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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.07.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19320713015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932071301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-07
- Tag 1932-07-13
-
Monat
1932-07
-
Jahr
1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.07.1932
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Xr. «S Sette 2 »Heeiökee Xache^chEeuE rmtti-ch, ir. r» i«r i SMM üb« bas Ergebnis von Lausanne Maebenalbs Rebe vor »em Lnterbaus hängen I ab. Berlin, 12. Juli. In -er „DAZ." veröffentlicht -er frühere NeichSbankprästdent Dr. Schacht zur Begründung seines Glückwunschtelegramms an den Reichskanzler von Papen anläßlich der Unterzeichnung des Laufanner Ab» kommen- einen Artikel über -a» Lausanner Ergebnis. Darin heißt «» u. a„ alle KrMk, -te an -em Lausanner Ab- kommen getroffen werde, sei berechtigt. Saum jemand könne -em Reichskanzler von Pape» die Anerkennung ver sagen, sehr viel erreicht zu haben. Die Kritik werde sich tmmer nur in der Richtung bewegen können, ob er mehr hätte erreichen können. Kein Wort der Kritik sei scharf genug dagegen, -ab tmmer noch kein französischer Verzicht auf Reparationen ausgesprochen worden sei. Bedauerlich auch, dab England sich wieder einmal zum Träger eines wirtschaftlich unsinnigen und moralisch ungerechtfertigten BermittlungSvorschlageS machte. SS sei die alt« englisch« Taktik, die jedenfalls eins für sich habe, -aß sie oft zum Er folg geführt habe. aufgeworfen seien, und er, Macdonald, habe ähnliche Er fahrungen in Lausanne gemacht. Man müsse versuchen, sie durch gegenseitige Unterstützung zu beseitigen, indem man die groben europäischen Nationen dazu bringe, tmmer mehr den Geist des V ö l ke rb u n d S sta t u t S in sich auf zunehmen. „Wir werden weiter arbeiten", so schloß Macdo- nald, „miteinander zusammenarbetten und unsere Hilfe in den Dienst des Friedens stellen. Die Arbeit hat eben erst angefangen. Die Abrüstung eröffnete neue Wege: sie mögen sehr breit setnl Ich bitte da» -au», mir und meinen Mtnisterkollegen die herzlichste Zustimmung zu geben." In der Aussprach« brachte LanSbnrq die Freude der Opposition zum Ausdruck, dab endlich «tu Abkommen zu stande gekommen sei. Er hoffe und glaube, daß da» grobe Volk der Vereinigten Staaten den Unterzeichnermächten bet der Durchführung helfen werde. Eine völlig« Bereinigung der Beziehungen zwischen Mitteleuropa und Frankreich werde aber niemals etntreten, solang« man nicht der schrecklichsten, jemals erhobenen Anklage ins Gesicht sehe, daß die deutsche Nation allein für den Krieg verantwortlich sein soll. — LanSbury fragte dann den Schatzkanzler, ob Vorschläge schwebten, England sofort ober während der ParlamentSferten »um Gold standard zurückzubringen. Hierauf antwortet Neville Chamberlain: Er zöger« nicht, sofort,« sage«, daß -I« von -«r BIZ. angenommene Entschließung keinen neue« Schritt seitens der englischen Regierungs politik darstell«. Bet -er englischen Regierung besteh« nicht die Absicht, jetzt oder in unmittelbarer Znkuust zu» Goldstandard zurückznkehre». Llov- Gr-rvr gab der Ueberzeugung Ausdruck, baß die Politik völli- ger Streichung in Lausanne hätte erzielt werden können, wenn die britische Regierung darauf bestanden hätte. Italien, Belgien und Deutschland hätten diese Politik unterstützt, und Frankreich hätte eS sich nicht leisten können, völlig isoliert dazustehen. Auch Lloyd George verlangte Aufklärung über daS sogenannte Gentleman-Ab komm en. Er betonte, daß dieses Abkommen nicht in dem Weißbuch über Lausanne enthalten sei. Lloyd Georg« be- hauptete, «in Abkommen dieser Art hätte seüerzeit während der letzten zwölf Monate abgeschlossen werden können. Slevtlltz ehambrrlain legte die Schuldenlage wie folgt dar: Wenn allgemeine Streichung erzielt werden kann, so streichen wir. Denn anderseits allgemeine Streichung nicht möglich ist, so müßen wir warten, was Amerika uns vorschlägt, bevor wir be schließen, wa» mir unseren Alliierten Vorschlägen können. «Lauter Beifall der Regierungsanhänger.» Alle Konferenz. Mächte waren der Ansicht, daß, nachdem sie sich dem amert- kanifchen Rat entsprechend untereinander geeinigt haben, Amerika es niemals ablehnen werde, «ine Rolle bet einer Weltregelung zu spielen, di« ihm zum Nutzen geraten wird. Die Lausanner Konferenz sei an die Wurzel de» Nebels sehr nahe hcrangekommen und hab« — allerdings vorbehalt, lick der Mitarbeit der Bereinigten Staaten in «tnem spateren Stadium — «inen großen Schritt vorwärt» zur Wiederherstellung beS Vertrauen» getan. Chamberlain, offensichtlich über die Red« Lloyd Georges sehr verärgert, wandte sich gegen die Behauptung Lloyd George«, baß eine allgemeine Streichung durchführbar gewesen wäre, wenn die britische Regierung daran fest- gehalten hätte. Als Chamberlain Lloyd George- Aeuherungen Über da» Gentleman-Abkommen zurückwte», forderte Lloyd George erneut die Veröffentlichung der betreffenden Papiere. Chamberlain antwortete hierauf: yJch hab« nicht -«« geringft«« Einwand g«g«n «in« Veröffentlichung -i«s«r Papiere, sallS -i« an»«,«« Negiernns«» ihr« Znftimmnng ««den. Die Lag« Englands ist vollkommen «tnfach. Da» sogenannte Gentleman-Abkommen ist lediglich «in Abkommen Uber etwas, was zwischen den Gläubtgernationen stattgesunden hat. Wenn Amerika an den Lausanner Erörterungen teil- genommen hätte, wäre das Gentleman-Abkommen unnötig aeivesen, weil bann an Ort und Stelle ein endgültige» Ergebnis hätte abgeschlossen werden können." Churchill kragte daraus die Regierung, ob di« Feststellung Chamber lains bedeute, daß die von Lloyd Georg« erwähnte« Echrist, stücke in nächster Zeit verösseutlicht würde«. Macdonald antwortete: »Wir Hab«» lein« Ein»«»» dun-eu dagegen." Die Leipziger Studenten protestieren Leipzig, 12. Juli. Am Montag sand im KyfshäuserhauS «ine Protestkundgebung der Leipziger Studentenschaft, ein berufen von deren Vorstand, statt, di« sich gegen die Ableh nung der neuen Stu-entenversassung richtet«. Der 1. Vor sitzende der Studentenschaft erhob Protest gegen di« Ableh nung der Verfassung und führte u. a. au», mit den alten liberalistischen Methoden müsse jetzt gründlich aufgeräumt werden. Bet der einstimmigen Ablehnung der Verfassung habe ber Senat kein Verständnis gezeigt. Da die Studenten- schäft da» Recht hab«, sich «ine Verfassung zu geben, werde man weiterkä'mpsen müssen, um der neuen Verfassung zum Siege zu verhelfen. Darauf ergriff ein Vertreter der Kor porationen das Wort und betonte, wenn Senat und Mini sterium ihren ablehnenden Standpunkt nicht änderten, könne es zu «tnem Konflikt kommen. Schließlich sprach noch der stellvertretende Vorsitzende de« Kreise» -, der erklärte, dab er zwar di« Vorgänge vom Mittwoch mißbillige, ab«r ver- stehen könne, daß die Studentenschaft einmal ausgeschrten hab«, da thr Wille mit Füßen getreten word«u sei. etaattorüsitentrnwabl tn Men vertagt I« Zukunft »ur »och zwei Minister i« Hessen. Darmstadt, 12. Juli. Amtlich wird mitgetetlt, daß die für Donnerstag vorgesehene Sitzung des Hessischen Land- tage», tn der ber Staatspräsident gewählt werben sollte, auf unbestimmte Zett verschoben worden ist. Ein neuer Termin wurde noch nicht anberanmt. — Wie die Telegraphen-Union hierzu erfährt, ist eine Einigung zwisch«« Zentrum «ub Nationalsozialist«, in ber Hauptsache zustande gekommen, doch hat man offen bar au» taktischen Gründen die Wahl des Staatspräsidenten bi» nach den RetchStagSwahlen am 81. Juli zu- rückstellen wollen. Man nimmt an, daß sich nach den Reichs- tagSwahlen wieder ein anderes Bild ergibt und eine noch malige Besprechung zwischen Zentrum und Natlonalsozta- listen notwendig macht. Im großen und ganzen dürfte aller- dings an den bisherigen Vereinbarungen festgcljalten wer ben, die darauf yinauSlanfen, den Posten des Finanz- Minister» einem ZentrumSmann zu übertragen, ber zugleich da» Justizministerium übernimmt, für da» Amt de» Staatspräsidenten, der künftig auch da» Innenministerium und da» KultuSministe- rtum mitverwalten wird, dürste LandtagSpräsident Prof. Werner xon der NSDAP, tn Frage kommen. Schwere Schlägerei im Wttmarer etabtvarlmnent WiSmar, 12. Juli. In der Stadtverordnetenversamm lung warf heute tn einer Debatte über die Errichtung von Tankstellen der nationalsozialistische Stadtverordnete Stet »satt dem ber Sozialdemokratischen Partei an- gehörenden Bürgermeister vor, er habe die Aufstellung von Tankstellen für deutscha» Benzin zu verhln-eru getrachtet. Hierauf drängten sich di« Sozialdemokraten um den Redner und nahmen «ine drohende Haltung gegen ihn ein. Al» dann der Stadtverordnete Stein« mau» tSoz-j dem Redner «in« beleidigende Aeußeruna zurief, wurde er von Steinfatt in» Gesicht geschlagen. Da» war da» Zeichen zu einer allgemeinen Prügelei. Tische und Stühle wurden al» Schlagwasscn benutz» «v »aß die Polizei herbeigerufen werden mußte, die die 'Ruhe wieder herstellte. Di« Tribünen wurde« g«räumt und die Sitzung auf un bestimmt« Zeit vertagt, Di«f« Taktik w«rd« i« vorliegenden Fall nur -au« »um Erfolg führen, wenn die drei Milliarde» Obligationen niemals beg«be» würden. Wolle man «ine wirklich« Gesundung ber Welt, so werde man in absehbarer Zeit Len Verzicht auf ->e Begebung der Obligationen aussprechen müssen. Die ReichSbank werde auch tn Zukunft vor den schrversten Ausgaben stehen. Sin Wesentliches aber set tn Lausanne erreicht, die Ausmerzung de» politischen Druckes auf die Wirtschaft und ans die Währung. Die ReichSbank stehe wieder al» sreler und gleichberechtigter Partner unter den übrigen Notenbanken da. In der öffentlichen Diskussion gehe man nur zu leicht über die vorhandenen Bindungen hinweg. Die Aushebung der ranktionSklausel i« Haager Prvtvkvll »uh aller sonstigen politischen Bindung«» sei «tu Verdienst, welches man -er deutschen Delegation hoch «»rechne» müsse. Der Kampf mit politischen Druckmitteln set beendet. Der Kampf der wirtschaftlichen Vernunft beginne. Mit Freimut und Würde hab« -er Reichskanzler unser« politischen For- derungen unmittelbar nach Abschluß der Lausanner Ber. Handlungen vor aller Welt neu angemeldet. Dieser Kampf müsse mit unverminderter und nationaler Energie weiter- geführt werden und werde genau so zum Ziel führen, wie der wirtschaftlich« Kampf, -er jetzt, vom politischen Druck be- srett, neu etnsehe. Wer je geglaubt habe, dab un» von -er Lausanner oder irgendeiner anderen Konferenz nun da» Glück auf Generationen in -en Schob gelegt würde, habe sich geirrt. Daß nicht mehr hab« erreicht werden können, komme daher, -aß di« ganze Lausanner Konferenz unter dem Druck -er Vorbereitungen -e» vorhergehenden Kabinett gelegen habe. Di« Vorbereitungen feie« nicht au» dem Geist de» Kämvseu», sonder« aus dem d«S Dulden» geboreu gewesen. Würde die Lausanner Konferenz nach den ReichStagSwahleu zusammengeireteu sei«, sa würde ber national« Lebenswille Deutschland» in ganz anderer «inbrnckSvollerer Weis« »nser« Delegation haben schützen können. Gan, einerlei, welche» Schicksal Lausanne im Deutschen Reichstag erfahren werbe, keine zukünftige Verhandlung könne hinter Lansann« zurück führe», e» könne nur »orwärts gehe». hebt. EmA Ludwig freilich «II durchaus nicht multivlt- »iert werben» ihn zieht «» mehr zum System von Moskau. An diesem gefällt ihm vor allem da» Recht ber Geburten regelung. Auf die vehauptnng, baß ihm -er MalthusiantS- mu» tu Italien besser angebracht schein« al» irgendwo, wird Mussoltnt plötzlich böse «nd sagt doppelt so schnell nnb m ent schiedenem Ton: „MalthnSt Das ist ökonomisch et« Irrtum und moralisch «in verbrechen. Die Verminderung »ervolk». zahl brinat das Elend mit sich." Er beweist diese Theorie an Hand geschichtlicher vergleiche. Und wie dann Emil Ludwig tzine Ansichten über die Frauenfrage ««»breitet, kommt Mussolini völlig tn Harnisch «nd schneidet die Debatte ah mit der Bemerkung: „Die Fra« hat passiv zu sei» ... Na- türlich soll sie keine Sklavin sein, aber wenn ich ihnen da» Stimmrecht gäbe, würden sie mich auSlachen." Die außenpolitisch« Denkweise be» italienischen Regierungschef» kommt deutlich zum Ausdruck in seiner Einschätzung ber verschiedenen Nationen, di« ihm Emil Lud wig der Reihe nach vorführt. Die Franzosen sind mit einigen Worten treffend gezeichnet: auf der individuellen Bast» klein, auf der nationalen grob. Die Engländer will er nicht als bi« „modernen Römer" gelte« lassen, aber «r bescheinigt ihnen einig« Eigenschaften der alten Römer: Emvtrt-mu», Zähigkeit, Geduld. Di« amerikanisch, Ent- Wicklung ist ihm ein Beispiel, wie der Kapitalismus bi« Politik vertilgt. §Da» am höchsten kapitalistisch« Sand ist da» «npvlttischste in der Welt. All« vier Fahr« regen fl« sich etnmal auf beim wählen, ob mehr »der wrniar, ge- trunken wirb und dergleichen, und dann drahtet der je- schlage«! Kandidat dem erwählten Präsidenten letneis Glück- wünsch. Das ist, vielleicht kuii- Pia?, aber kein Kampf." Freilich, metnt Mussolini, ist die Politik heute viel kom- pikiert» als früher, «ber ter KavitattSmu» hat da» polt- tische Interesse aufgesressenr all« Welt interessiert sich nur noch für Gel-sragen, für dt« eigene« und sür di« ber anderen. Die Leute «ollen heute nicht regieren, sie wollen regier« «erben «nd ihre Ruhe Haven. Ueber Deutschland und die D««tschen befragt, rr- kennt Mussolini mit Bewunderung die Leistungen unsere» Volke» tn der vor. nnb Nachkriegszeit an, aber gerade hier wirb da« Gespräch durch Emil Ludwig» Führung so ver- zerrt, baß der wahre Mussolini nicht zur Geltung kommt. Nationalbeutsche Besucher Haden darüber schon viel aus- schlußreichrre Antworten bekommen. Nnb Emil Ludwig» eigene Ansichten Uber die Notwendigkeiten -er deutschen Politik interessieren un» wenig. Neber die kleinlichen Bo». Helten diese» «esprächSpartner» fühlt aber der Leser doch heraus: Mussolini rechnet in seiner Politik mit dem nativ- nalen Deutschland, nnb da» nationale Deutschland muß auch mit ihm rechne«. W, müssen noch die aus dem Kriege ttbriggeblieveu« Atmosphäre verscheuchen. Deutschland mutz «l» eine Nation mi» Selbstachtung betrachtet werden, «nd alS «in, Nativ«, die »m Rate ber Völker besragt werde« muß, deren Rat angenommen werde» muß, wenn er welse ist, oder abgelehnt, wenn er nicht weise ist, genau so wie «S bei jeder anderen Nation der Fall ist. Deutschland muß in den Rahmen der normalen Beziehungen zwischen den Völkern wieder eingefügt werbe«. Ich freue mich, sagen zu können, daß Lausanne uns näher an Frankreich, Frankreich näher «i- Teutichiand und Frankreich und Deutschland näher an u»S Engländer gebrach« hat." N'.ch gebe e» Mißverständnisse. Der englische Außen- ,,-^rhab« ersahrey, wie sehr delikate Fragen tn Genf ist dr. Größte." San» im Gegensatz z« der starre« Die»- setttgkett ber Lehre, au» ber er hervorgegangen ist, bekennt sich der gereifte Staatsmann auch zum Glauben an mystisch« Einflüsse aus da» Schicksal und die Lebensgestaltung. Er bekennt, dab er sich bet aller kaltblütiger Ucberleguna bet seinen Unternehmungen auch von Vorgefühlen leite« lasse. Er ist Fatalist, aber mit Einschränkung. „Niemand", meint er, „darf da» Schicksal zweimal herauSsordern." Und mit Anspielung aus die Gesahr, tn der er stündig schmebtr „UebrigenS stirbt seder den Tob, der seinem Charakter ent spricht." Aus ragender Höhe einsam geworden, ohne Freunde, neigt er, wie viele Staatenlenker, zu misanthropt- schen Betrachtungen: „Wenn ich die Menschen satt habe, so gehe ich auf» Meer. Am liebsten lebt« ich immer nur auf dem Meere! Kann ich da» nicht, so halte ick mich an-die Tiere. Ihr Seelenleben nähert sich dem beS Menschen, und doch wollen sie nicht» von ihm: Pferd, Hund und nament lich mein LicbltngStter: die Katze. Oder ich beobachte die wilden Tiere. Da sind noch elementare Kräfte der Statur!" Aber zum Regieren, heißt e» weiter, brauche man vü Proz. Humanität und nur 1 Prozent Verachtung, und was die Menschen brauchen, ist vor allem Mitleid. Am dcrntiigcndsten findet es Emil Ludwig, baß dieser Mann trotz seiner hoben ethischen Einschätzung de» Kriege» und der männlichen Tugenden, die er erzeugt — ,Ha sieht man den Menschen nackt in der Realität" —, doch nicht eigentlich kriegslüstern ist. Immer wieder über die Mög lichkeit einer italienischen Wasfcnerhebung besragt, wird Mussolini endlich ungeduldig und sagt: „Sie sehen überall Gespenster." Nicht Napoleon, der kriegerische Eroberer, schwebt ihm al» nachahmenswerte» Vorbild vor, sondern Cromwell» sraatSmänntiche Leistung: Macht de» Staate» und doch kein Krieg. Die Angst, die der italienische Im perialismus dem Frager einslößt, beschwichtigt Mussolini mit den Worten: „Die Tendenz zum Imperialismus ist eine der elementaren Kräfte der menschlichen Natur, eben als Wille zur Macht. Jetzt haben wir den Imperialismus des Dollar, ein andermal einen religiösen, einen künstle rischen. In jedem Fall sind e» Zeichen der menschlichen Lebenskraft. Solange einer lebt, ist er Imperialist. Wenn er tot ist, nicht mebr " Am Rand solcher Gespräche werden auch viele Pro bleme der saschi bischen Innenpolitik gestreift. Nach der gewonnenen Revolution betont Mussolini dabet den Willen zur ausbanendcn Konstruktion. Wa» er durch den Faschismus au» der Menge machen will, da» ist: ein kollckttveo Leben organisieren, gemeinsam leben, arbeiten und kämpsen, tn einer Hierarchie, ohne Herde. „Der Mensch verliert nichts dabei, glauben Sie nur: er wird multipli ziert." Das ist der Einwand, den Mussolini gegen die Klagen über die Knechtschaft de» faschistischen System» er- Vie «usiegum des SkntlkmawMtliumnS London, 12. Juli. Premierminister Macdonald gab beute nachmittag im llnteriiansc leine mit größter Spannung erwartete Erklärung über da» Ergedni» der Lausanner Kon ferenz ab. Han» und Tribünen waren dicht besetzt. In ber Dtplomarenloge war unter den zahlreichen ausländischen Missionschefs der deutsche Geschäftsträger, Gras Bernstorfs, anwesend. Als Macdonald um 3,15 Uhr das Unterhaus be trat, wurden ihm von seinen Anhängern stürmische, «iuntenlange Ovationen dargebrachr. Um 3.-5 Uhr erhob sich Macdonald und gab, von laueem Beifall der Regierungsanhänger begrübt, seine Er klärung ab, in -er «S u. a. beibt, er erhebe den Anspruch, dab die Lausanner Konferenz und ihre Ergebnisse zu einer Regelung jener ReparationSiragen führen können, deren Spuren in allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu finden sind, die die Welt teil dem Kriege beimgeiucht haben, die tn den Mittelpunkt Europa» ein Land gestellt haben, dessen Finanzlage eine Bedrohung für die ganze Welt ist, und die viel dazu beigctragen haben, jede nationale Wirtschast au» den Fugen zu bringen. Der Reichskanzler r Papen habe sich hartnäckig ge weigert, zuzugeben, daß Deutschland irgend etwa» mit den Kriegsschulden zu tun habe Al» ick ihm sagte: „Sir müssen wirklich ein Versprechen abgeben' antwortele Papen, baß er sich aus grundiaplichen Erwägungen berauc- unbedingt weigern müsse, eine Verauickung von Repara tionen und Kriegsschulden anzurrkennen. In Washington wiederum sei Europa gesagt worden, daß Amerika die Kriegsschulden nickt mit den Reparationen gleichikellen könne Glücklicherweise seien die amerikanischen Reden und andere Kundgebungen ber amerikanischen vssent- licken Meinune dabin gegangen: „Laßt Europa selbst über die Regelung eni'ckeiden. die es unter Berücksichtigung aller Umnande iur sick ield>: am geeignetsten hält. Labt Europa sklnr Ansichten kundgeben, und wir werden auf vernünfttger Grundlage die Rolle überlegen, die Amerika billigerweise üdiruehmen lann." — Macdonald ging sodann aus -»« Gerüchte über ein Gentleman-Abkomme« ein Bei Er-iinung der Vollsitzung ber Lausanner Konferenz hab- er am vergangenen Freitag tn Anwesenheit ber Presse diesen Beschluß mitgetetlt, den er aller- ding» nickt als Gentleman-Abkvuttncn bezeichnet habe. ES sei di« Antwort ans eine Frage deo deutschen Reichskanzler» gewesen, der gesragt habe, ob eine neue Konferenz «in» oerasen werd«, falls das Lausanner Abkommen scheitere. „Gewiß", habe er, Macdonald, geantwortet. Denn wa» wäre sonst ringelrelen? Man wäre wieder zum Noungplan zurückgelow.meo, und die ganze provisorische Maschinerie wäre in Stücke gefallen, weil die Grundlagen vernichtet gewesen wären. Ler Hauptinhalt de» Geotleman-AbkommenS sei ttm vergangenen Freitag össcnlltch mltgeteilt worden. Macdonald wandte sich gegen die Behauptungen, daß Europa sick einfach zusammengetan habe, um Amerika eine A ' - Ultimatum zu überreichen. Diese Behaup tungen norden wahrscheinlich üble Folgen haben. Er wolle e» daher vollkommen klar machen, baß in Lausanne ledig lich dl- inneren Schwierigkeiten Europa» tn Ordnung ge brach worbe, seien und baß man sich dort über Vorschläge geeii,ig- habe, die die dort vertretenen Nationen sür wichtig hielte, ,^kene Eo-opa", fuhr Macdonald fort, „seine wirtschaft lichen uno finanziellen Probleme lösen will, so mub e» die» auö m" den politischen Fragen tun, und die politischen Problem- hangen von der pollttschen Geistes verfassung W, müssen noch die aus dem Kriege übriagebliebeu« Atmosphäre verscheuchen. Deutschland mm Nation mit Selbstachtung betrachtet werd«
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