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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.11.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141130013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914113001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914113001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-30
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
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Sette ü. Ur. SSt. Morsen-ttusyLUe. Leipziger Lagedlau üloms-, 30. November lSl4. meisten Waren in gleicher Güte beziehen kann, wie in den Mittelpunkten der Handelstätigkeit Die trotz der ernsten Kriegslage so gesunden wirtschaft lichen Verhältnisse bedingen zu ihrer Aufrechterhal» lung nicht zuletzt, daß Einkauf und Verdienst mög lichst gleichmäßig über das ganze Land verteilt werden. Sollte es zuweilen Vorkommen, das; man in einzelnen (hegenden beim Einkauf von Liebesgaben einen geringen Ausschlag mitvezahlen muh, der viel leicht durch örtliche Verhältnisse oder höhere Zufüh- rungskosren bedingt ist so lasse man sich nicht be stimmen. dem Kaufmann seines Heimatortes einen Verdienst zu entziehen, aus den er in der Kriegszeit besonders angewiesen ist" * Ermittlung der Getreide- und Mehlvorräte am 1. Dezember 1914. Zu den wichtigsten wirtschaft lichen Mannahmen gehören vor allem diejenigen, die die Sicherstellung der Ernährung der Bevölke rung bezwecken. Um Liese Sicherstellung zu gewähr leisten. bedarf es eines Ueberblickes über die gegen wärtig vorhandenen Vorräte an Getreide und Mehl. Dieser Ueberblick >oll ermöglicht werden durch die nm l. Dezember dieses Jahres im ganzen Deutschen Reiche stattfindende V o r r a t s e r h e b u n g. Es ist deshalb vaterländische Pflicht eines jeden, der über seine Vorräte an Getreide und Mehl befragt wird, die gestellten Fragen aus Las gewissenhaite>te zu be antworten, nichts zu verschweigen, aber auch die Schätzungen — bei unausgedroichenem Getreide — nicht zu hoch zu bemessen. Auf welche Kreise sich die Erhebung erstreckt, wird in einer in diesen Tagen erscheinenden öffentlich auszuhändigenden amtlichen Bekanntmachung gesagt werden. Wer über Vorräte verfügt, die hiernach in die Erhebung einzubezichen sind, jedoch versehentlich am 1. Dezember hierüber nicht befragt werden sollte, unterlasse es teinessalls, dies alsbalo der Gcineindebehöide anzuzeigen, damit Lurch die Erhebung ein der Wirklichkeit möglichst entsprechendes Bild von unseren Getreide- und Mehl vorräten beschafft wird. Dasz dieser Erhebung die größte Bedeutung beizumesjen ist, zeigen auch die hohen, vom Bundesrat festgesetzten Strafen für diejenigen, die die gestellten fragen nicht in der gesetzten Frist beantworten oder die wissentlich un richtige Angaben machen. * Hochschule für Frauen. In dem 4. Vortrag zu gunsten des „Rationalen Frauendienstes" am Sonn tag sprach llniversitätsvrofessor Dr. Ws ule. Direk tor des Museums für Völkertunde, über die deut schen Kolonien Afrikas. Der Redner, be kanntlich einer der besten Kenner unserer Kolonien, nahm einleitend Bezug auf den Krieg bzw. auf den Einfall unserer Feinde in unseren Kolonialbesitz. Im Stillen O.zean seien unsere Kolonien vor der Hand verloren. In Afrika dagegen sei unsere Lage im all gemeinen noch verhältnismäßig günstig. Sie würde sich allerdings wesentlich zu unfern Ungunsten ver schieben, wenn zu den bisherigen Gegnern noch die Ausstände der Reger hinzukämen. Die Eingeborenen Afrikas haben eine feine Witterung für die günstige Gelegenheit, die weihe Nasse abzuschüttcln. Wie schon vor einigen Jahren, vernehme man jetzt wieder bei einigen Stämmen den Rus: „Afrika den Afrika nern". Alsdann ging der Redner aus die einzelnen deutschen Kolonien Afrikas näher ein, zeigte in zahl reichen Lichtbildern Tizpen der verschiedensten Völker stämme, deren Wohnstätten, die Lodensormationen und Vegetation usw. von Togo, Kamerun, Dcutsch- Südwesvasrika und Deutsch-Lstafrika. Der fesselnde Vortrag fand sebr beifällige Ausnahme. e. b Geistliche Musikaussührung in der Luther kirche. Herr Organist Rudolf Schwarzbach er öffnete das gut besuchte Konzert. Las zum Besten der Liebcstätigkeit in der Gemeinde veranstaltet rvard, mit der technisch ausgezeichneten Wiedergabe der Fantasie über „Ein feste Burg" von Thomas, deren Wirkung durch abwechslungsreiche, sinngemäsze Regi strierung noch besonders verstärkt rvard. Auch Emil Sjögrens drei stimmungsvollen Legenden für Orgel liest er eine verständnisvolle und sehr wirksame In terpretation zuteil werden. Ein besonderes Verdienst erwarb sich Herr Organist Schwarzbach noch durch die jederzeit musikalisch geschmackvoll ausgeführten Be gleitungen der Solisten. Herr Konzertmeister A ugust Raab bewährte sein künstlerisches Können mit der durch Tonschönheit und viel Empfinden aus gezeichneten Wiedergabe zweier Stücke von Rhein berger und eines Arioso von Kojek. Die gesanglichen Darbietungen nahmen Bezug auf die Adventszeit und das Totenfest. Frau Martha Rudert saim je zwei Lieder von Bach und Winterbergcr sowie Paul Umlausts „Fürchte dich nicht." Die schlichte, unge künstelte Vortragsweise im Verein mit deutlicher Tcrtbchandlung waren von eindringlicher Wirkung auf die andächtig lauschende Zuhörerschaft. Der frei willige Kirchenchor erfreute unter Herrn Kantor Richters umsichtiger Leitung mit der frischen, rhnthmisch bestimmten und ausdrucksvollen Wieder gabe zweier Adventsmotcttcn von Oechsler und Schreck. Einen würdigen Abschlag fand das von schönstem Erfolg begleitete Konzert mit dein in jeder Hinsicht wohlgelungcnen Vortrag des 7. Psalms in Ernst Friedr. Richters wirkungsvoller Vertonung für Soli und achtstimmigen Chor. * Da» unter Siegfried Wagner» Leitunq heute abend in der „Alberthalle" stattfindende Wohl tätig k e i t s k o n z c r t hat sich eines solchen Zu spruchs zu erfreuen, Last nur noch einige wenige Plätze im Parkett und im 2. und 1. Platz zu haben sind. Alles übrige, Logen und Tribüne usw. ist aus verkauft. (Sielie auch Anzeige in vorliegender Aus gabe.) * Königlich Sächsischer Militärvereinvbund. Der Leipziger Bundesbezirk vom Kgl. Sachs. Militärvereinsbund hielt gestern im Gesellschaftsbaus „Metropol" seine 2. diesjährige Bezirtsversammlung, zu der vom Bundespräsidium als dessen Vertreter der 2. Vizepräsident Wirkt. Kriegsrat Feine, Major der Landw.-Jnf., erschienen war. Von den 123 Ver einen des Leipziger Bezirks hatten 105 Vereine etwa 200 Vertreter entsandt, auszerdem wohnten noch eine grostc Anzahl Vereinskamcradcn den Verhandlungen bei, die der Bezirksvorstcher, Kamerad Künstel, nach Begrüßung der Erschienenen, insbesondere des Bundesoizepräsidenten, und nach einem Hinweis auf die ernste und schwere Lage unseres Vaterlandes mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm, König Friedrich August und unsere tapfere Armee eröffnete. Sodann ehrte der Vorsitzende das Gedächtnis des verstorbenen Bezirksehrcnmitgliedes, Kameraden Schatte durch einen herzlichen Nachruf, und Geheimrat Feine überbrachte Grüste und Glückwünsche des Bundes präsidiums. lieber die Verhandlungen, Beschlüsse und Veranstaltungen der vom 11. bis 13. Juli d. I. in Meisten abgehaltenen Bundeshauptoersammlung be richtete der Vorsitzende. Der Vorschlag des Vorstan des, die Bczirkssteucr für das nächste Jahr in der bis herigen Höhe von 5 Pf. pro Mitglied zu erheben, fand einstimmige Annahme, lieber Len Antrag des Bezirksvorstandes. Teilung des Militär- vcreinsbezirkcs Leipzig, verbreitete sich der Bezirksvorsteher an der Hand von Plänen, Karten und Verzeichnissen und erörterte eingehend die schon seit Jahren mehrfach behandelte Frage der durch Las Wachstum des Bezirks Leipzig (zurzeit 123 Vereine mit rund 17 000 Mitgliedern) notwendig gewordenen Teilung des Bezirks. Tic Versammlung stimmte zu und- übertrug ihm die vorbereitenden Arbeiten zu einer Teilung des Leipziger Militärvereinsbezirks in drei bzw. vier Bezirke. Vizepräsident Wirkt. Geheim rat Feine nahm noch Gelegenheit, der guten Lei tung. der trefflicycn Haltung und dem echten kamerad schaftlichen Geist, der in dem Bezirk und seinen Ver einen gepflegt werde, warme Worte der Anerkennung zu widmen. * Wohltätigkeitskonzert in der Emmauskirche. Am Freitag, den 20. November, veranstaltete der Freiwillige Kirche nchor zu Leipzig er l l e r h a u j e n in der E m m a u s k i r ch e seine dritte musikalische Abendandacht während der Kriegs zeit. Sämtliche Ehorgesängc gelangen unter Leitung des Kantors Oberlehrer Dietze aufs beste. Orga nist O. Götze leitete die Darbietungen mit dem Präludium von R. Fuchs stimmungsvoll ein. Als Solisten waren Frau Beulig (Sopran) und Herr Kauers (Bast) gewonnen, deren erstklassige Leistungen wieder tiefen Eindruck hinterliehen. Pastor Merkel hielt eine erhebende Ansprache und Schristverlesung, während ein allgemeiner Gesang zu Beginn und am Schluh die Abendandacht um rahmte. Der Reinertrag betrug, trotz des geringen Eintrittsgeldes von 10 Pfennigen, rund 120 Mark, der zur Linderung der .Kriegsnot verwendet wird. * Tierschutzkalender. Die bekannten Tierschutz, kalendcr sind wieder erschienen und erbitten Einlast in die Familie, um dort mitzuhelfcn an der Ver innerlichung des (freistes und an der Erstarkung des Gemüts. Der Neue Leipziger Tierschutz verein, L.'ipzig-Eutritzsch, Tauchaer Wog 40. hat auch dieses Jahr eine gröstere Anzahl des Berliner, des Deutschen, des Schlesischen Tierschutzkalenders und des Dresdner Kleinen Tierfreundes bezogen und stellt sie in den durch Aushang kenntlich gemachten Stellen bei Buch- und Schreibwarenhändlern zum Verkaufe. Möge der Tierschutzgedanke auch in der jetzigen Zeit in den Herzen seinen Platz finden und den Kalendern zu weiter Verbreitung Helsen. perjonalveränüerungen in -er Sächsischen Armee. Beamte der Militärverwaltung. Durch Allerhöchsten Beschlust. Den 28. November. Schneider. Obcrzahlmcister a. D., bisher im 1". Inf. Regt. 178, der Charakter als Rcchnnngsrat verliehen. Durch Berfügung des Kriegsminifterium». Den 27. November. Dr. Prochnow. Oberapotheker der Res. bei der Res.-Lazarett-Direktion Dresden, bisher im Landw.- Bez. Grostenhain. zum Stabsapotheker der Res., die Unterapotheker der Res.: Müller, Dr. Reppin, Geisler beim Res.-Lazarett l Leipzig, bisher im Landw. Bez. ll Leipzig, Wallbrecht beim Res.-Lazarett ll Oschatz, bisher im Landw.-Bez. Il Dresden. Knabe beim Res. Lazarett Arnsdorf, bisher im Laudw.-Bez. ll Dresden, Zschalig beim Res. Lazarett ll Königsbrück, bisher im Landw.-Bez. II Dresden zu Oberapothekern der Res., Löper, Untcrapotheler der Landw. 1. Aufgebots beim Res.-Lazarett I Bautzen, bisher im Landw.-Bez. Flöha, zum Oberapotheker der Landw. 1. Aufgebots befördert. Militärische Schenkungen. Dem Schützen-(Füs.-)Regiment 108 sind von dem Rittergutsbesitzer, Oberleutnant der Landw.-Jnf. a. D. Naumann cn Mutzschen 25 000 .K als Grundstock zu einer wohltätigen Stiftung überwiesen worden, die den Namen „König-Eeorg-Sttftung" führen soll. Ihre Zinsenerträguisse sollen, solange per Krieg dauert, zur Unterstützung hilfsbedürftiger Verwundeter des Regiments, die sich im Jnlandc aushalten, und später zur Unterstützung armer hilfsbedürftiger Veteranen des Regiments aus dem gegenwärtigen Feldzuge Verwendung finden. — Der am 15. September m Frankreich gefallene Hauptmann Pcchwell (Paul) hat durch lctztwillige Verfügung dem 10. Infanterie- Regiment Nr. 182 500 zur Ausschmückung der Offizier-Speiseanstalt, 000 sür bedürftige aktive Unteroffiziere nach näherer Bestimmung des Regi mentskommandeurs, 000 der Kompanie, die er im Kriege geführt hat, für Unteroffiziere und Mann schaften, die sich durch Tapferkeit besonders hervor getan oder ihm treu zur Seite gestanden haben, über wiesen. Verein für -ie Geschichte Leipzigs. Der Verein für die Geschichte Leipzigs hielt am 11. November seine Hauptversammlung ab, in der Herr Professor Dr. Kroker den Jahresbericht erstattete. Trotz des Krieges, der gegenwärtig alle Gemüter beschäftigt und seine störenden Kreise bis in unsere friedliche Arbeit zieht, soll unsere Vereins- tätigieit auch in diesem Winter nicht ruhen, sondern in der gewohnten Weise durchgesührt werden. Da gegen soll das Erscheinen des 11. Bandes unserer Vereinsschriften, der in diesem Semester heraus gegeben werden sollte, bis auf weiteres hinausge schoben werden. In den Vorstand wurden wiederum gewählt die Herren Professor Dr. Kroker, Professor Dr. Kurzwelli), Verlagsbuchhändler Rai mund Gerhard, Oberlehrer Paul Benndorf, Schul direktor Eduard Bachmann und Studienrat Professor Dr. Wörner. An die Stelle des Herrn Pfarrer O. Buchwald, der einem Rufe als Superintendent nach Rochlitz gefolgt ist, tritt Herr Kaufmann Franz Barth. In der Sitzung am 25. November sprach Herr Dr. H« rmann Michel über Paul Fleming und den Leipziger Dicht crkreis, mrd zwar zu nächst nur über das Leben des Dichters, seine Zeit und seine Umwelt, während er sich die Besprechung von Flemings Dichtungen im Zusammenhänge, ihren Gedankenkreis, ihren Gefühlsinhalt und ihre Aus drucksform für einen späteren Vortrag vorbehält. Er ging von der Gegenwart aus und lenkte zurück zum Dreißigjährigen Kriege und dessen Folgen. Trotz des ungeheuren wirtschaftlichen Niederganges in dieser schrecklichen Zeit begann während derselben ein neues Zeitalter der deutschen Literatur. 1624 erschien zu Breslau Martin Lpitzens „Buch von der Deutschen Poeterey", das eine Zeitlang eine beherrschende Stellung in der deutschen Literaturgeschichte ein nahm. Am meisten in den Geist Opitzscher Formen ging Paul Fleming ein. Paul Fleming, eines lutherischen Pfarrers Sohn, wurde 1600 zu Hartenstein an der Mulde geboren. 1023 kam er nach Leipzig auf die Thomasschule. Hier war der nicht nur musikalisch, sondern auch poetisch begabte Thomaskantor Schein von bleibendem Ein flüsse auf Fleming, dessen Vorbild er sowohl der Form nach in bezug auf sangbare Lyrik als auch dem Inhalte nach in idyllischer Hirtenpoesie wurde. Im Herbste 1628 bezog Fleming die Leipziger Universität. Er studierte Medizin, nebenbei auch Humaniora. Sein schon auf dem Gymnasium hervorgetretcnes dichteri sches Talent empfing nun neue Anregung durch schlesische Kommilitonen, die ihn für Opitz begeister ten. Vor allem schloh er sich an seinen Freund Gloger an, dem er eine ganze Reihe warm empfundener Ge dichte widmete. Auch Opitz lernte er persönlich kennen. Eine grohe Anzahl seiner Dichtungen aus der Leipziger Zeit wurden gedruckt und fanden reiche Anerkennung. Als er die Universität verliest, schmückte — außer der Magisterwürde — bereits der poetische Lorbeer sein jugendliche« Haupt. Die Kriegswirren, die Plünderung Leipzig« durch die Kaiserlichen, die Heimsuchung der Stadt durch die Pest, erleichterten ihm den Entschluß, auf einige Zeil Leipzig und Deutschland zu verlassen. Durch Vermitt lung seines Freundes und Protektors, des Leipziger Konrektors Adam Olearius, wurde er zum Hofjunker und Truchseß des Herzogs Friedrich HI. von Holstein- Gottorp ernannt, an dessen Reise nach Rußland und Persien er sich beteiligte. Auf dieser fast sechsjährigen, oft sehr gefahrvollen Reise, die von Olearius als Rat und Sekretarius des Herzogs ausführlich be schrieben worden ist, entstand manches Gedicht Flemings, so vor allem das Lied „In allen meinen Taten". Auf der Heimreise verlobte er sich in Reval mit Anna Niehus, der Tochter eines angesehenen Kaufmanns. Ihrer älteren Schwester Elsabe, um die er früher geworben, galt das schöne Lied „Ein ge treues Herze wissen". Um sich als Arzt niederlassen zu können, promovierte er in Leiden und ging dann nach Hamburg, um noch einiges für sein zu grün dendes Hauswesen vorzubereiten. Allein er sollte seine Braut nicht Wiedersehen; bald nach seiner An kunft in Hamburg erkrankte er und starb, noch nickt 31 Jahre alt. Mit ihm war einer der liebenswürdigsten Men scheu aus der unliebens-vürdigsten aller Zeiten dahin gegangen. Seine Lieder leben noch heute in der Schule und im Volke, ein Schicksal, das nickK jedem Dichter bcschiedcn ist. ü. L. des „Ansich ttecvt uns Sericvl« Reichsgericht. Leipzig, 27. November. rr. Private Verwenduug dienstlichen Petroleums. Das Landgericht Brieg hat am 22. Mai den Schrankenwärter Wilhelm I. wegen Unterschlagung im Amte zu drei Monaten Gefängnis und dessen Ehefrau wegen Hehlerei zu drei Tagen Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte erhielt als Schranken wärter eine bestimmte Menge Petroleum zum dienst lichen Verbrauch geliefert. Zur Kontrolle batte e- stets die verbrauchten Mengen zu notieren. Wie ih nun .zur Last gelegt worden ist, hat er des öfter, den Rest einer solchen Petroleumlieferung, ansta ihn im Dienste zu verbrauchen, mit nach Hause g nommen und seiner Frau gegeben, die das Petroleum annahm und im eigenen Haushalt verbrauchte. Der Ehemann hatte sich durch die Mitnahme des ihm für Len Verbrauch im Dienst überwiesenen Petroleums einer Unterschlagung schuldig gemacht, während das Gericht in dem Verhalten der Ehefrau eine Hehlerei erblickt hat, indem es lagt, diese hatte sich sagen müssen, -ast das Petroleum, das ihr Mann mit nach Hause brachte, von dessen dienst lichem Vorrat stammte, also unoefugt mitgenommen worden sei. Gegen das Urteil hatten beide An geklagte Revision eingelegt, in der sie gelten machten, die in der Vorinstanz getroffenen tatsäch licken Feststellungen rechtfertigten ihre Verurteilung nicht. Das Reichsgericht hielt jedoch die Revision des Ehemannes für unbegründet und erkannte deshald hier auf Verwerfung des Rechtsmittels. Was aber die Ehefrau anbelangt, so war hier das Reichsgericht der Ansicht, daß die dieser zur Last gelegte Hehlerei nicht einwandfrei als erwiesen anzusehen sei, da in dem Urteil das Tatbestandsmerkmal des „Ansich bringens" nicht genügend festgestellt ei. Das Reicks gericht hob deshalb auf die Revision der Angeklagten das Urteil gegen diese a u f und verwies die Sache insoweit an das Landgericht zurück. (4 v 779/14.) I-/. Ein Todcesturz beim Neubau. Die Straf kammer in Lor au hat am 8. Juni den Maurer meister Paul K. wegen fahrlässiger Tötung und Zuwiderhandlung gegen die allgemein an erkannten Regeln der Baukunst zu drei Wochen Ge fängnis verurteilt. Gleichfalls verurteilt wurde der Maurerpolier N. K. führte rm November 1913 einen Anbau aus und deauftragte H. mit der Aufsicht über die erforderlichen Arbeiten. Entgegen den Un fallverhütungsoorschriften wurde die Balkenlage der einzelnen Stockwerke nicht sofort mit Brettern be legt. Als nun eines Tages ein Arbeiter auf einer Leiter Material nach dem oberen Stockwerk trug, brachte N. versehentlich die Leiter zum Zittern, und der Arbeiter stürzte durch die offenen Balken in die Vie üeutsGe Nrl. 6j Ein Roman aus unseren großen Tagen von Paul Burg. „Gewesen, liebe Exzellenz. Die Herrschaften hier im Hanse Jagemann dürfen es eben nicht mehr für unwert halten, Zeitungen zn lesen. Ma jestät ist mit Volldampf hciingesahren, nnd der Telegraph zwischen Wien nnd Berlin nnd Peters burg spielt Tag und Nacht." Die alte Frau Halle sich iäh erhoben. Auge in Ange fragten die beiden Mcnscben sich lies in ihre Seelen hinein. „Dann müssen wohl wir Deutschen auch...? O, Zimmern, in Rußland ist schon mein Großvater geblieben. Rußland ist unser Grab." „Damals war es das Grab Napoleons. Henle sind wir vielleicht Totengräber für alle beide." Er legte ihr schwer den Arm ans die Schulter. „Freundin Jagemann, ich dachte immer Ihr wäret eine ganz beGndcre Art Fran . . . Ja, wenn Oesterreich den Krieg haben wird, müssen wir nut. Gott sei Dank, daß wir müssen, endlich müssen! Sie denken alle in Europa, sie können sirb an dem friedlichen Deutschen die Stiebeln abwnchen. Rußland wird es bereuen, den deutschen Löwen gereizt zu haben, Erzellenz." Sie sah in >eine zornsunkelnden Augen. Sie verstand ihn, wie er letzt wieder ganz inng nnd Soldat war wie die Jungen. Wie er hätte nnnnn mögen, der Acluzigjährige. „Ihr Tchwiegerenket ist dort, Oesterreicher?" fragte sie leise. „Ist schon bei der Front, lästern ist Berta mit den Kindern von Wien abgercist. Jcb erwarte sie jede Stunde, Oma." „Zimmern, wirklich wieder Krieg?" — Er nickte schwer und hart. „Das ist furchtbar." „Und wir müssen, wir Tenischen — —?" „Ja und tausendmal ja!" „Erhardt . . ach, er ist ja im Beurlaubten stand." „Erhardt und alle, liebe Oma. Ich auch. Zur Stunde der Mobilmachung melde ich mich beim Bezirkskommandeur." Da lächelte die alte Fran trotz allein Schreck. „Ach Gott, Sie sind doch so alt, lieber Freund!" Der Kommcrhcrr nahm ihre Hände fest in die seinen. „Sehen Sie, das ist schon der erste Spott, den ich dulden müßte, wenn ich zn Hanse bliebe.. Liebe Jagemann, wer ist denn alt, wer denn? — BJcr ein Deutscher ist, der ist auch Soldat, bis er stirbt!" Die alte Exzellenz neigte das weiße Haupt vor dem mutigen deutschen Manne und vor dem allgemeinen gewaltigen Scliickjal, das sich in dieser Stunde drobend vor der Welt anfgercckr hatte. Aber als sie wieder aufblickte, strahlte Vertrauen ans ihren Augen. „Rückt dock), Zimmern. Wir leben nun vier- nndvierzig Jahre im Frieden. Unser Kaiser hat sein Leben lang den Frieden treu gehalten, gegen eine ganze Welt behauptet. Sehen Sie, Siebzig war das dock) anders. Und seitdem haben wir das Reick), an dem mein guter Hans Martin mit seinem Blute auch mitgcbant Hai. Ick) glaube noch nicht an einen Krieg. Unsere Jugend mag ja stürmisch darauf drängen, aber es leben noch zn viele von uns Alten, die er fahren und erlitten haben, was ein zkrieg be deutet." Sie ging an ihm vorüber und trat auf das Bild ihres Mannes zn. In stiller Andacht ver harrte sic vor denc stummen Gemälde. Und der Kannnerherr schritt zum Fenster, riß mit Harter- Hand die Rolläden hock). „Lassen Sie das Lübt des Tages herein, liebe Freudin. Wir dürfen uns jetzt die Seele nicht verdüstern nnd die Augen nicht verbinden." Ec wandte sich am Fenster und blickte auf das Bild Hans Martin Jagemanns. „Gegen Frant'cico gebt es auch diesmal wieder, lieber alter »erl dni Frankreick) nnd Rußland und England, das ist eine unvcrbrnch liche Gcbrüderschaft, die der Haß gegen uns zlr- sammenkittet. Zum dritten Male binnen hundert Jahren nach Frankreich! Diesmal im Weltkriege! -Deutschland, Deutschland! — Jetzt leben Sie wohl, liebe Jagemann; ich gehe mit. .Jetzt ist jeder Mann wert, ob achtzig Jahre alt oder achtzehn!" Mitten in der Stube stand er hochgercckt vor ihr, ein deutscher Mann, herrlich angetan mit deutschem Mute und mit dem Schmuck des Alters, ehrwürdig, flammend und froh! Hinter ihm flog die Tür auf. Elena, ein weißes Blatt in der Hand, stürmte in die Stube der Exzellenz. „Oma! Um Gottes willen! Lina hat dies hcranfgebracht. . . . Der Kaiser hat den Zustand der drohenden Kriegsgefahr befohlen!" „Hurra!" rief der Kammerherr, nnd lief aus der Tür. „Kind, wir haben hier alle in einer tauben Narretei gelebt. Rufe deinen Mann!" Ehernen Gesichts stand die Viernndachtzig- jährige vor der jungen Frau nnd streckte be fehlend den Arm ans. So stand sie noch, als die Gatten Hand in Hand cintratcn, Erhard! aus dem dumpfen Traum seiner gelehrten Studien jäh in die Wirklichkeit gerufen. „Meine Kinder!" trat die alte Exzellenz einen Schritt auf die beiden zu. „Es ivird ein furchtbarer Krieg sein. Zimmern hat mir Feinde genannt, wie sie uns noch kein Krieg gebracht hat. Erhardt, du bist ein Jagemann. Deine Baler sind für den König ins Feld gezogen... Gott segne deine Heimkehr nnd stärke auch dich, Elena! Jetzt laßt uns sorgen, was geschehen muß!" Erhardt überlas die wenigen Zeilen des Extrablattes noch einmal. „Oma, noch ist ja lein Krieg. Nicht einmal mobil gemacht ist. Vielleicht will man nur einen Druck auf die diplomatischen Entschließungen auSübcn. Aber ich muß mich dann sofort dem Bcuail lon stellen. Ich will gleich meine Uniform -- —" Die alte Frau hielt ihn beim Arni. „Kinder, jetzt glaube ich selbst, was Zim mern sagte: daß wir uns zu sehr abgeschlossen, daß wir uns an der Welt versündigt haben. Wir wollen gutmachen. . . Der Krieg, der kommt, entführt uns unsere Männer alle. Gott nehme sie in seinen Schutz! Wir, liebe Elena, wollen mithelfen, für die Frauen zu sorgen. Bleibe bei deinem Manne, solange er dir noch geschenkt ist. ... Ich gehe sofort zur Für stin-Mutter — " Mit festen Händen nahm sie ihren Hut und Umhang aus dein Schranke. „Gott behüte euch!" wandte sie sich in der Tür nach den beiden um. Stieg die Treppe hinab und eilte über die Straße. Auf jeden er staunten Gruß gab sic acht und hatte doch nur einen Gedanken: Krieg! Hans Martin, es gibt wieder ein Abschiednehmen nnd Nimmerwieder sehen, Sterben! — Wo am Walde der Schloßweg zweigt, trieb vor ihr eine schwarzhaarige Zigeunerin einen KarreN-bcrgauf. Da bestes die alte Exzellenz ein jäher Schreck. Sie blieb stehen und starrte, die Hand auf die Brust gepreßt, dem fluchenden, keuchenden Weibe nach. Wie ein Borlwng vor ihrem Verstehen zerriß der Nebel des Träumens in alten Zeiten, kam das Erinnern an den Wahrspruch, den ihr Elena zugerufen hatte: Deines Urgroßvaters Urenkel wird dich treffen! Und feierlich standen die Worte auf dem gelben Tagebuchblatte des Josias Jage mann vor ihr auf: Eures Geschlechtes Blut ist feind nnd wird im vierten Gliedc verströmen — Unter der rauschenden Ulme stand die alte Exzellenz im sinkenden Abend und zählte ihre Gescblechtersolgc an den zitternden Fingern ab: Josias — Hans Martin — Hans Karl — Erhardt . . . Erhardt ist der vierte, Erhardt! — Eures Geschlechtes Blut ist feind . . . Es fuhr ihr wie ein Schwert durch? Herz. -Vor ihren Augen dunkelte der Tag. Einer sprach sie an und ging weiter. Sie antwortete nicht, erkannte ihn nicht. (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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