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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.04.1917
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1917-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19170417012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1917041701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1917041701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlbindung: Seiten 9 und 10 in falscher Reihenfolge gebunden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-04
- Tag 1917-04-17
-
Monat
1917-04
-
Jahr
1917
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zu sehen bekamen! Sie wären wahrhaftig imstande, wieder ab zureisen oder womöglich nach Ostpreußen zu fahren ! Das ist dos Geketmntt, weshalb die Wiederherstellung Bel giens nicht so schnell vorwärts schrelrek, wie st« das bequem tun könnte. Di« Kriegswunden eines Volkes als Panopttimmobsekt sorgfältig konserviert — das ist wohl der Gipfel dessen, was an Groteskem nach dieser Richtung zu leisten ist. Plechanow Der russische Sozialist Dr. Georg Plechanow ist zum Arbeits minister der Revolutionsregterung ernannt worden. Diese Ernennung kennzeichnet flch als ein nicht ungeschickter Versuch des Dollziehvngs- ausschusieS, den drohenden Sieg der Friedensfreunde in letzter Stund« zu verhindern. Denn Plechanow ist ein Prediger des Krieges gegen Deutschland bis aufs Mester. Er entstammt einer russischen Adelsfamilie und war dis zu seinem 25. Ledensiahre russischer Offizier. Das ist aber schon lange her. Plötzlich sattelte er um und wurde einer jener ruhe losen Radikalinskis, für die in der zarisch regierten Heimat natürlich kein Platz war. Er siedelte nach Frankreich über, wurde aber dort im Jahre 1894 als Anarchist auSgewtesen, merkwürdigerweise in demselben Jahr«, in dem seine bekannte Schrift gegen den Anarchismus — die Berliner .Vorwärts"-Buchhandlung hat sic deutsch herausgegebcn — erschien. Plechanow hat sich eben mehrfach gewandelt. Bis zum Welt- Kriege war er Marxist strammster Richtung, halte mit Bebel und KavlSky endlose Fehden, gefiel sich in der ständigen Opposition, war immer anderer Meinung als die anderen und wurde von seinen eigenen Freunden als Eigenbrötler und „Kuriosiiät" gesürchtet. Als der Krieg losbrach, konnte Plechanow in seinem Verbannungsorte Genf nicht länger stillsitzcn. Er mutzte wieder von sich reden machen. Er gründet« ein neues Organ, .Prlssyw ' s..Der Weckruf"), worin er sich als natio naler Sozia ist vorstelllc. .Die heiligste Pflicht eines Bürgers ist, ein guter Patriot zu sein. Tscheidse und Kerenski nannte er ver ächtlich .NiedeUagistcn". Man bedenke wohl: schon im zweiten Kriegs jahre, nicht erst jetzt! Schon im Herbst 1915 lieh der .Lasalle Rußlands", wie sich Plechanow gern rufen Höri, mit zwölf rasch ongeworbenen Getreuen eine Erklärung gegen russische FrtedcnSneigungea los. .Das radikale Rußland wünscht nicht die Revolution, sondern den Sieg.' Natürlich schrieb er auch wieder eine Broschüre (ihrer sind unzählige): „Uebcr den Krieg." Di« deutsche Sozialdemokratie wurde darin mit Vorwürfen überhäuft. Die russische aber auch. .Ein« Niederlage Ruh lands würde die Entwicklung der Freiheit unmöglich machen." .Im Namen der, Freiheit muh Nuhland siegen." Man steht, daS würde den Herren Miljukow, Buchanan und Gutschkow heute in ihren Kram passen. Aber ob Dr. Georg Plechanow noch dieser Ansicht ist? Es sind schon 1)< Jahr seitdem verslosten, und Plechanow hat sicher schon wieder eine andere Broschüre in Arbeit. Um ihn gleich .richtig" einzuspannen, hat man ihm in Petersburg einen Redakttonsstuhl ausgehoben. Der Dumaabgeordnete Bajadew gibt ein sozialistisches Blatt heraus, doS Organ einer Gruppe, die den Voll- ziehungSausschuh unterstützen und zwischen diesem und dem Rat der Soldaten und Arbeiter als Sprengpulver wirken will. Plechanow soll daS Blättchen leiten und die verirrten Schafe der FrledenSjttmmung in den Pserch der Kiiegshetze zuiückt. eiben. Das ist die Rechnung. 3a, schon werden Gerüchte verbreitet, Plechanow komme gegebenenfalls als Nachfolger Miljukows in Betracht. Damit ist zweierlei verraten. Erstens, dah Miljukow abgewirtschaftet hat, und zweitens, daß man verzweifelt nach einem neuen Außenminister sucht, der den auseinander fallenden Block der ersten Revolution zusammenhäll und die Folge einer zweiten Revolution — den drohenden Frieden, ab wendet. Man hofft, daß P.echanow in dasselbe Horn tuten wird wie sein französischer Genosse, der vormalige Sozialrevolutionär und der zeitige nationalistische Maulheld Gustave Hervö, dessen Artikel ebenso wie di« Plechanowschen stets eifrig vom Westen nach Petersburg ge drahtet wurden, und der sich jetzt unter der Ueberschrtst .die russische Revolution in Gefahr" heftig gegen den Arbeiter- und Soldatenrat kehrt. Aber Plechanow ist keine Persönlichkeit, auf die man sich ver lassen kann. Er ist ein Irrlicht. Er hat auch viel zu wenig persönlichen Anhang und viel zu wenig Talent zum praktischen Po.iltsleren, um dem Friedenspflänzchen, das jetzt unter der Frühlingssonne zu sprießen scheint, gefährlich werden zu können. Die Ueberklugen haben sich da keine große Kraft aus Genf geholt. Dec neue ArbeltSminister in Pelers- burz wird entweder seinen Vorteil wahrnehmen und in rascher Neu wandlung zu der friedenSfrcundlichen Mehrheit abschwenken, oder er wird mit der ganzen Mlljukowschsn Götterdämmerung im Brande der neuen Umwälzung versinken. Streik irr den Petersburger Munitionsfabriken (r) Stockholm, 1/. April. (Drahtbericht unseres Sonderberichterstatters.) Nach einer Meldung von «Stock- Kolms Dagblad" stellten alle Petersburger Munitions- arbeite« die Arbeit ein. Sie begründeten den Streik mit einer Lohnforderung von 40 Rudel für den Lag. Da sie selbst wohl kaum an die Erfüllung ihres Wunsches glauben, so kann ihr Vorgehen als Protest gegen die Fortsetzung des Krieges betrachtet werden. Eine Ibsen-Freundschaft X. ?. Der norwegische Schriftsteller John Paulsen, der mit eben so viel Pietät wie Sachkunde an allen Wegen Ibsen^rtnnerungcn sam- melt, behandelt in .Tidens Tegn" deS Dichters Beziehungen zu Frau Camilla Collett, di« durch ihren kreislichen Roman .Die Töchter deS AmtmannS" auch in Deutschland bekannt geworden ist. In Nor wegen nahm Camilla Collett als Schwester des nationalen Lyrikers Wergeland, als Verfasserin zahlreicher wertvoller Romane und No- vollen sowie als eine -er ersten Bahnbrecherinnen der norwegischen Frauenbewegung im geistigen und literarischen Leben des Landes ein« Vordergrundstellung ein, und auch mit Ibsen verbanden sie langjährige Beziehungen. Für Camilla Colletts Dichtung hegte Ibsen große Be wunderung. Ihm imponierte ihr Gedankenreichtum, und er sagte ein- mal: .Sie treibt Gedankenoerschwendung. In beiden ihrer Bücher ist Stoff für drei." Als Camilla Collett sich in ihren alten Tagen einmal über mangelnde Anerkennung und den schwindenden Erfolg Ihrer Bücher beklagte, da gab Ihr Ibsen einen Rat, der ln seiner Satire für diesen Erzironiker sehr bezeichnen- ist. Er sagte: .Nehmen Sie ein Zehntel Gedankenextrakt, verseht mit neun Zehntel Wortschwulst, da haben Sie das Rezept! Und schreiben Sie «in« Novelle, worin daS Paar flch zum Schlosse findet und unendlich glücklich wird, am liebsten, nachdem sie ihn bekehrt hat." Minder ungetrübt als die literarischen waren di« menschlichen Beziehungen Ibsens zu Frau Collett. Sie war eine recht schwierige Persönlichkeit, die oft Anstoß erregte. Aus ihren Reisen pflegte sie an Ihre Landsleute im AuSlande die allergrößten Ansprüche zu stellen und sie oll« für ihr« Bedürfnisse in Bewegung zu setzen. Auch Ibsen lernte das in München und in Rom kennen, und als eine Dame sich ihm gegenüber über dies« Eigenschaft von Frau Collett beklagte, da antwortet« er mit einem Lächeln: .Wissen Sie denn nicht, daß für unsere lieb« Frau Professor Collett bi« ganze West nur «ln Hintergrund für ihr« eigen« leuchtende Gestalt ist?" Konnte Ibsen bier Fassung und Laune bewahren, so wirkte doch ihr Mangel an Rücksichtnahme in anderer Beziehung auf ihn in hohem Grade verstimmend. Sie respek- tierte seine Gewoynbetten nicht und Ibsen war «in ausgevrägter Ge wohnheitsmensch, selbst bis zur Pedanterie. Daß Lamllla Collett Ibsen ganz spät am Abend besucht«, wenn die Familie gerade im Begriff war, sich zur Ruhe zu begeben, und daß Frau Ibsen dann, da dos Mädchen schon zu Bett« war, dem späten Gast selber noch ln aller Eile eine Toste Tee zuberelten mußte, das vermochte Ibsen noch in mildernder humori stischer Beleuchtung anzusehen. Dann sagte er wohl halb ärgerlich, halb bewundernd: .Der prächtig« Naturmensch! Bricht bei Leuten zur Nacht zeit ein!" Womit er sich ab«r nicht absinden konnte das war daß Camilla Collett in sein« Arbetlsruhe «ingrijf. Wenn Ibsen schrieb, er Kable er ntemandem, ihn «rf Xg«nd»elch« Art zu stör«, selbst nicht s«t- Die Friedensauesichten vid. Amsterdam, 16. AprU. (Drahtdericht.) Das .Algemeen Handeltblad" führt unter dem 18. April aus, während der ganzen Krtegsbauer sei niemals «in günstigerer Moment für Fr1«densunterhandlung«n auf einer alle Kriegführenden be friedigenden Grundlage gewesen, als im gegenwärtigen Augenblick, zumal da di« enormen Schisssverloste und die Mihernteavsstchten auch England zu Frtedensllnlerhandlungen geneigter machen dürsten. — Auch der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" hebt unter dem 15. April harvor, die Mißernte fast aller Weltteile werde voraus- sichtlich zur Abkürzung der KriegSdaucr erheblich beitragen. vtd. B«rn, 16. April. (Drahtdericht.) Zur östarrelchl- sch«n Frirdensäuherung schreibt «Äalla»: Di« Friedenseinladung der Mittelmächte führt wteder kein« be stimmten Frtedensdedtngungen an. Nochmals muß der Frieden als den Krtegsztelen der Alliierten entgegengesetzt be trachtet werden, di« durch di« Erklärungen der russischen Revolutio näre, sowie durch di« letzte Botschaft Wilsons bestätigt wurden. Die .Tribuna" führt aus: Ilm das neue österreichische Dokument adschähcn zu können, wäre eS nötig, zu wissen, ob es eine En'.hüllung bcreiis emgeletteter Ilntrr- Handlungen der. Mittelmächte mit den führenden russijchin Kreisen dar- stellt oder nur den Versuch einer Beeinflussung der rus- fischen Revolutionäre durch Oesterreich. «Lorrier« d'Nalia" erklärt: Es ist vorauszusehen, daß die österreichisch« Einladung in Petersburg kein Glück haben wird, da das sDokument nichts enthält, was als Aufhebung einiger Geegnsätze in den Kriegs- zielen der Mittelmächte und denen der Alliierten, Rußland inbegriffen, gelten könnte. Die italienischen Reformsozialisten an Rußland rvtb. Rom, 16. April. (Meldung der Agenzia Stefani.) Der Kongreß der Partei der Reformsozialisten wurde in Gegenwart des Ministers Bissolati, des Unterstaatssekre- lärS Lanepa und angesehener Persönlichkeiten sowie der Ab geordneten der Partei eröffnet. Bissolati schlug folgende Ta gesordnung vor, die durch Zuruf angenommen wurde: 1. Der Kongreß wünscht, dah das demokratisch« so ztalistt- scheRuhland sich immer enger andiewestlichenDemokratsn anschließe, um gründlich den Kampfgegenden aggressiven germanischen Militarismus fortzvsetzen, besten Nieder lage notwendig ist, um ein Völkerrecht zu schaffen, das die freie Ent wicklung aller Völker gewährleistet und den Frieden sichert. 2. Der Kongreß freut sich, dah die russischen Sozialisten und Prole tarier zeigen, dah sie die h l n t e r l i st i g e n V e r s u ch « deS mit dem Imperialismus zusammengehenden deutschen Sozialismus zu- riickzuweisen verstehen. 3. Der Kongreh vertraut vollkommen darauf, dah die russische Revolution sich vollkommen frei entwickeln und dem Ideal ent sprechen wird, das ihren Triumph gesichert hat. Ferner, dah st« auf der Höhe der großen Ausgabe stehen wird, die ihr im gegenwärtigen, für das Leben der Welt entscheidenden Augenblick obliegt, indem sie «ntschlossen den Krieg an der Sette der westlichen Demokratien bis zum Stege fortseh t. * * * (r.) Von der Schweizer Grenze, IS. April. (Draht bericht unseres Sonderberichterstatters.) Schweizer Meldungen aus 'Petersburg zufolge gab Tscheidse dem Soldaten- und Arbeilerausschuh bekannt, dah in 213 russischen Garnisonen Sol- dateuausschüss« des Arbeiterdundes sich gebildet Hütten. (r.) Stockholm, IS. April. (Drahtber. unseres Sonder- berlchter st alters.) Die Resolution des Arbeiter- rateS ist, was die Friedensfrogs angeht, als ein Kompromiß an zusehen. Die provisorische Regierung hatte sich auf die Erklärung zum .Selbstbestimmungsrecht der Völker* gestützt gegen die Forderungen des Arbeiter- und Soldatenrates verschanzt. Die Anhänger dev Bolschewiskis erkannten den imperialistischen Charakter der Kund gebung, während di« .MenschewsklS glaubten, daß das Selbst- bcstimmungsrecht der Völker sich mit der Forderung eines annexions losen Friedens veretnbaren lass«. An der Regierung ist eS nun. Klar- heil über ihr« Stellung zur Friedensfrage zu geben; ihr« Macht ist auch weiterhin als geschwächt anzusehen. Nur der Arbeiterrak besitzt tat sächlich das Vertrauen des Volkes, der Friedenswille ist jedoch nach feinen zahlreichen Kundgebungen zweifellos. (r.) Frankfurt a. IS. April. (Eigener Drahtdericht.) Der .Franks. Ztg." wird aus Stockholm gemeldet: lieber die Tätigkeit von Branting ln Petersburg herrscht in weikesten schwedischen Kret- sen die Ansicht, dah nur ein bezahlter Agent der kapitalistischen Entente flch derart über die Grundsätze seiner eigenen Partei und über den Friedenswillen deS russischen Volkes hlnwegsetzen könne. Minister Stauning über die Triedensbestreburrgen vvtb. Kopenhagen, 16. April. (Drahtberlcht.) In einer sozia listischen Frauenversammlung hielt der der sozialdemokratischen Partei ««gehörende Minister Stauning «ine Red«, in der er ausführt«, dah man den Anschein erweckt habe, als ob di« deutsche Sozial- demokratie mit Kopenhagen als Bindeglied sich bemühe, um einen Sonderfrieden zwischen Rußland und Deutschland herbelzuführen. Solch« Bestrebungen beständen nicht vnb würden ovch wenig verständig sein. Wir wünschen, sagte der Minister tvefter, «richt zu einem Sonderfrieden zwischen Ruhland und Deu'schland beizutragev wonach der Krim» »och furchtbarer an audereu Stellen auf loder, nrtüde, aber wir wünsch», zu es««« allg««ai»a» Wattfriada» bei- »trag« und bebalte« uns das Recht vor, se-llche Tätigkeit pr ent falten, die nach unser« Ansicht »ns diesem Ziel« uäher dringe« Kana. Ich weih, bah bla deutsch« SoKalbemokrati« die Wünsch« bezüglich eine, allgemeinen Friede,« teilt. Maa ist flch ganz kl« darüb«, haß «in Lvubarfriade» von ßariug«« Wert ist. Ma» wünscht bas halb «ine Barftündigun, zwischen den Völkern her- s»stellen. die den Weg zum Frieden andahnen kann, so wie alle Völker ihn wünschen. Teilstreiks in Berlin " tb. Barlin, 16. April. (Drahtberlcht.) Wle die Abendblätter berichten, fanden heute vormittag mehrfach Arbeltervey- samm langen statt, in Lenen die Lebensmtttelfrage und die Politik besprochen wurde. Unter den Teilnehmern waren überall die Frauen sehr zahlreich. Rach Schluß der Ver sammlungen bildeten sich Züge, hauptsächlich aus jungen Burschen und Mädchen, die sich nach der inneren Stadt bewegten. Unter - anderen zog ein Zug am Schloß vorbei und durch die Straße Unter den Linden. Auf dem Schlossplatz wurde die am Mittag aufziehende Wache mit Hurrarufen begrüßt. Die Demonstranten zeigten überall eine sehr ruhige Haltung, so daß die Polizei nicht einzuschre? ten brauchte. Die bei weitem über wiegende Mehrzahl der Berliner Arbeiterschaft lehnte eine Be teiligung überhaupt ab, da sie sich überzeugt hatte, dah dafür ge sorgt ist, daß an Stelle der ausfallenden Brokmenge eine verstärkte Fleisch- und Kartoffellleferung erfolgt. wtd. Berlin, 16. April. (Drahtberlcht.) Dte von den B er - llner Metallarbeitern für heute beschlossene Ar beitsniederlegung in Groß-Berlin ist nur zum Teil zur Durchführung gekommen und wohl erheblich hinter den Erwartungen der Veranstalter zurückgeblieben. Es haben an ihr nur 125 000 Arbeiter teilgenommen, viele von ihnen sogar erst nach Ableistung der Frühschicht. Die im Laufe des Vor mittags abgehaltenen Werkslaktversammlungen zeigten eine im Verhältnis zur Zahl der Ausständigen recht geringe Beteiligung. Dasselbe gilt im allgemeinen auch von den Strahenumzügen, die sich im Anschluß daran bildeten und durchweg bald zur Aus lösung kamen, so daß das Straßenbild, namentlich im Innern der Stadt, fast gar keine Veränderung erlitt. Auch die überall bei solchen Anläßen sich immer .radikal" gebärdenden jugend- lichen Arbeiter und Arbeiterinnen versuchten vergeblich, durch an sich unbedeutende Ausschreitungen die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu stören. Trotz dieses harmlosen Verlaufs der Kund gebung bleibt es zu bedauern, daß sie überhaupt statt - siefunden hat. Schon mit Rücksicht auf die zu erwartenden übertriebenen Darstellungen der Auslandspreise und die Tat sache, daß zurzeit jede verlorene Arbeitsstunde nur unseren Geg nern zugute kommt, hätten die Veranstalter bestimmen sollen, von tyrem Vorgehen zurückzutreten, zumal ja die Verkürzung der Brotmenge von den zuständigen Behörden unter Betonung der unbedingten Notwendigkeit dieser Verkürzung rechtzeitig er örtert und in erschöpfender Weise bekanntgegeben worden war. * D«r sächsisch« Landtaasabgeordnete Kuntz« ist nach einer Draht- Meldung unserer Dresdner Schriftleitung in Nieder- lößn'.tz bet Dresden an einer Lungenentzündung gestorben. Kuntze. der im bürgerlichen Berus Kaufmann war. wurde im Jahre 1909 mir 12 697 von insgesamt abgegebenen 18 714 Stimmen gewählt und schlug dabei den sozialistiichen Kandidaten. Er vertrat den 24. ländlichen Wahlkreis, das sind die Ortschaften in der Umgebung Dresdens: Losch- Witz, Blasewitz und Niederlößnitz. Geboren am 12. Juli 1846. hatte er seinen ständigen Wohnsitz in Niederlößnitz. Er gehörte der nalion'üT: liberalen Partei an und war in der nationalliberalen Landtags fraktion seil langen Jahren Kassierer. * Vom Alldeutschen Verband«. Im Bankettsaal des „Nheingoldes" trat am Sonntag vormittag 1» Uhr der Gesamtvorstand des All- deutschen Verbandes zu einer von rund 500 Vertretern aus dem ganzen Reiche besuchten Tagung unter Vorsitz des Rechtsanwalts Claß in Mainz zusammen. In die Hauptleitung des Verbandes hinzugewählt wurde Senakspräsident Dr. Lh om sen - Lharlottenburg; in den Haupt- auSschuß Generalmajor B r e u s i n g - Hannover: in den Gelamlvmstand u. a. der Vorsitzende der Nationalen Arbeiter-Berufsvereine Jensen- Hamburg, Fabrikant Dr. Albrecht A e i m a n n - Ludwigshafen, Ober- postsekretär O ertel- Chemnitz und Forstmeister Dr. K amcn-Calm bach. * Di« Beisetzung des verstorbenen Kardinal-Erzdischofs Dr. v. Bel linger. Zur Trauerscier im Dom, die am 16. April vormittags statt, sand, halten sich cingefunden das Königspaar, sowie die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, das diplomatische Korps, darunter der preußische Gesandte von Lreuttler als Vertreter des Reichskanzlers und der preußischen Regierung, ferner die Gesandten Oesterreich-Ungarns, Württembergs, Sachsens, Badens, das gesamte SlaalSministerium und die hohen geistlichen Würdenträger. Dos feier- ltche Requiem zelebrierte Kardinal v. Hartmann, worauf die Leiche, begleitet vom Kardinal und Domkapitel, in die Bischofsgruft des Domes getragen wurde, wo der Kardinal die letzte Einsegnung vollzog. nen Nächsten. Sein Arbeitszimmer war wie ein abgeschlossenes Heilig tum. Hallen Ibsens Sonntagsbesuch, so fand sich dieser nach norwegi scher Sitte ost schon zeitig am Nachmittag etn, aber Ibsen selbst blieb bis acht Uhr abends unsichtbar, um erst dann, zum Abendessen, zu erscheinen. Während nun alle Gäste des HauseS sich dieser Sitte fügten, macht« Camilla Collett eine Ausnahme. Sie wollte sich durchaus mit dem Dich ¬ ter unterhalten, selbst wenn sich unter den versammelten Gästen Damen von höchster Bildung und geistvoller Unterhaltungsgabe befanden. Ueber- haupt ist es sür diese Bahnbrecherin der Frauenbewegung kennzeich- nend, daß sie auf den Umgang mit Männern mehr Wert legte, als auf den mit ihren Geschlechtsgenossinnen. In solchen Fällen schwebte sie dann ungeduldig vor Ibsens verschlossener Tür hin und her, bis sie schließlich nicht mehr widerstehen konnte und mit energischem Griff die Tür öffnete. Dann hatte le ihren Zweck erreicht — aber es kam in solchen Fällen auch vor, dah man aus dem Heiligtum recht laut und er- regt klingend« Stimmen hörte. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, daß die menschlichen Be ziehungen zwischen Idjen und Frau Collett auf- und abschwankten. In Rom kam eS einmal zwischen beiden zu einem ernstlichen Zerwürsnlise. Di« Sache entwickelte sich ganz eigentümlich. Ibsen klagte im Gespräche mit Frau Collett darüber, wie verkannt und arm er In seiner Jugend gewesen sei und wie schlecht flch seine Landsleute gegen ihn benommen hätten. .Nicht einmal «in« Zigarre boten sie mir an," sagte er etwas naiv. Camilla Collett hielt deck entgegen, das habe doch nichts zu be deuten gegen das, was die Mitglieder der Familie Wergeland durch- zumachen gehabt hätten. Aber dem konnte Ibsen nicht ganz zustimmen und erinnerte daran, dah die Wergelands dank der von König Karl Johann ihnen ausgesetzten Pension doch wenigstens in malerieller Hin sicht Immer «ine Stütze gehabt hätten. Hier war aber der wund« Punkt berührt, an den Frau Collett nicht rühren lieh. Sie wurde erregt, streit bar, ein Wort gab daS andere, und schließlich verlieh sie Ibsen in höch ster Erregung, ohne von ihm Abschied zu nehmen. Sehr amüsant er zählt John Paulsen, wie er den Draht zwischen den beiden wieder her stellte. Es geschah dies bei einem Empfange des norwegischen Konsuls in Rom, wohin er Camilla Collett als ihr Ritter begleitete. Als Ibsen in ihre Nähe kam, schien er sie nicht zu sehen, aber Paulsen hatte die Geistesgegenwart, sich im richtigen Augenblick« an ihn zu wenden und mit einem diskreten Lächeln zu sagen: .Entschuldigen Sie, Herr Ibsen, aber ich glaube., daß meine Dame, Frau Collett, Ihnen etwas zu sagen hat." Ibsen silierte ihn durch seine Brillengläser und blieb dann er wartungsvoll bei Frau Collett stehen. Paulsen beeilte sich, mit einer Verbeugung zu verschwinden, und erst im Nebenzimmer wagt« er einen Blick hinter sich zu werfen. Gottlob, di« Geschichte ging gut! Er sah, wie sich Ibsen respektvoll verbeugte und mtt Camilla Collett unterhlell, während deren Fächer wie im Triumphe immer schneller hin und h« schrpadte.... Musik. Durch das bereitwillige Eintreten Berliner. Dresdner, Geraer und Leipziger Künstler ist eS möglich gewesen, aus dem Rein ertrag der „musikalischen Unterhaltungen" im Hause Schmidt-Ziegler folgende Summen zu überweisen: dem Leipziger Musikverein 35O.it, dem Leipziger Musiklehrer, und -lehrerinnenverem 300.it, d«m Leipziger Muflklehrerinnenverein 50.it und an einzelne Musiker 270.it, zusammen 970.it. Der Fraoenklub vclmiitclte seinen Mitgliedern und Gästen, so wird uns milgeteil», am Freitag abend durch Frau Albertine Zehme die Bekanntschaft deS einaktigen Dramas .Chttra" von dem indischen Dichter Rabindranath Ta göre. Ls behandelt in wunderbar poetischer Sprache und mtt ethisch-phllosophischem Hinter- gründ, die Liebe zwischen der Königstochter Chttra und dem Königs- sohn Arjuno. Die zahlreich erschienenen Zuhörer dankten der Vor- tragenden durch lebhaften Beifall. Theolerchronik. Alexander Moissi veranslalteie im Fest saale des Grand-Hotel von Lugano einen Vortragsabend. Er rezi tierte aus Goethe, Nietzsche, Gottfried Keller und Verhaeren. Dar erlesene Fremdenpublikum bereitete dem Künstler begeisterte Aufnahme Berhold Litzmanas 6V. Geburtstag. Der Vertreter der neueren deutschen Sprache und Literatur an der Bonner Universität. Geh. Rat Prof. Dr. Berthold Lttzmann, begeht am 18. April seinen 60. GÜrurtstag. Der ausgezeichnete Germanist begann seine akademische Laufbahn im Jahre 1883 an der Universität seiner Vaterstadt Kiel, siedelt« bann nach Jena über und erhielt dort Ostern 1885 einen Lehrauftrag für neuere deutsch« Literaturgeschichte. Bald daraus zum Extraordinarius befördert, lehrt« er dort bi» 1892, um dann nach Bonn berufen zu werben, wo er 1897 zum Ordinarius ernannt wurde. Eine Berufung nach Bern als Nach folger Ludwig Hlrzels lehnt« er ab. Professor Litzmann ist Be gründer und Herausgeber der .Theatergeschirytlichen Forschungen, ferner Herausgeber der Mitteilungen der Literarhistorischen Gesellschaft Bonn. Hochschulnachricht«». Wie wir hören, hat der a. o. Professor aa der Universität Greifswald Dr. Hermann Starke einen Ruf auf bl« etatsmäßlg« Professur der Physik an der Technischen Hochschule ln Aachen als Nachfolger von Prof. Job. Stark erkalten und angenommen. — Wie wir erfahren, hat Dr. Hans Goldschmidt in Freivrq i. Br., bisher ständiger Mitarbeiter der Gesellschaft für Rheiniiche Getchich»»- Kunde, dte Berufung als Abteilungsleiter an das neugegründete Deutsche Auslandmuseum in Stuttgart angenommen. — Dem Vernehmen nach hat Professor Dr. Friedrich Bar lag, Chefarzt der städtischen Hauk. Klinik in Essen, den Ruf als a. o. Professor an die UatoarpUll tlsald abgelehnt
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