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vme 2. Nr. "198. Nveno-nastzsve. Hefecht bei Lü-eritzbucht. Lüderitzbncht, 29. September. (Meldung des Neuterfchen Bureaus.) Testern hat ein sehr leb« hastes Gefecht bei Liideritzbucht zwischen Engländern und Deutschen stattgesunden. Die Deutschen hatten fünf Tote und zwei Bei- mundete, die Engländer drei Tote, vier Ver wundete. Italien un- Albanien. * Nom, 20. September. (Lig. Drahtm.) „Italia" Zufolge ist der Vertreter Italiens bei der albanischen Kontrollkommission beauftragt worden, gegen die in Durazzo neugedildete Regierung den Einspruch Italiens zu erheben. Die ita lienischen Vertreter in Albanien sind angewiesen, den Schutz der Deutschen und Österreicher zu über nehmen. Zatsche Informationen italienischer blätter üurch öen Dreiverband. Das Wiener „Frembenblott" schreibt: Bekannt lich wurde in letzter Zeit von feindlicher Seite die Melcmng ausgesprengt, daß Deutschland unter Umständen die Neutralität der Schweiz zu verletzen beabsichtige. Von deut scher Seite ist diesen 2kaisstrcuungcn bereits ent« schieden entgegen getreten worden. Neuer dings enthalten besonders italienische Blätter von Ser Entente Informationen, die das Bestreben zeigen, mit den dem Deutschen Reiche hinsichtlich der Schweiz fälschlich znoeschriebenen Absichten auch Oesterresch-llnaarn in Verbindung zu bringen. Dem gegenüber wird auch nn maßgebender hiesiger Stelle autoritativ erklärt, das; die iraalicken Informationen jeder Grundlage entbehren. ve.warnung einer -leibundfelndllchen Zeitung in Julien. Mailand, 30. September. (Eig. Drahtb.) Wie „Unioue" meldet, wurde die Zeitung „Secolo" von der Negierung wegen ihrer letzten schweren Angriffe auf die Zugehörigkeit Italiens zum Dreibund ernstlich verwarnt. Dem Her ausgeber des Blattes wurden die amtlichen Nach richten (Inserate) der Mailänder Gerichtsbehörden entzogen. Eine Schweizer Stimme über üas deutsche heeressanitätsweserr. Bern, 3V. September. Der „Bund" bringt einen Arnkel über das deutsche Heeressanitäts- wescn, der die glänzende deutsche Orga nisation lobt und die Einzelbehandlung rüh mend hervorhebt. Prof. v. Oettingens Richt linien für die chirurgische Tätigkeit in der Front, Etappe und Heimat werden anerkennend besprockzen. Der Artikel schlicht: Wenn man noch erwähne, daß die deutschen Armeen auch gegenüber jeglicher Seuchengesahr (Typhus, Ruhr, Cholera und Pest) ganz vorzüglich gewappnet seien, so erhalte man den Eindruck einer rückhaltlosen, bis in die kleinste Einzelheit durchgcsührten Organisation, worin sich aber auch ein klein wenig Ncidgcfühl mische. „Ehrengabe für die Sesatzung des ll 9." Seiner besonderen Freude über die hervorragende Wassentar der Besatzung des Unterseebootes „(/ 9" gab der Chemnitzer Fabrikant William Jcnssen, ein geborener Schleswig-Holsteiner, so fort nach dem Bekanntwerden der Tat am 24. Sep tember, dadurch Ausdruck, dasz er zweitausend Mark zur freien Verteilung durch den Kapitän- lculnant Weddigen an die Besatzung stiftete. Aus Wilhelmshaven erhielt der Spender folgende Dank depesche : Für Glückwunsch und hochherzige Spende wärmsten Dank. Mit trcuo.'utjchcm Grütze, Wcddigen, Kapitänleutnant." Weiler zahlte ein alter Kre felder Bürger bei der Zweigstelle der Deutschen Bank in Krefeld 500 ein und forderte vermögende Mitbürger auf, so viel beizutragen, dasz jedem de: 23 Mann des „Li 9" eine Spende von 500 über reicht werden kann. Weitere Melkungen. Wie die „Wiener Allgemeine Zeitung" erfährt, trage die Erkrankung des Königs von Ru mänien k e i n c n b c d e n k l i ch e it Charak>ter und cs sei kein Anlatz zu Besorgnissen vorhanden. WM"! I.! Vie dunUert iLage. 5s Roman aus dem Jahre 1815 von M. von Witten. So bogen sie wortlos, aber wie auf Verab redung in eine Nebengasse ein. Endlich sagte Ulrich: „Noch einmal eilt Kamps auf Leben uud Tod!" „Tu glaubst —?" Er fuhr herum, und blickte sie fast drohend an. „Kannst du zweifeln?! — Solange er am Nudcr siebt, gibt es keinen Frieden. Kann es keinen geven. Hier gibt es für ihn wie für uns nur Sieg oder Untergang." Erdmuthe senkte fast beschämt das Haupt. Wie halte nur der Seyalten eines Zweifels sich in zhr Herz stehen wollen?! Das halten die verflossenen Jahre doch nur zn überzeugend be- wiesen: Solange ein Napoleon Bonaparte auf dem Throne Frankreichs las;, gab cs keine Frei, heil der Nationen! Uno wer das Joch nicht knechtisch tragen wollte, dem blieb keine andere Wahl als da-.- Schwert! Aber in den vergange nen Kriegsjahren hatte das berauschende Be- wusztseiu, den heißgeliebten Mann in einem hei ligen Kampf dahinzugcbcn, die Anast, ihn ver lieren zu können, nicht anskommcn lassen. Heut - eben in dics.'m Augenblick war diese Angst zum ersten Male an sie hcrangezittert. Und sie schalt sich darum klein. Aber schon beim nächsten Herzschlag hob sie wieder stolz das Hanpt. Wurde das Opfer, das ihr Fraucnberz bringen sollte, deshalb etwa geringer, weil sie seine ganze schwerwuchtendc Größe empfand?? (ZS konnte darum doch nur an Wert gewinnen. Doch gleichviel! Wie dem auch sei: Die Stunde sollte sie gerüstet finden. Otto und Toska hatten, ganz mit sich be. schäftigt, nichts von dem Zusainmenlanf der Leute wahrgenommen. Sic waren vor dem etwas außerhalb der Stadt gelegenen OklsthauS borge- sahren und hatten sich in das Zimmer begeben, worin sie ihre Gäste erwarten wollten, um von Leipziger Tageblatt. Der beginn Ser Seschießung von Antwerpen. Schon im frühen Mittelalter war die Stadt Ant werpen durch eine mächtig ragende Burg geschützt. Zu einer starken Festung wurde Antwerpen aber zu erst von Napoleon I. ausgebaut, und zwar als Trutz werk gegen England. Die Westseite der Stadt wär durch die Schelde gedeckt, durch deren Wasser im Not fälle ein breites Feld überschwemmt werden konnte; die anderen Seiten waren durch hohe Mauern und Bastionen geschützt. Eine weitere Ausdehnung und Umgestaltung erfuhren diese Bcfestigungswcrke seit 1859 durch den General Brialmont, der später auch die Festungen Lüttich und Namur anlcgte. Brialmont nahm von der bisherigen Methode der Feslungsanlogcn, dem besonders in Frankreich be liebten bastionierten Grundritz, Abstand und umgab die alte Festung mit eine: Anzahl Forts. Die vier eckige Umwallung Antwerpens blieb zunächst zwar erhalten; der Schutzwall wurde aber noch wesentlich verbessert durch acht auf 2,5 bis 4 Kilometer vor geschobene Forts. Seit 1877 wurde dec erste Fort gürtel durch einen zweiten, noch weiter ins Laitd hinausgeschobcnen, ergänzt. Weitere kleinere Ver besserungen folgten, so daß schließlich Antwerpen immer mehr zu einer Lagerfestung größten Stils aus gestaltet wurde, die der belgischen Armee als Stütze und Zufluchtsstätte dienen sollte. Seit 1904 war die Befestigung von Antwerpen in folge dieser verschiedenen Neuanlagen dreifach. Sie bestand 1. aus der eigentlichen Stadtbefesti- gung, einer Umwallung, die nach Vrialmonts Plänen in zwölf Fronten errichtet ist; 2. aus dem inneren Fortsgürtel (Fort Mcrxem im Norden, die Forts 1 bis 8 in weitem Bogen von Ost nach Süd bis ans rechte Scheldeufer, die Forts Crui- beke und Zwynorecht und die Deichlinie bis zum Fort St. Marie auf dem linken Scheldeufer); und 3. a u s dem äußeren Fortsgürtcl. Zu diesem ge hören: Fort Stccndocp (bis 1908 Fort Nupelmonde genannt) am linken Scheldeufer, das gegen Angriffe aus Südwcstcn schützen soll; den Süden und den Süd osten decken Fort Maelhem, Nedoute Chcmin de fer und Fort Licrre; den Norden und Nordosten decken Fort Schooten und Redoute Capellen. Weiter ist dem Fort St. Marie gegenüber an der unteren scheide das Fort St. Philippe angelegt worden. Beide lSt. Marie wurde entsprechend umgebaut) sind moderne Banzerturmforts mit 28- und 21-cm-Eeschützen gegen Panzerschiffe. Stromabwärts liegen noch einige kleinere Forts. Die nördlichen fünf Fronten der inneren Um wallung und das linke Urer der Schelde können zu Vertcidigungszwecken durch Ueberschwcmmung verstärkt werden, ebenso die Strecke zwischen Fort Stecndorp und Fort Waelhelm im äußeren Forts gürtel. Im Jahre 1901 wurde gegen Vrialmonts Wider spruch die Niederlcgung der alten Stadtumwallung durchgcführt. Es wurde dafür eine Verbindungs linie zwischen den einzelnen Forts des sog. inneren Fortsgürtels (For!s 1 bis 8) geschaffen und außer dem wurden im äußeren Fortsgürtel 18 neue Forts angelegt, die indes noch nicht alle vollendet sind. Die Ausdehnung des äußeren Fortsgürtels beträgt 88 Kilometer; das entspricht etwa der Entfernung von Leipzig bis Reichenbach i. V. In Kriegszeitcn ist die Festung Antwerpen einschließlich der Außenforts mit 3000 Geschützen bewehrt. das erneute französische vor gehen in üer Mria. Von Vizeadmiral z. D. Kirchhoff. (Mit Genehmigung des Reichsmarine amts zur Veröffentlichung zugclassen.) Die aus dem Süden Dalmatiens gekommenen Nachrichten, daß die französische Flott: sich in der Adria, und zwar wiederum am Eingang zur Bocche di Cattaro, einem zweiten Mißerfolg ausgesetzt habe, werden anscheinend bestätigt. Man versteht nicht recht, was die Franzosen mit ihrem zweiten Angriff auf die Befestigungen vor Cattaro eigentlich beabsichtigt haben. Um so mehr ist ihr Vorgehen unverständlich, als sic bereits vor Wochen dort ganz erfolglos ausgetreten sind. Daß es diesmal wiederum aus demselben Grunde ge schehen ist, um mit Taten der Flotte aufwarten zu können, wo die Lage zu Lande so wenig erfreulich ist, dürfte kaum anzunehmcn sein. Einen Fingerzeig für die Beurteilung ihres er neuten erfolglosen Vorgehens erhält man durch die vor kurzem eingetroffene Mitteilung, daß die Flotte hier aus gleich den angrenzenden Spcisesaal be treten zu können, in dem ein einfaches Mahl ge reicht werden sollte. Gleich hinter dem ihrigen waren die anderen Wagen vorgcfahren, die Gäste traten ein — auf Erlens wartete man vergebens. Endlich schlug Otto vor, zu Tisch zn gehen. Noch ahnte keiner etwas Arges. Wer vorn Wagen fenster aus etwas von der Menschenansammlung bemerkt, der hatte ihr weiter keine Bedeutung bcigelcgt oder geglaubt, sie damit, daß cs gerade Sonntag war oder in einer andern harmlosen Weise erklären zu müssen. Eben hatte mau sich niedergesetzt — die Suppe war gerade aufgetragcn —, da traten Ulrich uud Erdinuthe in den Saal. „Wißt ihr es schon, Napoleon ist aus Elba entflohen!" „Wie —? Was? Unmöglich!" Alles sprang von den Sitzen. Erlens wurden umringt. Ulrich mußte erzählen. Toska stand, die Hand aufs Herz gedrückt, totenbleich mit großen entsetzten Augen neben ihrem bekränzten Stuhl — allein. Erdmuthe sah es. Sie löste sich unbemerkt aus dem Kreis und ging zu ihr. Die tiefe, frauenhafte Güte, der Grundzug ihres Wesens, brach einer Blüte gleich in Erdmuthcns Herzen auf und leuchtete der Vereinsamten entgegen. „Toska —!" Die fremde Anrede „Madame" wollte nicht über ihre Lippen. Ihr Stimme zitterte unter der Gewalt ihres Gefühls. „Toska seien Sie stark! Was auch geschehen ist — was auch geschehen mag — «sie gehören zu Ihrem Mann! Vergessen Sie nie, rvas Sie heute gelobt! Wo du hingehst, da will auch ich yingehen! Dein Haus sei mein Haus — dein Vaterland sei auch mein Vaterland!" Sie hatte ihr beide Hände cntgegengestreckt. Und Toska, mit fortgerisfcn von der Macht innerster Ueber- zeugung, die ihr da entgegcnströmte, legte die ihren hinein. Wortlos. Mit kaum spürbarem Druck. „Gott — daß es gerade jetzt klommen muß! Gerade jetzt —! Gestern noch !" stammelte die junge Frau. „Soll das heißen, daß Sie gestern noch frei gewesen?" „Sie martern mich!" Fast heftig entzog sie Erdmuthen ihre Hände und legte sie an die Schläsen. „O, mein Kopf! Es ist alles so schwer für mich!" fügte sie dumpf mit ge schlossenen Augen hinzu. „Ich koinme hier in eine mir ganz fremde Welt." Ein Ausdruck trostloser Hilflosigkeit lag auf ihrem bleichen Gesicht. Erdmuthe stand erschüttert. „Toska, ich will zu Ihnen stehen! Lassen Sie uns Freunde sein! Und glauben Sic mir, wahre Liebe besiegt alles!" Mit glühendem Be schwören flüsterten es ihre Lippen: „Wahre Liebe ist stärker als selbst der Tod." Da schlug Toska die braunen, tränengcsüll- ten Augen auf. „Das ist auch meine Hoffnung!" Unwillkürlich, wie zum Gebet, rangen sich ihre Hände ineinander. „Möge Gott mich nur jetzt noch vor allzu schwerer Prüfung bewahren! * * * * Von nun an überstürzten sich die Nachrichten. Napoleon sollte schon in Grenoble, — er sollte schon in Lyon sein! Toska von Jäger ging wie im Fieber um- her. Mit tiefer Sorge betrachtete sie Otto. Bald entzog sie sich seinen Liebkosungen wie ein auf- geschrecktes Wild — in toller Flucht; — dann wieder fand er sie in starrer Apathie in irgend einem Winkel hockend und mit toten Augen ins Leere starrend. Und wieder ein andermal, als er mit liebevollem Borwurf an sie herangetreten war, da hatte sie sich mit so ungestümer Glut an seine Brust geworfen und ihn in solcher Todesangst umklammert, als laure da in einer Zimmerecke ein unsichtbarer Jemand, der ihr den Gatten entreißen wollte. To war der Abend des dritten Tages heran, gekommen. Das kleine Mahl, das sie heute wie gestern allein in dem Wohnzimmer eingenommen, das sie außer dem Schlafzimmer als vorläufige Unterkunft in einem hübschen alte» Haus« «- suuwo», 20. September ISI4. vorher im nahen montenegrinischen Anttvari schwere Artillerie mit Mannschaften ausgeschifst habe. Dies« sollte zur Armierung des Lootschen dienen, jenes die österreichischen Befestigungen von Cattaro über höhenden Berges, der nur 2 Kilometer davon ent« sernt liegt. Ein ausgesangenes Radiotelegramm habe die gleichzeitige Beschießung von dort aus an geordnet. Selbst unter der Annahme, daß die schweren fran zösischen Geschütze inzwischen in Stellung gebracht seien, fragt man doch unwillkürlich, wozu denn ein gleichzeitiger Angriff erwünscht oder gar erforderlich war und was dieser bezweckte. Sollten die etwa im Innern der verschiedenen Buchten liegenden öster reichischen Kriegsschiffe dadurch gezwungen werden, sich der stärkeren französischen Flotte draußen zur Schlacht zu stellen? Auch dieser Plan erscheint nicht recht ausführbar, denn die österreichischen Schiffe können in dem Binnengewässer Stellungen aufsuchcn, in denen sie weder vom Lootschen aus noch von einer in der Adria liegenden Flotte erfolgreich beschossen werden können. Wozu also dieses zwecklose Angreifen, das dies mal der französischen Flotte gleich beim ersten Heran dampfen, wie man hört, einen empfindlichen Ver lust eingetragen hat? Bl:ibt als Erklärung nur die Antwort übrig: sinnloser Bluff, plumper Vorwand, gänzliche Un klarheit über das eigentliche Mesen einer Flotte. Nur das Bestreben, endlich einmal wieder mit einer Art Betätigung aufwarten und die ärgerliche Erkenntnis, nichts Rechtes unternehmen zu können, werden dir Triebfedern zu dem zweiten aussichtslosen Vorgehen gerne en ein. Man denke ferner daran, daß der eng lische Admiral, der im Mittelmeer befehligte, nach Zcitungsmelduna.'n wegen seincr Untätigkeit ab- beru en und vor ein Kriegsgericht gestellt worden sein soll. Vielleicht ift dem französischen Admiral Gleiches angedroht worden, oder hat er es für sich befürchtet? Den Montenegrinern ist mit diesem wiederholten Verbuch zu ihrer Unterstützung in keiner Weise ge- hol'cn worden. Sic werden dadurch wohl nur ent mutigt werden. Und Oesterreichs südliche Gebirgs brigaden werden bald in Serbien frei sein, um als dann neacn Montenegro kraftvoll verwandt werden zu können und dies nebst Serbien endgültig vom Meere abzuschncidcn. Vas Gouvernement Suwalki bildet den Gegenstand eines lehrreichen Aussatzes, den E. Cleinow in den neuesten „Grenzboten" veröffentlicht. Wir stellen daraus im nachstehen den das Wichtigste kurz zusammen. „Geheiligte russische Erde" ist mit dem Gouvernement Suwalki nicht unter deutsche Verwaltung gelangt: kümatisch, geologisch, in Fauna und Flora unter scheidet nichts Las Gouvernement von Ojrpreußen; es ist alter litauischer Besitz, einst deursches Kolonialland und darum auch (nach der letzten Voltszählung von 1897) von 40000 Demschcn russischer Untertanenschaft bewohnt. Vei dem rein land- und forstwirtschaftlichen Charakter des Gouvernements sind die Städte arg zurück geblieben. Es gibt ihrer 10, die noch im Jahre 1901 insgesamt ein Ausgabenbudget von 118053 Rubel hatten. Den Grundstock der Bevölkerung bil den 400000 Litauer, zu denen rund 105 000 Polen, rund 125 000 Juden, rund 40000 Deutsche (vorwiegend in den Kreisen Mariampol und Kalvaria) und eben so viel Russen hinzukommen. Litauer und Polen sind römisch-katholisch, die D.utschen lutherisch, die Russen spalten sich in die Alt gläubigen konservativer Richtung und in Sek tierer, die seit Jahrhunderten der Staatskirche feindlich gcgenüberstehen. Ein geistiges Zentrum fehlt dem Gouvernement vollständig; die litauische In telligenz hat ihren Sitz außerhalb, in Kowno, womit cs «ich erllärt, daß dos Gouvernement in der Neichsduma durch 2 Litauer aus Kowno, ein Sozialrevolutionär und 1 konstitutionellen Demo- tratcn, vertreten ist. Der großgrundbesitzende polnische Adel spielt keine hervorragende Rolle und verhält sich der nationalen Frage gegen über gleichgültig. Die geistige Unselbständig keit des Gouvernements ist teilweise auf die geo graphische Abgelegenheit und die administra tive Abgeschlossenheit, teilweise auf die kläglichen Schulverhättmsse zurückzuführcn. Es gibt sllr die rund 800 000 Einwohner des Gouvernements nut. ein vierktassiges Gymnasium in der Hauptstadt un«. ein Seminar für Vokksschullehrer; im Jahre 1903/04 kam eine Volksschule aus 521 Kinder sci utpslichtigen Alters und 1 Lehrer auf 502 schulpflichtige Kinder! Etwas besser sind die Juden und die russischen Altgläubigen daran, die eigene Schulen haben. Auf welchem Ntveau aber die jüdischen mietet, war beendet. Wortkarg war cs ver laufen. Die Magd trug eben den letzten Teller hinaus. Tie junge Frau erhob sich, faltete mechanisch das weiße Tischtuch zusammen und legte eine dunkle Decke auf. Sie war wohl wirklich krank. Ihre Wangen flammten, ihre Augen leuchteten vor innerer Glut. Und doch — wie schön, wie fast überirdisch schön erschien sic Otto gerade in diesem Augenblick. Eine heiße Angst erfaßte ihn. Er umschlang sic und zog sie mit sanfiec Gewalt an sich. „Toska," flüsterte er, „vertraue mir doch an, was dich bedrückt!" Sie lächelte schmerzlich in seinem Arm zu ihm auf. „Liebster — ich hatte eine» bösen, bösen Traum," jagte sic langsam. „Uud dein Freund, der Uli, sagte mir einmal, er glaube an Träume!" „Unsinn, Närrchen! — Und weiter wär'S nichts?" Er atmete ordentlich auf. Er hatte etwas so ganz anderes zu hören gefürchtet. Und dabei gab er sich auch schon dem prickelnd won nigen Gefühl hin, das ihre zaghafte Hingebung in ihm erregte. „Weißt du, aller Spur zerrinnt, wenn man ihm fest ins Auge blickt. — Willst du mir nicht deinen Traum erzählen?" ' „Me! Nie!" Entsetzt machte sie sich von ihm los. AlS sie aber dein ganz verständnislosen Blick ihres Mannes begegnete, in den'. Sorge, Zärtlichkeit und auch ein heimlich aufkeiincndcs Mißtrauen mireinander stritten, da riß sie sich zusammen. „Otto — vergib! Ich bin todmüde. Fühle mich nicht ganz wohl! Ich will mich einmal tüchtig ausschlafen. Dann ist wieder Mut und Kraft in mir, und ich bin wieder die alte." Und sie streckte ihm mit einer so rührenden Bitte, mit einer so holdseligen, fraulichen Demut die Hand entgegen, daß er hingerissen sich darüber beugte und sie in heißer Inbrunst küßte. „O, du — du — Angebetete! Weib meine- Herzens!" stammelte er. Und dann: „Geh! Ruhe dich aus! Vergib all «ein« Ungestüm ^1" Vmtsttzvng in d« vior-evansgadO "