Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.07.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19320713015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932071301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-07
- Tag 1932-07-13
-
Monat
1932-07
-
Jahr
1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.07.1932
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ir. i«r Ar. US SeNe S —»^Vr«dmr Nachricht«,- Sie S»«I» »es Reichsbanners kstiesleM «Mm« »er Regiernng een Anbali Lxsiem, 1». Juli. Wir da« GtaaiSmintsterium mitteilt, ist brr Ueberfall tn der Nacht ,um Sonntag, bet dem ein MeichSbannrrftthrer tödlich verletzt wurde, durch da» Reichsbanner planmässig vorbereitet worden. Die Ermittlungen haben ergeben, bah die Eiserne Front zu diesem Ziveck vorher bewaffnet worden ist. Das StaatSmtnifterium bat der StaatSanwaltlchast bereits die Anklage wegen LanbsrlebenSbruchrS ttbrrintttelt. Die Sicher, heit der Bevölkerung, beisst «S weiter, werde unter allen Umständen gewtthrlelstet; da» Ministerium sei gewillt, die Ruhe und Sicherheit wieberherzustellen, selbst unter Verhängung de« Belagerungszustandes. Steden Reichsbannerleute verhaftet Berlin, 12. Juli. Die blutige» Vorgänge am Sonntag, abend tn Ohlau, bet denen zwei Nationalsozialisten von NeichSbannerleuten ermordet und zahlreich« weitere verletzt wurden, haben eine Erregung in der Bevölkerung ansgelöst, die immer noch anhält. Die Ermittlungen der Polizei wer» den gegenwärtig gemeinsam von de» Ortöorgattc» zusammen mit Mitgliedern der Breslauer politischen Polizei und der Staatsanwaltschaft geführt. Bisher sind siebe» Personen verhaftet worben, wie die Polizei mittetlt, besinden sich unter ihnen di« Führer des Ohlauer Reichsbanners. Siegen den schwerverletzten sozialdemokratischen Stndtrat Mancke Ist ein Haftbefehl erlassen worden. Weiter besinden sich unter den Berhasteten der Landarbettersekrelär Strn- lik, der sozialdemokratische Stadtrat K a «t n e r und der StetchSbannerslihrcr Dorn ich. Die verhafteten sollen von einem Schnellgericht abgeurtetlt werden. au» den vollständig verdunkelten Häusern beschossen. Mit groben Gchetnwerkerlampen wurden die Häuser abgeleuchtet und aus jeden geschossen, der sich trotz des Verbotes tn der FeusterbrUstung zeigte. In der Nacht zum Dienstag wurde tn dem Orte Stee den bet Limburg iLahn) ein GA.-Mann von einem politischen Gegner erstochen. Am Montagabend kam es in der Heilbronner Innenstadt zu schweren Zusammenstössen zwischen Kom munisten und SA.-Leuten. Die Nationalsozialisten wurden schwer bedrängt, so dab die Polizei ausgiebig vom Gummi- knttppel Gebrauch machen musite. Einzelne hcimkehrende SA.-Lcute wurden von politischen Gegnern überfallen und verprügelt. Nach einer Meldung aus Stuttgart wurde am Mon tagabend der INjährtge Nationalsozialist Weis; in Heiden- heim la. d. Brenzs von einem Kommunisten durch drei Messerstiche lebensgefährlich verletzt. Der Haupttäter, der Kommunist John, konnte später verhaktet werben. In Nürnberg wurde in der Nacht «tn von einem Mädchen begleiteter Nationalsozialist von acht Leuten ge- stellt und gezwungen, seine Uniform auszuziehen. Die un bekannten Täter entfernten sich mit der Uniform. Dav Mädchen flüchtete in ein tn der Nähe befindliches HauS, gegen das ein Schub abgegeben wurde. Der vreSlauer »Volksmacht", dem fozialbemokratifchen Organ, zufolge, hat sich die Kahl der Todesopfer von Ohlau Inzwischen auf vier erhöht. Die vier Ge töteten find sämtlich Nationalsozialisten. Zwei von ihnen haben so schwere Verletzungen, dab sie noch nicht identifi ziert werben konnten. Die Gaustthrung der SA. teilt mit, bas; immer noch einige Nationalsozialisten fehlen, die an den Vorgängen am Sonntag tn Ohlau be teiligt waren. Vevernngr«, 11. Juli. Zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten kam eS am Montag in Beverungen im Kreis Minden zu einer eineinhalbstltndigen Straften- schlacht, in deren verlaus ein Nationalsozialist au» Goden- selbe an der Weser einen Dolchstob tn den Unterleib er hielt. an besten Folgen er kur» darauf starb. Weitere drei Nationalsozialisten wurden durch Revolverschliste schwer ver- letzt. Auberdem wurden aus beiden Seiten zahlreiche Leicht- verletzte gezählt. Kemimmtft «er »em SchmllMt« vradtwolckuug unioror SarUuar SobrUtloltnug Berlin, 12. Juli. Dem Schnellrichter beim Berliner Polizeipräsidium wurde am Dienstag ein Kommunist vorge führt, der am letzten Sonnabend zum Lustgarten marschierenden Nationalsozialisten mehrmals „Hitler verrecke!" zugerufen hatte. Auf Grund dieser Zurufe war er von der Polizei festgenommen worden. Die Staats anwaltschaft erhob gegen ihn Anklage wegen groben Unfugs, und der Richter verurteilte den Kommunisten antragsgemäss »u einer Woche Hast. PMMe Kundgclmngcn ln DreSben Vranöfttftung als Kampfmittel Berlin, 12. Juli. Anhänger der KPD. versuchten auf alle erdenkliche Weise «ine grobe nationalsozlaltstische Kund gebung tn Hagen-Eilpe mit Dr. Goebbels als Red- ner zu stören. Schon während des Anmarsches zu der Ver sammlung kam es zu schweren Ausschreitungen. Stärkere Trupps von Kommunisten, die sich In der Umgebung des verlammlungSplaftes anshteltrn, schleuderten Steine ans Motorradsahrrr. rissen Radlahrer von den Nädern und miss- handelten einzelne SA.-Leute. Kur, vvr Beginn der Verfammlnng legten nach Fest stellungen der Hagener Polizei kommunistische Funk tionäre in den Wäldern, die das hügelige Gelände des BerfammlungSplastes umsäumen, an verschiedenen Stelle» grobe Brände au» Sie bet der herrschenden Dilrre schnell »m sich griffen. Mehrere Züge der Feuerwehr waren die ganze Nacht hin durch beschäftigt, um der Brände Herr zu werden. Die Ab sicht der Kommunisten, dl« nationalsozialistische Versamm lung auSzuräuchern, mlblang sedoch. Bel dem Abmarsch der SA.-Formationen, der ln geschlossenem Zöge unter polizei licher Sicherung vor sich ging, wurden von den Kommunisten Feuerübersälle auSgefiihrt. Aus den Häusern heraus wur den die SA. und die Polizei beschossen. Die Polizei er widerte da» Feuer. Hierbei wurden mehrere Personen ver letzt. Die UebersallkommandoS der Polizei gingen dann dazu über, die Häuser snstematisch abzusuchen. Im Zentrum der Stadt kam es zu neuen blutigen Zusammcnstüben. Ein Hagel von Flaschen, Glasscherben und Steinen wurdg aus den Häusern auf die durchmarschterrnde SA. herabgsworsen. Auch hierbei wurde wieder geschossen. Die Zahl der Ver, letzten beträgt 25. Wtttsche zulammenWe tm ganzen Reich Berlin, 12. Juli. Während es in der ReichShauptstadt am Dienstag verhältnismässig ruhig geblieben ist, kam es in den verschiedensten Teilen des Reiches wieder zu Zu sammenstössen zwischen politischen Gegnern. In Köln stiessen Polizei und Demonstranten zusam- men, die sich tn der Hauptsache aus Kommunisten zusam- mensetzten. Tie Poltzcibeamtcn wurden mit Steinen be worfen und auch beschossen. Ein Beamter erhielt einen Tchulterschuss. Mehrere Personen wurden verhaftet. In der Palanterstrasse in Köln »Sülz kam et» am TienStagabend abermals zu schweren Ruhestörungen, bet denen zwei Personen durch Schlisse der Polizei erheblich verletzt wurden. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde das Strassenpflaster ausgcrtssen und ausgeschlchtct. Mehrere UebersallkommandoS wurden bet ihrem Eintrejscn Werbeatend der Seutschnaftenalen Die Gruppe Strehlen der Deutschnattonalen VolkSpartci veranstaltete am DtenStag tn dem mit den alten deutschen Farben geschmückten Saale des Zvo- logtschcn Gartens einen Werbcabend, der trotz der Hoch- sommcrhitze einen sehr erfreulichen Besuch auswies. Der Letter des Abends, Oberlehrer Thomas, richtete tn seiner Begrüssungsansprache unter lebhaftem Beifall der zahlreich versammelten besondere Worte des Willkommens an den verdienten Vorsitzenden der Ortsgruppe Dresden, Schrift- steiler Enrt Gnratzsch, der den Hanptvortrag hielt, und dankte allen denen, die sich nm da» Zustandekommen de» Abends bemüht hatten. Die Deutschnattonalen könnten mit gutem Gewissen dem 11. Jnli entgegensetzen. ES gelte, dir Lauen auszurütteln. Wenn e» diesmal nicht gelinge, die schwarz, rote Mctzrtzeit z» brechen, würde unser Volk rettungslos verloren sein und tm Marxismus und Bolschewismus ver sinken. Schriftsteller Guratzsch betonte, dass die Dentschnatto- nalen sich bewusst ans den Boden de» Deutschen Reiche» stellten, das von Preussen tzer dnrch Bismarck ankaebant worden sei. Dieses Reich sei nicht infolge äusserer Mängel gestürzt worden, nicht weil der deutsche Arbeiter zurück gesetzt worden sei und keinen Anteil an den Kulturgütern gehabt hätte. Selbstverständlich habe daS BISmarck-Rcich auch äussere Mängel gehabt, aber e» sei sozial gewesen, weil e» seinen Bürgern Arbeit und Brot gegeben habe. Der Zusammenbruch de» Deutschen Reiches erfolgte, weil da» preussische Wesen, die Idee des Staate», der das Volk poli tisch tn eine Klammer der Disziplin einspannte, sich noch nicht genügend habe durchsetzen können. Der Sinn de» Umsturzes lei die Abschaffung dessen gewesen, was bi», marckisch und preussisch war. Der Sturz dteses Deutschen Reiches sei keine Notwendigkeit gewesen, sondern ein tra- aische» Verhängnis, da» von aussen her über unser deutsche» Volk tzcretngebrocheu sei. Jetzt stünden wir an der Wende, ob es möglich sei, da» deutsche Volk, da» sich bereit» im Zustande tzemmnnaSloser Auflösung befinde, noch einmal zu- fammenzusasscn. Die Mächte, die in den letzten 11 Jahren an der Spitze gestanden hätten, seien vaterlandSlo» und nicht geeignet, den Wiederaufstieg Deutschlands herbeizu- sübren. Den Deutschnattonalen fehle aber anch der Glaube, dass e» möglich und ratsam sei, einen Neubau de» Deut- schen Meiches unter Ausserachtlassung alle» dessen, wa» ge- wesen sei. zn errichten. Die Nationalsozialisten dächten ge- werkschgstltch. aber die Wirtschaft könne nur dnrch Freiheit gedeihen. ES bleibe allein übrig der Weg der Rück besinnung aufden B i » m a r ck - S t a a t. der sich al» fähig erwiesen habe, da» auScinandcrsallcnde deutsche Volk einig und stark zu machen. Den starken ZiistlmmnngSänsserungen folgte der Gesang de» Deutschlandliedes. Dankbar bearüsste musikalische und gesangliche Darbietungen de» FI-Li Orchester» unter Leitung von E. Finger nnd de» Freiwilligen Etzor» Hanns Kötzschke schufen den Rahmen für die Reden de» Abend». lkuiMbimg der Raiionalsvzialiiien Die Nationalsozialistische Deutsche Ar beiterpartei, Ortsgruppe Dresden, veranstaltete tm sehr gut besuchten ÄuSstellungSpalast eine Kundgebung gegen den Marxismus und seine Verleumdungen. Al» Redner war der preussische LandtagSabgeordnete Rudolf ZtlkenS au» Essen gewonnen worden, der, an der Spitze der SS. einmarschtcrend, von den Versammlungsteil nehmern stürmisch begrttsst wurde. Er erklärte, e» gehe in diesem Wahlkampf nur poch darum, wer die Begräbnis kosten für das verstorbene Snstem tragen solle. Die Macht ergreifung Hitlers sei unabwendbar geworden. Sie sei nur noch eine Frage der Zett, aber tm Prinzip schon entschieden. DaS gleiche gelte von der Entlassung der nationalsozialisti- scheu Gefangenen aus den Gefängnissen, tn deren leere Zellen man dann die Hochverräter stecken werbe. Der Red ner wandte sich scharf gegen den Vertrag von Lausanne. Er bezog sich auf die Worte Hitler», der Gegner werde nicht einmal drei Mark bekommen. Weil man im» den Krieg aufgezwnngcn habe, werde Deutschland keinen Pfennig bezahlen. ES sei eine bewusste Irreführung, wenn die So zialdemokraten, die Brüning nnd seine Notverordnungen toleriert hätten, behaupteten, Papen werde von den Ratio- nalsvzialistcn gestützt. Papen regiere ohne Parlament aus Grund de» vertrauen» de» Reichspräsidenten, der von den Sozialdemokraten mitgcwählt worden sei. Märe ein Natio nalsozialist Innenminister, so hätte er mit dem roten Ter ror schon längst aufgeräumt. Wäre Hitler Reichspräsident geworden, so gäbe es heute ein Kabinett der Arbeiter der Stirn nnd der Faust, aber kein Kabinett Papen. Die Nationalsozialisten würden tn ihren Notverordnungen da» Geld nicht bet den Kriegsbeschädigten holen, sondern dort, wo e» noch »u haben Ft. Unser stürmischem Beifall der Versammlung forderte er den Nücktrtt Papen» in dem Augenblick, in dem die Nationalsozialisten die Macht hätten. Die Kommunistische Partei bestehe heute nur noch ans Untermenschen, alle ehrlichen Arbeiter seien längst zn Hitler gekommen. Moskaus politische Fremdenlegion kämpfe tn allen Staaten lediglich für den panslawistischen neuen Im perialismus, den sie entlasten solle. Die Nationalsozialisten wollten keinen Bürgerkrieg, aber man solle ihnen nicht zu viel ziimiiten. Wenn der rote Terror nicht aufhöre, werde die NSDAP, zur Selbsthilfe schreiten. Die National sozialisten lehnten jede Koalitionsregierung ab. Sie wür den nicht einmal mit den Deutschnationalen eine Regie rung bilden. Anschliessend an die mit stürmischem Beifall ausgenommene Rebe ZilkcnS sang die Versammlung daS Deutschlandlied. I-UB das richtige 6ias / 8 vrMsn-kosttIg Mein Debüt auf dem Theater Von Lu-wtg Ful-a Ludwig Fulda wird am 1». Juli tN»2 sieb zig Jahre alt. Nicht von den ersten Schritten des Bühnenautor» soll hier die Rede sein. Ich will vielmehr erzählen, wie ich in meinen jungen Jahren als Darsteller aus die weltbcdcuten- den Bretter trat. Mir jedenfalls bedeuteten sie die Welt, seitdem ich al» Sind durch den Besuch des vaterslädtische» MusentempelS tn den ZauberkretS des holden dramatischen Schein» geraten war. Meine lebhafte Phantasie, durch den trockenen Schul unterricht gedrosselt und eingcschnürt, hier fand sie die er sehnte Gelegenheit, sich tn ein unbegrenztes Märchenreich zu flüchten, in dem sie Freiheit, Heimat und Souveränität genoss. Doch e» genügte ihr nicht lange, nur zu schauen und aufzunehmen, sic sprang sogleich zu nachctscrndcn Taten über. AuSgangSstation war selbstverständlich das Puppen theater,' bald aber wuchs ich mit meinen grösseren Zwecken über sie hinaus. Ich begründete in der Wohnung meiner Eltern mit rücksichtsloser Ausnutzung der eigentlich anderen, prosaischeren Bestimmungen dienenden Räume ein Theater unternehmen, für daS ich als meinen Regisseur rind ersten Darsteller mich selbst verpslichtete. Mein jüngerer Bruder und etliche Spielgefährten bildeten da» übrige Personal, ans dessen Qualität ich aber nicht übermässige» Gewicht legte. Denn je minderwertiger sic waren, desto mehr konnte ich, der ich sowohl die männlichen wie die weiblichen Hauptrollen mir vorbehielt, mich al» Prominenten hervortun. In der Auswahl der Stücke liess ich mich von meiner ausgesproche nen Vorliebe sür einen in meinen Augen gleichfalls pro minenten Autor leiten, und der war wieder Ich selbst. Wer mir daraus einen Strick drehen will, der möge gütigst be- denken, dass anch Shakespeare und Moltdre fast ausschliesslich ihre eigenen Dramen gespielt haben. Allerdings mangelte meiner Bühne ein nicht unwesentliches Element, das ihnen reichlich zu Gebote stand, nämlich da» Publikum. Da die Erwachsenen der engeren und weiteren Familie tn tbrem hartnäckigen Banausentum nicht einmal gegen sreien Ein tritt zn bewegen waren, meinen Vorstellungen Veiznwohnen, so fanden diese regelmässig vor leeren Bänken statt, wa» aber meinen künstlerischen Schwung nicht im mindesten be- einträchtigte. Später, nachdem ich in meiner nebensächlichen Laufbahn hlS Gomnasiast bi» zur Sekunda aufgerückt war, gelang e» mir endlich, auch vor leibhaftigen Zuschauern zn paradieren. ES gab tn kleineren nnd grösseren Gesellschaften Liebhaber- aussührungen, in denen ich dermassen mimisch glänzte, dass die Onkel und Tanten, die Vettern nnd Basen mir ein NberS andere Mal versicherten, ich sei zum Schauspieler geboren. Billige Vorschusslorbeeren, wie sie manch einen verführt haben, sich ans dem sicheren Hasen be» Dilettantismus ans die hohe See der Ocsfentltchkctt zu wagen, um tn meinem Beruf, zn dem er denn doch nicht ernstlich berufen war, zu scheitern. Eine noch stärkere Versuchung sollte mir bevorstchcn. Nach glücklich überstandenem Abitur schickte sich unsere Oberprima unter dem Kommando ihre» Ordinarius zu einer richtigen öffentlichen Ausführung an. für die der ge räumigste Festsaal der Stadt auSersehen war. Sie wurde auf da» sorgfältigste vorbereitet. Die Einstiidieriiug über nahm ehrenhalber der gefeierte Held de» Stadttheaterv, nnd die Proben wurden auf dem Speicher be» städtischen Archiv» zwischen allerlei altem Gerümpel abgebalten. Programm: Schiller» DemetrinSsragment nnd „Wallenstein» Lager". Während ich in Nummer ein» nur al» Komparse mttzii- wirkcu und den furchtbaren Lärm der Opposition im pol- »Ischen Reichstag stimmgewaltig zu verstärken hatte, war mir im „Lager' die wichtige Rolle be» Kapuziner» zu- gefallen. Nun denn, schon auf die Proben liessen die Verse daran» sich anwcnden: Und der Meist, der im ganzen tzorp» tut leben, Reisse! gewaltig wie kftinddweben Auch den uniersten Relier mit. So wa» von begeisterter Hingabe an die Sache, wie meine Wallensteinischen Mitschüler sie an den Tag legten, hab' ich nicht wieder erlebt. Nun aber erst da» festliche Ereignis selbst, vor der dicht gedrängten, vielhiindertköpsigen Menge de» weiten Audi- torlum», an» der die zahlreichen Honoratioren hervorstachen wie die Rosinen au» dem Kuchen. Ich habe da» Lasterleben auf keiner ständigen Bühne so bnntbewegt, so überzeugend lebensvoll verkörpert gesehen, wie damal» von unseren Pri- mauern. Und da» war kein Wunder. Denn die ohnehin bereit» auf höchster Höhe befindliche Stimmung be» Krieger- völkletn» wurde noch erheblich besenert durch ein Fässchen Bier, da» die Mnstel von vlasewih — ein bildhübscher Junge, der schon ohne Verkleidung fast wie ein Mädel au«- sah — freigebig auögeschänkt. Doch die Stimmung de» Publikum», ich muss e» be« aller Bescheidenheit wahrheits getreu berichten, brachte erst mein Kapuziner ans den Givsel- punkt. Nachdem ich. auf dem beinahe schon geleerten Bier- fas, postiert, meine schmetternde Strafpredigt beendigt hatte, brach ein minutenlanger Beifallssturm bei offener Szene au». Nur konnte Ich mich meines Triumphes nicht unein geschränkt erfreuen. Denn die Wallensteiner, die mich em pört hinauögetragen hatten, rissen mir dabei in allzu natür lich gespielter Erbitterung meinen mit Masttr angeklebten Bart so ungestüm ab. dass einige Hautfetzcn mttgingcn. Und so landete ich hinter den Kulissen mit einer Empfindung, die geteilt war zwischen Künstlerstolz und Wangenschmer». Al» ich hinterher zu dem sich anschliessenden Ball in Zivil erschien, wurde ich allgemein beglückwünscht nnd kom plimentiert. Mut. bass ich keine Anlage zum Mrössenwahn befass, ich wäre ihm sonst an diesem Abend unrettbar ver fallen. Denn wer fühlt die Schwere der Verantwortung, wenn er mit irreführendem Lob einem inngen Menschen den Kopf verdreht? Der gefeierte Held de» Stabttheater« aber legte mir väterlich die Hand aus die Schulter und sprach mit dem markigen Tonfall seine» edlen Bariton»: „Sie haben viel Talent; aber dennoch mvckit' ich Ihnen nicht raten, zum Theater zu gehen." Er musste e» wissen. Anch ohne den wohlgemeinten Mat dr» erfahrenen Manne» hätte ich keinen Augenblick daran gedacht, Schau spieler zu werden. Dazu war mein leidentchastlichcr Drang nach einer literarischen Zukunft von Kindheit an zu vor herrschend. Ich ging allo nicht zum Theater, sondern auf die Universität, um Germanistik und Philosophie zu studie ren. Einmal aber sollte ich trotzdem noch die Mime de» Jahrhundert» in die Schranken fordern. Im Heidelberger Stadttheater. da» bei bescheidenen Mitteln sehr achtbare Letstunarn bot. wurde eine Wohltätia- kettSvorstellung veranstaltet, deren besonderer Anreiz darin bestand, dass an Stelle der zukünstigen Darsteller Studenten und Prosessorentöchter auftraten. Einer von jenen Stu denten war, da der Ruhm meiner Kapuztnade irgendwie durchgesickert zu sein schien, ich. Wir spielten „Da» Gäns chen von Buchenan". einen damals beliebten, heute ver- gessenrn Einakter, und mir war die Molle de« Liebhaber« anvertraut, von der Handlung de» Stückchen» habe ich keine Ahnung mehr; ich weiss nur. dass ich ungemein forsch zn lein hatte nnd allen Hindernissen zum Trotz mir Herz und Hand de» Gänschen», da» von einer liebenswürdigen und un gewöhnlich intelligenten Professorentochter agiert wurde, mit unwiderstehlicher Gewalt eroberte. Wa» mir aber dabei im ponierte: ich wurde von einem Mitglied be» Stadttheater« regelrecht geschminkt. Auch «in kecke» Schnurrbärichen klebte er mir an. da» mir diesmal niemand abriss Der Erfolg blieb mir «reu; ich musste mich am Schluss unter der Schminke errötend, Hand in Hand mit meiner Schönen bet donnerndem Applaus der nachsichtigen Gemeinde wieder und wieder verneigen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)