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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.09.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140918029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914091802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914091802
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-18
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
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kss ÜW WMiOil R MM UM (M! Besonders erwünscht sind Zigarren, Zigaretten, Tabak, Schokolade, Strümpfe und Unterzeug. Böir erklären uns gern bereit, Spenden cntgegcnzunchmen und an unsere Truppen weitcrzuleiten. Verlag des „Leipziger Tageblattes". Johanutsgafse 8. Wien, 18. September. (Wiener Korr.-Büro.) D'c Meldung der Presse des feindlichen Auslandes, -aß Oesterreich-Ungarn wegen der angeb lichen Einleitung von F r i e d e n s v e r h a n d- lungen das Terrain habe sondieren lassen, ist durchaus tendenziös ersundcn Ein Lon-oner „Extrablatt*. Bon einem freunde unseres Blattes erhalten wir folgende Mitteilung. Eine Verwandte von ihm hat am Dienstag London verlassen. Bei ihrer Abreise wurde in den Straften Londons ein Extrablatt ver teilt. das nicht weniger als folgendes besagte: Die Nüssen haben bei ihrem siegreichen Vor dringen nach Deutschland >>00 000 Gefangene gemacht, die flehentlich um Gnade baten. Breslau sei von den Nüssen belagert, das Gros der Nüssen sei soeben in Frankfurt an der Oder ei «gezogen und marschiere geradeswegs auf Berlin. Lpmpus - ein Ehrenmann! * Wir erinnern uns, welche Hetze im letzten Jahre gagen die deutsche M i l i t ä r m i ss i o n in Konstantinopel von jciNn des Dreiverbandes be trieben wurde. Die türkische Regierung wurde ge zwungen, die Befugnisse des deutschen Generals ein- zuschränkcn, oder doch so umzugestaltcn, das; die russische Diplomatie sich einigermaßen zusriedengab. Von der englischen Marincabordnung, die doch das Gegenstück zu der deutschen Militär mission bildete und den Auftrag hatte, die türkische Flotte nach englischem Muster auszubildcn, war kaum mehr die Rede. Und heute? Der englische Admiral Lympus hat mit seinen Leuten Konstantinopel unter Schimpf und Schande verlassen. Er hat eine Schurkerei ohnegleichen begangen. Er hat nach Meldungen aus Konstantinopel die türkische Flotte kampsunfähig gemacht. Unter dem Vorwande, es seien gründliche Ausbesserungen nötig, lies; er auf den wichtigsten Schissen Maschinenteile und sogar Geschützslücke wegnehmcn und angeblich nach England schaffen. Jedenfalls wurden diese Schiffe auf einige Zeit wehrlos gemacht, und der Verdacht, das; Lnmpus gerade diesen Zweck im Auge hatte, wird durch andere Maßnahmen noch bestärkt. Tie türtNche Regierung muh um so mehr an eine Hinterlist glauben, als auch die von ihr in England bestellten beiden Linienschiffe, obwohl sie längst see fähig bcreillicgcn und auch bar bezahlt wur den, nicht geliefert wurden. Die Türkei hatte als neutraler Staat unbedingt Anspruch auf Einhaltung der Lieferungsoerträge, und cs ist ein unerhörter Vertrauensbruch, den England beging. Was wunder, wenn sic auch Admiral Lym pus einen im geheimen Einverständnis mit Rußland verübten Trcubruch zu politischen Zwecken zutraut. Seine eilige Abreise sagt genug. Englische Pflegerinnen über -re -rutschen Verwun-eten. Der Korrespondent des „Daily Telegraph" hat in Paris das englische Hospital besucht, das nn „Hotel MajesUe" in der Avenue Kleber cingcrich lct ist. Als der Korrespondent dort weilte, waren noch leine Verwundeten angecommen. Die dort oe schäftigten englischen Krankenpflegerinnen hatten indessen schon an anderen Orten französische und deutsche Verwundete gepflegt. Sc äußerten sich einstimmig über den günstigen E n druck, den die deutschen Verwundeten auf sie machten. I Ihr Benehmen, sagten sie, sei einfach und I angenehm, und sie seien sehr dankbar für jede kleine Gefälligkeit; sie könnten nicht glauben, dass solche Leute zu Graulamkeiten imstande seien. verbot von Massenversammlungen in Italien. Mailand, 18. September. (Eigene Draht meldung.) Berichten der „Unione" aus Rom zufolge wurden die für den 20. September in Rom, Neapel und Mailand cinberufenen Massen versammlungen durch die Regierung ver boten. Es dürfen nur P a r 1 e i Versammlungen stattsinden. Die Tagesordnung der verbotenen Volksversammlungen war überall die gleiche: Neu tralität oder Romanismus? Wiederaufnahme -es SchneUzugsverkehrs in -en Neichslan-en. Strazburg, 18. September. (Eig. Drahtmeld.) Die Eijcnbahnvcrwaltung des Rcichslandes hat die Wiederaufnahme des seit dem Kriegsaus bruch, 1. August, eingestellten Schnell zugsver- kehrs auf den elsaß-lothringischen Eisenbahnen verfügt. Der erste Schnellzug hat 'ie.", Mittwoch, den Straßburger Bahnhof wieder verlassen. Die elsässische Presse schließt aus der Wiederaufnahme des Schnellzugvcrkehrs die endgültige Behebung einer Feindcsgcfahr für das Reichsland. Zurückgezogene Lieferungsaufträge auch in Sapern. München, 18. September. (Eig. Drahtmcldung.) Auch Las bayrische Kriegsministcrium hat in zwei Fällen die erteilten Aufträge auf Liefe rungen für Heeresbcdarf zurückge, zogen, weil die beiden Firmen die Gehälter für Personal und die Löhne für Arbeiter ohne Ver anlassung gekürzt hatten. Die Verluste der deutsche» Hochseesischcreiflotte. Bei Ausbruch des Krieges (1. August) waren im Gebiete der Nordsee 202 Fischereifahrzeuge auf hoher See. Glücklicherweise sind größere Verluste durch den plötzlich ausgebrochenen Krieg nicht ver ursacht worden. Es ist festgestellt worden, daß 33 Heringslogger neutrale Häfen (18 in Norwegen, 13 in Dänemark, 2 in Holland) anlaufen konnten und 147 Logger in deutsche Häfen zuriickgckehrt sind. 22 Fahrzeuge werden vermißt und sind wahrscheinlich von den Engländern abgcfaßt. In derOstsee werden Fischereifahrzeuge nicht vermißt. Vie baltischen Provinzen. Von einem Kenner des Baltmlandes wird uns geschrieben: Langsam, langsam beginnt sich das Interesse der deutschen Oefsentlichkeit den baltischen Pro vinzen zuzuwenden. Nicht so, als ob man vor der Zeit das Fell des Bären zerlegen wollte. Aber in der Siegeszuversicht, in der wir leben und leben dürfen, wäre es schließlich wider die Natnr, wenn wir nicht doch auch überlegen woll ten, was unter Umständen dieses gigantischen Ringens Preis sein könnte. Das hat mit Hofsart, i mit vorlautem und vorzeitigem Triumphieren I nichts zu tun; kann sogar nur die durchaus gebotene Vorsicht und Voraussicht sein. Auch der Friede sotl uns nicht überraschen; wenn cs soweit ist, sollen wir wissen, was wir fordern können und was zu behalten wir die Kraft und die Eignung hätten. So — als Erwägungen, die in Zeitläuften, wo in ganz großem Stil Geschichte gemacht wird und die Zustände dieser Erde alle in Fluß geraten sind, anzustcllen gewissenhaften Patrioten zur Pflicht werden kann — möchten wir unsere Darlegungen verstanden wissen. Wir wollen nicht sagen: das und das müssen wir haben. Oder gar in der Weise des Herrn Dclcass«: dies oder jenes Gebiet nehmen wir uns. Vielmehr — einstweilen rein theoretisch — erörtern, ob, wenn das Kricgsglück uns ferner treu bleiben sollte, es unserem nationalen Gemeinwesen frommen könnte, wenn wir z. B. die baltischen Ostsee provinzen zu uns schlügen. Im allgemeinen — und dafür sprechen durchaus ernsthafte Gründe und gewichtige Erfahrungen — ist man in unse ren regierenden Kreisen der Eingliederung sremd- odcr gemischtsprachiger Gebietsteile nicht eben hold. Wir wollen, wenn wir aus diesem blutigen und opserreictfen Kriege hcimkchren, Frieden haben in unserem Hause; nicht Leute beherbergen, die sehnsüchtig über die Grenze schielen und in ihrem Herzen uns Feinde bleiben. Das ist, wie gesagt, klug, verständig und im besten Sinne patriotisch gedacht. Indes, möchten wir glauben, daß es mit den Ostseeprovinzen doch anders steht. Es ist bekannt, daß Fürst Bismarck, obschon ihn manche persönliche Bande dem Baltikum verknüpften (der Estländer Alexander Keyserling ist von allen Jugendfreunden vielleicht der gewesen, der dem großen Kanzler bis an sein Lebensende am nächsten stand), von dem Erwerb der Ostseclande nie etwas hat wissen «vollen. Aehnlich hat in diesem Stück auch Fürst Bülo w gedacht. Zuzeiten hat man sogar die ins Reich übergesiedelten Balten als ein etwas un bequemes Element angesehen, weil sie durch ihren stark betonten Russeuhaß die Beziehungen zum Nachbarrcich zu trüben schienen. Das alles ist ja nun aber vorüber und also wird es ver- stattet sein, diese Dinge ganz unbefangen noch mals zu prüfen. Das ist ja richtig: Ein deutsches Land wie etwa Tirol bis an die Sprachgrenze oder Salz kammergut, oder die nördliche Steiermark sind die baltischen Provinzen nicht. Sind es In die sen: Sinne nie gewesen. Die Ritter und Kauf leute, die im 12. Jahrhundert Livland „aus- scgelten", haben die Urbevölkerung nicht ger manisiert und ihre Nachfahren taten cs auch nicht. Ob sie dabei recht beraten waren oder nicht, hat letzt nachträglich zu erörtern kaum einen Zweck. Genug, cs ist nicht geschehen, und so haben wir dort den Zustand, wie wir ihn auch ctiva in Ärain oder in der südlichen Steier mark haben; über einer aus Esten und Letten bestehenden Bevölkerung von etwa zwei Mil lionen erhebt sich eine dünne deutsche Oberschicht, die man etwa auf 200 000 Köpfe schätzen kann. Diese Oberschicht hat dem Lande durch die Jahr hunderte einen tapferen und ehrenfesten deut schen Adel gegeben, seinen Gelehrtenstand, seine Kauflente und Handwerker; solange die Zunft verfassung bestand — und das währte bis in rührtheit sogar bis in unsere Tage bewahrt.) Sonst freilich kann man nicht mehr sagen, daß die Oberschicht heute noch durchweg deutsch ist. Der grundbesitzende Adel, der in festen Korpe- ratiouen zusammengcschlossen ist, blieb's natür lich, sofern er nicht außer Landes ging und im Militär, und Hofdienst verrußte. Im übrigen kamen neben der deutschen Gesellschaft eine let tische und estnische aus, und die deutsche wurde durchweg in die Verteidigungsstellung gedrückt. Zumal die Aristokratie dec studierten Leute traf ein unsagbar hartes Los. In Justiz und Der- waltuug ward cs zum Grundsatz, innerhalb des Baltikums nur noch Russen anzustellcn. Höch stens als Geistliche, Anwälte und Aerzte ver- mochten sic im Dienste der Heimat auszuharren. Auch da aber wurde ihnen der Nahrungsspicl- raum zusehends eingeengt. Denn auch Letten und Esten, denen es au Streben keineswegs fehlt, hatten sich in steigendem Maße den ge- lehrten Berufen zuzuwenden begonnen, und wie es immer in der nationalen Diaspora zu gehen pflegt: die Volksgenossen zogen die Volksgenossen nach sich. Trotzdem hat sich das Deutschtum unter den ungünstigen Verhältnissen zu bewahren ver mocht, ja sogar nach den Sturmen der Revo lution einen neuen Frühling erlebt. Und wenn man das Land nicht nochmals den Russen aus lieferte, würde ihm noch ein voller reicher Sommer erblühen. Diese Letten und Esten sind nämlich, obgleich sie 1906 sich gegen die Deut schen erhoben und bei den Letten ähnliche Ge lüste auch heute noch nicht ganz ausstarbcn (erst in den letzten Wochen sind, wie wir erfahren, in Riga ein paar lettische Rädelsführer gehängt worden), im Grunde germanisiert. Sie sprechen nicht deutsch, aber sie stehen doch unter dem Einfluß der deutschen Kultur, die seit acht Jahr hunderten auf sie einwirkt. Sie bebauen ihren Acker, wie die Deutschen sie's lehrten; die Schrift sprache und die Anfänge ihrer nationalen Lite ratur wurden ihnen von deutschen Pastoren ge schaffen; mit den Deutschen teilen sie zudem dasselbe evangelische Bekenntnis, und in bei den Völkern, den Letten wie den Esten, lebt der selbe Haß gegen die Russen, die ihnen so viel versprachen und sie dann doch regelmäßig hin- ters Licht führten. Ein deutsches Regiment, das es klug ver miede, die baltischen StammeSgenosscn vor dem Urvolk zu bevorzugen, würde keinem Widerstand begegnen, würde, wenn nicht gleich, so doch über ein Kleines, auch von diesen als Befreier be grüßt werden. Für das baltische Deutschtum vollends gibt cs keinen anderen Weg der Rettung. Schon heute sind, wie wir prrvaten Berichten entnehmen, die deutschen Vereine dort aufgehoben worden. Eine russische Herrschaft, die man im Lande ließe, würde, gleichviel ob siegreich oder geschlagen, das Deutschtum mit Stumpf und Stiel ausrotten . . . die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts — durfte ein Undeutscher nicht einmal Mitglied einer Zunft werden. (Das Millercigewerk hat sich diese nationale Geschlossenheit und Unbe D««tsche» Keich. * Zwei Spionageprozesse kommen demnächst vor dem Reichsgerichte zur Verhandlung. Am 2. Oktober hat sich der Eisenbahnbürogehilfe Paul Czech aus Oppeln wegen versuchten Verrats militärischer Geheimnisse und Disbstahls zu verantworten, während am 9. Oktober gegen den Handlungs reisenden Alois Claer aus Forbach ver handelt wird, der des Verrats militärischer Geheim nisse beschuldigt ist. Der letztgenannte sollte sich be- veulsrhe Männer. 41 j Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Während so ein halbes Hundert von Hu- sarcu im Sturm vorauf eilte, sah sich das Haupt korps durch sein Fußvolk und die Geschütze zu langsamerem Nachrückcn genötigt, und als cs nach unangefochtener Erreichung Nienburgs an der Weser abwärts zog, trat bald das Erwartete ein. Auch der General Neubcl hatte die größt mögliche Geschwindigkeit aufgcbotcu, und der Vortrupp seiner westfälischen Reiterei jagte her. an, wie die Verfolgten beim Marktflecken Hoya eintraien. Die befürchtete Gefahr, durch einen Angriff im Rücken aufgchalten zu werden, er- schien nicht mehr abwendbar, doch ruhig die noch vorhandene Entfernung bis zu den Fein, den bemessend, ließ der -Herzog seine Truppen ohne Hast in voller Ordnung über die Weser brücke des Ortes marschieren, und sie gelangten ans jenseitige User hinüber, ehe die Verfolger herzu gerieten. Aber nur um Minuten handelte sich's, dann stürmten dichte Massen nah hinter ihnen drein; da flog jählings mit donnerndem Krachen die Brücke in die Luft. Ein Teil der voraufgesandten Husaren hatte den Befehl voll- zogen, die Brücke zu unterminieren, und die Pulvcrladung schleuderte den erschrocken ans- einauderstiebenden Kürassieren die Sprcngstücke entgegen. Der Fluß besaß hier schon erhebliche Breite und Tiefe nnd bot auf manche Stunden im Umkreis keinen anderen festen Ucbcrgang, so konnten die von ihm Geborgenen vorderhand gleichmütig die Ankunft der gesamten, äußerst verdutzten Ncubelschen Streitmacht drüben be obachten. Ihnen stand der Nordsee zu der nähere und bessere Weg offen, da sich am rechten Ufer große, schwer zu überschreitende Sumpfniedc- rungen ausbreitetcn; die Zerstörung der Brücke von Hoya war für sic eine nnerlüistiche Bediu- gnng zum Wciterkommcn gewesen; befriedigt sah der Herzog auf dcn Erfolg der von ihm ge troffenen und von seinen Reitern musterhaft ausgeführten Maßregel. Trotzdem jedoch ver gönnte er seinem kleinen Korps kaum einen flüchtigen Anhalt, setzte durch den Nachteinbruch cilfertigst den Marsch in der Richtung nach Bremen fort. Zn seiner Besorgnis zeigten sich jenseits des Flusses ausschließlich westfälische Truppen, von der französisch-holländischen Divi sion Gratien tauchte kein leisestes Anzeichen auf; das machte fast zweifellos, sie müsse weiter süd wärts irgendwo über die Weser gegangen sein und rücke mit ihrer dreifachen Uebermacht und frischen Kräften am diesseitigen Ufer unbehin dert heran. Ihr gegenüber auf längere Tauer dcn nur geringen Vorsprung zu behaupten, konnte kaum möglich sein, denn jedenfalls be ging der französisckw Heerführer nicht die Tor heit des westsülifck-en, seine Stärke zu gering cinzuschützen, dadurch Zeit zu verlieren, nnd cS war im höchsten Maße unwahrscheinlich, er habe (ich durch das in Hannover verbreitete Gerücht, die Schwarze Schar trachte der Emsmüudung zn, beirren lassen. Demgemäß blieb ein Ent kommen ans der Umschließung nicht weniger aussichtslos als bei Braunschweig, doch versucht mußte es werden, und der Herzog trieb scho- nungsloS seine erschöpften Truppen die ganze Nacht hindurch zu letzter Kraftanspannung und Verdoppelung ihrer Schnelligkeit vorwärts. Als aber das noch frühe Morgcnlicht des August, tage» begann, liest sich hinter ihnen auf der weithin übersehbaren Tiefebene bis an den süd- lichen Himmelsraud nirgendwo ein Merkmal von Verfolgung gewahren. Unfaßbar, wie aus einer Sinnestäuschung beruhend, erschien's, indes die fortschreitenden Stunden änderten nichts daran. Nicht erklärlich mußte der General Gratien auf irgendeine Weise in die Fußstapfen NeubelS ge treten sein; es war, als ob bei der Treibjagd über dem gehetzten Wild eine unsichtbare Schutz- Hand tätig sei, die im entscheidenden Augenblick dadurch cingreije, daß sie den Liun der Jäger verwirre und auf falsct>e Fährte ablcnke. Dem Herzog Friedrich Wilhelm ließ sich k ine irgend, welcl-c Neigung seines Kopfes zu mystischen Vor. stellungen nachsagen, doch wie er jetzt den völlig ermatteten Soldaten eine ausgiebige Rast ge stattete, kam ihm bei einem Zusammentreffen mit Ebcrgard Falke die Frage vom Mund: „Hast du dem Gratien den Verstand aus dem Hirn weggehext?" Was das heißen sollte, begriff sie nicht, schüttelte nur stumm den Kopf, und er fügte hinterdrein: „Ich sagte dir, du hast bessere Waffen und brauchst keinen Säbel. Doch aus Luft und Spinnweb bist du nicht gemacht, und essen und trinken tut dir auch not. Komm mit mir inS Zelt und zeig', daß du auch deine Zähne gebrauchen kannst. Dazu mußt du dich freilich bequemen, von deinem Gaul abzusteigen." Tic letzte Aeußerung ließ herau'shörcn, er habe ihr eigenwilliges Verhalten, als sein Pferd unter ihm gestürzt war, nicht aus dem Gc. dächtnis verloren, und cs prickle ihn mit einem Anreiz, ihr dies fühlbar zu machen. Als aber der Abend hcrannahtc, traf die von ihm aus Hannover westwärts gegen Ostfriesland abgc- saudtc Reitcrabtcilung zur Wiedervereinigung mit dem Hauptkorps ein und brachte eine zu gleich hochüberrascheude und das Rätsel des Tages lösende Nachricht mit sich. Eine englische Flotte war an der holländischen Küste mit Trup. pcn gelandet und von König Ludwig zur Ver- tcidigung seines Landes durch Eilboten aufs schleunigste die Division des Generals Gratien zurückberufen, der dem Befehl, ob auch mit Widerstreben, Folge leisten gemußt. Er hatte keineswegs als ein andrer 'Neubel gehandelt, vielmehr alles darangesetzt, dessen groben Fehler durch größte Hurtigkeit auszugleichcn; doch wie er bei Minden die Weser überschritten, war ihm die unwillkommene Botschaft entgegengekommen, und die Kundschafter hatten sein Heer plötzlich abschwenken und im Eilmarsch auf der Straße nach Osnabrück davonziehcn gesehen. Ein ebenso unverhofftes Ereignis war's, wie es der nächtliche Abzug der Westfalen aus Oelver gewesen, und der GcsichtsanSdruck des Herzogs zeigte beim Vernehmen der Nachricht, daß sie eine Zentnerlast von ihm abwälzc. Vor aussichtlich hatte er's jetzt nur noch mit der Ncubelschen Truppcnmacht aufzunehmcn, die er am anderen Wcserufcr hinter sich zurückgclajsen, und vor Bremen konnte sie schwerlich über dcn immer breiter werdenden Fluß gelangen. Im Weitergange des Abends kehrten ebenfalls meh. rere seiner weit nach Norden voraufgeschickten Husaren mit äußerst befriedigenden Meldungen zu ihm zurück, und ihn überkam eine Laune, die seit Wochen niemand in seiner Umgebung mehr für denkbar gehalten. Sie tat sich auch darin kund, daß er Ebergard Falke nochmals ansprach: „Ich habe deiner Hexenkunst doch zu viel zugetraut, nicht du, sondern die Engländer haben uns den Gratien vom Hals geschafft. Unsere Sache steht gut, es ist Aussicht vorhan den, daß du dich in London aufs beste amü sieren wirst. Nur begreife ich nicht, daß der Rittmeister Gibich noch nicht wieder bei uns zurück ist. Ihm muß etwas zugestoßen sein, vermutlich ist er bei dem Auftrag, den er von mir bekommen, in der Weser verunglückt. Aber einer mehr fällt nicht ins Gewicht, zumal ein so toller Draufgänger nicht, dem selbst an sei- nein Leben nichts liegt. Jst's dir im Mcmen flau? Dein Gesicht sieht wie Kreide aus. Da- gegen hilft ein Schluck Steinhäger, ich glaub', es ist noch einer in der Flasche. Da, trink ihn, ich war dir noch eine Revanche für den Wein schuldig, den du dem Kerl im Fuhrmannskittel unterm Gibichcnstein aufgetischt hast." Er hielt dem Mädchen seine Feldflasche hin, und mechanisch griff Ebergard danach und trank daraus. Augenscheinlich bezeugte ihr plötzlich farblos gewordenes Gesicht, daß sie dessen in der Tat bedurfte, um sich im Sattel ausrecht zu halten, und der Herzog befand sich in der launigen Stimmung, ihr anzuratcn: „Mach' die Flasche nur leer, ich lasse sie mir wieder füllen.. Etwas bitter läuft der Steinhäger dir wohl über die Zunge, aber das geschieht ihr recht. Süß schmeckte es meiner grad auch nicht, daß mein Gaul unter mir wegjiel und niemand da war, mir auf einen anderen zu helfen. Ich war mir selbst auch ein bißchen Revanche schul- dig, und Gratien hat mir heut Appetit drcmj gemacht." " (Fortsetzung in der MorWenau-sSrJ
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