Volltext Seite (XML)
Sette 2. Nr. 609. Moraen-nusgsve. Leipziger Tageblatt Dienstag, l. vezemder 1914. tand, zurückzuwerfen. Gleichzeitig beabsichtigten die Deutschen, die Bahnlinien Warschau —Lodz — kaltsch und Warschau — Petrikau — Ezen- stochau zu besetzen, nm so die Verbindungslinien der russischen Armee zu vernichten. Der deutsche Flankenstotz wurde mit grotzer Heftigkeit geführt. Dav deutsche Zentrum drang am wettest rn vor, nämlich bi» zur Station Koljuschki an der Bahn linie Warschau—Czenstochau. Die rechte deutsche Kolonne scheint sich auf dir Linie Cziernr — Zdunstavolia verbewegt zu haben. Im Westen von Lodz kam der Kamps zum Stillstand, indem di, Deutschen zwijckren Tzierne und Zdunskavolia Schützengraben aufwarfen und sich in diesen gegen die russische Uebermacht zu behaupten wutzten. Die Kolonnen, die zum Entsatz von Bielun aus vorgerückt waren, wurden von Len Russen südlich bet Lodz angegriffen und in ihrem Bormarsch aufge- halten. Infolge der russischen Uebermacht war ihnen ihr Ziel hier bereitet. Sie muhten sich ebenfalls in Schützengräben graben und tonnten den anderen Kolonnen nicht zum Entsatz zu Hilfe eilen. Sie scheinen aber ihre erreichte Stellung bei Lodz behauptet zu haben. Sine endgültige Entscheidung in diesen Kämpfen ist bisher noch nicht gefallet,. Ein etwaiger russischer Sieg soll nach An gabe der englischen Blätter für den ganzen Feldzug, ,a vielleicht für den ganzen Krieg entscheidend sein. Dies ist aber eine maßlose Uedertreivung. Von deut- sckier Seite «ft ja hier bloß ein Flankenstoß unter nommen worden, uin Len russischen Vormarsch zu ver- hindern, und die Deutschen scheinen hierin ihr Ziel vollkommen erreicht zu haben. Erweiterung öes perfonenkreifes süc ZumMenunterstützung. Die „Rorddeur che Allgemeine Zeitung" kündigt folgendermaßen- eine E. Weiterung des Personen- treises iür S.e Familicnunterstützung an: Dir Regierung hat neuerdings weitere Richtlinien bezüglich der Anwendung des Gesetzes vom 20. Je- bruar 1888 in der Fassung des Gesetzes vom 1. August 1911 betreffend Familienunterstützung aus gestellt und den Bundesregierungen zur Beachtung empfohlen. Es handelt sich dabei um eine recht be deutende Erweiterung des Pcrsoncnkrcises der Anspruchsberechrigtcn. Ueber weitere Ergänzun gen schweben zurzeit noch Verhandlungen mit den be te,ligten amtlichen Stellen. Im einzelnen seien aus dem Rundschreiben folgende Punkte heroorgehobcn: I. In Fällen der Bedürftigkeit sind auch den Stiereltern, Stiefgeschwistern und Stiefkindern des ,n dey Krieg Eingetretenen Fomilienunterstützungen zu gewähren, in ofern sie von ihm unterhalten wurden oder das Unterhaltungs bedürfnis erst nach erfolgtem Dienlteintritt desselben heroorgetrcten ist. Unter denselben Voraussetzungen sind auch den unehelichen mit in die Ehe gebrachten Kindern der Ehefrau Unterstützungen zu ge währen, auch wenn der Ehemann n.cht ihr Vater ' r. Elternlose Enkel eines Einberufenen sind den ehelichen Kindern des Eingcirctenen gleichzustellen. II. Richt nur den Familien der Mannschaften des Beurlaubtenstandes, sondern auch denjenigen aller übrigen im wehrpflichtigen Alter stehen den Mannschaften, die infolge der kriegerischen Ereignisse n i ch t m e h r in der Lage waren, indie Heimat znrückzukehrcn, sind im Falle der Bedürf tigkeit Unterstützungen zu gewähren, sofern glaubhaft gemacht wird, daß sie als Gefangene im fe.ndlichcn Ausland zurückgehalten werden, wobei kein Unter biet» zu machen ist. ob sie vom Feinde als Kriegs gefangene oder als Zioilgesaugene behandelt werden. Das gleiche ailt bezüglich deutscher Mannschaften, von denen glaubbaft gemackst wird, daß sie im Aus land bei einem Marine- oder anderen Truppenteil zur Einstellung gelangt sind. Ihl. Gemäß 8 10 Abs. 5 a. a. O. werden die Unter stützungen, falls der in den Dienst Eingetretenc vor seiner Rückkehr verstirbt oder vermißt wird, so lange gewährt, bis die Formation, welcher er angehört, auf den Friedcnsfuß zurückgeführt oder aufgelöst wird: insoweit jedoch den Hinterbliebenen auf Grund des (Gesetzes vom 17. Mai 1907 Bewilligungen gewährt werden, fallen die durch das Gesetz geregelten Unter stützungen fort. Diese Bestimmung ist io auszulegen dNt .wischen dem Fortfall der Familicnunterstützung und sein wirklichen Bezug der Hinterbliebenenrente eine Unterbrechung nicht cintreten soll. Die Worte ge währt würde" sind also gleichbedeutend mit den Worten „tatsächlich zur Auszahlung gelangen". Bon einer Anrechnung der bis zu diesem Zeitpunkt gewährten Familienuntcrstützung aus die Hinter- lliebenenbcziige wird wegen der Schwierigkeit der Durchführung des Verfahrens abzusebcn sein. Das gleich« gilt, wenn der in den Dienst Ein- gctrctene infolge einer Verwundung oder Krankheit als felddienit- oder garnisondienstunfäkig zur Ent- iassung kommt und eine Kricgsinvalidenrentc zu- aejprochen wird. Wenn auch die unter Ziffer I bis 'll erwähnten Bewilligungen nicht ausdrücklich im Gesetz aufgesührt sind. >o wird doch bei Erlaß des im 8 12 a. a. O vorgesehenen Sperckalgcietzes dafür Sorge getragen werden, daß die Bewilligungen in oer Höhe der im 8 5 festgesetzten Mindestsätze den Li.'serungsvcrbänden vom Reiche erstattet werden. Zur Zürforge für -le oftpreußlfchen Zlüchtttnge. In einem Artikel über die Fürsorge für die ost- preußischen Flüchtlinge schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" gegen den Uedereifer, der sich an der unvermeidlichen, teilweisen Unvoll kommenheit jeder Hilfeleistung stoße, und betont, daß der preußische Staat es von Anfang an für seine selbstverständliche Pflicht gehalten habe, für die ostpreu Zischen Flüchtlinge im vollsten Umfange zu sargen Den Ober präsidenten der Provinzen, in beneid sich solche aui- hrelten, »eien fortlaufende bedeutende Mittel für Unterbringung und Unterhalt der Flüchtlinge zur Verfügung gestellt worden. Zurzeit zahle der Staat hierfür etwa 150000 Mark täglich. Ein so um fassendes Unternehmen, wie die Unterbringung der geflüchteten Ostpreußen, müße von einer Stelle nach festen Grundsätzen geleitet werden und diele stelle sei die Regierung. Ihr erschienen die Gründe für die Entlastung der Reichs- hauptstadr von den Flüchtlingen auf Kosten der Provinz bindend obgleich vereinzelt eine andere Auffassung vertreten werde. Wenn gesagt werde. die Stadtbewohner aus Ostpreußen gehörten in die Städte und nicht aufs Lai d. jo sei Berlin, wo sich sehr viele von ihnen aufhielten, durchaus nicht der allein geeignete Ort für sie, jondern cs gebe in der Provinz reckst schöne Städte, wie Danzig. Stettin. Greifswald, Lüneburg u. a. m, in denen viele Flüchtlinge aus Staatskosten fo zufrieden lebten wie es der dec traurigen Lage dar Dinge möglich sei. Unser Reichtum an blühend«, Provinzen, der Stolz Preußens und de« Reiche», s»i auch tu dieser Beziehung ein Segen. Zur Neije -es Seneralfel-marjchalls von -er Holtz in -le Türkei. Der „B L." meldet: Al» Generalfrldmarschall Freiherr von der Goltz vor 18^ Jahren den türkischen Dienst verließ, nahm ihm der damalige Herrscher Sultan Abdul Hamid das Versprechen ab, daß er in den türkischen Dienst zurückkehren werde, wenn jemals die Türkei seiner Dienste bedürfen sollte. Dieses Versprechen hat er bei seinem letzten Besuche in der Türket im Jahre 1910 dem jetzigen Sultan Mehmed gegen- über wiederholt. Auf dies», Versprechen hat der Sultan sich jetzt an Kaiser Wilhelm mit der Bitte ge wendet, ihm von der Goltz Pascha für den Krieg gegen Rußland und England zur Verfügung zu stellen. Der Feldmarschall wird in den nächsten Tagen mit seinem Stab und seinem Mjutanten nach Konstantinopel abreisen. Vle empfin-llcheattattenilHon Journalisten Rom, :t0. November. Der Vorstand Los Verban des der italienischen Journal: st cnver- ctne har einen Untersuchungsausschuß ein gesetzt, der feststellen soll, ob die letzthin nah Deutschland gereisten italienischen Iou'na. listen irgendwie die Standes« h re verletzt hätten Es ist überraschend zu sehen, wie empsindl.n) plötzlich die italienischen Herren Journalisten ge worden sind. Schade, daß sie nicht früher anfftanden und sich nicht über die Beziehungen mancher ihrer Kollegen -u englischen und französischen Kapitalisten gekümmert haben. („B. L."s Neuer S^ionageprozeß. Am Freitag. 1l. Dezember, verhandelt der zweite Strafsenat des Reichsgerichts gegen den in der Provinz Posen geborenen Bäckergesellen Max Scheffler, zuletzt in Warschau, wegen versuchten Verrats militari,cher Geheimnisse. .Nicht fair l" In einem d<!r „Schles. Zta." zur Verfügung gc- stellten Feldpostbrief eines Offiziers vom westlichen Kriegsschauplatz findet sich folgende bemerkenswerte Feststellung: „Zn T. traf ich neulich auf meiner vorletzten Aufklärung einen Stabsarzt, der mit seinem La zarett 14 Tage lang in französischer Gefangen schaft war, weil er bet unserem Zurückgchcn mit seinen Verwundeten in X. bleiben mutzte. Wir waren dis ersten Deutschen, die er wieder traf, nachdem die Engländer und Franzosen X. vor un serem erneuten Vorgehen verlassen hatten. Dir Engländer hatten nun ihrerseits einen Arzt zurückgelasscn, der folgendes schöne Beispiel christ licher Liebe zeitigte: Dieser Mann weigerte sich, die schwarzen Soldaten zu be handeln, mit der Begründung: So etwas sei nicht fair! Ich glaubt', derartige Ansichten eines englischen Arztes über die Verpflichtungen gegen verbündete Horden muß!en öffentlich ge- brandmarkt werden." Vle-er eine englische Unwahrheit. Englische illustrierte Zeitungen werden nicht müde, unsere Kriegführü'tg In der häßlichsten Form ' zu verleumden. Neuerdings wird eine harm lose P h otog-rnpchfe Herz« benutzt. Sie lftitzt" ein von deutschen «oldatrn auf den Schultern ge tragenes Flugzeug mit dem zur Unterscheidung von den feindlichen Flugzeugen unter den Tragflächen angebrachten schwarzen Kreuz. Darunter steht als Erläuterung: „Das Rote Kreuz an einem deutschen Acroplan. Dis Deutschen baden das Rots Kreuz benutzt, um die Wagen ihrer Maschinengewehrs zu maskieren. Ihre Sanitätsmannschaftcn waren mit Flints und Bajonett bewaffnet. Jetzt wird das Rore Kreuz an den Flugzeugen zu sehen sein, auf die der Schutz dieses Symbols ausgedehnt ist. Das obige Bild zeigt die Tragflächen eines deutschen Doppeldeckers mit dem Kreuz auf dem Transport zur Front." Schon die äußere Form des dem Eisernen Kreuze nachgebiloereu deu-schen Untuscheidungszcichens ist ganz anders, als die des Genfer Kreuzes. Dazu kommt oder noch die au? oer Photographie natürlich nicht erkennbare Verschiedenheit der Fart>e. Ueber Art und Zweck des deurichen Abzeichens sind unsere Feinde iiimt im unklaren. Wir wissen aus erbeu- .etrn Ailf-eichnungen. daß sic ihre Truppen genau earüber unterrichtet b.rbc'i. Die neue Verleumdung ist alio remt bezeichnend für den Tiefstand der mir den ui ed.igscen Mitteln arbeitenden englisck>en Presse Zürs vaterlan- gefallen. Wie aus den Familirnnachrichten der vorliegen den Ausgabe unseres Blattes ersichtlich ist, starben den Heldentod fürs Vaterland: der Leutnant d. R. tm Infanterie-Regiment 91 Dr. phil. Bcrnh. Emil W este n b e r g e r. der Kriegsfreiwillige Sanitütsgesrcite im Infanterie-Regiment 108 Kan didat dc» höheren Lehramts Hermann Woll weber, der Kriegsfreiwillige im Infanterie Regi ment 106 Erich Mollhclm, dem auch die Firma Tobias Schieß K To. einen Nachruf widmet. Das Lehrerkollegium der 19. Bczirksschule zu L.» Eutritzsch zeigt den Heldentod des Lehrers Rudolf Venter, Unteroffizier im Rrservc-Infanterie-Re- giment 245, an Die Freie farbentragende Verbin dung Hercynlli gibt den Heldentod ihres aktiven Burschen Leutnants d. R. im Infanterie-Regi ment 10b Sind. jur. et cam. Willy Thümmlcr, Ritter des Eisernen Kreuzes, und seines Bruders, Les Stud. cam. Albert Thümmler, Kriegs freiwilligen im Infanterie-Regiment 133, bekannt. Der U. S. V. hat wiederum zwei inaktive Burschen verloren, und zwar den Kriegsfreiwilligen im Re- jerve-Infanterie-Regimcnt 235 Kand. phil. Ar thur Krause und den Kriegsfreiwilligen im Infanterie-Regiment 106 Kand. paed. Paul Mothes. Die Landsmannschaft Afrania widmet ihrem aktiven Burschen Kriegsfreiwilligen im Füsilier-Regiment 90 Herrmann Ackermann, der den Soldatentod erlitt, «inen Nachruf. Ehr« ihrem Andenken! Vettere Met-uagen. " Der Kaiser hat angeordnet, daß gefangene französische Geistliche al» Offiziere behandelt werden. Infolgedessen sind verschiedene Männer aus den Gefangenenlagern in die der Um gegend von Frankfurt am Main nach einer Festung abgeführt worden. Der Vorsitzende' des Bundes der Landwirte, Dr. Roektcke, ist am Sonntag zum Kandidaten kür den Reichstagrwahlkrei» Kolmar-Tzarnikau-Filehnr «tf^stellt »ord»«. * Ttaarsininister Graf van Hertling hat sich ain Montag in dienstlichen Angelegenheiten nacy Berlin begeben. die deutschfeindliche Haltung -er französischen Schweiz. Von Prof. Dr. Ernst Grattz-Leipzig. Während die deutsche Schweiz die Pflichten eines neutralen Staates gegenüber Deutschland ge wissenhafter zu erfüllen sucht, al» es Belgien mit seiner ausgesprochenen Anlehnung an Frankreich und England getan hat, zeigen zu unserem großen Be dauern führende Blätter der französischen Schweiz ost eine solche aller Neutrainäl hohi- sprechendc, deutschfeindliche und provozierende Hal tung und treiben eine solche gegen Deutschland hetzende Agitation, daß man den Eindruck gewinnt, weite kreis« der französischen Schweiz rechneten sich mehr zum triegsührenoen Frankreich als zur neu tralen Schweiz. Eine naive, geradezu strafwürdig« Unkenntnis der Geschichte und der Politik der letzten 40 Ihre lst das charakteristische Merkmal dieser deutschfeindlichen Presse der Nteslschweiz. Kritiklos bezeichnet sie Deutschland und den preußischen Militarismus als den beständigen Friedensstörer Europas, wobei sie ihren Lesern verschweigt, daß Deutschland seit 1870/71 gar keine Krieg« geführt, keinem Nachbarn etwas weggenominen, keinen Staat bedroht, sondern sich ganz seiner Frtedensardeit aus allen Geboten des geistigen und wirtschaftlichen Lebens gewidmet hat. Man verschweigt, daß Deutschland in den letzten Jahrzehnten geradezu verfolgt worden ist von dem Nevanchcwahnsinn und dem Ehauvintsmus franzö sischer Kriegstreiber, daß die unerhörten Mißhand lungen Deutscher in Frankreich nicht aufhörten, daß die freundschaftliche Hand, die der Kaiser wiederholt Frankreich angeboten hatte, mit Spott zurückgestoßen wurde, daß die Friedensliebe, die uns zurückhielt, beim Boulangerrummel, im Russisch-Japanischen Kriege und beim Marokkokonflikt loszuschlagen, als Schwäche, als Zeichen von innerer Auflösung und als Feigheit ausgeschrien wurde. Man tut so, als wüßte man nicht, daß die franMschen Hetzer und ehr geizigen Streber den Plan zu Deutschlands Be raubung und Aufteilung nicht bloß in offen ausge stellten Landkarten darlegten, sondern auch in der Presse eingehend behandelten. Was Rußland betrifft, so weiß di« französisch schweizerische Presse nicht, daß die russische Politik seit 1878 wo Deutschland ihr in der egoistischen Balkanpolitik nicht zu Willen war. niemals aufge- hort hat, Deutschlands und Oesterreich-Ungarns Gren zen mit panslawistischen Bestrebungen zu beun ruhigen, daß sie darauf gerichtet war, diese Rackbar reiche zu zertrümmern. Man verschweigt, daß Eng lands Bündnis mit Japan 1902 das Hauptziel hatte, Rußlands gefährliche Kräfte wieder von Asien, dem Stillen und dem Indischen Ozean nach Europa ab zulenken. daß Rußland, durch Frankreichs Milliarden gefügig gemacht, seinen Kurs wieder nach Europa drehte und seitdem mit aller Macht danach trachtete, in Europa den Atlantischen Ozean zu erreichen, wenn nicht durchs Zertrümmerung Oesterreich, Ungarns und Deutschlands, dann durch Nieder, kannt und sein Vaterland Schweden auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht. Die skandinavischen Freiwilligen, die in das deutsche Heer eingetreten sind, wissen genau, uin welche Gefahr cs sich handelt. Das gemeinsame Ziel der Tripelentente war von An- fang an die gewaltsame Ueberrumpelung und Zer trümmerung Oesterreich-Ungarns und Deutschlands und damit der germanischen Kulturwelt. Es ist deshalb mehr als naiv, wenn eine Genfer Zeitung ausruft, es wäre Deutschland und Oester reick-Ungarn doch so leicht gewesen, Europa diesen furchtbaren Krieg zu ersparen. Nein, der Grund, die Triebkraft und das Ziel der Tripelententc war einzig und allein dieser Krieg. Nur für diesen Krieg hatte Frankreich 20 Milliarden nach Rußland fließen lasten. Dieser Krieg gegen Deutschland und Oesterreich Ungarn war der Zweck der enormen Rüstungen Rußlands. Die russische Miltärpartei hat das niemals in Abrede ge stellt, und russisckzo Offiziere, die bei der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals 1913 in Leipzig waren, wußten, worum es sich handelte. Die wirklichen Ur sachen dieses Krieges liegen nicht in Serbien und in Belgien. Sie greifen viel weiter zurück. Man muß sie suchen im Frankfurter Frieden 1871, im Berliner Kongreß 1878, im Balkankrieg 1885, in Kronstadt 1891, in Toulon 1893, in König Eduards Pariser Agitation 1903, im persischen Vertrag 1907, im Ab kommen von Reval 1909, im Konflikt über die Bagdadbahn 1910, in Agadir 1911, im Balkankriege 1912, in den deutschfeindlichen Ausbrüchen Englands, die seit dem Burenkriege nicht aufhörten und von literarischen Hetzern, wie Austin Harrison, Rowland Thirlmerc, Arian Burgoyne, Gun du Mourier u. a., die in ihren Schriften einen baldigen Präventivkrieg gegen Deutschland durclmus verlangten, kräftig unter stützt wurden: auch die Manchcsterrede von Lord Roberts gegen Deutschland s1912s gehört hierher. Von dieser ganzen gegen Deutschland jahrelang gerichteten Einkreisungs- und Erdrostelungspolitik misten die Hetzblätter der französischen Schweiz n'.ckts. Sie behausten mit rührender Naivität: l/^nriet'i-ro ov vonl^it pru» la zcncrre et vc> I'a ssmai* «iö«lröo. 6'<"ck l'Zllemae-ne «t i'Zntriebo gni I'ont ckeeli.-in/s' !-irr I l U' «>v»'. R"ßland ist ihnen dis friedfertigste Land aus Gottes Erden s()ue so n o ni vouiu. ui l berobe la Liv'rrv . . . e'v.-st .lujonniimi nrw e«rtituöi>.z. Die russi'ckc Hcrrs^ifr über Europa würden diese Schweizer einer deutschen vorziehen. Rußland und die Schweiz! Rußland, der Schutz herr kleiner neutraler Staaten! Man weiß offenbar dort nickt, daß Gortschakow 1871 vorschlug, Deutsch land möge das neutrale Luxemburg kurzerhand annektieren. Die deutschfeindlichen Blätter der fran,zösiicken Schweiz triumphieren natürlich auch über den Fall von kiautschoi« und über den Raub der deuticken Kolonien: sie hoffen auch, daß die Japaner ihr Werk auch in Europa geoen Deutschland sortsetzen werden. Sie leben nicht, welch «in ruchloses Verbrechen darin liegt, dem übervölkerten DeuOckland die Kolonien, d. b. die Möglichkeit eines Mensckenobfluste«, zu raunen, und di« jedes Jahr um eine M stion wachsende Bevölkerung in seinen zu engen Grenzen gewnlt'am einzuprellen. Natürlich stehen diele Kricosbetzer ganz auf der Seite Englands. Sie '-ilcn Englands Wut über unsere Handelskonkurrenz. die dem englischen Kapitalisten die bis dahin be'-ogenc enorme Rente etwas beschnitt, die den en-Uflchen Lords den Lebenszweck etwa« er schwerte. sich auf Kästen der um sa schroerar arbeiten- den Völker müh«los «in«» Himmal «rf Erd«z I» schaffen, die Rolle des genießenden Herrenmenschen in allen Weltteilen zu spielen: sie fühlen mit die Wut über eine Konkurrenz, die auch den englischen Geschäftsmann zu einer intensiveren Arbeit nötigte, eine Konkurrenz, die es im Interesse aller seefahren den Völker endlich einmal wagte, sich gegen Eng, lands absoluten Seemilitarismus, gegen seine des potische Thalassokrati« aufzulehnen! Aber da die französischen Schweizer kein seefahrendes Volk sind, jo sind ihnen diese Zu ommenhänge unbegreiflich. Um so leichter können sie aus der jchußsicheren Ecke der Neutralität auf Deutschland weiter loschlaaen. Den Aufruf des deutschen Kulturbundes nennen s i c ein charakteristisches Merkmal ger - manischer Verlogenheit (inZieatwa äs ie msn«aIit/> gnrrnaniguc»), und den Trägern der deut schen Wissenschaft rufen sie zu: „Wisset es wohl: nichts ist für uns Völker der lateinischen Raste er drückender, nichts unmöglicher zu atmen, als eine geistige Militarisatiou (militnri-ariorr intsilsstvsils). Wenn es das Unglück wollte, daß ein solcher Geist mit euch Deutichen in Europa triumphierte, würde ich es auf immer verlassen. Ich würde wahren Ekel empfinden, dort zu leben." Natürlich «st nach dem Urteil dieser französischen Schwei er nur Deutschland gain allein schuld an dem Zu'ammcnbruch Belgiens. Sie verschweigen fol gende Tatsachen: Sooald sich ein neutraler Staat hinterdem Nu cken c nes benachbarten Garantie ftaales aus Verhandlungen oder gar auf militärische Beeinflussungen und Verabredungen mit anderen Mächten einläßt, hat er selbstverständlich das Prinzip der ehrlichen all'citigcn Neutralität gebrochen: er hat den geführt chen Weg der sogenannten snnr ärrlsQt nsutl-oUlz bechritten. Es ist selbstverständ sich, daß die Protokoll lerre Neutralität eines Staates allen Garantiemächten jederzeit das gleiche Maß von Sicherheit und Nutzen gewähren muß. lbe'ch ehr das nicht, bleibt der Grenzoorteil nicht im Gleich gewicht, verwandelt sich die ollseit ge Neutralität im geheimen in eine einseitige, so wird sie zu eincr betrügerischen, di« jede Rücksicht ausschließt. Diese srarrckrrisrrt nsniralitv liegt bei Belgien vor. Schon Bismarck sah sich 1870 zu der Bemerkung genötigt: „Den Belgiern, die einen solchen Hoß gegen un« und eine so heiße Liebe zu Frankreich zur Schau tragen, könnte unter Umständen geholfen werden: es k-ann der öffentlichen Meinung anoedeutet werden, daß selbst Arranoements mit der jetziaen französi'chen Re gierung mast völlig ausgeschlossen seien, durch die dieser Neigung der Belgier zu Frankreick Befrie digung zu versckaffen wäre." Seit 1870 hat sich Belgien in schroffem Wider spruch zu seiner allseitig ocanspruchten NeutralZät tatsächlich zum Festungsalacis für Frankreich und England mißbrauchen lasten, und zwar einzig und allein gegen Deutschland. Belgien war für Frank reich und England nicht mehr Selbstzweck, sondern nach den vorliegenden Dokumenten lediglich M ttel zum Zweck geworden; es hatte sich zu einem billigen und beguemen Schutz^child mißbrauchen lasten, der in die Rechnung der Tripelentente eingesetzt wurde Alle bekanntgewordenen Abmachungen zeigen das offenkundig. Wer die belgische Presse seit der Ent stehung der Tripelententc aufmerksam verfolgt Hot, der weiß auch, wie systematisch die militärische An lehnung Belgiens an Frankreich gefördert, und wie geschickt und raffiniert im belgischen Volks gegen Deutschland, das ihm niemals irgendwelchen Sch"den zupefügt, von dem es im Gegenteil enorme Ein nahmen hatte, ein gemeiner Haß und boshafter Reid groftgezoqen wurde. Besucher der Brüsseler Welt» ausstellung konnten schon manche Probe davon er fahren. Das in einen Existenzkampf mit der übermäch tigen Alliance verwickelte Deutschland hatte nicht die geringste Veranlassung, die von Belgien beobachtete einseitige Neutralität ängstlich zu respektieren und vor dem Grenzschilde mit der Aufschrift: „Das Betreten dieses Landes ist verboten", zurückzufahrcn. Mit demselben Rechte, mit dem England seinerzeit auf das neutrale Dänemark losrückte und Kopen hagen bombardierte, mit demselben Rechte, ja mit größerem, rückten die deutschen Truppen auf das Glacis Frankreichs. Belgien ist das Opfer der aggressiven, gcgen Deutschland gerichteten Triv.'lcntente. ab:r auch das Opfer der düpierten belgischen Regirrung, die dis wirkliche Gefahr nicht sah und das wirkliche Interesse d.'S eigenen Landes zu wahren nicht verstanden hat. Es war zu erwarten, daß die deutschfeindlich.' Presse der französisch.'«! Schweiz auch alle Verleum dungen. dis ihr über dir vermeintlichen Grausam keiten der deutschen Truppen zugetragen wurden, kritiklos und unneutral mit dem obligaten Iourna- listcnps.'ffcr ihren Lesern oors.'tztc, wobei natürlich die Schandtaten der lxlgisch.n Bevölkerung gewiffen- haft verschwiegen wurden. Kriege werden bei Kul turvölkern nur von den Armeen geführt — das ist deren völkerrechtliche Bestimmung—-, aber nicht von der Zivilbevölkerung. Es stand jedem Belgier, der mitkämpfen wollte, völlig frei, sofort in das belgische Heer einzutretcn, aber viel: verstanden sich nicht zu dieser gebotcnrn Wehrpflicht, sondern zogen es vor, unter dem Schutz der Zivilkleidung unsere Soldaten aus dem Hinterhalt niederzuschießen oder sie nach heuchlerisch frcundlicl-em Empfang heimtückisch zu er morden und die verwundeten und wehrlosen Deut schen mit allen Greueln des Kongokrieges zu Tode zu martern, wobei leider auch Weiber und Kinder die unglaublichsten Unmenichlichkeiten begingen. Erwägungen, ob cs für Belgien nicht doch noch eine andere Politik gab, als die Marionettenhasten Bewegungen an den Drähten, di: England in seinem eigenen rücksichtslosen Int.'restc zog, bekommt man in den Hetzblättern der französischen Schweiz nicht zu lesen. Auch das Geschrei üinr das deutsche Bar barentum, das kein Kunstwerk schone, haben sie red lich milgemacht. Dazu sei ihnen nur folgendes ge sagt: Kein Land ist verwundbarer und setzt im Kriege mehr auf das Spiel, als das Land, das reiche Kunstschätze besitzt. Um so vorsichtiger muß deshalb feine äußere Politik sein, und um jo zurückhaltender, wo cs sich uin einen Anschluß an aggressiv gerichtete Ententen und Allianzen handelt. Seitdem das herr lichste Denkmal des klassischen Altertums, das Par thenon auf der Akrovolis. im Kriege von italie nischen Truppen bombardiert und infolge einer dadurch verursachten Pulverexplosion zerstört wurde, ist cs selbstverständlich geworden, daß im Kriege Mo numentalwerk« nur dann geschont werden können, wenn sie von keiner 2:ite in die militärischen Oper rationen hineingezogen werden. Unsere Feinde ver fahren offenbar nach dem Grundsatz: „Wir muffen die deutschen Truppen unter allen Umständen dazu zwin gen, Kirchen und andere Monumentalwerke zu be schießen: denn das ist das beste Mittel, die deutschen