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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.10.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141008016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914100801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914100801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-08
-
Monat
1914-10
-
Jahr
1914
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Verbündeten nicht gestattet. Acht könne ater qe- meldet werden, das; aus dem Lettland be trächtliche engl 1 sck> e Trnppen eingetroffen seien und sich in diesem Augenblick t« der Nähe der am «eisten bedrohten Punkte Velaieu» befinden. Tie Engländer führen Automobile mit Maschinengewehre«, ganze Züge Londoner Omnibnfie und Automobile mit Flngzengru mit sich. Sämtliche Transport- tahrzenge werden mechanisch getrieben, so Satz die Engländer sein mobil sind." Vie Schlacht an öer Msne. Rotterdam, 7. Oktober Der Pariser „Figaro" erklärt, wahrscheinlich offiziös inspiriert, datz die Schlacht in Frankreich sich wohl noch um 5 bis t> Tage hinziehen werde. Englischer Lchlachtdericht. Die ..Daily Mall" veröffentlicht eine Reihe inter essanter Einzelheiten über die Kämpfe aus dem lin ken französischen Flügel. Danach haben die Deutschen in den letzten Tagen ihre Front ständig in nordwestlicher Richtung ausgedehnt. Den Deutschen ist cs bisher immer geglückt, ihre Front mit der der Verbündeten auf gleicher Höhe zu halten. Am Sonnabend wäre der deutschen Armee bei nahe ein Durchbrucheversuchbci Albert geglückt. Starkes deutsches Artillerieseuer brachte die französische Infanterie in große Gefahr. Am Sonntag gewannen die deutschen Trup pen unstreitig Terrain und bis Mittag waren sie in ständigem Vorrücken begriffen. Ihr weiteres Vordringen konnte durch starkes andauerndes Artillerieschncllfeuer ausgehalten werden. Auch am Dienstag setzten die Deutschen ihre Angriffs- versuchc weiter fort. Während des Gefechts wurde die kleine Stadt Albert vollkommen durch Artillerieseuer zerstört. Die Bewohner haben in Amiens Schutz gesucht. Vie lästigen deutschen Flieger. Rotterdam, 7. Oktober. Die englischen Korre spondenten erklären das Ausbleiben des von ihnen angekündigten Sieges aus dem Umstande, das; die deutschen Flieger alle wichtigen Truppenbewegungen entdeckten, wodurch Ueber- raschungcn ausgeschlossen werden. DaS Bild de<' Lichlnchlfeldeo. Ein Korrespondent des „Daily Telegraph" in Frankfurt gibt eine Beschreibung des Schlacht feldes an der A i s n c. „Die meisten Leute", sagt er, „stellen sich ein Schlachtfeld vor, wie sie es auf Gemälden oder Photographien sehen. Wenn sie aus einer Anhöhe stehen und aus die Ebene nördlich der Aisnc blicken könnten, würden sic sehen, was wesentlich ist. Es ist eine Landschaft mir Wäldern, Dörfern und Gehöften, die brennen und rauchen. Die einzigen Mensche n, die man sieht, sind kleine Gruppen in der Nähe des Flusses. Nach einer Wcilc fangen dir Gruppen an. sich langsam nach vorwärts zu beweg-en. und sie breiten sich aus, bis die Männer über die Ebene zerstreut sind. Es scheint, als ob sic etwas suchlcn, das sie verloren haben. Sic gehen so langsam, als ob sie müde wären und mit der Zeit nicht zu rechnen brauchten. Aber dann erscheint dann und wann im Raum eine dünne, weisze Wolke und hängt über ihnen. Es ist ein Geräusch, wie von Myriaden von Flügeln in der Lust, und aus dem Grunde springen kleine Fontänen auf, so wie der Staub unter listigem Regenschauer nach langer Karte zur Minenverseuchung -er Nordsee durch England. Unter dem Vorwande, Maßregeln gegen deutsche Minen zu treffen, hat England, wie seine Admiralität amtlich mitteilt, im südlichen Teil der Nordsee ein System von Minenieldern in groszem Maszstabe ausgelegt. Dieses Verfahren Englands, die internationalen Gemässer der südlichen Nordsee durch Minen zu verseuchen, ist ein unerhörter Bruch des Völkerrechts. Dieses von der Angst vor deutschen Angriffen veranlasste Vorgehen schädigt Deutschland gar nicht, sondern nur die neutralen Staaten, in erster Linie Holland. Die deutschen Minen liegen nicht in den der internationalen Schiffahrt vorbchaltenen Gewässern, sondern nur an der englischen Küste. Trockenheit ausgewirbelt wird: Das ist des Feindes Schrapnell. Man sieht nicht, woher es kommt, aber der Feind hat die vorwärtsgehcndcn Truppen beobachtet. Die Männer setzen ruhig ihren Spaziergang fort, als ob nichts geschehen wäre, denn sic wissen, datz meistens das Schrapnellfeucr nickst so gefährlich ist, wie der Schall vermuten läszt. Jedoch geschieht cs bisweilen, dasz ein Mann stolpert und lie gen bleibt, wo er fällt. Er ist von einer dec vielen Kugeln getroffen, welche das Schrapnell um- yerstreut, wenn es in der Lust im richtigen Augen blick auseinandcrspringt. Gleichgültig gehen die Männer weiter, bis man einen neuen Klang hört, dec gleich einem scharfen, schnellen Klappern ist: das feindliche Maschinengewehr wirst vom linken Waldrandc einen Bleihagcl aus. Sofort werfen sich die Männer glatt auf den Boden, denn sie haben vor einem Maschinen gewehr mehr Respekt, als vor einer ganzen Batterie von Feldgeschützen. Das Klappern hört ebenso plötzlich auf, wie es anfing, und wenn man alsdann nach dem Walde blickt, kann man dort Flam m e n sehen, die den Eindruck roter Laternen zwischen den Bäumen machen. Unsere Kanonen beantworten das feindliche Feuer, und einige Minuten donnert cs durch die Luft. Unter dem Schutz dieses Feuers stehen die Männer wieder auf, aber leider nicht alle, und gehen schnell vor. Wie' dcrum hört man das Klappern, und wiederum fin den die Männer Sicherheit am Busen der Erde. So dauert es eine Stunde lang, bis plötzlich die Männer verschwinden, als ob der Grund sie ver schlungen hätte. Jetzt sieht man nichts mehr, als lange dunkle Linien guer durch die Ebene. Es sind die Laufgräben. Und jetzt sängt das Knattern der Gewehre an." Vie Englän-er unü ihr Hel-. Ein Londoner Brief der „Gazzctta del Popolo" berichtet, dasz die Engländer angesichts der kolossalen Gcldopfer, dir der Krieg ver langt, stutzig zu werden anfangen. Zu den kolossalen Aufwendungen für die im Felde stehende Armee kommen die Löhnung für die neu angeworbenen Rekruten, sodann die Pensionen für die Soldaten familien, endlich noch die Ausgaben für die Marine, die jene des Heeres noch übersteigen. Das Blatt erzählt weiter, dasz die c n g l i s ch c n Automobil werkstätten Tag und Nacht arbeiten, um nach den Plänen des belgischen Leutnants Henkarr für die verbündeten Heere eine gröszere Anzahl kleiner Panzerautomobilc herzustellen, die sich angeblich groszartig bewährt haben. Jedes Auto fasst vier Mann mit einem oder zwei Maschinen gewehren und hat fabelhafte Beweglichkeit, ver bunden mit unerhörter Widerstandskraft. Di: Wagen dienen nicht nur zur Rekognoszierung, sondern auch zu Streiszügen, um die Deutschen glauben zu machen, daß hinter den Autos gröszere Truppenmassen ständen. Alle englischen Fabriken arbeiten nach dem selben Modell, um den sofortigen Austausch etwa be schädigter Teile zu ermöglichen. Schwierigkeiten für Sie Russen in Suwalki. Gens, 7. Oktober. Der russische Eeneralstab gibt bekannt: L«c Grenzstationen der Eisenbahnen Ostpreußens seien mit Zügen übersät. Ter Feind Hube Ver stärk n n g c n a n S K öntgsberg erhalten nnd erbä te sie noch weiter. Leine b es est i gte Grenz position würde durch zahlreiche Belage rn n g 6 a rt i I l e r t c unterstützt. Kämpfe in -en Kolonien. utb. Berlin, 7. Oktober. Ans Tokio wird amtlich gemeldet: Eine Marine abteilung besetzte Jaluit, den Litz der Regierung Ser Marschallinscln, widerstandslos. Für die englischen Kaufleute wurde Sie Einfuhr srrigegeben. Tie Marinrverwtltung erklärt, die Landung sei eine rein «ilttärische Handlung ge wesen. Eine dauernde Besetzung sei nicht »eatftchttgt. 2« einer offiziellen Mitteilung des kritische« «olontalminfftertums heitzt eS : Ter Feind «nLer» nahm im Leptember zahlreiche Versuche, 1» Brt- ttsch-Vftafrika etnzudringen und die Uganda- Bahn ad, „schneiden. Alle versuche wurden zurückgewiesen. Rur eine Grenzstation wird von einer kleinen deutschen Abteilung gehalo ten. Tie normale Truppenbesayuug ist durch indische Truppen verstärkt worden. Ter Gouverneur v - n llkamernn meldet siegreiche Gefechte von Anfang Leptember gegen Engländer und Franzosen. 2« diesen Gefechten find Vie Oberleutnants von Noth- kirch und Milbrat sowie Bezirksamtmann Bausch gefallen. Tie zuständige Stelle nimmt an, datz diese Gefechte am Benne und am Erostflutz ftatt- fande». Bei der Meldung aus Tokio über die Marschall inscln (richtiger: Marshallinselns handelt es sich um die deut,ck-e Inselgruppe im Stillen Ozean im Osten der Karolinen. Die wichtigste der Inseln ist Jaluit mit dem Sitz der Verwaltung. Zuerst hatten sich die Firmen Deutsche Handels- uns Plantagengesellschaft und Robertson K. Herrnsheim niodergelassen. 1878 wurde nach dem Erscheinen des Kriegsschiffes „Ariadne" eine Kohlcnsration gegründet. Später wurde der „Nautilus" zur Besitznahme der Insel gruppe geschickt, und am 15. Oktober 1885 wurde in Jaluit die deutsche Flagge in Anwesenheit der ver sammelten Häuptlinge gehißt. 1888 kam es zur Bil dung der Ialuit-Gcsellsckxisr. die die Kosten der Ver waltung, für die ein kaiserlicher Kommissar berufen wurde, übernahm. Auf den Marschallinscln wohnen etwa 200 Europäer, mehr als die Hälfte sind Deutsche. Desestigungswerke gibt es aus Jaluit nicht. Nach dem Telegramm aus Kamerun wird an zuständiger Stelle angenommen, daß Engländer und Franzosen an den beiden möglichen Einbruchsstellen der algerischen Grenze in unsere Kolonie Kamerun Vorstötze versucht Haven. Es sind dies der Eintritt des Benue und des Crofz-Flusses in nigerisches Ge biet. Die Namen der für das Vaterland Gefallenen lasten vermuten, dasz im Norden von Gar.ua die 7. Kompanie unter ihrem Führer Hauptmann Frei herrn v. Crailsheim einen Angriff der wahrscheinlich von Pola und Mongono gemeinschaftlich vorrückenden Engländer und Franzosen abgewiescn hat. Bei dieser Kompanie standen die Obersten v. Rothkirch uns Milbrat sowie Sergeant Jost. Bezirksamtmann Rausch verwaltete den Bezirk Dschang. Er lvar erst im vorigen Jahre als Haupt mann aus der Schutztruppe ausgeschieden und zur Verwaltung übergrtreten. Dschang liegt etwas süd lich des Crofz-Flusses. Rausch wird sich mit seiner Polizeitruppe den Engländern, die wohl den Crofz- Flusz herausmarschierten, entgeg-cngeworfen und dabei mit Zollamtsoorsteher Glock und dem Landmesser Lyhne in siegreichem Gefecht den Heldentod gefunden haben. Zu -en Kämpfen bei Tsingtau. k-> Berlin, 7. Oktober. (Eig. Drahtin) Erster Offizier des deutschen Kanonenbootes „Jaguar" ist, wie das „B. T." mitteilt, der Kapstänleutnant Matthias, ein Sohn des bekannten Geheimen Oberregierungsrates Matthias. Es war ihm ge lungen, noch unmittelbar ehe die Japaner und Eng länder die Blockade wirksam durchführten, mit dem „Jaguar" nach Kiautschou zu gelangen. Der Kommandant des Kanonenbootes, Korvetten kapitän Lüring, hat anscheinend einen anderen Kainpfposten auf dem belagerten deutschen Gebiet übernommen. Der Eindruck der Heldentat vor Tsingtau in Oesterreich. Wien, 7. Oktober. Die Blätter verzeichnen mit stolzer Genugtuung die Meldung von der heldenmütigen, unter Beistand des Kreuzers „Kaiserin Elisabeth" erfolgten Abwehr des Än- Zu Gup -e Cassagnacs To-. Pariser Erlebnisse ans den Tagen vor dem Krieg. Von unserem Mttarlieirer Karl Lahm. Vor dem Gegner, der tapfer siel, senkt sich die Fahne. — Guy de Cassagnac hatte Deutschland den Krieg erklärt. Ganz allein mit seinem Bruder Paul verfügte er die Ausweisung der Deuischen aus Paris, schon drei Wockze» bevor die offiziellen Feindselig keiten begannen Seine unter Ausschlusz der große ren Ocffcntlichkeil gedruckte „Autvritd" beschloß Re pressalien für die vom Leipziger Reichsgericht am Zeichner Hansi, alias Waltz, verübte „Barbarei". Und so traf mich aus heiterem Himmel eines Juli- morgens in meiner Pariser Schreibstube der Ukas, dasz ich als erstes deutsches Sühneopfer für Waltz Frankreich zu verlassen habe. Zwar kam mir der Ausweisungsbefehl zunächst etwas „gascognijch" vor, aber dann belehrte mich eine regelrechte Duellfordc- riing Guys, dasz er mir ernstlich zuleide wollte. Die strengste Diskretion, zu der der kitzlige französische Ehrenkoder verpflichtet, hört mit dem Tod eines der „Kombattanten" auf: ich ergreife die Feder und schildere, was ich früher ablehne» musste, diese Pa riser Erlebnisse, nicht um Guy de Cassagnac, der auf den lothringischen Schlachtfeldern, wir jetzt erst be kannt wird, ichon Ende August gesallcu ist, Böses nachzusagen, sondern weil sie die französischen Stim mungen in den Tagen vor dem Kriege, bis zu den höchsten Regierungskreiscn, in Helles Licht setzen. An besagtem Iulimorgen kam ein Leipziger Telephonanruf: die Verbindung war schlecht, so dasz ich nur verstehen tonnte, die Redaktion des „Leip ziger Tageblattes" wünsckzc eine Meinungs äußerung über einen „Autorilö" Artikel. Mein Sekretär hatte auf der Strotze eine Extra-Ausgabe ausruscn hören und nicht für nötig befunden, einen Sou dafür anzulegen: ich las schon die gewöhnliche Ausgabe des Blattes nicht, geschweige, was es „extra" fabrizierte. Datz ich damit Unrecht hatte, er sah ich aus der tragikomischen Miene, mit der mir dann mein Mitarbeiter die „Edition Sp> ciolc" über brachte. Da prangte ein „Offener Brief", der in zcntimeterhohcn Lettern meine Adresse und die eines Berliner Kollegen trug. Weil bie französische Regierung nicht ihre Pflicht getan und uns. die ge schworenen Feinde Frankreichs. zwischen zwei Gendarmen an die Grenze führen lietz, was schon längst geschehe» wäre, wenn die politischen Freunde der „Autoritd" am Ruder sätzen, erklärten die ver antwortliche» Direktoren des bonapartistischcn Blattes, datz sie unsere Ausweisung auf eigene Faust übernehmen wollten. Machten wir Spione uns nicht innerhalb zweimal 24 Stunden aus dem Staube, würden sic uns mit allen Mitteln, auch unerlaubten, „hinausstotzen". Wir sollten nicht versuchen, uns zu verstecken. Man würde uns überall auf- und zu Paaren treibe». Der Wortlaut dieser spaltenlangcn „Einladung" war keinem klassischen Vokabularium entnommen, weshalb ich ihn nicht aus dem Gedächt nis wicderzugebcn vermöchte. Es blieb mir somit nichts übrig, als nach fünf zehnjährigem Pariser Aufenthalt unverzüglich die Koffer zu packen. . . . Nur zwei Tage Frist! Das war hart. Ich hatte noch gerade einiges zu tu», wollte über eine Premiere in der Comödic Franeaisc schreibe» und Sonntag im Oisctal spaziere» gehe». Doch die Herren de Cassagnac hatte» es eilig mit uns. Zwar lasen sie gcwig nie eine» einzigen un serer Artikel, schon weil sie kein Deutsch verstanden. Was wir ausspioniertcn, hätten sie wohl auch nicht zu sagen vermocht. Aber ein Prcutze ist immer ei» Spion. Warum hatte» sie indes de» Berliner Kollege» und mich unter den deutschen Zeitungsvertrcter» in Paris ausgesucht? Warum diese besondere Ranküne gegen uns? Einige Wochen zuvor spielte Sarah Bernhardt ei» dramatisches Erstlingswerk, für das G. und P. de Cassagnac als Autoren zeichneten und das drei Aufführungen erlebte, deinnach, sagen wir, keinen Anklang gefunden hatte. Der Berliner Kol lege, der sich gleich mir den Kopf zerbrach, batte ein böses Referat aus dem Gewissen; ich hatte überhaupt nicht referiert. Vielleicht nahmen sie ihn aufs Kor», weil er schlecht geschrieben, und mich, weil ich nichts geschrieben hatte? Die Vermutung stellte sich als irrig heraus. Denn sorgenden Tages erweiterte» sie ihre Attacke, wollte» zugleich mit uns »och einen andern deutschen Schriftsteller verprügeln, den aber schon - sie wussten es nicht — seit Jahresfrist der grüne Rasen deckte. Wer sie über die deutsche Presse informierte, wird sie ein wenig zum besten gehalten haben; denn sonst hätten sic, Dreißigjährige, nicht auch dem Berliner Kollegen, der 85 Lenze zählte (!), ihre Zengen zu einem Wafsengange gesandt. Eine ernstere Auffassung der ganzen Sache be reitete mir der Telcphonruf eines befreundeten fran zösischen Politikers, der mich um eine sofortige Unter redung bat. Er sah eine dauernde Kampagne vor aus, da die chauvinistische Presse über die Ver urteilung Hansis zu einem Jahr Gefängnis erbost war und den Drohungen der „Autoritö" ein großes Echo gab. Tatsächlich druckten „Figaro", „Tcmps?' usw. den Auswcisungsbesehl der Herren de Cassagnac ab; „Intransigeant" sagte, wer diese hervorragenden Publizisten kenne, wisse, datz sie nicht bei den Worten bleiben würden: sic sanden Lluch die Zustimmung vieler begeisterter Deutschenhasser, die gleich mit allen hunderttausend „Albochcs" in Paris aufräumcn wollten. Freiherr von Schön hatte die „Autorite" ge lesen und wollte nicht so schwarz sehen wie mein po litischer Freund. Nicht ganz abhold dem «rotzen diplomatischen Prinzip: „Nur keine Geschichten", er klärte er mir jovial, vorläufig nichts tun zu können. „Aber wenn die Herrschaften ihre Drohungen aus führen und zu Tätlichkeiten iibergel>cn sollten, dann werden sie einmal sehen!" Man hörte an dem grollenden Tone, datz hinter dem vorsichtigen Diplo maten doch noch der früher« Militär steckte. Mutzten die Drohungen erst ausgcsührt werden, ehe etwas ge- zchehen konnte? .... Ein Kompromitz fand seine Zustimmung: den Ministerpräsidenten durch Len, wie ihn, bekannt, einfluszreichen französischen Parlamen tarier wissen zu lassen, „der deutsche Botschafter würde cs begrützr», wenn die Pressekampagne zum Schweigen käme, bevor deutschen Untertanen etwas geschähe, um gewitz beiderseitig nicht gewünschte Zwisck-ensälle zu vermeiden." Ministerpräsident Viviani, der gleich seinem Untcrstaatssekretär auf dem Ministerium des Aus wärtigen Neuling war. sagte, wie immer geistreich und etwas geistesabwesend, meinem Freunde: „Du willst doch nicht, dasz die Regierung wegen der Cassagnacs marschiert? An solche Bedrohungen sind wir ja selbst von den Mahlen her gewöhnt. L. soll die „Autorit, " einfach nicht mehr lesen!" Indessen interessierte sich noch am gleichen Abend ein Kabi- ncttsches für meine Person und erklärte, datz infolge der öffentlichen Aufreizung eine Ueberwachung doch wohl am Platze sei, aber nur cintreten könne, wenn ich schriftlich darum ersuche. Ich antwortete dem sreundlichcn Herrn, datz der Polizei ja die Auf reizung bekannt sei, datz sic demnach tun könne, was sie für gut befinde, datz ich aber auf keinen Fall um Schutz durch Detektive einkommen würde, der meines Erachtens auch in noch gröszcrem Matze die Aufmerksamkeit auf mich lenken müsste. Eine Meng« unbekannter Leute begann mir das Haus ein- zulaufen, Bricfpakcte kamen, das Telephon raffelte ahne Ende — die Bri.der de Cassagnac, deren per- söirlickser Mrst ja autzer Frage stand,' hätten es viel leicht doch nicht für besonders ritterlich gehalten, einem einzelnen Gegner diese Menge von patrio tischen Hitzkövfen auf den Hals geladen zu haben — aber sie Haven das Angerichtete nicht übersehen können. Am 15. Juli kam die Ducllforderung. Herr Guy de Cassagnac, so hietz es, fühle sich durch meine Hal tung beleidigt und biete mir „als vorläufige Maß regel" einen Zweikampf an. . . . Worin bestand die Beleidigung? Höchstens in meinem Schweigen. Es sollte der Präzedenzfall geschaffen werden, datz je mand, der auf Beleidigungen nicht antwortet, Satis faktion geben mutz. Hatte ich überhaupt Zeugen zu „konstituieren"? Nach dem Pariser „Komment" un bedingt. Unser deutscher Prcffesenior war der An sicht. Ein italienischer Kollege warnte mich in letzter Stunde davor, mich ins Labyrinth des ..Procös ver bal" zu begeben. Das ausländische Preffekomitec orückte mir die freundschaftlichste Sympathie aus. Ein Advokat hätte mir umsonst ein nach dem fran zösischen Code gültiges Testament für »«ine Hinter bliebenen aufgesetzt. Ein befreundeter Habitus der Fechtsäle schwur, datz sich für ein so gefährliches Duell kein „directeur de combat" finden lassen werde. Die guten Leute schwammen in Tragödie. Mein politischer Freund aber telephonierte wieder, dies- ural frohlockend: „Ihr Gegner hat sich in «in Wespen- nest begeben. — Ihre Affäre ist erledigt!" Zur festgesetzten Stunde begaben sich der frühere Uitterstaatssckretär -er Handclsschiffahrt, Anatole de Monzie, einer der zukunftsreichsten jüngeren Depu tierten und Deutschenfreund, sowie Justin Godart, sozialistisch-radikaler Abgeordneter von Lyon, Vize präsident der Kammer, in einen Cercle, wo die Ab gesandten Cassagnacs zuerst erklärten, sie hätten nur den kategorischen Auftrag, zu erfrage», ob ich endlich Frankreich veilaffen werde. Als die beiden Parla mentarier antworteten, ich denke nicht daran, kam dann ein Protokoll zustande, ein echter französischer „Proec-s verbal", der keine der Parteien befriedigte. Immerhin wurde mein vorzeitiges Blutbad mit der blauen Tinte eines Pariser Cercle verhütet. Es muh gesagt werden, datz auch diese chauvi nistische Hetze von allen vernünftigen Elementen ge- mitzbilligt wurde. Hätten die ruhigeren Geister in Frankreich wie hier auch in der großen Auslands politik rechtzeitig die Oberhand gewinnen können, wäre wohl der Wcltbrand verhütet worden. Einigen Eindruck sollen die telephonischen Hinweise der Chef redakteure des „Matin" und „Gil-Dlas" in der „Autoritc" gemacht baben, datz es auch französische Korrespondenten in Berlin gäbe! Auch wurde verbürgt erzählt, datz aus Brüssel eine Weisung des „napoleonischen Hofes" gekommen wäre, die es der „Autorite" wünschenswert erscheinen lietz, ihre Attak- ken gegen die deutschen Pressevertreter mit der Aus- flucht einzustellen, der Caillaux-Prozetz müsse jetzt den Vorrang genießen. * * * Im Prozeß Caillaux, der am 17. Juli begann, wobei ich meiner Kriminalchronik oblag, bekam ich Guy de Cassagnac aus der Nähe zu sehen. Bei der Verkündung des Freispruchs stand er Seite an Seite mit mir, ein bitteres Lächeln auf den Lippen. „Mörder! Mörder!" schrien seine Freunde gegen den Exminister Caillaux. Draußen aber schrien schon Arbeiterscharen: „Nieder mit dem Krieg!" Der junge Bonapartist war gewiß ein prächtiger Kürassier leutnant: in der gleißenden Uniform und d«m Helm mit dem antiken Roßschwcis, gefährlich sichtbar im heutigen Feldkrieg, wird er voll großer Hoffnung gen Lothringen geritten sein. Denn er rühmte sich, vom Vater zwar gascognisches, von der Mutter aber lothringisches Blut geerbt zu haben. Er hat jeden falls wacker mitgeholfen, den Revanchcgedankcn auf zupeitschen und die verhaßte Republik in den Krieg zu stürzen. Da er gefallen ist, hat er jede Schuld be zahlt. Möge der zukünftige Friede beiden Völkern weitere solche „Gasconnaden" ersparen, denn di« journalistische Fehde, die zeigte, was sich die bona- partistischen Kämpen in der Aera Poincare erlauben durften, war als tragikomische Episode ein kleines Vorspiel der großen Ereignisse, die ihre Schatten vorauswarfen — drei Wochen nach der Kriegs erklärung Guy de Cassagnacs wurden wirklich alk Deutschen aus Frankreich ausgewlrsenl "
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