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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.11.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141102012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914110201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914110201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-02
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
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Nr. SSö. Morgen-klusgüvr. 8,ttr s. Leipziger Tageblatt 2. SeUezr. Monis-, 2. Naormver ISI4 Vie Montangebiet» (von Longwp vn- Srieg unter deutscher Verwaltung. ' vor etlichen Wochen hatten wir in unserer „Han- delszütung" bereits auf di« erheblichen Schwierig- leiten hingewiesen, dir unserem französischen Gegner in der Kohlenversorgung dadurch erwachsen wühlten, dah die nordfranzösischen Kohlenwerle in» folg« de« Krieges so gut wie kein« Erzeugnisse mehr lieferten. Di« gleiche Anwendung läht sich für die Erzversorgung mach-n, nachdem die großen Trzbrcken Ostsrankreichs die dortigen Produkte dem Lande nicht zur Verfügung stellen können. Don welcher Wichtigkeit der Besitz dieser Bezirke ist, haben wir feinerrett gleichfalls erörtert. Nunmehr ist, wie die folgende Drahtmcldu.ng besagt, jenes Revier unter deutsche Verwaltung genommen. Metz, 81. Oktober. Da» das Erzbecken von ' Longwy und Briey umfassende französische Okkupationsgebiet wurde auf Befchl des Kaiser« durch Anordnung des Reichskanzlers unter deutsche Zivilverwaltung gestellt. Mit der Verwaltung unter Befehl des Gouverneurs von Metz, Generals der Infanterie v. Oven, wurde der Bezkkspräfidenl von Lothringen, Frei herr von G'mmingen-Hornberg und unter diesem die Kreisdirektoren von Metz, v. Loeper, und von Dicdenhofen-West, Bostetter, beauftragt. Die Ber- rvaltung der Angelegenheiten der Zivilverwaltung des Okkupationsgebietes Leim Eouvernemrnt wurde dem Regierungsrat Liebermann übertra gen. Für die Erzgruben und Hütten werke in diesem Gebiet ist ein« besondere Cchutzverwaltung eingerichtet, welche dir Sicherung der teilweise verlassenen oder mit un genügendem Personal angetroffenen Werke und isiruben übernommen hat und besonders für den Fortbetrieb d:r Wasserhaltung sorgt, um den wert vollen Grubenbereich vor dem Versaufen zu schützen. Die Schutzverwaltung ist unter dem Be zirkspräsidenten dem Bergrat Dr. Kohlmann, dem Bergmeister Hoeyig und dem Bergassessor Horten übertragen. Zur Beratung des Gouverneurs in Angeles.nheiten der deutschen Schutzvvrwaltung ist ein ständiger industrieller Beirat aus Vertretern der deutschen Schwer in du st vte berufen, die an dem französischen Minenbefitz stark mit Kapital beteiligt ist. Der Beirat bestehl aus Kommerzienrat,Louis Roech- l i n g - Saarbrücken, Geh. Kommerzi rnrat von Oswaldt-Koblenz, Generalleutnant von Schubert- Berlin, Geh. Kommerzienrat Kirberg-Mülheim l Richrj, Kommerzienrat Springorum - Dortmund, Kommerzienrat K l oe ckn e r-Duisburg und Berg rat Frielinghaus, Mitglied des Direktoriums der Firma Krupp in Essen. Zu vorstehender Meldung äußert sich der „Berl. Lok.-Anz.": Diese Nachricht besitzt, wie man wohl mit nniger Bestimmtheit annehmen darf, nicht nur rin vorübergehendes politisches und wirtschaftliches Interesse, sondern auch ein Interesse von ganz be sonderer Bedeutung. Hierauf deutet schon der um fangreiche kaufmännische und technisch« Verwal- lungsapparat hin, der dafür eingesetzt wurde, Uelxr die wirtschaftliche Brdeutung der Ange legenheit geben wir folgende Anhaltspunkte: Wäh rend das Becken Longwy-Driey des ostfranzösischen Erzdistrikts im Jahre 1913 25V, Millionen Tonnen Erz förderte (Deutsch-Lothringen allein 21 Millionen Tonnen), brachten die 43 Hektar großen Erzfelder des Bassins von Briey mehr als 15 Million'.»» Tonnen. Der fünfte Teil d«r Erzreichtümer von Briey gehört schon deutschen Montangesellschaften; Thyssen, die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks-Ge sellschaft, Gelsenkirchen, das Eisen- und Stahlwerk Hocsch, die Aktiengesellschaft Phönix, die Röchking- jchen Stahlwerk:, die Firma de Wendel «. a. habe-, dort Besitz. Die Lothringisch-Luxembur gischen Werke sind auf das französische Erz angewiesen, und die deutschen Erfolge in Französisch-Lothringen haben den Verarbeitern des französischen Rohmaterials ihre Lebensbedingungen gestärkt. ° -° '?°Xm vee 5cb-wp!stt äse tiirlcirclieri klockenaktiori. Der Grenzort Briey war der erste französische l Platz, der von deutsclzei» Truppen b.setzt wurde. Er ist seit dem 5. August unangefochten in deutschem Besitz geblieben. Später ist Longwy dazugekom men. Das Erzbecken von Longwn und Briey umfaßt den größeren Teil der Erzfelder Frankr.'ichs. Der dritte Bezirk der ganzen Erzprovinz liegt bei Nancy. Jedenfalls bildet das Becken von Briey, infolge der guten Qualität seiner Erze, den Mittelpunkt der ge samten für Frankreich und di: lothringisch-luxem burgische Eisenindustrie wichtigen Eriprodnktion. Der ganze Bezirk umfaßt etwa 59 WO Hektar, von denen 1O OOO in deutschem Besitz sind, während der übrige Teil auf französische und belgische Gruppen entfällt. Die Anlagewcrtr der Erzgruben werden auf 225 Millionen Frank geschäht. Die Förderung betrug im Jahre 1913 mehr als 15 Millionen Tonn.'n. Durch den Kohlenbergbau hat sich die Be völkerung des Beckens rasch vergrößert. Sie ist von 20 000 Einwohnern im Jahre 1895 auf 70 VW Ein wohner im Jahre 1913 gewachsen. Die Mängel -er Zel-poft. b.^ ll. Berlin, 30. Oktober. Unter zahlreicher Beteiligung von Vertretern der bedeutendsten Firmen des Papierfachcs fand hier im Papierhause eine große Kundgebung statt, die sich mit den im Betrieb der Feldpost zutage getretenen Mißständen befaßte. Die Versammlung stand unter der Leitung des Vorsitzenden der Papierverarbei- tungs - Berufgenossenschäft Rudolf Bergmann- Berlin. Der Hauptberichterstatter Generalsekretär Dr. K u- batz - Berlin führte aus, daß die Versammlung nicht aus geschäftlichen Erwägungen heraus einberufen worden sei, sondern in dem Gefühl, daß noch viel ge schehen könne, um auf dem Gebiete der Feldpost Großes zu leisten. Staatssekretär Kraetke hat dem De richterstatter und noch zwei anderen Herren eine Kon ferenz gewährt, in der alle einschlägigen Fragen be sprochen wurden. Und wenn wir auch nicht mit der Ueberzeugung aus der Konferenz gingen, daß die Leistungen der Feldpost nicht erhöht werden können, so hatten wird doch wenigstens den Eindruck, daß vieles von dem, was jetzt über die Feldpost gesagt wird, nicht ganz als zutreffend bezeichnet werden kann. Der Redner machte dann Angaben über die Einrichtungen der Feldpost an sich. Durch die 18 Sammelstellen gehen täglich sechs bis sieben Mil lionen Sendungen, davon entfällt eine Million Sen dungen auf die größte Sammelstelle Berlin, die 1600 Beamte beschäftigt. Die Sendungen werden batail lonsweise gebündelt. Die unterste Einheit bildet die Feldpostexpedition bei der Division. Die Truppen sind verpflichtet, die Sendungen von der Di vis i o.» abzuholen, und das scheint eines der wundesten Momente zu sein. Sie sollen ab geholt werden, das geschieht aber nicht, und so türmen sich die Sendungen bergehoch, so daß die Be stellung immer schwieriger wird. In der Konferenz wurde von feiten der Postverwaltung erklärt, die Division sei militärisch die kleinste Einheit, bei der sich noch eine Bagage befinde, daher sei es nicht mög lich, noch weiter nach unten zu gehen. Ich glaube, daß es Aufgabe der Postverwaltung sein muß, sich un verzüglich mit der Heeresverwaltung in Verbindung -zu setzen, um hier für eine Verbesserung der Verhältnisse zu sorgen. Der Mitberichterstatter Direktor Hans Krae- m e r - Berlin erwähnte einleitend, daß Staats sekretär Kraetke bei der erwähnten Konferenz er klärte, er sei wohl jetzt der bestgehaßte Mann in Deutschland. Da muß man doch die Frage auf werfen, aus welchen Gründen die Erbitterung gegen die Feldpost eingetreten ist. Das war früher doch anders, unter Stephan waren wir stolz auf unsere Postverwaltung. Jetzt ist sie zu bürokratisch. Die Gedankengänge der Feldpost sind leider immer noch dieselben wie die von 1870/71. Die Angriffe gegen die Feldpost im August waren allerdings unbe rechtigt. Denn damals durfte die Feldpostverwaltung nichts befördern. Aber sie hat den Fehler be gangen, zu schweigen. Bis zum 18. August war ihr von der Militärverwaltung verboten worden, Briefe zu expedieren. Ware zur rechten Zeit ge sprochen worden, dann wären uns und unseren Truppen im Felde viele bittere Stunden erspart ge blieben. Redner verliest den Brief eines ver wundeten Soldaten, den dieser kurz vor seinem Tode schrieb und in welchem er erklärt, daß er ohne Furcht in den Tod gehe, daß es ihm aber bitter wehe tue, vor dem Sterben nicht Wenigstens eine Antwort aus dem Eltern Hause auf seine Feldpostbriefe erhallen zu haben. Dabei hatten aber die Eltern eine ganze Reihe non Sendungen an den Sohn im Felde gesandt. Wir müssen durch die dicksten Mauern der Para graphen und der Bürokratie hindurch unsere Stimme erheben, damit es bester wird. Zudem kommt, daß auch im Innern Deutschlands Klagen über die Po st nicht verstummen wollen. Auch im wirtschaftlichen Kampfe müssen wir die Zufuhr von Munition verlangen. Warum kommen denn über die Eisenbahn keine Klagen?' Als wir diese Frage in der Konferenz aufwarfen, da erklärte Staatssekretär Kraetke, diese liege in militärischen Händen. Eine stärkere Kritik ferner Verwaltung konnte er gar nicht aussprech en. Wenn gesagt worden ist, daß die höheren Stäbe mit der Arbeit der Feldpost zufrieden sind, so glaube ich das ganz gern, aber die Soldaten sind mit dieser Arbeit nicht zufrieden. (Lebhafte Zustimmung.) Der -wett» Mitberichterstatter Fabrikbesitzer Max Krause schilderte an der Hand eigener Erfah rungen al» Führer einer Liebesgaben-Kolonne die Sehnsucht, mit der unsere Truppen im Schützengraben Sendungen au» der Heimat erwarten. Bon feiten de» Kriegsausschuste« lag ein längerer Beschlußantrag im Sinne des Hauptberichterstatters vor. E» wurde beschlossen, von einer Beschlußfassung zunächst abzusehen. Eine Kommission wurde gewählt und beauftragt, einen entsprechenden Beschluß zu for mulieren und diesen dem Reichskanzler, dessen Stell vertreter Staatssekretär Dr. Delbrück und dem Staatssekretär des Reichspostamts zu übermitteln. O Zu der gleichen Angelegenheit geht uns folgende Zuschrift zu: „Allmählich rückt die Zeit heran, in der die Weihnachtspakete für unsere braven Krieger vorbereitet werden sollen. Gern wird jeder, der liebe Angehörige im Felde draußen weiß, alles zusammen packen, was das Soldatenherz erfreut und erfrischt. Aber während er die mit viel Liebe gestrickten Socken und die anderen schönen Dinge verpackt, be schleicht ihn die dumpfquülende Sorge, ob denn die Sendung auch wirklich rechtzeitig in den Besitz des Empfängers gelangt. Gar zu zahlreich sind die Be weise für die Berechtigung dieses Zweifels. Ucber die Unzulänglichkeit der Feldpost ist seit langem geklagt worden. Es sind dann, eben weil der Sturm der öffentlichen Meinung gegen die Feld post immer stärker anschwoll, endlich Verbesse rungen oorgcnommcn worden, aber immernoch bekommt man Klagen aus dem Felde zu hören, daß die Uebermittlung der Sendungen aus der Hei mat entweder sehr mangelhaft ist oder gar ganz stockt Zum Teil scheinen allerdings an diesen Unzu länglichkeiten auch untere militärische Organe schuld zu sein. In Feldpostbriefen ist wiederholt Klage darüber geführt worden, daß die Verteilung der eingelaufenen Posten innerhalb des Bataillons oder der Kompanie manchmal sehr zu wünschen übrig läßt. Wir sind überzeugt, daß alles geschehen wird, um diesen Mängeln abzuhelfen. Die Weihnachtsliebesgaben werden ja wahrschein lich auch weniger durch die Post als in der Form von Frachtgut verschickt werden. Und mit der A b l i e f e- rung des Frachtguts, das bisher von den Militärverwaltungen angenommen worden ist, hapert es noch viel ärger als mit der Feldpost. Es konnten z. B. hier in Leipzig bis zum 7. September Pakete von einer bestimmten Größe und einem bestimmten Gewicht aufgeliefert werden, die laut Bekanntmachung vom 7. September ab in be sonderen Guterwagen ins Feld hinausbefördert wer den sollten. Zu unserem größten Befremden müssen wir feststellen, daß bis jetzt, bis Ende Oktober, also 6 Wochen nach der Auflieferung, noch sehr viele der artiger Frachtstücke den Empfänger nicht erreicht haben. Nun werden jetzt von sehr hochstehenden Per sonen fortgesetzt Aufrufe erlassen: Schickt unseren braven Kriegern Wollsachen! Diese Aufrufe sind zweifellos sehr gut gemeint, müssen aber auf alle die Angehörigen von Soldaten, die wärmende Winterkleidung bereits in die am 7. September auf gelieferten Frachtstücke verpackt haben, wie eine Kränkung wirken. Es siebt doch fast so aus, äks bedürfe es erst des Anstoßes von sehr hohen Stellen, damit das deutsche Volk seinen Verpflichtungen gegenüber den Soldaten nachkommt. Weit gefehlt! Als seinerzeit Anfang September die Frachtstücke fürs Feld angenommen wurden, hat jedermann, auch der Aermste, mit rührender Liebe Opfer gebracht, um den wackeren Kämpfern zu zeigen, daß man ihrer im Vaterlande stets treu gedenkt. Wenn es also eine« Aufrufes von hoch stehenden Personen bedurfte, dann sollte der sich weniger an die Allgemeinheit richten, als an die Militärverwaltung: für stark be schleunigte Aussendung und Abliefe rung der von den Angehörigen ver packten Liebesgaben zu sorgen. Offenbar ist die Militärverwaltung seinerzeit über den Um fang der Auflieferung von Paketen durch Angehörige der Soldaten sehr überrascht gewesen. Man hat ihn sich nicht so riesig gedacht und vermochte die damit gestellten Aufgaben nicht zu bewältiaen. Da» muß aber nun schleunigst getan werden. Wer nicht mitten im Volke steht — und das gilt ja wohl von den meisten Leuten, die diese Aufrufe erlassen haben —, der weiß auch nichts von der tiefgehenden, weitver breiteten Verstimmung über die ungeheure Ver zögerung, mit der die Liebesgaben der Angehörigen befördert worden sind. Wenn also jetzt Weihnachts pakete vorbereitet werden sollen, dann muß auch die unbedingte Gewähr geboten werden, daß diese Pakete rechtzeitig ihrem Zweck entsprechend, d. b. also eben in den Weihnachtstagen, bei den Truppen eintreffen." vrr kuk «les Lebens. 13s Roman von Karl RoSaer. , „Ein paar Stunden täglich >- vormittag eine Stunde und nachmittag eine — wenn Sie das tun wollen, Fräulein, und wenn Sie meinen, daß es ihn beruhigt, so darf ich wohl ja sagen. Aber nicht mehr — auch sei nenne gen — er soll nicht viel reden, das strengt ihn an." „Danke, Herr Hofrat — wir dürfen Sie wohl nun vicht länger aufhalten " „Bitte sehr — ich habe zu dankten." Der Arzt verbeugt« sich vor den Damen und ging dann langsam die Treppe hinunter. Unten, am Fuß der Treppe, blieb er stehen; er schien sich zu besinnen, ob er nicht um kehren sollte und horchte einen Augenblick noch oben. Aber die Damen hatten sich schon in ihre Zimmer zurückgezogen, und es war still. Da schüttelte er mit einer rascl)en Kopfdewegung seine Bedenken von sich und ging mit schnellen schritten den Korridor entlang in sein Arbeits- zimmer. * > Als das Fräulein Elwert nachmittags leise an die Türe zu dem Zimmer des Doktors Cor nelius klopfte, erschien sogleich der Aadediener, der bisher bei dem Kranken gewesen war, öff nete die Tür vorsichtig und langsam, kaum spannbreit, und steckte den Kopf heraus. Es war ein Bursche aus dem Ort«, der nun schon seit einigen Jahren als Badedicncr, Masseur und gelegentlich auch als Kranken pfleger im „Alpcnhofe" beschäftigt war. Ein blonder, grobknochiger Mensch mit außcrordent-. sich großen, kräftigen .Händen, «in Athlet, der aber bei all seiner äußeren Krafterschcinnng im Verkehr mit den ihm anvertrauten Kranken von einer geradezu rührenden, beinahe mütterlichen Sorgfalt und Vorsicht war. Als er das Fräu lein erkannte, trat er vollends auf den Vang heraus und drückte die Türe leise hinter sich zu, während er die Klinke in dec Hand behielt. „Der Herr Doktor schlaft g'rad", sagte er, „vor einer kleinen halben Stund' is' er ein- g'schlafen — Sie sind doch das Fräulein, von dem mir der .Herr Hofrat sclwn g'sagt hat—?" Sie nickte. „Wie geht es ihm denn jetzt?" „No mein — stark fiebern tut er halt, und recht unruhig is' er und schwach, der Herr Doktor. — Ah, Blumen", sagte er, denn er bemerkte den Strauß Rosen, den sie in den Händen hielt, „unser Fräul'n Lilh lyrt auch früher Blumen gebracht — mit dem Kopf lmt er ein bissel beutelt — das war alles!" „Sie können also jetzt gehen — ich bleibe eine Weile hier, oder haben Sie noch etwas hier zu tun?" „Wegen der Nkedizin; die Tropfen, die anf'm Tisch stehen, die kriegt er glei', wenn er auf- ivacht — es steht auf dem Flasckrel oben, wieviel. Er hätt' si eigentlich sckwn haben sollen, aber weil er schlaft . Also bis in einer Stund', Fräul'n — gelt'ns? Und loenn S' was brau chen, so läuten S' nur — das Stubenmadel holt -wich nachher." Sie grüßte leicht, nahm ihm die Klinke aus der Hand, schob die Tür leise auf und schloß sie dann hinter sich. Aber ein kleines Geräusch war trotz ihrer Vorsicht dabei doch entstanden, und der Kranke bdlvegt« sich im Bette. Sie stand ganz still, kaum daß sie atmete, damit er nicht erwachte; sie wagte sogar erst nach einer Weile nach ihm hinzusehen. Er lag wie der ruhig und schlief, aber sein Atem ging schwer und röchelnd, und auf dem blassen, blei- farbenen und verfallenen Gesichte lag eine un. sagbare Bindigkeit. — Dann ging ihr Blick durch das Zimmer. Ter ein« Flügel des Fensters, vor das die weißen Gardinen gezogen waren, stand ein klein wenig offen, und auf den, üSasch. tische in einein Wasscrglase standen Blumen — Kornblumen, Klatschrosen, Enzian und Hahnen- sporrr — die Blumen der Üeinen Lily. Auf dem Tische war ein Glas mit Limonade und die Medizin, daneben ein tiefer Teller, und darin schwammen im Wasser kleine Eisstückchen. Das Fräulein legte nun auch ihre weißen Rosen auf den Tisch. Dann wollte sie sich setzen. Aber der eine Stuhl stand knapp vor dem Tische, und sie fürchtete Geräusch zu machen, wenn sie ihn »vegrückte. Sv ging sie leise zu seinen, Bett, an dessen Fußende der zuwitc Stuhl stand, und ließ sich dort nieder. Eine arge Hilflosigkeit kam über sie — ein Gefühl von Unsicherheit und Verlegenheit, das ihr mit voller Deutlichkeit wieder zum Bewußt sein brachte, daß sie mit diesem Schritt zu ihn, über die Grenze dessen hinausgegangen war, n>as sic ihm in Wirklichkeit zu geben hatte. Still saß sie da, vor sich den armen Kranken, für den sie doch nnr ein uncudlick)es Mitleid und eine herzliche Freundlichkeit empfand, und von dein sie nun seit gestern wußte, daß er sie liebte. Seine Hände lagen auf der Decke, und manchmal zuckten sie listig und seltsam. Es ging dann ein plötzliches Zittern durch die langen urrd ein wenig platten Finger, als ob sie etwas erhaschen, nach etwas greifen Nwllten — gleich darauf aber lagen sic wieder müde und bleiern, wie tot, auf dem weißen Leinen. Lange blickte sie auf diese blassen Hände, ihr Auge haftete an ihnen, und doch ging ihr Blick iveit über sie hinaus. Ihre Gedanken aber schritten sinnend di« Wege, die sie heute schon einnral gegangen waren — als der Hofrat von dem Zustande des Kranken gesprochen batte. Aber was sie früher impulsiv und getrieben von einem plötzlickum Drange durchjagt hatte, das zog nun langsam und still an ihr vorüber. Als sic heute morgen die erste Nachricht von dem bösen Rückfall des Kranken bekommen hatte das Stubenmädchen l^ttte ihr erzählt, daß der Hofrat schon m aller Frühe geweckt und zu den, Doktor Cornelius geholt worden sei — da war ihr erster Gedanke bei der Unterredung mit ihm vom verflossenen Tage gewesen. Im ersten Augenblicke war es wie eine überwältigende Angst über sie gekommen, und sie wollte hinüber in das Zimmer der Baronin, um sich mit ihr aus- zusprechcn. Dann aber fand sic ihre Fassung wieder und suchte geordnet alles zu überdenken. Was war denn geschel>en? Traf sie eine Schuld? Konnte sie dafür? Nein! Und doch halbe sie ein Gefühl von Schuld. Wie, wenn sie ihn gestern abend nicht so abgewiescu hätte? Ob der Anfall dann wohl mich gekommen wäre? Wie eine Auflage kam ihr der Gedanke vor, und ihr Ivar, als ob sie (ich verteidigen müßte gegen ihn. Ja, hatte sie denn anders handeln können?! Sie hatte ja gefühlt» lvas in ihm vorging — sckwn den ganzen Nackxmittag, als sie noch mit den beiden Schwestern und der Baronin auf der Terrasse saßen. Und daun, als sie gingen, da l^atte sic alles getan, um zu vermeiden, daß der Abstand zwischen der Gruppe vor ihnen und ihnen selbst größer würde. Sie hatte förmlich vorgedrängt, als sie still neben ihm ging und Merkte, wie jede Minute, jeder Schmitt den Augen blick näher brachten, in dem er sprechen würde. Sie hätte ihn bitzter» mögen: gehen »vir schneller, und sagen Sie nichts von den», was Sie sagen »vollen! Und sie hatte d och von Anfang an gv- w-ußt, daß er sprechen würde, und daß sie ihm eben eine andere Antwort nicht» geben konnte. — Er war ihr ein lieber Freund — vielleicht nächst der Baronin der liebste überhaupt, s« schätzte sein ganzes Wesen — sie hatte großes Mitleid mit »hm, der durch eine freudlose Ver gangenheit gegangen war und einer armen Zu kunft cntgcgcnging, sic hätte alles tun können, um ihm zu belfer» — al»er sie liebte ihn nicht. Sie l-atte nicht ander? handeln können! (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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