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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.12.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191412061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19141206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19141206
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-06
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
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teilte auf ihren Listen da. ach Pflege und Speise rationen, Geldunterstühungen. Auf diesen Erkundigungsgüngen kam Llena auch durch die nächsten Dörfer, sah manches Elend. Galt auch das niedersächsische Land im Vergleiche zu andern im Reiche als wohlhabend, hieß es auch, hier habe dec kleinste Ackerbürger und Arbeiter sein Sparbuch im Schrank und seine blanken Taler auf der Kasse, so schlich sich doch auch hier die graue Sorge in manches Hans, die in den menschenüberfüllten grosten Städten hohläugig und hungrig durch die «passen wankt. Viele hatten in den letzten Jahren die alte bnntc Landestracht versvüttct und verschmäht, nach den neuen, nüchternen Kleioerfetzen ge griffen, als hinge ihr Seelenheil von diesen lächerlichen Lumpen ab. Junge grauen, Mäd chen schämten sich, den guten »elbstgestrickten Strumvs zu tragen, warfen ihr sauer erarbeitetes Geld für feine Etrümvfe und lacklederne Schuhe hinaus, die an den derben Hüsten kaum eine Woche vorhalten wollten. Ter ziegelrote, weite Rock, die gelbe Scbürze und die schwarzseidenc Jacke nut dem Steinbesah und dem Bänder putz, die pcrlenblitzcnde Haube mit den grosten Flügclschleifen, das alles war abgetan. Schlitz rocke, fremde Kittel kauften die Frauen in der Stadt', trugen die Mädchen, Hüte n»ie Wagen räder groß und Reiherfedern im offenen Haar. Nur noch die Alten und der »gute Schlag der Jungen gingen mit Stolz in ihrer ererbten eracht. Bei den andern ward das Geld in Kleid und Schuhen vertan, der Mann war im Kriege, die Frau harte Mühe, ihre Kinder durchzubrin- ,gen. Sorgen schon in den ersten Wochen. Ueber mancher Tür las Elena die frohen, frommen Sprüche hoch am Gesimse, am Balken eingegraben. Wenn sie dann drinnen die Not aus hohlen Augen anbettelte, kam ihr wohl der Ge- danke, daß unser Voll den Pfad der alten Art und echten deutschen Einfachheit und Fröminig. keil verlassen habe, daß ein neuer und unge wisser, unverlästlrcher Geist auch in diese so treuen Menschen Einzug halten wollte. Im Frieden hatte das keine Gefahr gehabt, die meisten waren es nicht einmal gewahr geworden. Jetzt aber kam die Probe auf die alte deutsche Treue gegen Heimat und Art. Wo war die deutsche Einfachheit geblieben? — Riesengroß wuchs vor der jungen Frau das eherne Gesetz, das unverrückbare Wort ans, das alle schlimmen Zeiten gegolten hat, nnd immer in allen guten Zeiten von den Leichtsinnigen ver gessen ist: Not lehrt beten! Früher Ivar sie mit einem ästhetischen Gedanken, über einem Ver weilen in ferner Kultur und Literatur, wohl auch mit einer kleinen Sorge nm ein neues Kleid, eine versäumte Unterhaltung emgeschlasen, nnd wenn sie morgens erwachte, umfing sie wieder ihre Welt, die Keine, kleinliche Welt des Alltags, das utzwirkliche Leben in Büchern und unter Menschen, die kaum noch wissen, was Religion ist. Jetzt verstand sie den Ontel General, der morgens nnd mittags, abends vor den andern oder still vor sich betete. „Kind, Religion ist nur für die Reifen. Tie andern sind fromm ans Angst oder ungläubig ans Leichtfertigteil. Steh erst mal im Kugel regen, steh einmal am Hellen Morgen ans dem Schlachtfeld, und der Pastor ruft euch zu: „Sol daten, da geht die Sonne auf, die heute abend so manche von euch nicht mehr untergehen sehen werden. Und da drüben steht der Feind! Gott helfe uns!" Mach das erst mal mit, mein Kind! Ta brennt sich dir der liebe Gott ins Herz, daß du dein Lebtag das Beten nicht mehr ver gißt." Sie hatte manchen Tag jetzt an den guten Onkel General denken müssen. Ob er wohl noch einmal mitging in den Krieg ? — In einer Zei tung hieß es, über hundert Generale hätten sich als ganz gemeine Kriegsfreiwillige gemel det. Zuzutrauen war das auch ihm. An ihn dachte sie, wenn sie betete. Elena faltete die Hände nun jeden Abend zum Gebet und war so oft des Tages im Gespräche mit ihrem Gott, rief ihn an und dankte ihm. Wie viel mal wurde Gott im Himmel jetzt nur Hilfe, um seinen Schutz von Menschenznngen angefleht, die seinen Namen früher nur gedankenlos ausge sprochen hatten! Dachte sic darüber nach, so erschien ihr der furchtbare Krieg, den die Blätter jeden Tag bedrohlicher darstellten, wie ein wohl gewolltes Gottesgericht, das die Welt und Men schen bessern sollte. Dieses ernsthafte Denken und Jnsichgehen, der Umgang mit der Not der andern ließ die junge Frau in Stunden und Tagen innerlich reifen. Tie alte Erzellenz nahm es mit Freude wahr und tat das ihrige dazu, daß Elena eine feste, echt deutsche Fran nnd Mutter würde. Vor allem für das Kind, das angeborene, versprach sie sich den reichsten Segen. Sie wünschte sich, noch ein paar Jahre die Kindheit dieses Kindes zu erleben, das ihr Geschlecht fortsetzen sollte. Darum machte ne die junge Mutter froh und fest mit Worten und Erinnerungen. In den stillen Tagen gab cs endlich Stun den, die sie den alten Briefen widmen konnten. Tie alte Exzellenz saß aufrecht und wachsam vor ihrem Schreibsekretär, Elena strickte neben ihr. Tic beiden Frauen folgten dem jungen Josias Fagemann 1813 durch seine bewegte Ju gend. Sic erlebten den Aufruf des Königs wie der, die Bildung freiwilliger Scharen, die Ein segnung in der alten Schloßkapelle. . . . Tann hat der Hofpfarrer die Paare eingesegnet, die sich liebten und nicht voneinander lassen wollten. Ta hat mich Anna. Liese Heinz so kümmerlich und getreulich angesehen, daß ich hingetreten bin vor sie und sie vor Gottes Altar geführt habe, weil ich sic liebe mit meiner ganzen Jugend. Und meine lieben Eltern haben uns auch gesegnet. Den andern Abend aus soviel Seligkeit ins Feld! Da gab es viele Tränen. Lebt alle wohl! Leb wohl, du süßes Weib! Nun schreibe ich mit meinem Blut und wollte, ich vergösse es ganz. Die Schande ist so groß, so groß; ich bin gefangen! Kann ich dafür, war ich zu toll, zu wenig klug? — Mein Pferd brach vor den Kugeln hin und klemmte mir den Fuß ein, daß ich nicht vorkriechen konnte. Ten andern hieben sie mir in Stücke. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.") ! 1914. ! 25-26 6 l 110 8 > 31-35 Z 1.65 Z D 31—35 ) 2.25 IS 36-38 o 5 3.50 8 9 30-35 » 1.25 8 25-35 8 1.10 S 0 31-35 > 1.70 S 13-21Z 1.40 » 9 31—35 Z? > 2.45 Z ' 31—35 « 1.95 8 ) 31—35 -r r-M 8 1 22-24 « » 1.95 l? t 25-30 § ' 2.65 Z l 2'1—29 A > 1.65 -- ) 31—34 z- ' 2.75 8 ) 3l-3'> » 3.15 s > 31—35 8 2.75 8 25 - 30 2.75 Z rssnrrs I8Z3I'- r.ss 95 4 954 :s :r 95^ Z 75« ß >M L 8 äer 2.95 8 51.7S ß 2.45 H ZLVVVSH xrsrxr n 104 K 1.10 Z 22^ H 64 § 2848 64 8 10 4 8 er ALL «NO 4. veus-r. Sonntag, 6. verembed lSi4. Leipziger Tageblatt. Nr. El9. Sonntags-Nusgade. Sette 17. UWSNKW Kunst unä wissenseligft MMVZWW aber es * Aus den städtischen Theatern. Wegen Er krankung von Cäcilie Rüche-Endorf und da Ersah von außerhalb nicht zu erlangen war, wird im Reuen Theater an Stelle von „Oberon" heute Sonntag „Die Regimentstochter", hierauf „Wiener Walzer" ge geben. — Das diesjährige Weihnachtsmärchen „D e n König drückt der Schuh" von Josefa Metz sder bekannten Kinderschriststellerinj, Musik von Bogumil Zepler, gelangt am Sonnabend, den 12. Dezember, zum ersten Male im Alten Theater mr Aufführung. Die Vorstellung beginnt um 7 Uhr, und cs gelten für diesen Abend halbe Preise. * Schauspielhaus. Am Dienstag findet im Schauspielhaus der erste literarische Abend dieser Spielzeit statt. Er bringt aus der Reihe der Strindberglchen Kammerjpiele das vierte Stück xDer Scheiterhaufen", das im Frühjahr in Berlin und Dresden tiefen Eindruck hinterlassen hat. Das eine der Kammerspiele. „Wetterleuchten", dürfte in Leipzig vom Gastspiel des Dresdner Hof theaters her noch in Erinnerung stehen. Die geplante nur einmalige Aufführung dieser Arbeit kennzeichnet dieses Unternehmen von vornherein als einen Ver such. Einen Versuch, der unser Publikum einmal gänzlich aus strengem rein künstlerischen Wege vom Ta e trennen will. Viele Wünsche, die aus den ge bildetsten Kreiien Leipzigs an die Direktion ge langt sind, lassen diesen Versuch nicht aus sichtslos erscheinen. Für diesen Abend, der sich an die literarische Gemeinde des Hauses wendet, hat das Militär keinen freien Eintritt. — Als dies jähriges Weihnachtsmärchen hat die Direktion „Wie der Wald in oieStadt kam" oder „Die Mäujekönigin" von F A. Geißler gewählt, das hier von seinen früheren Aufführungen her noch weiter in den Familien lebt und das z B. auch in Dresden in der Reihe der Jahre schon auf die 100. Aufführung gekommen ist Um gerade an diesem Weihnachten einer jeden Mutter zu ermög lichen, ihren Kindern das Märchen zu zeigen, hat sich die Direktion entschlossen, für alle Ausführungen S-vlicht- Bom- Vigen T as klaren Leipzig, 6. Dezember. Neues Operettentheater. (Nou einstudicrt: „P o l e n b l u t."j Oscar Nedbals Operette ist eine der hcrvorragcndstm Schöpfungen ihrer Art. Erfindung, Witz, Temperament kommm darin zu sammen, und vermieden wird endlich einmal verstie genes Heldentum und seichter Lyrismus. Gewählte Harmonik und großenteils sehr interessante Rhyth mik bekunden den ausgezeichneten Musiker, als den wir den Komponisten immer erkannten und hoch schätzten. Gleich seinen großen Landsleuten Sine- tana und Dvor.lk eignet auch Nedbal ein untrüg- lichcs Gefühl für Klangwirkungen, insbesondere auch für die deutlich weitgehende Ausnutzung der Saiteninstrumente. Nicht zu unterschätzen ist auch das treffliche Buch, das alle landläufige Operrtten- albernheitcn meidet und dafür dem Humor freie Bahn läßt. Und ebenso unterhaltsam wie lehrreich ist cs zu schauen, wie der gräfliche Nichtstuer Baransky durch die resolute Helena Zaremba schließ lich doch noch in einen ganz ordentlichen Menschen umgewandclt und zu Vernunft gebracht wird. — Die gestrige Neueinstudierung zeigte dieselben Vor züge wie die im April d. stattgefundene Erst aufführung. Wieder verdienten Jos. Groß' umsich tige Spielleitung und Kapellmeister O. Findeisens temperamentvolle musikalische Betätigung uneinge schränkte Anerkennung. Ebenso bot Emma Gron- donas Krakowiak ein feines Tanzbikd. Unter den zahlreichen Darstellern seien besonders Therese Witt, Vilma Marbach, E. Navarra, Walther Grave und R. Efaller genannt. Von realistischster Wirkung war wieder die köstliche Spiel- und Trinkszene im zweiten Akt. üuxvu 8oZmit2. Lieder- und Arienabend von Fritz Nitzsche. Einen durchweg angenehmen und anregenden Abend erlebte das gut besuchte Kaufhaus zugunsten der Kriegs- notspendc. Der Konzertgeber, Tenorist vom Ham burger Stadttheater, bot den Zuhörern mir seiner gut gebildeten Stimme und dem musikalisch geschmack vollen Vortrag Wertvolles. Er ist in seiner ganzen Art und Weise durchaus lyrisch und weiß vor allem die Höhe wirkungsvoll zu behandeln. Allzu groß ist das Material nicht. Von den Arien war besonders die Arie des Orpheus aus „Orpheus und Eurydice" von Gluck lobenswert. Mozarts beide Arien s„Tamino" aus „Zaubrrflöte" und „Ottavio" aus „Juan") hätten wohl teilweise noch etwas mehr Tiefe im Ausdruck vertragen. Von den Liedern wirkte vorzüglich Schumanns selten gesungenes „Soldatenlied", dessen Inhalt er ergreifend darbot. Einen ausgezeichneten Helfer hatte er in dem Baritonisten Herrn Eduard Erhard aus Ham burg gefunden. Die Stimme wirkt rund und voll, und die musikalische Darstellung ist nach der Seite des Ausdrucks hin überzeugend. So wußte er die Lyrik in den Liedern von Rich. Strauß „Madrigal", „Himmclsbogen zu Liebchens HimmelSoett" und „Zu eignung" im Sinne des Komponist.^ charakteristisch wiederzugebe», besonders in den lieferen Teilen den Wert vorteilhaft. Beide Sänger Koten zum Schluß Duette, und zwar aus „Perlenfischer" von Bizet und aus „l-a ckel ch-kt.irm" von Vecdi. Beide dem Lhrr schmeichelhafte Musik bietende tzüesänge, so be sonders den von Verdi, brachten sie wirkungsvoll zur Geltung. Stärke und Ausdruck entwickelten sie in Rücksicht auseinander, so daß eine vollkommene lleber- einstimmung und Klarheit entstand. Am Klavier begleitete rücksichtsvoll und musikalisch erschöpfend Herr Kapellmeister Carl Pfeiffer aus Lübeck. .Xrtur 8'.äl«^e>. Erster bunter Abend im Leipziger Schauspielhaus. Nach dem bewährten Grund,atze, da,;, wer vieles bringt, auch vielen gerecht wird, bvt das Schausvielhaus gestern einen bunten Abend. Er freulich war es, daß die Vielheit sich doch zu einer gewissen Einheit zusainmenschlos',, daß eine reine und ernste vaterländische Grundsti.nmung waltete, die sich von allzu billiger Wirinng in jeder Hinsicht fernhielt. Der Ab.nd, umschlossen von musikalischen Tarbietungen, winde erö,',net von der bereits besprochenen Philotas-Rn,,üh-- rung. Otto Groß trug hierauf mit seiner für die Deklamation besonders geschaffenen, Hellen und biegsamen Summe vaterländische Dichtungen von Alexis, Fontane und Kopifch lebendig vor. Die Helden des Si.b njäyngen Krieges wurden gefeiert in Ernst nud Hnmor. Dann las K e ßler mit euldringtiche heil Hebels Bericht über das englische bardcment Kopenhagens. Ibsens T.r,e wirkte herb in seiner nordischen Kraft, breite Evos fand in der besonnenen uno Art E dgar K litschs eine lautere Wiedergabe. Lissauers.Haßgesang, durch Keßler mit kräftiger Empfindung vorgetragen, schloß temperamentvoll den Abend. 1>r. 8. Einheitspreise anzusetzen. Weitere Einzelheit«" werden dieser Tage bekanntgegeben. * Leipziger Kunstoeretn. Die hochbcde utende Ausstellung alter Meister au» Leip ziger P ri va t be s i tz zum Besten der Kriegsnot spende, soll auch heute, soninag, den 6. Deyember, zu dem bedeutend erniedrigten Preise von 25 Pf. zugänglich sein. Es wird somit den weitesten Kreisen Gelegenheit geboten, die yerrlichen Meisterwerke un serer größten alten Meister zu bewundern. Sowohl die alten Deutschen, Holländer, als auch Italiener sind in ganz hervorragender Weise vertreten. Der Be dcutung der Ausstellung entsprechend werden sie Räume des Kunftoereiiis dank dem Entgegenkommen der Firma I. B. Kaliziau mit orientalischen Tep pichen in würdiger, vornehmer Weise ausgestattet Die Veranstaltung darf um jo mehr auf einen großen Erfolg rechnen, als sie in den Dienst einer guten Sache, der KriegsnotsponSe, gestellt ist. Gleichzeitig machen wir darauf aufmerksam, daß am nächsten Sonntag der dritte Wintervortrag stattfindet. Herr Dr. Hermann Voß. Direktorialassistcnt am Museum der biloenden Künste, wird unter Dor führung von Lichtbildern über deutsche Monumental Malerei sprechen. Karten zu diesem Vortrage sind von heute ab an der Kasse des Kunstoereins zu ent nehmen. * Zur Abdankung von Pros. Jaques - Talkroze. Man schreibt uns: Die Bildungsanstatt zu Hellerau bei Dresden hat nun das reine Bewußtsein, nicht mehr von einem Menschen geleitet zu werden, der sich alle möglichen Förderungen seines Tuns und Han- deins bei uns in Deutschland wohl gern gefallen läßt, schließlich aber niederträchtig genug ist, das Land, dem er seinen „Professortitel" sein ganzes eigenes Emporkommen und sonstige Ehrerbietungen zu danken hat, Deutschland in höchst ge hässiger Art und niederträchtig zu schmähen. — Eine kürzlich an Herrn D ge richtete Frage, ob er seine Taktlosigkeit und seinen Irrtum eimehe und seine Unterschrift unter dem be kannten Protest gegen die barbarische deutsche Stra tegie und die dazu gehörige angebliche Zerstörung der Kathedrale zu Reims zurückziehe, hat er rundweg verneint Natürlich erfolgte hierauf ohne weiteres leine Entlassung als künstlerischer Leiter der Bil dungsanstalt zu Hellerau. Und es liegt insofern klar auf der Hand, ba>; die Anstaltsleitung selbstverständ lich für tue nicht im Rahmen des Unternehmens begangenen Ungehörigkeiten seitens Herrn Dalkroze jede Verantwortung ablehnt! — Stand doch Herr Professor Dr. E. Jaques-Dalkroze von jeher zur Bbdungsanstalt als ihr künstlerischer Leiter in einem Angestellten - Verhältnis. — Wegen des all gemein anerkannten Wertes seiner Methode war seinerzeit von Berlin aus versucht worden, ihn für Deutschland zu gewinnen. Den Bemühungen des verstorbenen Dr. Wolf Dohrn und seiner Freunde ge lang es aber, ihn nach Hellerau zu ziehen. Hier ent stand nun durch deutsches Kapital gekrönt oon deutichem Idealismus ein Unternehmen, das in raicher Folge in den meisten deutschen Städten, an der Hochschule in Berlin und an bedeutenden Konservatorien der Methode Eingana verschaffte uno mit der Aufführung des Gluck, chen Orpheus eine Leistung aufwies, die bei der ge amten Presse und Publikum einstimmigen Beifall fand. Gerade jetzt möge man dessen eingedenk werden und um jo lieber und bereitwilliger Person und Sache zu trennen wissen! Somir wünschen wir der künstlerischen wie wirt- schm tlichen Leitung der Bitdungsanstalt zu Hellerau einen guten Fortgang. Ihr emsiges künstlerisches Streben wird auch ohne Len Herrn D. von Erfolg gekrönt sein, der sich jetzt bemüht — wie ein Genfer Blatt berichtet — in Genf ein neues Hellerau ent stehen zu lassen, in der Stadt, wo man s. Zt. »einem Unternehmen mit allen Machtmitteln entgegen- steuene * Musikchronik. Felix Weingartner schrieb eine „Aus erniter Zeit" betitelte Ouvertüre, die in Wien und Dmmstaot zur Aufführung gelangte. Eine Kafierhymne von Friedrich Wild erschien jür eine Einzelstimme wie auch >ür einstimmigen Chor gesang. * Keine pharmazeutischen Notapprobationen mehr. Die Bundesregierungen sind dahin iibereingekommcn, keine Notapprobationen von Apothekern mehr vorzunehmen. Bekanntlich hatte der Bundes rat durch Beschluß vom 7. August die zuständige Lm.deszentralbehörde ermächtigt, Apothekern, die nach abgelegter Staatsprüfung ein Jahr der vor geschriebenen praktischen 'Arbeitszeit abgeleistet hatten, die Approbation sofort zu erteilen. Das wiro also künftig nicht mehr geschehen. Vas verloreae Vaterland. Bloems neuer Roman. Vorm Jahre in der Weihnachtszeit erschien ein Roman von Christiane Ratzel — er ist bei Fr. W. Grünow verlegt — der dem Reichsdeutschen in seiner, unaufdringlicher Lehre die Schwierigkeiten verdeut lichte, die sich einer restlosen Lösung der recchs- ländiichen Frage entgegentürmen. Zwölf Monate später beschenkt uns Walter Bloem. mit einem Buch, in dem er sich mit der gleichen Aufgabe besaßt Zwischen beiden viel Aehn- lichierten. viel Gleichgestimmtes und doch auch starke Unterschiede. Cyristiane Ratzel entwirft nur ein Bild der Gegenwart, sie deckt rllckyaltlos auf, wie sich heute das durch den geschichtlichen Verlauf bereits abgewandelte elsaß -lothringische Problem darstellt, uno wie sie sich einen verjö nenden Aus gleich zwischen den widerstrebenden Elementen denkt. Waller Bloem legt sein Werk breiter an: er ha. es auf drei Bände berechnet und will die ganze Ent wicklung der reichsländischen Frage schildern, vom Tage iyrer Entstehung an. Er plant also einen gronen geichichtlichen Roman. Im ersten, eben erschienenen Bande: Das ver lorene Vaterland (Vertag von Grethlein L Co, G. m. b. H., Leipzig) werden in packender, erschütternder Darstellung die Quellen des Problems dloßzelegt. Die elsässische Frage wurde geboren mit der Ein- nähme von Straßburg durch die Deutschen im Sep tember 1870. Der Tag, da die weiße Fahne wie ein Leichenlaken vom Münsterturme herabhing. hat einen „Schnitt in die tiefsten Lebenstiefen" der Be völkerung getan! Die zwei Jahrhunderte inniger politischer Zusammengehörigkeit und wirtzchaftlm er und ge.ellschaftlicher Wechselwirkungen halten ein Netz verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Eliaß uno Frankreich geschaffen, das viel stärker war als die ursprünglicheSlanimesoerwundtschast.Und nun« hatte sich in den Wettern des Krieges ein Ozean von Bittt, En setzen und Haß aufge an zwischen den dem alten Reiche entfremdeten Kindern deutschen Ge blütes und den siegsreudigen Eroberern. Hier jetzt Bloem mit der Erzählung ein, und gleich bannt den Lejer der starke Zauber der Unmittel barkeit der Gestattung, der Schwung dichterijch reichen Ausdrucks, der dem schöpser des gewaltigen deutschen Romans über den großen Einigungstrieg eignet. Das Buch umspannt die Zeit vom September 1870 bis zu den für Frankreich trüben Frühjahrstagen 1871, da jenes Zerrbild erner Nationalversammlung in Bordeaux notgedrungen in die Abtreiung des Elsa« und eines großen Teils von Lothringen willigte. Erneut ziehen all die stolzen, erhebenden Gejchehnisje aus dem eisernen Jahr an unserem geistigen Auge vorüber: aber gleichiam von der Gegen,eite ange schaut, in ihrem Widerschein und ihren Wlrtungen auf die Opfer dieses Krieges. Sie spiegeln sich in den Lebensichickmlen des Professors der Medizin Emile Küß, den das Vertrauen der BürgerschaftStraß- burgs in kritischer Stunde, nach dem Zerkall des Kaiserreichs, aus den Stuhl des Maire erhoben, und den schließlich persönliche Schickialstchläge und die schwere Sorge um den Verlust des Vaterlandes ins Grab bringen. Sie spiegeln sich in dem täglichen Erleben feiner 19jährigen Tochter Cdcile, einer frischen, spottfrohen, durch das Heimatsleid reifenden Elmsjerin, und seines kecken, trotzigen, 17lährigen Sohnes Louis, einer echt elsässischen tölcr earröe. Sie spiegeln sich in den Eindrücken der städtischen wie der ländlichen Bevölkerung und nicht zuletzt auch in den Handlungen der Männer, die die Er oberer zur raschen Eindeutschung Les neugewonnenen Landes nach Straßburg schicken. Die freundlich ge meinte Mahnung eines kundigen Journalisten: „Haben Sie ein bißchen Mitleid mit den Opfern Ihrer Siege!" verhallt infolge der manchmal betrübenden Ver ständnislosigkeit für das tiefe Herzeleid der Besiegten. Wir when sie alle, die führenden Elemente der neuen Herrschaft, den Offizier, den Verwaltungsbeamten höherer und niederer Klasse, den Schulmann, den Geschäftsmann mit unendlichen Plänen, Hoffnungen und Entwürfen nach dem deutschen Neuland reisen, wir nehmen an ihren ersten Erfahrungen, Ueber- raschungen und Enttäuschungen innerlich Anteil und begreifen wie sich „das anfängliche Wohlwollen, der ehrliche Dienst- und Pflichteiser der deutschen Be hörden, ihnen selbst unmerkbar, wandelt in Argwohn, Härte, Schroffheit". Indes bei verständigen, einsichtsvollen Naturen läßt der Dichter doch Bedeuten aufsteigen. Nach einer Aussprache mit dem Maire von Straßburg kommt ein kluger Menschenkenner, der Oderregierungs rat Lehmann, zu dem Schlüsse: „Es war doch wohl nur menschlich, nichts weiter, daß man ein gewißes Behagen empfand in dem Gedanken, als Vertreter der siegreichen Macht, der Ueberwinder, der ... Stärkeren einem Führer der Besiegten, der . . . Annektierten gegenüberzustehen . . war zugleich grenzenlos ekelhaft, war morali scher Henkerdicnst. . ." Freilich, solange der Krieg noch tobt, stürmen und wirbeln die Gedanken durch einander bei Besiegten und Eroberern. Mit heißem Hoffen lauschen die Straßburger der Kunde von dem Vorrücken Bourbakis, und als auch dieser letzte Rettungsstrahl verlischt, packt sie dumpfe Verzweif lung und tiefe Verbitterung Und diese Gefühle und Empfindungen des Volkes faßt angesichts des Zusammenbruchs der Maire Emile Küg, der sich für seine Heimat abgearbeitet hatte, in das Ver langen der tiefoerwundeten Seele zusammen: „Da man würde aushören müssen, Franzose zu sein, so wollte man wenigstens das erne ver suchen — Elsässer bleiben zu dürfen." Das ist das ganze Sinnen und Trachten der alemannischen Abkömmlinge trotzige Bewahrung völkischer Eigenart und völkficher Eigenheiten. Dieser klar gerichtete Wille wird nun in der Zutnnft auf starken Widerstand stoßen. So weist alw Bloem be reits auf die Fortsetzung hin, und tr.ibe Ahnun en beschleichen den Le,er, daß der notwendige Verschmel- zun spro eß nicht ohne Gewaltsamkeiten vor sich gehen kann. Es ist dem Dichter vermöge feiner bezwingenden Gestaltungskraft, seiner hinreißenden Sprachgewalt uno der wohlüberlegten Gliederung oes ganzen Stoffes weinerlich gelungen, tiefes teilnehmendes Bernändnis für die leidenden Helden jener Völter- tragödie zu wecken, die ungeheuren Schwierigkeiten aufzudeüen, die sich der Emgliederung eines fremden Eevietsreilcs in einen siegreichen Staat en.gegentürmen, und so tann jein Buch vielleicht auch als Lehrbuch für die Neuzeit gute Dienste tun Wir tönnen daraus lernen, wie Fehler zu vermeiden sind bei der Behandlung von Leuten, die ihr altes Vaterland durch die Unerbittlichkeit cer gerl ichtlichen Entwicklun . ver oren t.aben, und die nun in das neue Vulerlaud sich einglieoern und einteben sollen. Nr. ^ruo Ouulber. Vie cleuksche Art. 18f Ein Roman aus unseren großen Tagen von Paul Burg. „Achtung! Erster Zug, rechts schwenkt, marsch!" Die Pferde zogen an. Die Räder rollten leise über den Wiesengrund. Ter bunte Wald bekränzter Wagen, die ganze Kolonne streckte sich und gewann die Straße. Tic Hufe stampften, die Wagen ratterten. Und die Frauen, Mädchen winkten, riefen den Soldaten zu, warfen Blumen, letzte Blumen über Pferd und Mann. „Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen in der Heimat!" „Lebt alle wohl! Lebt wohl!" Ein Winken, Rufen immerfort, in vielen Augen Tränenfunkeln. Ter erste Sonnenstrahl glitt staunend drüber hin, dem Zuge der Sol daten vorauf, Licht bringend, Licht und frohe Zuversicht. Ter letzte Fahrer ratterte vorbei, winkte von seinem Sitz. „Lebt wohl! Lebt wohl!" „Auf Wieder-Wiedersehen!" „Wie still es nun mit eins geworden ist!" trat Elena vor das .Haus und fatzte die Klinke. „Nun wird es bald noch stiller werden," seufzte die alte Exzellenz. Die Stadt war jetzt soldatenleer, aber auf dem Bahnhofe herrschte noch tagelang ein großes '-etümmel. Auch die Kaserne füllte sich wieder, der weite Hof hallte vom festen Marschtritt. Grüne Zettel riefen von den Häuierwänden: Kriegsfreiwillige vor! Nun fetzte die Fürsorgearbcil der Frauen cin. Sie gingen von Haus zu Haus, stellten ihre Fragen, boten Hilfe an. Alle Antworten wurden in die Fragebogen eingetragen, und Prin. Zessin Bathildis im Jagemannschcn Salon ver.
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