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A-en-'Aussabe ».Ach«»«». M.S« «ittwoch, 2«. Au« 1S32 Dre-den. Poltlchr-l.»w. >00» Die-dn, Nachdruck nur mU deuli.Ou«iienangab« IDreidn. Nachr.! «ulliiltg. Unverlangt« Echrlltstück« werden nicht ansbewahr» gernwrecher-Eammelnumtneri »Litt N« Ute «achtgriprLche: «r.»00tt Echriltleituna n. HauptgelchLIttstell«! «retde».«. t, «artenprad« L»/L> Iadn>, durch V°ftte,ug ».« Mk. etnlchliedlich »L Vt«. vostgebühr lohne Pasttustellungtgebühr, de« 7 mal wLchenlUchem Kerl»»», «lnielnummer 10 Vig. «njelgenpreile- Dl« elnlpalllge »o n>m breit« Lett« »L Big., lür outwLrtt t» VIg., dt« »o mm breit« S»eName»eti« roo Psg., außerhalb »LO Psg. »b». »ril«nablchlag lt. Larls. ksamillenanzeigen und Sleilengeiuche ohne Rabatt l» Psg., außer halb »» Via. Ollertengebahr »o Pi» «utwllrtig« «lulträg« gegen vorau»be«ahlung. Popen RelMommiffar in Preußen Braun, Severins, Grzesinski ihrer Aemter enthoben - Aebervanv der Bollzugsvewalt in Berlin und Brandenburg auf die Reichswehr - Todesstrafen für Koch- und Landesverrat, Gewalttätigkeiten und Aufruhr - Widerstand Brauns Dk. BkM «ritt MI SkMings Aelle Berlin, 20. Juli. Reichskanzler von Papen empfing Henle vormittag 10 Uhr die preußischen Minister Hirtflefer und Severing. Im verlaufe der Unterredung teilte der Reichskanzler mit, daß sich die Reichsregierung entschlossen habe, Reichskanzler von Papen zum Reichskommifsar für Preußen und Oberbürgermeister Dr. Vrächt (Essen) zum kommissarischen preußischen I nnenminlster und Leiter der Staats kanzlei zu ernennen. Verordnung über -en Reichskommifsar Berlin, 29. Juli. Verordnung des Reichspräsidenten detressend die Wiederherstellung der öfientlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des Landes Preuße» »om 29. Juli 1V82. Auf Grund des Artikel» 48 Abs. 1 und 2 der Reichs verfassung verordne ich zur Wiederherstellung der össent- lichen Sicherheit und Ordnung im Gebiete des Landes Preußen folgendes: 8 1 Für die Geltungsdauer dieser Verordnung wird der Reichskanzler zum Reichskommifsar für das Land Preußen bestellt. Er ist in dieser Eigenschaft ermächtigt, die Mitglieder des preußischen Staatsministeriums ihres Amtes zu entheben. Er ist weiter ermächtigt, selbst die Dienst ¬ geschäfte des preußischen Ministerpräsidenten zu über nehmen und andere Personen als Kommissare des Reiches mit der Führung der preußischen Ministerien zu betrauen. Dem Reichskanzler stehen alle Befugnisse des preußischen Ministerpräsidenten, den von ihm mit der Führung der preußischen Ministerien betrauten Per sonen innerhalb ihres Geschäftsbereiches alle Befug nisse der preußischen StaatSminister zu. Der Reichs kanzler und die von ihm mit der Führung der preußischen Ministerien betrauten Personen übe» dt« Befugnisse de- preußischen Staatsministerium» aus. 8 - Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Ver kündung in Kraft. Ausnahmezustand Wer Berlin und Brandenburg vrodtmolünng uuroror KorUuor SvbrUtloltnng Verordnung über -en Ausnahmezustand Berlin, 20. Juli. Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Neichsverfassung verordne ich zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß-Berlin und Provinz Brandenburg folgendes: 8 1. Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. ES sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungs äußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und BcrsammlungSrechtes, Eingriffe in das Brief-, Post-, Tele graphen- und FcrnsprechgcheimniS, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmungen sowie Be schränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig. 8 2. Mit der Bekanntmachung dieser Verordnung geht die vollziehende Gewalt aus den Reichswchrminister über, der sie aus Militärbesehlshaber übertragen kann. Zur Durchführung der zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen wird dem Inhaber der vollziehenden Gewalt die gesamte Schutzpolizei des bezeichneten Gebietes unmittelbar unterstellt. 8 ü. Wer den im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenen Anordnungen de» Reichswehrministers oder des Militärbefehlshabers zuwlderhanüelt oder zu solchen Zu widerhandlungen aussordert oder anreizt, wird, sofern nicht die bestehenden Gesetze eine höhere Strafe bestimmen mit Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 15 000 Reichsmark bestraft. Wer durch Zuwiderhandlung nach Absatz 1 eine gemeine Gesahr für Menschenleben herbeisithrt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter icchS Monaten und, wenn die Zuwiderhandlungen den Tod e>neS Menschen verursachen, mit dem Tode, bei mildernden Um ständen mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Daneben kann aus Vermögenseinziehung erkannt werde». Berlin, 20. Jutt. Eine wettere Notverordnung de» Relchsprüstdenlen ordnet den Ausnahmezustand sür Groß-Berlin und die Provinz Brandenburg an. Die so überraschen- gekommen« Bereinigung der Ber- häl'nlssc in Preußen hat ganz allgemein -aS größte Aus sen en erregt. Wenn man auch damit gerechnet hatte, daß die ReichSregteruna angesichts der intransigente» Haltung des geschästSsiihrenden preußischen Kabinetts um die Ein setzung eines Reichskommissars nicht herumkommen würde, so hat aber doch niemand vermutet, baß dies so schnell ge schehen wir-. Wie man jetzt erfährt, ist bei -em Besuch des NelchslnnenministerS und des Reichskanzlers beim Reichspräsidenten in Neudcck hinsichtlich -er Frage, wie man sich gegenüber Preußen verhalten solle, grundsätzlich dahin entschieden morden, daß die Einsetzung -es ReichSkommissarS kurzfristig erfolgen solle, wenn die preußische Regie rung in ihrem Kampfe gegen das RetchSkabinett und in der Ignorierung -es Ergebnisses -er Üandtagswahlen fort fahre. Diese entscheid«»« beS Reichspräsidenten ist bis 5«m heutige« Tag« geheimgehalte« worden. Die Geheimhaltung gelang vor allem auch deshalb, weil die amtlichen Stellen es vermieden, die Pressemeldungen, daß die Frage der Einsetzung eine» ReichSkommissarS in Ncudeck eine negative Beantwortung erfahren hätte, zu dementieren. Ein zweites kleines Meisterstück der Geheimhaltung wich- tiger Kabtnettöbeschlüsse war die am DtenStagnachmittag er- solgte Beschlußfassung, am Mlttwochvormittag bereits mit -en notwendigen energischen Schritten gegenüber Preußen zu beginnen, wenn, wie man annahm, -ie Unterredung mit -en Mitgliedern des amtierenden geschästSführenden preußt- schen Kabinetts doch zu keinem Ergebnis führen würde. Diese Unterredung, die heute vormittag 10 Uhr in der Reichskanzlei staltsand, nahm tatsächlich den erwarteten Ver lauf. Jnsbeson-ere der preußische Innenminister Severin« erklärte, daß er «ar nicht daran denke, von der bisher eingenommenen Halt««« abz«weichen. Severing erklärte sogar noch auS-rücklich, daß er sich -amit in vollkommener Uebereinsttmmung mit dem preußischen Ministerpräsidenten Braun und den übrigen Kabinetts- Mitgliedern befinde. Aus Grund dieser Erklärungen Severings war sür dt« NelchSregierung -ie Lage geklärt un- man schritt unverzüglich zur Veröffentlichung der bereits am DienStagnachmittag auSgearbeiteten Verordnung, die den Reichskanzler v. Pap en zum NeichSkommlssar für Preußen bestellt und den Essener Oberbürgermeister Dr. Bracht zu seinem Bevollmächtigten ernennt. Im Anschluß daran wurde auch sosort sür Berlin und Brandenburg der mili tärische Ausnahmezustand erklärt und -er Wehr- kreiskomman-eur von Berlin, Generalleutnant v. Rund ste d t »um Inhaber der vollziehenden Gehalt ernannt. Be reits um Kl Uhr erfolgte die Uebergabe der Geschäfte des Berliner Polizeipräsidenten an den bisherigen Elfen«» Polizeipräsidenten Melcher, «inen alten Polizeisachmann, womit der sozial-emokratische Polizeipräsident Grzesinski seine Tätigkeit «instellt«. Kurz nach Kl Uhr empslng -er Reichskanzler v. Papen die Vertreter der Länder, »m st« über tte Vvschlüste de» Kabinetts zu unterrichten. Zum Teil waren Beauftragte der NelchSregierung bereits am Dienstagabend in die Hauptstädte der Länder abgereist, um die Länderregierungen am Mittwochvormittag eingehend unterrichten zu können. An den amtlichen Stellen Berlins nimmt man an, daß die Aufrechterhaltung des militärischen Ausnahmezustandes sür Bcrlin-Bran-enburg sich nur aus kurze Zeit erstrecken werde und daß es vielleicht möglich lein werde, den militäri schen Ausnahmezustand schon nach kurzer Zett wieder außer Kraft sehen zu können. Wie ausdrücklich erklärt wird, soll dieser militärische Ausnahmezustan- keine weiter« Be einträchtigung der Wahlagitation mit sich bringen. Auch Vr. Weiß und SetmmmKero -iiMgMtea Berlin» 20. Juli. Wie wir erfahren, sind außer dem Polizeipräsidenten Grzesinski auch Vizepräsident Dr. Weiß und der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei, Oberst HetmannSberg, zurückgetreten. An Stelle von Oberst HeimannSberg ist Oberst Poten -um Kommandeur ernannt worden. Für den Poltzeivizepräsidentcn ist noch kein Nachfolger bestimmt. Bei der Uebergabe deS Amtes des Polizeipräsidenten an den kommissarischen Präsidenten Melcher war auch Generalleutnant v. Rundste dt im Polizeipräsidium anwesend. Wer zu einer gemeinen Gefahr oder Zuwiderhandlung fAbsatz 2s aussordert oder anreizt wird mit Zuchthaus, bet mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaien bestraft. 8 4. Die in den 88 81 fHochverratf, »VS lBrandstiftung), S11 sExplosionf, 812 sUeberschwemmungenf, 815, Absatz 2 sBe« schädigung von Eisenbahnanlagenf des StrasgesctzbuchcS mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraften Verbrechen sind mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie nach der Verkündung der Verordnung begangen sind, nntcr der gleichen Voraussetzung kann im Falle d«S 8 82 sLandesverratj des Strafgesetzbuches auf Todesstrafe erkannt werden: ebenso in den Fällen deS 8 125. Absatz 2 sRädelsslihrer und Gewalttätigkeiten bei Zu» sammenrottnngenf und 8 115. Absatz 2 fRädclSfübrer und Widerstand bei Aufruhrs, wenn der Täter den Widerstand, dir Gewalt oder Drohung mit Waffen oder im bewußten und gewollten Zusammentreffen mit Bewaffneten be» gangen hat. 8 5. Auf Ansuchen des Inhabers der vollziehenden Ge walt sind durch den NeichSmintster der Justiz außer ordentliche Gerichte zu bilden. Zur Zuständigkeit dieser Gerichte gehören außer den in 8 0 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. März 1921 iNcichSgesctzblatt Seite 371s aufgeftihrten Straftaten auch die Vergehen und Verbrechen nach 8 8 der vorliegenden Verordnung. 8 6. Diese Verordnung tritt mit der Verkündung in Kraft. Kabinetts«!» der abgelebten Minister Kelchtwebr im KreMiben Staattnttnisterliiin vraktmoläuug uuooror varlloor Sobrtttloltuug Berlin, 20. Juli. Unter dem Vorsitz Brauns traten gegen 11,30 Uhr die meisten Mitglieder des Preußen- kabinettS zu einer Sitzung zusammen, in der Braun er klärte, daß er freiwillig nicht aus seinem Amte gehe, sondern baß er nur der Gewalt weichen würbe. Ob der nun- mehr seines Postens als Ministerpräsident enthobene Herr Braun es tatsächlich dahin kommen lassen will, daß man ihn notgedrungen mit Gewalt aus dem nun nicht mehr von ihm zu verwaltenden Amte entfernt, erscheint zunächst einiger maßen zweifelhaft. Bereits um 4 Uhr nachmittags «erhe« offiziell «nb i« aller Form die Regiernn«S«eschäste in Preuße« von den Bevollmächtigte« des ReichSkommlfsarS «nb Reichs kanzlers ,»« Pape« übernommen werde«. Für 5 Uhr nachmittags ist eine Sitzung des RetchökaVinettS vorgesehen, an der sich die Mitglieder des RetchSkabinettS sowie die kür Preußen bestimmten neuen Männer beteiligen werden. Um 6 Uhr tritt dann da» RetchSkabinett nochmal» di» einer Sitzung zusammen, um die Ergebnisse des bis ¬ herigen Eingreifens in Preußen zu besprechen. In LtnkS- kreisen, wo man über die Entwicklung der Dinge geradezu bestürzt ist, vertritt man vielfach die Auffassung, daß die ihres Amte» enthobenen preußischen KablnettSmitglicdcr die Möglichkeit hätten, eine Anfechtung der vom Reich unternommenen Schritte beim Staatsgerichtshof vorzu nehmen. Man wird abwarten müllen ob ein derartiger Fall eintritt. Selbst wenn sich Braun und Severing dazu ent schließen sollten, so müssen sie sich von Anfang an darüber klar sein, daß der StaatSgerlchtShvs kaum besnat ist, Maß nahmen, die aus Grund des Artikels 48 der Neichsverfassung getroffen werden mußten, einer SpruchpraxiS zu unter- ziehen. Im übrigen wird man sich auch nicht darüber täuschen dürfen, baß mit dem fetzt gegen Preußen unter nommenen Schritt ein neuer Abschnitt der preußischen Ge schichte beginnt. DaS ReichSkabinett ist «an, offenbar gewillt, ein« Wiederkehr des DualtSumS zwischen Reich und Preußen, an dem die ganzen Neichsverhältnisie jahrelang krankt««, nicht mehr zuzulassen. Ein Stück Reichsreform wird, wie eS scheint, mit Maß nahmen eingeleitet, die auf dem Artikel 48 der ReichS- versassung beruhen. Daß eine sehr starke Abberufung von