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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.12.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141209026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914120902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914120902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-09
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
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veur 2. Nr. 62S. Nvrnü-Nussade. L«»pAiAer ÄagevtaU. Mittwoch, S. veremver 1914. Angeklagten wurden bereit» im Haag von zwei al» Untersuchungsrichtern fungierenden belgischen Staats ministern verhört. Die Sache erregt in Brüssel be deutende» Aufsehen, da Rychman» und Franck zu den bekanntesten Politikern Belgien, ge hören. Ver uvverbeyerUche pokrcari. In Schweizer Blättern lesen wir folgende Havas- meldung aus Paris vom 7. November: Die patriotische Liga unternahm ihre jährliche Fahrt nach dem Schlachtfeld« von Cham- pigny. Auf dem Schlachtfeld« hielt Präsident Poincar« eine Ansprache, in der er u. a. lagt«: Damit der Friede lang und glücklich ausfalle, damit er nicht illusorisch und trügerisch lei, muh er gewährleistet sein durch di« vollständrge sühne für die verletzten Rechte, muh man fick vorsehcn gegen künftige Angriffe. Folgen des ist die Parole, die ich Ihnen übergebe: Sühne für das Vergangene, Garantien iür die Zukunft! Mr werden jeden Frieden abweijen, der unsere Opfer und unser ruhmvolles Blut zwecklos machen würde. So sprach Herr Poincar«, ehe «r die Kunde von der Einnahme von Lodz durch die Deutschen erhielt. Wie wird er wohl in 1t Tagen sprechen? Portugal, -as Opfer Englaa-s. * Konstantinopel, 9. Dezember. Der „Tanin" be dauert, dasf Portugal sich von England ver führen lasse, obgleich es das Beispiel Belgiens vor Augen habe. — Das Blatt macht sich über Lord Kiich en er lustig, der, während er früher von Millionen cnolischer B.ijonette gesprochen hätte, zu tausenderlei Kniffen keine Zuflucht nehmen Müsse, um in Portugal 56 000 Mann zusammen- -ubringcn. Ver Untergang Serb erl ist -le Auferstehung Mazedoniens. * Sofia, 9. Derember. Das Blatt „Kambana" führt aus: Der Untergang Serbien, be- deutet die Auferstehung Mazedoniens. Wir. die wir mit bebenden Harzen den Bewegungen der österreichisch-ungarischen Truppen gefolgt sind, müssen daher ausrusen: „Ehre und Ruhm der öster reichisch-ungarischen Armee. Griiss« an die wirklichen Slawen!" Vie Schweiz protestiert weiter. ir.) Berlin, 9. Dezember. (E i g Draht nachricht.) Wie aus Genf berichtet wird, hat der schweizerische Bundesrat eine gleich, lautende Note an die kriegführenden Mächte gericht:t, das; er unter Hinweis auf die englische Neutrnlitätsverlehung des schweizerischen Gebietes das Ucberfliegen des schwei zerischen Luftraums durch fremde Flieger als Neu- tralitätsbruch in völkerrrchtlichcm Sinne ansehen werde und di.' Flieger als feindliche Eindringlinge ansehcn und be handeln müsse. Wichtige Beschlüsse -er Nleöerlanüe. (r.) Essen, S. Dezember. Ein Ministerrat unter dem Vorsitz der Königin Wilhelmina hat, wie der „Rhein.-Westf. Ztg." aus Amsterdam ge. meldet wird, folgende wichtige Beschlüsse gefasst: 1. Die gesamte mobilisierte Armee in Stärke von 2V0 VVÜ Mann bleibt auf dem Kriegsfüsse. 2. Die bereits früher beschlossene Kriegsanleihe von LSV Millionen Gulden (42Ü Millionen Mark) wird im Dezember aufgelegt und trägt für den Teil de» Betrages, der nicht durch freiwillige Zeichnungen gedeckt wird, den Charakter einer Zwangs» an lei he. 8. Die Provinz Seeland wird so fort in Verteidigungszustand gesetzt. Die Scheldeösfnung wird mit verstärkter Armierung ver sehen. 1. Die Einführung der Zeitungozensur für alle militärischen Nachrichten. Vie griechisch-türkische Einigungs-fikte. sr.) Mailand, 9. Dezember. (E i g. Draht nachricht.) Einer „Lomdardia"-Meldung aus Athen zufolge sind die Reutermeldungen von Ansammlungen griechischer Trupprn an der türkischen Grenze und von dem Er scheinen griechischer Kriegsschiffe an der klei»asiatischen Küste freie Erfindungen. Der türkische Gesandte hatte am letzt:» Freitag «in: dreistündige Konferenz im Ministerium Les Aeussern: es verlautet, dass die iroch offenstehend' grie chisch-türkische Einigung sakte über di: Mitteln» rerinseln unterzeichnet worden ist. Di: griechische Regierung hat der römischen „Italia" zu folge ihre Neutralität in dem türkisch-russi schen Kriege beschlossen und die Mächte davon in Kenntnis gesetzt. Verhaftung ver-ächtlger Japaner in Konstantinopel. (r.) Konstantinopel, 9. Dezember. Die Polizei hat gestern sieben Japaner fe st genommen, die in verschiedenen Lbslberüchtigten Gasthäusern gehaust hatten. Angeblich sind es Händler. Sie gaben an, Chinesen zu sein. Aeussere Merkmale widersprechen dem jedoch. Sie hatten allerdings von dem chinesischen Botschafter in Paris ausgestellte Pässe. Merkwürdig ist, dass diese Händler als einzige fremde Sprache nur die deutsche beherrschten und ferner, dass all« im Besitz von geographischen Karten waren. Man vermutet, dass ein Attentat auf die „Gäben" und „Breslau" beabsichtigt ist. (?) ver Papst schlägt eine weihna^ts-waffenruhe vor Aus Rom wird dem „B. T." gedrahtet: Von zuständiger Seit: wird mir bestätigt, dass dar Papst einen allgemeinen Waffenstill stand zu Weihnachten angeregt hat. Es handle sich jedoch vorerst nur um eine Sondierung, auf welche die Antworten der Kabinette noch aus stehen. Die Sacha ist auch darum sehr schwierig, wril das russische Waihnachtsfest auf ein anderes Datum fällt. Alles hänge von den Gutachten der EeneralMbe ab. Prinzipiell würden wohl alle Regierungen zustimmen. Jedenfalls ver rate der Vorschlag nicht nur hohe Humanität, sondern auch den Wunsch des neuen Papstes nach politischer Betätigung. Der Gedanke des Papste- ist ja sehr schön und sehr freundlich. Aber die militärischen Erwägungen haben doch eben den Ausschlag zu geben. Wir alle haben uns in den Gedanken völlig eingelebt, eiserne Weihnachten feiern zu müssen. Schenken uns unsere wackeren Truppen in Ost und West entscheidende Siege, dann kann vielleicht dem Vorschläge des Papstes nähergetreten werden. Vorläufig regiert aber noch Mars die Stunde. Der abgeblitzte Vretverbanö. Bukarest, 8. Dezember. Sämtliche Blätter mel den, dass Ministerpräsident Bratianu die Vor schläge der Gesandten der Dreivc rbandsmächte, die auf eine Einmischung Rumäniens in den Krieg zugunsten Serbiens hiirausliefcn, ab gelehnt hat. krlegszussan- über Marokko. fr.) Genf. S. Dezember. Wie schweizerischen Zeitungen gemeldet wird, sind über Marseille an 50 000 Mann nach Marokko zurückbeor- de:t worden. — Einer Madrider „Imparcial"-Mel- dung zufolge hat der fran ösische Generalrcsident in Rabat über Marokko bereits am 10. November den Kriegs zu st and proklamiert. Eiserne Kreuze. Mit dem Eisernen Kreuz wurden ferner aus- gezeichnet: der Oberleutnant der Reierve im Infan terie - Regiment 134 Feldintendanturrat Franz Kops ler hat bereits vor einiger Zeit das Ritter kreuz 1. Klasse mit Schwertern des Albrechtsordens erhalten). Sohn des vernoibenen Kunstmalers Franz Kops, dessen Vater, der Generalarzt a. D. Geh. sanitätsr-l Dr. Kops, Rttter hoher O'den, 1870 mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde, der Einjährig - Kriegsfreiwillige - Gesreite im Reierve- Infanterie - Regiment 202 Kand. cam. Walter Chrlstmann, der Fähnrich im Infanterie-Regi ment 177 Stein, Sohn des Vorstehers des Kaiser!. Postamts 7 Stein in Dresden, der Oberleutnant der Landwehr Architekt Emil Boigt, der Unter- offizter der Reserve rm Grenadier-Regiment 100 Rudolf. Nestl« r, techn. Zeichner im Kgl. Zentral- bureau für Steuervermessung, der Unteroffizier in der Maschlnengewehrkompante de» Infanterie-Regi ments 182 Fritz Kaul, der Etnj.-Freiw.-Gefrette im Infanterie-Regiment 108 Rudolf Worlitzsch lunter gleichzeitiger Beförderung zum Vizefeldwebel), der Hauptmann und Kommandant der 28. mobilen Feldetappe der 1. Armee des Westheeres. Station», kontrolteur Königlich Preussischer Zollinspektor Schlichteisen aus Dresden, am gleichen Tage erhielt sein Sohn, der Leutnant im Jnfanterie- Reglmenl 156 Schlichteilen, gleichfalls das Eiserne Kreuz, der Oberjäger im Reserve-Iager-Bataillon 25 Karl Beck. Sekretär an der Landesversicherung,, anstatt, iämtlich au» Dresden, der Saniiätsfeldwebel Otto Judenfeind, der Wachtmeister Worcb, der Sergeant Richard Zschiesche (unter gleich zeitiger Beförderung zum Wachtmeister), er erhielt ferner die Friedrich-August-Medaille in Silber), sännltch vom Feldartilleric-Regiment 78 (Wurzen), der Reservist nn Infanterie-Regiment 179 Schriftsetzer Alfred Mittmann (unter gleichzeitiger Be förderung zum Unteroffizier« aus Wurzen, der Vizewachtmeister bei einer Muni ions.olonne des Feloarrillene-Regiments 75 O t»o L a d d e y, Ritler- gu.spach er in ErosshetMsoon bei Borna, der Ober leutnant der Landwehr WilhelmHägele, Alter Herr des Korps Teutonia in Freiberg, der Forst assessor Leutnant der Reserve im Infanterie-Regi ment 178 Bernhard Dittrich aus Freiberg, der OffizrersleUvertreter im Re erve-Jager-Bataillon Nr. '22 Posttetretar Earl Claus, der Oberleut, narrt der Lan wehr beim Stabe der Etappen- Insprktron der lr. Armee Ooerfinanzrat Michael oer Sergeant-Hoboist rm Infanterie-Regiment 182 Hans Fischer, ämrttch aus Freiberg, oer Soldat rm Neierve-Grenabrer-Regrmenl 101 Glöckner, der jüngste von den sechs im Felde stehenden Söhnen des Fabtikarbeiters Glöckner rn Lichtenberg bei Freiberg, oer Leutnant und Kompameführes im Infanterie-Regiment 104 Willy Berge aus Chemnitz. weitere Mel-mrgen. * Das Nobellomttse des norwegi chen Slotthings hat beschiessen, in diesem Jahre keinen Frie denspreis zu verteilen. Sie Olutjelüer -er parasnica. I. Mitrowitz, 21. November. sr.) Man muss der Parasnica ein eigenes Blatt widmen. Eigentlich ein eigenes Buch, ein grosses, ganzes Buch, denn dieses kleine, zwischen Drina und Saoe eingezwängte Stück Erde fit geheiligt worden durch den Kampf, der auf ihm ausgcfochten wurde, Liesen Kampf, der an Wut und Erbitterung wohl in der Kriegsgeschichte aller Zetten nicht seinesgleichen hat. Jeder Zoll ihres Bodens ist von Granaten durchfurcht, mit Strömen von Blut getränkt worden. Hier kämpften nicht Menschen, sondern Löwen, die sich ineinander verbissen, einer vom andern nicht liessen, bis der Besiegte, aus tausend Munden blutend, dem Stärkeren wich. Wir alle, die wir eine Schlacht des modernen Krieges mitgemacht, Haden immer gesagt: nüchtern, poesielos, eine mit dem höchsten Raffinement aus- gearbeiiete Mordtechnik ist der Krieg heute: wir haben uns an die fröhlichen Reiterattacken mit den schmetternden Signalen, an die prächtigen Stürme der Infanterie mit den wehenden Fahnen erinnert: haben gesagt, dass Schnellfeuergewehr und Haubitze aus der modernen Schlacht alle Poesie hinaus geschossen haben. Und den Spaten habe»» wir ge schmäht, dieses unscheinbare Werkzeug, das den frei daherstürmenden Krieger zum kriechenden Maulwurf macht. Wandert über die Parasnica, und ihr werdet eines Besseren belehrt werden! Durchstreift dieses Labyrinth von Schützenständen und Laufgräben, in denen Wochen hindurch Menschen gelebt, gekämpft, geblutet uns gestorben — und ihr werdet erkennen, dass auch der moderne Krieg nicht nur schrecklich und grauenhaft, sondern auch gewaltig und erhaben ist. Gegen vier Uhr nachmittags langten wir an der Stelle an, wo das Gebiet Ler Parasnica beginnt. Die Wagen wurden an den Eingang von Ornabara geschickt und zwei Kollegen als Quartiermacher in den Ort selbst vorausgesandt. Wir andern verliessrn die Dammstrasse und machten uns zu Fuss auf den Weg. Vor allem ein« ganz kurze geographische Schilde rung der Gegend. In den Winkel zwischen Drina und Save eingeschlossen, bildet die Südgrenze der Parasnica die von Ravufe nach Ornabara führende Dammstrasse, auf der wir gefahren waren. Kein» halbwra» gangbare Verbindung geht durch diese« teils mit Niederholz, teils mit hohen, prachtvollen Eichen bestandene Gelände, da» durch die von Norden nach Süden laufenden Schenkel des Saoe-Drtna- winkel» in den Flanken gestützt ist und wie kein zweites einem ebenso tapferen wie klugen Verteidiger es ermöglicht, mit der ihn von rückwärts schützenden Dammstrasse als Stützlinie den hartnäckigsten Wider- stand zu bieten. Tatsächlich haben die Serben auch in der Paras nica bewiesen, dass sie die in ihren beiden vorherigen Kriegen gewonnene Erfahrung zu verwerten wissen. Kein strategisch und kein taktisch wichtiger Punkt war von ihnen übersehen worden. Das System der von ihnen angelegten Befestigungen war so geschickt ge wählt, dass sie aus diesem Winkel nicht herauszubrtn- grn gewesen wären, wenn unsere Artillerie nicht bei Ravuje die Bresche geschossen, wenn die Armeegruppe Kraus, die bei Klenak die Save überschritten und Kott weiss zum wievielten Male Sch^botz eingenom men hatte, nicht von Osten her gedrückt hätte, und wenn durch Potioreks Sieg in der elftägigen Schlacht bei Krupanje nicht ihre Rückzugslinien bedroht ge wesen wären. Diese drei Umstände zwangen sie. die Stellung in der Parasnica schliesslich zu räumen und so das Tor zur Macva und damit zu ganz Serbien aufzumachen. Eine Stellung hinter der anderen durchschnitt der ganzen Quer« nach die Parasnica, eine so vortrefflich gebaut wie die andere. Bis an zwei Meter tief sind die Schützengräben angelegt, alle» schrapnellsichrr ge deckt und ie nach der Beschaffenheit des Geländes teils durch Maisstaudeu, teils durch Aeste glänzend maskiert. Der Mann kann sich frei bewegen, hat vor sich ein« aus Lehmziegeln hrrgcstellte Schiessscharte und neben sich, gleich zur Hand, in der Erabenwand ausgehöhlt eine Munitionskammer. Der Ausschuss ist vor der Deckung immer sorgfältig hergertchtet und das Schussfeld gelichtet. Neben solchen — man möchte beinahe sagen solid gebauten Deckungen finden sich auch sehr viele, denen man deutlich anmerkt, dass sie während des Kampfes, seiner Entwicklung sich an passend, angelegt worden waren. Aber stark und widerstandsfähig sind sie alle, jede eine kleine Festung für sich. Natürlich war ein Anlauf mit dem Bajonett gegen solche Bcrschanzungen ganz und gar ausge schlossen. Man musste einen regelrechten Festungs krieg führen, sich mit Sappen meterweise, zum Teil auch durch Minen an den Gegner heranarbeiten, und das noch dazu im Feuer der sicherschiessenden feind lichen Artillerie, die sogar bei Nacht jede Distanz wusste. Unsere Artillerie konnte in den ersten Tagen ihrer Infanterie sehr wenig helfen: sie musste sich erst «lnschiessen, musste erst die serbische, die vorzüglich aufgestellt und ausserdem durch «pione von beiden Ufern bedient war. kleinkriegen, ehe sie sich über die Infanterie in den Schützengräben hermachen konnte. Und wie sie das besorgte, das haben wir in dem un glücklichen Raouie gesehen. Inzwischen blieb unserer Infanterie — die Elfer und die Dreiundsiebziger waren es, die die Parasnica eroberten — nichts anderes übrig, als stillzuliegen und zu warten. Es gehören Nerven dazu, so nahe am Feind, vor der Mündung seiner Gewehre, Wochen hindurch zu Hausen wie ein Höhlenbär, den Kopf aus dem Loch nicht herausstecken zu dürfen, da sonst sofort die Kugeln gepfiffen kommen ! Aber man ge ¬ wöhnt sich schliesslich an alles. Man gräbt sich tiefe Erdhütten, polstert sie mit Stroh aus, sichert sie mit Zaunlatten, Aesten, Erde und Lehmziegeln gegen die feindlichen Schrapnells und vertraut im übrigen auf Gott und die Haubitzen. Welch ein bitteres Stück Arbeit, sich so Schritt vor Schritt an den ein gegrabenen Feind heranzuwühlen, bis man ihn künfzig, vierzig dreissig Meter vor dem eigenen Ge wehr hatte! An manchen Stellen, besonders dort, wo die Dammstrasse hart an den Fluss streicht, musste man sich schon vom Ufer weg unterirdische Wege graben, um überhaupt an einen Fleck zu kommen, der zur Anlage von stärkeren Schätzen geeignet war. Erreichte man io eine Stelle, so biss man sich an ihr fest und liess sich selbst von dem wütendsten Feuer der Serben nicht vertreiben. Als ich die Schützengräben unserer Leute sah, schien es mir fast unglaublich, wie sie im feindlichen Feuer solche Arbeiten fertigbringen konnten. Vielfach sind unsere Gräben ebenso sorg fältig ausgebaut wie di« der Serben. Eine Stellung — eines Bataillons des elften Infanterie regiments — sah ich, die war geradezu mustergültig. Die Unterstände für die Mannschaft solid und be quem, für die Offiziere eigene Räumlichkeiten: das hohe Bataillonskommando hatte in seiner durch eine Tafel gekennzeichneten Hütte einen schönen, grossen Ofen, ein Bett, einen Tisch mit Stühlen — fehlte SvdroidMLsvllivvo Lkemedii^ n. ttrimmaisede 8tr. 24. l'ol. 1298!». Bei zu iger Ferne. Und die Ihnen sagen " Vie ckeulscve vrt. 24s Ein Roman aus unseren grossen Tagen von Paul Burg. Darüber brauche ich wohl weiter nichts sagen: es liegt ja noch in eini Gefangenen ... ja. ich »nutz „Gefangene. Franzosen!' Gott, wie inter essant!" rief am Fenster eine Helle Mädchen, stimme. Die alte Exzellenz warf dec Ruferin einen strengen Blick zu. Sie erhob sich. „Dacht' ich s doch! Meine Damen, ich bin eine alte Frau geworden, könnte wohl Ihrer aller Großmutter sein, aber vor dem Ru,e da habe ich mich gefürchtet. Lassen Sie sich sagen, junges Fräulein, und die andern, die ebenso denken . . . Lassen Sie sich von mir sagen, falls Sie es noch nicht Wissen, daß wir jene Menschen, die untere Manner und Brüder erschiessen, nicht Ivie Helden bewundern und nicht mit Sclwkoladc futtern, mit Leckerbissen verhätscheln sotten, denn es sind unsere Feinde. Sic vergießen unser Blut und Haven heute schon tausendfaches Unglück über uns Frauen gebracht. Meine lieben Damen, 1870 ist das leider so geschehen, daß deutsche Frauen, deutsche Mädchen einem Franzosenbengel nachgelaufen sind und sich ihm geradezu an den Hals geworfen haben. Frauen, cs muß ein hartes Sterben sein für einen treuen deutschen Mann, wenn er sich m seiner letzten Stunde noch sagen muß: zu Hause eure Frauen, die haben alle gute deutsche Art vergessen. Für solche Weiber mußt du bluten, sterben . . . Sind denn das noch Frauen, frage ich, jene Frauen, die ihre Männer mit Segen ziehen ließen und sie nur mit dem Schilde, auf dem .Schilde, noch im Sterben Helden, Wiedersehen wollten! Man schämt sich, eine Frau -u sein, wenn Frauen wider ihr Blut handeln »vollen! Gehen -Vie mich an, meine Damen! Ich bin ein« alte Frau von vierundachlzig Jahren. Nie in mei- uem Leben habe ich jemand geschlagen . . . aber ich sage Ihnen... ich wäre imstande, einer Frau, die es heute wieder wagen würde . . . Ge fangene ... ins Gesicht schlüge ich sie mit diesen Händen!" Der weiße Scheitel leuchtete flammend, die Augen blitzten in Hellem Hag. Wortlos »chauten alle Frauen und Mädchen aus die Erzürnte. Eine Mahnerin zur wahren Frauenwürüc, stand die alte Exzellenz hochaufgerichtet vor den Schwe- stern ihres Geschlechtes. Und in das feierliche Schweigen hinein schritt vom Fenster her das gemaßregelte junge Weib, beugte feinen Nacken vor der Greisin und haschte nach der Hand, die müde niedcrsank. „Verzeihen Sie mir!" Da zog die alte Frau das Mädchen an sich. „Wenn alle so gut ivären, wie du, mein Kind !" Tränen leuchteten in ihren Augen. „Aber sie sollen alle so sein!" spring Prin- zesjin Bathildis begeistert wieder auf. „Ja, wir sollten alle bieder Frau die Hand küssen, meine Damen! Unsere liebe und verehrte, teure Frau von Iagemann hat, solange wir leben und denken können, in unserer Residenz, im ganzen Lande einen köstlichen Ehrennamen. Sie heißt, das wissen Sie ja alle: die Oma. Und sie ist auch uns allen, allen eine wahre, liebe und weise Mutter, die wir zärtlich Oma nennen. Eine echte deutsche Frau ist sie, und wo eine von uns darum verlegen ist, was deutsche Art, was deutsche Art, waS deutsche Frau bedeutet, die blicke nur auf unsere Oma Iagemann. Meine Damen, ich will hier keine Lobrede auf die beste Frau halten, die über solche Lob. reden erhaben ist; ich wollte Ihnen nur zeigen, wie recht, wie sehr recht unsere Vorsitzende wieder einmal gehabt hat, als sie, die im letzten Kriege ihren Gatten an Frankreich verlor, das herbe Wort von Frauen sprach, die sich an Gefangenen vergessen und alles verraten, was ihnen teuer sein sollte. Hören Gie mich an: Au» dem Elsaß, au» Belgien und dem Osten, überall, wo unsere Feinde stehen, wo sie Hausen und sengen, werden die entsetzlichsten Greueltaten an unsern Frauen und Kindern begangen. Bortäujig erst heim, lich von Regierung zu Negierung gemeldet, wird es bald wie ein rasender Sturm durch alle Zeitungen, durch das ganze Deutschland gehen. Alle Roheiten sind wieder erwacht und los gelassen gegen die Deutschen. Solchen Menschen darf nicht mehr getan werden, als Menschenpflicht ist." Ihre Stimme erstickte in Tränen. Sic setzte sich erschüttert. Und die Frauen blickten ver stört in den Schoß, raunten leise unteremandcr. Tränennasse Augen blitzten haßsunkelnd auf, Fäuste ballten sich. Es lag wie ein schwerer Alp aus der Versammlung. Tagelang schon lMtc viel Gegensätzliches in der Lust gelegen, aber die Frauen wagten nicht wie die Männer mit einem offenen Wort und festen Handschlag das Trennende zu Boden zu schlagen, Schulter an Schulter zu arbeiten wie wahre Schwestern. Sie wichen aus und schoben auf, fühlten keinen freien Mut in sich urrd bangten vor Rücksichten zurück. Wie herrlich hatten die Männer, alle deutschen Männer den Hader der Parteien unter ihre mar schierenden Fuße getreten, sich jubelnd die Hände gereicht und waren froh und treu ins Feld ge. zogen, ein einig Volt von Brüdern! Die Frauen aber, kluge und törichte, fanden immer noch etwas, das sie trennte. Nicht die echten Frauen des Volkes! Die waren treu und tapfer wie ihre Männer mit der ersten Stunde zu ihresgleichen, zu allen ihren Schwestern gestanden und hatten manche alte Kränkung fröhlich vergessen. Was galt ein Frcruenzank, wenn das Vaterland rief —! Aber die „besseren" Frauen, verschieden alle durch Charakter, Stand und Bildung, Vermögen, sie hatten alle noch soviel Gegensätze zu überwinden, die in der allgemeinen großen Begeisterung der ersten Kriegslage zwar vergessen waren, jetzt aber in den stillen Arbeitswochen wieder aufstanden. Nicht, daß eine gegen die andere ihr G:ld, ihren Stand ausgesvielt hätte, häßlich aufgetreten wäre . nein, darin waren sie edel und all« gleich den Männern Kameradinnen untereinander, aber an kleinen, kleinlichen Unterschieden, Vorurteilen hielten sie zähe fest und störten dadurch die ge deihliche, gemeinsame Arbeit der Volkswohlsahrt. Auch der funkelnde Ruf: Hasset eure Feinde! der eben in ihre Herzen gedrungen war, halte noch nicht die letzten Schranken niedcrgerannt. Es gab immer noch auf jeden Vorschlag einen kleinlichen Widerspruche < Bildungsfragen waren es zuletzt, die sie trennten, und wieder hatte die Prinzcsjin den Freimut, mit einem vf,enher igen Worte den Knoten dnrchznhanen. Bathildis, ein wenig Ein. siedlerin, auch kränkelnd, galt weit und breit als eine durchaus gebildete Frau. Sie schrift stellerte sogar ein wenig unter angenommenem Namen. Die halbe Welt hatte sie bereist und sprach mehrere Sprayen. Dennoch war sie be. scheiden und einfach, wie es in sich gebildete und ausgeglichene Menschen meistens sind. Kühn griff sie mitten in die Gegensätze hin- ein und faßte die Gefahr eines bet aller Ge ringfügigkeit lähmenden FraucnzwistcS beim Schopfe, beutelte sie vor allen Frauen so gründ- lich aus, daß jeder grämliche Rest getilgt ward. „Die geehrten Damen in unserer Stadt ha ben die Freundlichkeit gehabt, ihre Büchereien daraufhin durchzusuchen, ob sich nicht einige, ihnen liebgewordene Bücher entbehren ließen. Für unsere Soldaten im Felde, für Verwundete. Meine Damen, die Liste liegt mir nun vor. Ich hatte es als selbstverständlich angenommen, daß eigentlich Ucbcrsctzungen der englisch« französischen, russischen Romane davon auSgc schlossen sein wü.L.n. Solche Bücher mögen ja auch heute noch für diesen und jenen Lieblings lektüre sein, der Geschmack ist eben verschieden und nicht absolut abhängig von der Vaterlands liebe, aber ich sollte doch meinen: für unsere Soldaten, die gegen Rußland, Frankreich un^ England streiten, die mit Wunden heimkehren, iß das nicht das Rechte." (Fortsetzung tn der Morgeiuni»g«beI
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