auf unseren Kameraden, die schon seit 1ö Wochen im Schlachtendonncr liegen. Wie Strauchdiebe sehen sie aus, die neu-m, schönen, feld grauen Uniformen sind kaum zu erkennen weil sie mit einer dicken Kruste von gelbem Lehm überzogen sind, die Mäntel sind zum Teil ganz zerfetzt und legen Zeugnis ab von der Güte de? englischen Stachel drahtes. die Gewehre, die auf den „Brustwehren" liegen, sind, trotz alles Fettens, stark angerostet, und non Komfort ist in diesen gänzlich offenen Schützen gräben auch nicht die leiseste Spur zu merken. Da für aber ist die Stimmung gut. Aus den bleichen, mageren, von wilden Bärten umrahmten Gesichtern lachen fröhliche Augen uns entgegen, in di« aber ein Schimmer von Heißhunger tritt, als wir unseren reichen Vorrat von Zigarren und Tabak unter die „alten Krieger" verteilen und die Flasche mit stär kendem Kognak kreisen lassen. Zn kurzer Zeit haben wir es uns gemütlich gemacht nnd lauschen nun den guten Lehren der Kameraden, die uns non den „Bicf- stücks" da vor uns erzählen. Kaum 30 Meter liegen wir hier von den Feinden entfernt, und, wenn sich auf unserer Seite eine Helmfpitzc zeigt, „ist sie .vsg. so gnt schießen die Kerls". Aber dann leuchtet auch der Stolz aus den Augen der braven Zungen: „Da drüben braucht aber bloß einer den kleinen Finger ehe« zu lasten, dann kann er sich nachher Gulazch davon kochen, was drüben hochkommt, wird weg geputzt." — Und so sci's denn auch gleich hier getagt: von einem still chweigenden, geheimen Uebcrcin- kommen zwischen den deutschen und enalifchen Sol daten, ui gewissen Zeiten und Gelegenheiten nicht zu schießen, ist vor Ppern kein« Rede. Das mag an gehen. wo uns Franzosen geaenüberliegen, von den cngli'chcn Söldnern will der Deutsche keine Gnade und die nicht von uns! Der gegenseitige Haß und die Wut sind viel zu groß. III. Der erste Sturmangriff der Kriegsfreiwilligen. Mählich graute der Morgen, kaum war ein trübes Dämmerlicht hcrvorgckrochen, als auch die Engländer bereits wieder mit ihrer sinn- und zwecklosen Knallerei begannen. Es ist erstaunlich, was die Briten mit diesem ständigen Morgen- und Abend konzcrt eine Menge Munition nutzlos verschwenden. Gegen 0 Uhr in der Frühe kam plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel der Befehl vom Ba- taillonsführcr: „Das Bataillon greift um 10 Uhr morgens im Sturme die englische Stellung an. Der Feind stebt vor uns, jedermann weiß, was er zu tun hat!" — So sollten wir Kriegsfreiwilligen zum ersten Male mit dem blanken Stahl lebenden Menschen zu Leibe gehen, wir waren in fieberhafter Aufregung und blickten immer wieder hinüber zu dem feindlichen Graben, der heute genommen werden sollte um jeden Preis. Er lag drin in dem kleinen Wäldchen, parallel zur Waldgrenze und durch dir Bäume sah man ein klein«» Lustschlößchen schimmern, das Herrn Eaillaux gehören sollte. Wäldchen und schloß soll ten heule noch in unseren Besitz kommen. Weil man der Aufregung nicht recht Herr werden konnte, ver legte man sich aufs Schießen, wo nur der Zipfel einer englischen Wollmütze da drüben sichtbar war, wurde drausgeknallt, ob wir trafen, wußten wir selbst nicht. Endlich gegen 10 Uhr kam der Befehl: „Seiten gewehr pflanzt auf!" — Er wurde mündlich gegeben, weil die Engländer dar Signal bereits kennen. Nie werde ich Liese Gesichter vergessen, nie diese Wut und diesen entschlossenen Ernst, der sich aus ihnen malte! Es überlief mich eiskalt, zum ersten Male pfanzt« ich so den kalten Stahl aus mein Gewehr mit dem vorbedachten Zweck. Menschen zu töten. Die letzten Gedanken galten Weib und Kind, da kommt auch schon das Kommando: „Sprung auf! Marsch, marsch! Hurra!" Verschwunden sind alle trüben Gedanken, im Nu find wir aus dem Graben, neben mir läuft Malte, der Spielman» und schlägt dumpf und eintönig das Kalbfell, trromm, trromm, trromm! Zch hör« nichts als diese monotonen Trom- melschlägc und das peitschcnknallartig« Geknatter der englischen Gewehre. Zch denke nichts, ich sebe auch nichts, ich renne nur vorwärts. Da plötzlich fällts mir wie Schuppen von den Augen, ich sehe etwa fünf Schritte vor mir zwei stechende Augen und über einen Gewehrlauf wegblinzeln: „Malte . . ." schreie ich, da bricht der brav« Spiclmann auch schon mit einem wehen Schrei zusammen. Und nun packt mich mit einem Male eine maßlose Wut, und wie in einem Panorama sehe ich plötzlich alles, was um mich vor geht. Der Engländer schießt noch einmal, diesmal auf mich, trifft aber nicht, mit einem gewiltigen Satz bin ich über den englischen Schützengraben hinweg, hoch über den Kopf ichwing« ich Las Bajonett und dann lasse ich, der ich keiner Fliege etwas zu leide tun kann, 32 Zentimeter kalten Stahles mit der Wucht des ca. 9 Pfund schweren Gewehres dem Eng länder zwischen die Schulterblätter krachen. Er dreht sich now einmal um sich selbst, dann ist er tot. Mit leid habe ich nicht mit ihm, aber ernüchtert bin ich, und zur Besinnung komme ich wieder, und das war die höchste Zeit, denn die Engländer schießen bereits aus dem nächsten etwa 30 Meter entfernten Schützen graben was das Zeug halten will. Schleunigst sprang ich also in Len Graben und traf hier die Kameraden, die schon eifrig das Feuer erwiderten. Manch' einer aber lag da stumm und bleich, manch' einer mit schwerer Wunde. Der Sturmangriff war vorüber. Wieder lagen wir in einem Schützengraben den Engländern gegen über, und das alte Spiel könnt« von neuem beginnen. Dreißig Meter waren wir Lurch den Sturm vorwärts gekommen. Das Schlößchen und zwei Maschinen- 'gewehre gehörten uns, das Wäldchen war nur zum Teil unser geworden, aber vorwärts waren wir ge kommen, und vorwärts werden wir kommen, solange noch deutsche Zungen da draußen in den Schützen gräben liegen. Nur dürft ihr daheim nicht murren, daß es zu langsam geht, daß die da im Westen nicht ebensolche Siege feiern, wie der glorreiche Hindenburg im Osten. Nein, die Engländer sind keine Rusten, und im Westen wird zum Teil auf beiden Seiten im Wasser gekämpft. Vorwärts kommen wir, wenn auch nur Schritt für Schritt, und das ist bester als auch nur die geringste Niederlage! F. W. F. jr. Was unsere Sol-aken schreiben. Der brave sächsische Landsturm. (Abdruck amtlich genehmigt.) Ninove. 27. Oktober. „Sehr geehrte Frau W . . .! Zch erhielt heute Zhr« Liebesgabe, di« als Geburtstagsgeschenk gerade zur rechten Zeit kam. Dafür sag ich meinen verbind lichsten Dank. Tabak ist nun einmal der begehrteste Artikel im Feld«. Ucber meine bislzerigen Erlebnisse kann ich folgendes mitteilen. Mit Blumen reich ge schmückt, zogen wir aus der schönen Nheinstadt Ander nach am 12. September aus. Von Kalberg bis Trier führte uns die Eisenbahn durch das unbeschreiblich sckstin« Moseltal. In Trier hieß es dann Abschied nehmen vom Vaterland«. Zn Nacht und Nebel, bei Sturm und Regen ging cs durch Luxemburg. Am anderen Morgen erreichten wir Arlon, die erste größere belgische Station. Nun wurde es mit einem Male anders. Die Liebesgaben hörten auf und auf unserer langen Fahrt machte sich der Hunger bemerkbar. Und welcher Kontrast gegenüber dem Tage vorher! Da reifende Weinberge, hier vollständig abgebrannte Ortschaften, kein ganzer Bahnhof mehr, in Arlon waren am Tage zuvor 130 Franktireurs er schossen worden. Nicht di« Greuel des Krieges hatten hier das Land verwüstet, sondern die Einwohner hatten durch ihr Verhalten das ganze El«nd ver schuldet. Auf Soldaten und auch auf den Landsturm war geschoßen worden, und deshalb waren die Ort schaften dem Erdboden glerchgemacht worden. Traurige Bilder, die unsere Stimmung durchaus nicht erhöhten. Unser Bestimmungsort war Libramont, doch erielten wir Befehl zur Weiter reise. Nun hieß es, die zweite Nacht im Viehwagen , zubringen. Früh 7 Uhr kamen wir in N a m u r an. i Bei strömendem Regen zogen wir hinein. Auch hier Bilder grauenhafter Verwüstung. Wir hatten hier ! Gelegenheit, die Wirkung von Zeppelin-Bom- j ben zu beobachten: doch auch hier sollte unseres Bleibens nicht sein. Nach 2 Uhr hieß cs auf Schusters Rappen weiter in der Richtung nach Brüssel. Schön war cs nun gerade nicht, denn hier sind die Ehausfeen alle gepflastert, doch auch das ging vorüber, i die 02 Kilometer wurden auch überwunden, und wir hatten die Ehre als erste „Blaue" mit der gol denen „18" in Brüst«! cinzuziehen. Leider mußten wir die Nacht wieder Eisenbahnwagen als Nacht lager beziehen. Doch der Mensch verträgt viel. Nach drei Tagen ging es weiter südlich zur Vahnsicherung. Hier waren wir nun noch 5 Wochen, aber in der ganzen Zeit schliefen wir nur auf Stroh. Ein Bett hat es nicht gegeben. Wach« schieben bis zur Be wußtlosigkeit, in 5 Nächten eine Nacht frei. Dazu Angriffe auf di« Eisenbahnlinien, um unsere Trans- portzüge, die Tag und 'Nacht ununterbrochen gehen, zu unterbrechen. Da heißt cs aufmerksam sein. Wild«, führerlose Züge wurden von noch nicht besetzten Ge bieten losgelösten, doch hoif« ich Gelegenheit zu haben, persönlich darüber zu erzählen. Und doch kommt einem in stiller Nacht der Gedanke an die Heimat, an Weib und Kinder nicht aus dem Sinn, bis einen dann plötzlich ein Geräusch daran erinnert, daß man nicht nur dos Leben vieler Kameraden zu schützen hat, sondern daß man ja selbst der erst« ist, der ins Gras beißen muß. Und angestrengt spannt man wieder in die schwarze Nacht, über sich den Sternenhimmel wi« in der Heimat, die doch so weit ist. Mit der Bevölkerung sind wir mit wenigen Ausnahmen ganz gut ausgekommen. Nach dem letzten mißlungenen Anschlag (4 Mann erhielten da für das Eiserne Kreuz) sahen die Leute ein, daß nichts zu machen war, und es traten ganz friedliche Verhältnisse ein. Nur in letzter Zeit trieb der ' Zot mangel di« Leute zum Betteln. Zch sei 're einer Frau, die ein kleines Kind im Arme t d «ins von etwa 2 Jahren an der Hand sich i Brot und Fleisch gekauft. Za, Hunger tut rm Mann auch im Felde und keine Unterstützun > sage mir. jede gute Tat lohnt sich einst, und i nicht die Leute darunter leiden sehen, was in anderen Teile des Landes sich die Bevölkeru zuschulden kommen lasten. Als am Sonabe kannt wurde, daß wir unseren Standort ve müßten, haben viele geweint, da die „Blauen" seien als di« „Grauen". Am Sonntag marsch wir denn nach hier, da hier die Vevölkei unruhig sei. Wie lange wir hier bleiben, wir noch nicht, hoffen wir, daß es bald heißt „nach Hause". Als ick- die letzte Feldwache an der Bahn auf Posten stand, kamen viele Leipziger durch, die nach Lille fuhren. Ich dachte schon, Zhr Herr- Gemahl wäre dabei, doch konnte mir niemand Aus kunft geben. Auf diese Weise ist schon mal ein Wiedersehen möglich. Nun sind wir jedoch von dieser Hauptstrecke fort. . ." Ein Zusammentreffen mit dem Landesvater. (Abdruck amtlich genehmigt.) ... 26. Oktober. „Meine lieben Eltern und Geschwister! Eure zwei Paketchen habe ich zu meiner großen Freud« erhalten und ich sage Euch meinen herzlichsten Dank Liebe Eltern! Gestern stand ich auf Posten vor dem Generalstab. Von 6—8 Uhr abends! Zch gehe auf und ab, vor uns donnern die Kanonen und Gewehrsetter. Zch denke gerade an die liebe Heimat und an Euch Lieben, da kommt «in Offizier in Generals uniform. Zch stehe still vor ihm, aber er sagt«, ich solle mich nicht stören lassen und fragte, an was ich eben gedacht hätte. Zch sagte, an meine Eltern und Heimat. Er frug mich alles aus und erzählte mit mir und sagte, ich sollte nach der Ablösung vor dem Portal warten. Da kam ein Adjutant und gab mir zwei Tafeln Schokolade und sagte, ich solle mir Svstroibmgsvdmvu Lkemduh. ii.Xnkvkttr. tirimmui^ebo Str. 24. Tel. 12989. Bei Vie Heuksttie vrk. 7f Ein Roman aus unseren großen Tagen von Paul Burg. Elena sah sie vor sich und dachte an die Not jener Stunde, als der alte Hosmarschall ihr vor vierundzwanzig fahren die Hand so fest drückte und so tief in dre Augen sah: „Liede Zagemann mein Sohn . . . und .... ^br Mann! Wir können unsere tapfer« Helden beide nur noch beweinen. Ach, du lieber (hott! Zu Hause wartet sein junges Weib auf mich und will Freudenbotschaften hören - —" Ein Kraftwagen surrte die Straße her, hielt auf einen Ruck neben der alten Fran, die ihre stürzenden Tränen nickst verbarg. „Exzellenz!" Sie sah des Fürsten junges, loderndes Gc sicht wie durch einen wirren Nebel. Er beugte sich zu ihr aus dem Wagen und streckte ihr die Hand hin. „Liebe Exzellenz, keina Tränen! Sic sollen jetzt die Tapferste von uns sein. —" Da sprengte es ihr wie ein Jauchzen die Brust. „Durchlaucht ich will ja . . . Lassen Sie mich den Frauen helfen!" „Kommen Sie! Steigen Sie ein, Exzellenz!" Ehe der Lakai vom Führersitz zulangte, ltzUte der Fürst den Schlag ausgerissen, war heraus, gesprungen und hals der alten Frau rn das kostbare Automobil. Das rote Leder duftete und blitzte. Mrt einem Ruck fuhr der Waagen an und raste um die Ecke. Ta ti ta ta! Auf der Hauptstraße drängten die Men. schen, ZcitungSblättcr in den Händen, winkten dem fürstlichen Automobil zu, das seine Fahrt verlangsamte, und schwenkten die Hute. Hurra! Hurra! Wie mit Hämmern schlug der alten Frau das Herz rn der Brust. Der Wagen hielt, von Menschen umdrängt. Der Fürst sprang auf, rief mit blitzenden Augyr in die Menge: „Treue Landsleute! Gott wird uns Deutsche nicht verlassen." Da flog das Lied empor aus der Menge, das Lied, das alle Herzen hochausjnbein machte: Es braust ein Rus/ wie Dounerhall! Alle. Hände in der Stadt feierten, aber kein Mmd stand still. Die Herzen scistngeu schnelleren Schlag. Barr den Häusern wehten deutsche Flag-, gen, winkten die Landesfahnen. Und die Män ner standen vor den weißen Maueranschlügen des Generallvminantzos: Im Falle von Unruhen verschärfter Belagerungszustand! Gab cs Unruhen ? Wie jeden Morgen zogen die Jäger aus zur Felddienstübung. Henke in feldgrauer Uniform und mit voller srvher Marsch musik. Die Mädchen, die Männer liefen mit ihnen bis vor die Stadt, sangen aus voller Brust und winkten ihnen lange nacb. Einer brachte die Kunde: Heute wird mobil gemacht! Da flogen die Lieder noch l-eller him- melauf. Die lauten wogenden Massen drängten zum Schlosse. Durch das breite Portal ergoß sich die hallende bunte Woge in den weiten, stillen Hof. Unschlüssig stand der Posten vor Gewehr, eingekeilt in die fingendc Menschenmenge. Und die alten grauen Mauern lauschten auf, erwachten aus ihren Träumen und sahen sich in eine neue deutsche Zeit gestellt. Bon den Bergen herüber raunte der Geist des Arminius: Der Deutsck)« ist mächtig und unüberwindlich. Deutsch, das ist ewig! In der Kaserne die Soldaten fieberten vor Ungeduld: Geht'S in den .Krieg? — In den Kisteg! Wann endlich — ? tlnd die >Zs,,ziere zwangen scch zur Rul-c, sprachen vor den ehernen Fronten vom helden haften Geiste des großen Grafen Ahnherrn, der seinem Lande Wehr und Ruhm gesckfafseu hatte, ,n seinem Hirn den großen Gedanken gebar: Jeder sei Soldat, und sei es bis ins Alter, Landwehr, Landsturm, Reserven . . . Die Soldaten lauschten mit halber Lust und lechzten nach dem Kriege. In quälendem War- ten verrann der heiße Tag. Als die Schloßturm- Llocke mit breitem Schlag ansetzte, da« Spiel. werk auf dem Rathause zum .Sechsuhrläuten anhub, da schmetterte Trompetenton durch die erschauernde Stadt. Hochauf rauschte das fürst liche Bauner am Flaggenstock. Mobil! Der Kaiser hat die Mobilmachung besohlen! Mobil! Alloeutkchland in Waffen! Mit dein Trompetenjchmettern und Glocken klingen riß sich aus tausenden Herzen ein ju belnder Schrei: Hurra! Alideutschland ist da! Die Stunden schwanden mit Singen und jauchzendem Bekennen: Wir sind bereit! Die Helle Mondnacht fand mit Erstaunen das weite Deutschland wach und in Waffen. Still zog die Postenkette vor den Toren der neuen Kaserne ihre Straße. Und die Mäd. chen, Frauen standen die halbe Nacht mit tränennassen Wangen, blickten aus die dunklen Häusermassen. Lieber Mann, Geliebter! Schlafe ruhig die letzte Nacht in deutscher Heimat! Lebe wohl! Aus Wiedersehen! Mit dem neuen Morgen stand die deutsckie Welt in Waffen auf. Tritt gefaßt! Trara trara zogen die Sol daten zum Tore hinaus, feldgrau, blumen bekränzt. Die ganze Stadt gab ihnen das Ge leite. Die Frauen weinten, nnd die Männer jubelten: In der Heimat, in der Heimat! Es gibt ein Wiedersehn. Sie zogen am Schlosse vorbei. Auf dem Altan stand des Landes Herrscher und winkte, winkte ihnen allen zu, seine Jugend flammende Begeisterung, seine Seele deutsck-er Heldenmut. „Auf Wiedersehen, Kanreradcn, vor dem Feinde!" Don den alten Wänden widerhallend, don- nerte nm ihn der Jubel feines Volkes. „Gott sei mit uns Deutschen! Mit unscrm dkuscr!" Hell erklang von allen Stimmen die deut scheste Melodie, die alles bezwingt: Deutschland, Deutsck>land, über alles, Ueber alle- lu der Welt! Aus allen Fenstern schwebten Blumen aus die frvheu Krieger, die iu ecnem Meer von Blu men marschierten, und jede Blume war ein treuer Gruß, ein deutscher Segen. Erhardt in Uniform und Elena winkten den abziehenden Soldaten vom Balkon zu. Lina sang unter Tränen mit, die großen Augen starr aus den blinkenden Zug der feldgrauen, bekränzten Soldaten gerichtet. Und Reinhardt trat zu seinem Herrn, eine alte Soldatcnmütze in der Hand. „Herr Leutnant, ich bin'Ihr Bursche ge wesen . Wenn Sie mit mir zufrieden waren . . . Nehmen Sie mich doch unt!" „Guter Kamerad!" drückte ihm der Gelehrte im Leutnantsrockc herzlich die Hand. Elena sah mit aufleuchtenden Blicken ihren Gatten an. In diesen Stunden, die alles mit sich rissen, war ihr ein fernes Hoffen aufgeglommcn: Werde mir ein rechter Mann, ein Held, finde dich zu dir selbst und ganz zu mir! Erhard!! Mutig drängle sie allen Jammer hinter sich, eine einsame Fran zu heißen, den Mann in hunderttausend Gefahren zu wissen. Es mußte ja sein! saß sic still für sich, wäh rend Erhardt Dienst tat, sah wohl im Geiste ein Schlachtfeld vor sich, hörte wie durch einen Nebel ungewisse, jammervolle Schreie und fühlte die Schrecken ihren Leib hinabrimnm. Aber dünn reckte sie sich dock) wieder aux und zwang das stolze Wort vor sich: Es muß ja sein! ES muß! Einer gibt so viel wie der andere. Alle, alle müssen heran, sonst ist das Vaterland verloren Und jede Kugel trifft ja nicht . . . Das hatte Reinhardt lächelnd gesagt, als ihn die Oma fragte, ob er denn gern in den Krieg gehe und keine Furcht habe. Aber dann hatte der treue Bursche doch so eigen vor sich hin- gestarrt, als halte cs ihn mit gar heimlichen Banden am fröhlichen Leben fest. Was ihn hielt, brackue er jetzt vor die Herrschaft, als Elena und Ehrhardt vom Balkon ins Zimmer zurückgetreten lvaren Tränen stan de» in seinen Augen. cLo rUetu n« j» der Moroerumsoabe^
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