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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.12.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141203016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914120301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914120301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-03
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
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Berlin, 2. Dezember. Am Bundesratstischc Reichskanzler Dr. v. Beth- mann Hollweg, Dr. Delbrück, v. Tirpitz, Dr. Solf, Kühn, Kraetke, Lisco, o. Iagow, o. Loebell, v. Beseler, v. Breitcnbach, Dr. Sydow, v. Schorlemer, Graf v. Hertling. Haus und Tribünen sind übe.füllt. Biele Ab geordnete sind in Uniform erschienen, auch der Reichskanzler trägt die Felduniform. Auf dem Platz des gefallenen Abgeordneten Dr. Frank liegt ein L o r b ee r k r a n z. Präsident Vr. kaempf eröffnet die Sitzung 4,15 Uhr und führt aus: Nach viermonatcger Vertagung heiße ich Sie in diesem Hause willkommen. Diejenigen von uns, die nicht in den Krieg hinausüehen durften, begrünen Sie, meine Herren Kollegen, die Sie aus dem Felde herbeigeeilt sind, um an diesen wichtigen Arbeiten des Reichstages t'il- zunehmen. auf das a l l e r h c r z l i ch st e. (L.b- Haftes Bravo.) Seit wir uns am 4. August unter dem gewaltigen Eindruck der auf uns eingestürmten Ereignisse ge trennt haben, haben sich wichtige, welt historische Ereignisse abgespielt. Die Ge danken des deutschen Volkes waren auf diesen Krieg gerichtet in dem Vertrauen, daß die Einigkeit des ganzen Volkes alle Hindernisse überwinden wird im Bewusstsein des Sieges auf Grund der Stärke und der militärischen Macht Deutschlands. (Bravo!) Alle waffenfähigen Männer sind ins Feld gezogen oder erwarten ungedu'dig den Augenblick, der ne zu den Fahnen ruft. (Bravo!) lieber eine Million Kriegsfreiwillige haben sich zu den Fahnen gemeldet, und nur ein kleiner Teil von iknen bat erst einqereibt werden können. Ausunscrcr Mitte sind 6r» Abgeordnete und 27 von unseren Beamten unter die Fahnen berufen, und der e r st e. der aus unseren Reihen auf dein Felde der Ebre gestorben ist. war ein Kriegs freiwilliger. (Die Abgeordneten haben sich non ihren Bläken erhoben.i Wer nicht hinaus geeilt ist, sorgt für die Verwundeten und die Angehörigen. Eine Opferfreudigkeit sonder gleichen geht durch das Land, alt und jung. Fürst und Volk beteiligen sich an den Werken des Volks krieges. Die großartige Organisation unseres Geld- nnd Kreditwesens findet ihren Gipfelpunkt in den Erfolgen der Zeichnung fürdie Kriegs anleihe (Bravo). Zu unfern Gegnern hat sich das japanische Reich gesellt, das für seinen Un dank nur anführen kann die Beutegier nach dem Wahrzeichen deutscher Kultur, das wir im fernen Osten aufgerichtet haben. Dagegen ist den treuver bundenen Reichen Deutschlands und Oesterreich- Ungarns ein Bundesgenosse erstanden im Osmanischen Reich (Bravo). bas mit allen islamitischen Staaten das englische Joch adschütteln und damit die Grundfesten der englischen Kolonial macht erschüttern will. Ich erinnere an die Erfolge von Lüttich, Namur. Maubeuge, Longwp, Mülhausen und Tannenberg. Alle Schlachten haben bewiesen, das? alle unsere Truppen vom ersten bis zum letzten Regiment, die Reserve, Landwehr, Landsturm, Kavallerie und Artillerie, Pioniere und alle Spezial waffen von dem gleich en Geiste beseelt sind. (Bravo!) Unter dem Gesänge „Deutschland, Deutschland über alles" haben sie die feindlichen Stellungen gestürmt. Dem Heere stand die Flotte ebenbürtig zur Seite. Das Herz geht uns auf, wenn wir an die „Goeben" und „Breslau" denken und an die „E mde n" (Lebhaftes Bravo!), die alle Meere unsicher gemacht hat und vor der die Flotten unserer Gegner zitterten. Ich er innere ferner an die Schlacht von Coronel und die glorreichen Taten unserer Unterseeboote, die heute den schrecken der ganzen britischen Flotte «nd des britischen Heeres bilden. (Bravo!) Mr schlichen in unseren Dank ein auch die Bewohner und Farmer unserer Kolonien, wir danken denen, die freiwillig die Arbeit übernommen haben, das Leid des Krieges zu mildern und für unsere Ver wundeten zu sorgen. (Bravo!) Schwer sind die Verluste von Verwundeten und Menschenleben, die der Krieg fordert. Wir trauern mit den Frauen und Eltern und sind st olz auf so nie! HeIdensöhne. die ihr Blut vergossen und ihr Leben hingegeben haben in dem Weltkriege, den mir um unsere Existenz zu führen haben. Unter den Fahnen unseres Heeres und unter der Flagge unserer Flotte werden wir siegen. (Lebhafter Beifall.) Darauf ehrt der Präsiden! die inzwischen ver storbenen Abgeordneten Dr. Semler (Natl.), Ritter (Kons.). Metzger (Soz.) und Dr. Braband (Freis. Vpt.). sowie in längerer Rede den aus dem Felde der Ehre gefallenen Dr. Fran k. Der Präsident verliest sodann ein Glückwunsch telegramm nebst Antwort aus Anlaß des Geburts tages der Kaiserin, ferner Telegramme, dis er aus Anlaß des Falles von Tsingtau namens des Reichs tages an den Kaiser und den Staatssekretär v. Tirpitz gesandt hat. sowie die darauf eingegangenen Ant- worttelegramme. ferner den Telsgrammwechsel zwischen dem Präsidenten des ungarischen Ab geordnetenhauses und des Deutschen Reichstages. Hierauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein. Aus der Tagesordnung sieben Nachtrags etats (K r i e g s v o r l a g e n). Reichskanzler dr. v. Sethmana hollweg: „Meine Herren! Seine Majestät der Kaiser, der draußen bei der Armee ist, hat mir bei meiner Abreise aufge- tragen, der deutschen Volksvertretung, mit der er sich in Sturm und Gefahr der gemeinsamen Zorge um das Wohl des Vaterlandes bis zum Tode eins wein, seine besten Wünsche und herzlichen Grütze zu überbringen, und zugleich non dieser Stelle aus in feinem Namen der ganzen Nation Dank zu sagen für die beispiellos« Aufopferung und Hingabe, für die gewaltige Arbeit, die da drautzen und daheim von allen Schichten des Volkes ohne Unterschied gc. leistet worden ist und weiter geleistet wird. (Leb hafter Beifall.) Luch unser erster Gedanke gilt dem Kaiser, der Armee und Marine, unseren Soldaten, die im Felde und auf hoher See für die Ehre und Grütze des R.'iches kämpfen. (Beifall.) voller Stolz und mit felsenfestem vertrauen blicken wir auf sie (erneuter Beifall), blicken wir zugleich auf unsere österreichisch-ungarischen Waffenbrü der (Lebhafte Zustimmung), die. treu mit uns oer. eint, in glänzend bewährter Tapferkeit den großen Kampf kämpfen. Noch jüngst hat sich uns in dem uns auf gezwungenen Kampfe ein Bundesgenosse zu gesellt, der genau weitz, datz mit der Vernichtung des Deutschen Reiches es auch mit seiner staatlichen Selbstbestimmung zu Ende wäre (Zehr richtig!), des Ottomanischen Reiches. Wenn unsere Gegner auch eine gewaltige Koalition gegen uns ausgrboten haben, so werden sie hoffentlich die Erfahrung machen, datz auch der Arm unserer Ver bündeten bis an die schwachen Stellen ihrer Weitste! luna reicht. (Beifall.) Am 4. August bekannte der Reichstag den unbeug- samen Willen des gesamten Volkes, den ihm auf gezwungenen Kampf aufzunehmcn und seine Unab hängigkeit bis zum äußersten zu verteidigen. Seitdem ist Großes geschehen. Wie kann man die Heldentaten der einzelnen Armeen, Regimenter und Schwadronen auf ählen bei einen! Kriege, dessen Fronten durch die ganze Welt gehen. Ihre Taren wird die Weltgeschichte auf eich nen. (Lebhafter Beifall.) Die unvergleichliche Tapferkeit unserer Truppen hat den Krieg in Feindesland getragen, dort stehen wir fest und stark da und können mit aller Zuversicht der Zukunft entgegen sehen. (Lebhafter Beifall.) 'Aber di« Widerstandskraft des Feindes ist nicht gebrochen, wir sind nicht am End« der Opfer. Die Nation wird diese Opfer weiter tragen mit demselben Heroismus, mit dem sie es bisher getan hat. Denn wir müssen und wollen den Verteidi - gungskrieg, den wir, von allen Seiten bedrängt, für Recht und Freiheit führen, bis zum guten Ende durchkämpsen. (Allgemeiner lebhafter Bei fall.) Dann wollen wir auch der Unbill denken, mit der man sich an unseren in Feindesland lebenden wehrlosen Landsleuten zum Teil in einer jeder Zivilisation hohnsprechendcn LVeise (Lebh. Zustimmung) vergriffen hat. Die Welt mutz es erfahren, datz niemand einem Deutschen ungejühnt ein Haar krümmen kann. (Grotzer wiederholter Beifall.) Meine Herren! Wenige Augenblicke, nachdem jene Sitzung vom 4. August zu Ende gegangen war. erschien der großbritannische Botschafter, um uns ein Ultimatum Englands und nach dessen sofortiger Ablehnung die Kriegs erklärung zu überbringen. Da ich mch damals zu Lieser endgültigen Stellungnahme der britischen Regierung noch nicht äußern konnte, will ich jetzt ein.ge Aeußerungen dazu machen. Die Verantwortung an diesem grössten aller Kriege liegt für uns klar. Die äußere Verantwor tung tragen diejenigen Männer in Rußland, die die allgemeine Mobilisierung der russischen Armee be trieben und durchgesetzt haben. (Zustimmung.) Die innere Verantwortung aber trägt die britische Regierung. (Erneute, lebhafte Zustimmung.) Das Londoner Kabinett konnte den Krieg unmöglich machen, wenn es in Petersburg unzweideutig er klärte, England sei nicht gewillt, aus dem öster reichisch serbischen Konflikt einen kontinentalen Krieg der Mächte hcrauswachsen zu lassen. Eine solche Sprache hätte auch Frankreich gezwungen, Rutzland energisch von allen kriegerischen Maßnahmen abzu halten. Dann aber gelangen unsere Vcrmittlungs aktionen zwischen Wien und Petersburg, und es gab keinen Krieg. England hat dies nicht getan. Eng land kannte die kriegslüsternen Treibereien einer zum Teil nicht verantwortlichen, aber mächtigen Gruppe um Len Zaren. (Zustimmung.) Es sah. wie das Rod ins Rollen kam. aber es fiel ihm nicht in die Speichen. (Leb hafte Zustimmung.) Trotz aller Friedensbeteuerungen gab London in Petersburg zu verstehen, England stehe auf selten Frankreichs und damit auch Rußlands. (Lebhafte Zustimmung.) Das zeigen klar und unwiderleglich die inzwischen erfolgten Publikationen der verschiedenen Kabinette, insbesondere das Blau buch, das die englische Regierung herausgegeben hat. Nun gab cs in Petersburg knncn Halt mehr. Wir besinn darüber das gewiß unverdächtige Zeugnis des belgischen Geschäftsträgers in Petersburg, der berichtet — Sie kennen seine Worte, aber ich will sie hier wiederholen —, er berichtet am :tO. Juli an seine Regierung: „England gab anfänglich zu versteh.'», daß es sich nicht in einen Konflikt hrneinziehen lassen wolle. Sir George Buchanan sprach das offm aus. Heute aber ist man in St. Petersburg fest davon überzeugt, ja man hat sogar die Zusiche rung, datz England Frankreich bci- stehcn wird." Dieser Beistand fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu beigetrag:». der Kricgspartei Oberwasser zu verschaffen. (Hört, hört!) Bis in den Sommer hinein haben die englischen Staatsmänner ihren Parlamenten versichert, kein Vertrag, keine Abmachung binde die schrankenlose Selbstbestimmung Englands, falls ein Krieg aus bräche. Also konnte Großbritannien entscheiden, ob es an einem europäischen Kriege teilnehmen wolle, oder nicht. Also war es keine Bündnis pflicht, kein Zwang. Es war auch keine Bedrohung des eigenen Landes, die die eng lischen Staatsmänner veranlaßte, den Krieg ent stehen zu lasten und dann sofort selbst in ihn einzu- tretcm Dann bleibt nur übrig, daß das Londoner Kabinett diesen Weltkrieg, diesen ungeheuerlichen Weltkrieg kommen ließ, weil ihm die Gelegen - heit günstig schien, mit Hilfe seiner politischen Ententegcnvssen den Lebensnerv feine» größte» «nropöifche» K»»knrrent«n nnf WeltwarAe z» zerstören. (Sehr richtig.) So trögt England «it Nutzland zusammen — über Rutzland habe ich mich am 4. August ausgesprochen — vor Gott und der Menschheit die Verantwortung für diese Katastrophe, die über Europa und über die Menschheit herein gebrochen ist. Die belgische Neutralität, die England zu schützen vorgab, ist eine Maske. Am 2. August abends 7 Uhr teilten wir in Brüste! mit, daß wir durch die uns bekannten Kriegspläne Frankreichs um unserer Selbsterhaltung willen gezwungen seien, durch Belgien zu marschieren. (Sehr wahr.) Aber schon am Nachmittage desselben Tages, am 2. August, bevor in London das geringste von dieser Demarche bekannt war und bekannt sein konnte, hatte die englische Regierung Frankreich ihre Unte r- stützung zugesagt (Hört! Hört!), und zwar bedin gungslos zugesagt, für den Fall eines Angriffs der deutschen Flotte auf die französische Küste. Bon der belgischen Neutralität war dabei mit keinem Wort die Rede. Diese Tatsache ist festgestellt durch die Erklärung, di« Sir Edward Grey am 3. August im Unter hause abgab und die mir am 4. August infolge des erschwert!» Telegraphenoerkehrs nicht in extenso bekannt war. und bestätigt durch das Blaubuch der englischen Regierung selbst. Wie hat da England behaupten können, es habe das Schwert gezogen, weil wir di« belgische Neutralität verletzt hatten? Und wie tonnten die englischen Staatsmänner, denen doch die Vergangenheit genau bekannt war, überhaupt von belgischer Neutrali tät sp echen? Als ich am 4. August von dem Unrecht lprach, das wir mit dem Einmarsch in Bel gien begangen, stand noch nicht fht, ob sich die Brüsseler Regierung in der Stunde der Not dazu entschließen würde, das Vaterland zu schonen und sich unter Protest auf Antwerpen zuriickzuz ehen. Sie erinnern sich daran, daß ich nach der Ein nahme von Lüttich auf den Antrag unserer Heeresleitung eine erneute Aufforderung in diesem Sinne an die belgische Regierung gerichtet habe. Aus militärischen Gründen mußt« die Mög lichkeit zu einer solchen Entwicklung am 4. August unter allen Umständen offengehalten werden. Für die Schuld Ser belgischen Regierung lagen schon damals mannigfache Anzeichen vor. Positive schriftliche Beweise standen mir noch nicht zu Gebote; den englischen Staatsmännern aber waren dies« Beweise genau bekannt. (Sehr richtig!, Uno wenn jetzt durch die in Brüssel aufqefundcnei!, von mir der Oeffentlichleit übergebenen Aktenstücke sestgestellt worden ist, wie und in welchem Grade Belgien seine Neutralität England gegenüber preisgegeben hatte, so ist nunmehr alle Welt über zwei Tatsachen im klaren: Als unsere Truppen in d«r Nacht vom 3. auf den 4. August das belgische Gebiet betraten, befanden sie sich auf dem Boden eines Staates, der seine Neutralität selbst längst preisgegeben hatte. Und die andere Tatsache: Nicht um belgischer Neutralität willen, die es selbst mit untergraben hatte, hat uns England den Krieg ertlärt, sondern weil es glaubte, zusammen mit zwei großen Militärmächten des Fest landes unser Herr werden zu können. (Wiederholtes lebhaftes Sehr richtig!) Schon seit dem 2. August, seit seinem Versprechen der Kriegsfolge an Frankreich, war England nicht mehr neutral, sondern tatsächlich im Kriegszustände mit uns. Die Motivierung seiner Kriegserklärung vom 4. August mit der Verletzung der belgischen Neutralität war nichts als ein Schaustück, geeignet, das eigene Land und das neutrale Ausland über die wahren Beweggründe zum Kriege irrezuführen. (Zehr richtig!) Fetzt, wo der bis in alle Einzel heiten ausgearbeitete englisch-belgisch« Kriegsplan enthüllt ist. ist die Politik der englischen Staats männer für alle Zeiten vor der Weltg'schichte ge kennzeichnet. (Zehr richtig!) Die englische Diplo matie selbst hat ja auch »och ein übriges dazu ge tan. Aus ihre» Ruf entreißt uns Japan das heldenmütige Kraut! chou und verletzt dabei die chinesische Neutralität. (Sehr richtig!) Ist England gegen diesen Reutralitätsbruch ein geschritten? (Sehr richtig! Sehr gut?) Hat cs da seine peinliche Fürsorge für die neutralen Staaten gezeigt? (Sehr gut!) Meine Herren! Als ich vor fünf Jahren auf die'en Platz berufen wurde, stand dem Dreibunde festgefügt die Tripelentente gegenüber, ein Werk Englands, bestimmt, dem bekannten Prinzip der (».tl.tN' v vk penver zu dienen, d. h. ins Deutsche übertragen: Der seit Jahrhunderten befolgt« Grund satz englischer Politik, sich gegen die stärkste Macht des Kontinents zu wenden, sollte in der Tripclentente das stärkste Werkzeug finden. Darin lag von vorn herein der aggressive Charakter der Tripelentente gegenüber den rein defensiven Tendenzen Les Dreibundes. Larin lag der Keim zu gewaltiger Explosion. Ein Volk von der Größe und Tüchtigkeit des deutschen läßt sich in seiner freien und friedlichen Entwicklung nicht ersticken. Angesichts dieser Kombination war der deutschen Politik der Weg klar vorgcschneden. Sie mutzt« versuchen, durch Verständigung mit den einzelnen Mächten der Tripelentent: die Kriegs gefahr zu bannen. Sic mutzte gleichzeitig unsere Wehrkraft so stärken, daß sie dem rzcirgc. wenn er doch kam, gewachsen war. Sic wissen, meine Herr«!., wir hab-n beides getan. In Frankreich begegnet man immer wieder dem Nevanchegedanke«. Von ehrgeizigen Politikern genährt, «rwi«s er sich stärker als der unzweifelhaft von einem Teil des französischen Volkes gehegte Wunsch, mit uns in nach barlichen Verhältnissen zu leben. Mit Rußland kam es zwar zu einzelnen Verein barunacn. «bin seine feste Allianz mit Frankreich, sein Gegensatz zu dem uns verbündeten Oesterreich-Ungarn und sein von panslawistischen Machtgelüsten gezüchteter Deutschenhaß machten Vereinbarungen unmöglich, die im Falle von politischen Krisen die Kriegsgefahr ausgechlcssen hätten. Verhältnismäßig am freiesten stand England da. Ich habe schon vorhin daran erinnert, mit wel cher Emphase die englischen Staatsmänner immer aufs neue ihrem Parlament das ganze ungebunden« Selbstbestimmungsrecht Großbritanniens gerühmt ha ben. Hier konnte am ehesten der Versuch zu einer Ver ständigung gemacht werden, die tatsächlich den Weltfrieden garantiert hätte. Danach habe ich ge handelt, danach mußte ich handeln. Der Weg war schmal, das wußte ich wohl. Die insularische eng lisch« Denkart hat im Laufe der Jahrhunderte einen politischen Grundsatz mit der Kraft eines selbstver ständlichen Dogmas ausgöstaltet, dem Grundsatz nämlich, daß England rin url>itriu.in rvnvcki gebühre, das es nur aufrechterhalten könne durch die unbestrittene Seeherrschaft einrrsetts und durch das vielberufenr Gleichgewicht der Kräfte auf dem Kontinent andrerseits. Ich habe niemals gehofft, diesen alten englischen Grundsatz durch Zureden zu brechen. Was ich für mög lich hielt, war, daß die wachsende Macht Deutsch lands und das wachsende Risiko eines Krieges Eng land nötigen könntm, einzusehen, daß dieser alte Grundsatz unhaltbar und unpraktisch geworden und dem friedlichen Ausgleich mit Deulschland oorzuziehen sei. Jenes Dogma aber lehnte immer wieder di.' Möglichkeit einer Ver ständigung ab. Einen neuen Anstoß erhielten die Verhandlungen durch die Krisis von 1911. Das englische Volk war über Nacht klar geworden, daß es vor dem Abgrund eines europäischen Krieges gestanden hatte. Die Dolksstimmung zwang die englischen Machthaber zu einer Annäherung an Deutschland. In langwieriger Arbeit gelang es schließlich, sich über verschiedene streitige wirtschaft liche Interessenfragen, die Afrika und Vorderasien betrafen, zu verständigen. Damit sollten die möglichen politischen Reibungsflüchen vermindert werden. Die Welt ist weit (Sehr richtig!), sie bietet, wenn man einer freien Entfaltung unserer Kraft nicht hinderlich sein will, beiden Völ kern Raum genug, in friedlichem Wettbe werb ihre Kräfte zu messen. (Sehr richtig!) Das war ein von der deutschen Politik stets vertretener Grundsatz. Aber während wir so verhandelten, war England unablässig darauf bedacht, seine Beziehun gen zu Frankreich und Rutzland immer enger zu ge stalten. Das Entscheidend« dabei war, datz über das politische Gebiet hinaus immer festere militärische Abmachungen für den Fall eines kontinentalen Krieges getroffen wurden. England betrieb diese Verhandlungen möglichst geheim. Wenn etwas davon durch sickerte, wurde seine Bedeutung in der Presse und im Parlament als durchaus harmlos hingestellt. Ver borgen blieben sie uns nicht, wie Sie aus den Veröffentlichungen wissen, die ich oeranlaht habe. Die gesamt: Situation war eben die: England war zwar bereit, sich über Einzelfragen mit uns zu verständigen, oberster und erster Grund satz seiner Politik aber blieb ihm: Deutschland muß in der freien Entfaltung seiner Kräfte in Schach gehalten werden durch die bulanoo ot' rxrwkw. Das ist die Grenzlinie für freundschaftlich« Beziehungen mit Deutschland zu dem Zweck: Stärkung der Tripel-Entente bis aufs äußerste. Als die Freunde militärische Zusicherungen dafür verlangen, sind die englischen Staatsmänner sofort bereit, sie zu geben. Der Ring ist geschlossen. England ist Frankreichs Gefolgschaft sicher und damit auch der Rußlands. Aber freilich, auch England bindet seinen Willen. Wollen Frankreich oder Rußland, wo die in beiden Ländern vorhandenen chauvinistischen Kreise in der militäri schen Konnivenz Englands ibre stärkste Stütze finden, . . . . wollen Frankreich oder Rußland losgehen? England ist moralisch 'n den Händen seiner Freunde, und das alles zu welchem Zweck? Deutschland mutz niedergehalten werden! Wir haben cs an Warnungen bei der englischen Re gierung nicht fehlen lassen. Noch zu Anfang Juli d. I. habe ich der englischen Regierung an deuten lassen, daß mir ihre geheimen Verhandlungen mit Rußland über eine Marinekonoention bekannt seien. Ich habe sie auf die ernsten Gefahren auf merksam gemacht, die diese englische Politik für den Weltfrieden barg. Und schon vier Tage später trat das ein. was ich vorausqesagt hatte. Wir baden ans der Gesamtlage der Dinge die Konsequenzen gezogen. Schnell hintereinander hab« ich Ihnen die größten R ü st u n g s o o r l a g e n gebracht, die die deutsche Geschichte kennt, und Sie haben in voller Erkenntnis der Gefahren einmütig und opferbereit bewilligt, was für unsere Selbstverteidigung notwendig war. Und als nun der Krieg ausgedrochen ist. läßt England jeden Schein fallen, laut und offen verkündet es. England will kämpfen, bis Deutschland medergerungcn ist. wirtschaftlich und militärisch. Panslawistischer Deutschenhaß stimmt jubelnd zu. Frankreich hosft mit der ganzen Kraft einer alten soldatischen Nation, die Scharte von 1870 auszuwetzen. Darauf haben wir an unsere Feinde nur die eine Antwort: Deutschland läßt sich nicht vernichten. (Lebhafter, wiederholt sich erneuernder Beifall.) Wie unsere militärisch:, so hat sich auch die finanzielle Kraft b.währt, sich rückhaltlos in den Dienst des Vaterlandes gestellt. Das wirt schaftliche Leben wird aufr.'chterhalten. die Zahl der Arbeitslosen ist gering, die Organisationskrast und Organisationskunst Deutschlands sucht in immer neuen Form:n Uebeln vorzubengen und Schäden auszugleichen. Kein Mann, kein« Fran 'entzieht sich
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