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Die Wlnterpsade des Dresdners führen jetzt so oft hin aus aus die Berae des OsterzgcbirgeS. Tiefe Borfreude be deutet für jeden Winterwan-erer immer wieder das Müg- litztal. Wie viele Erwartungsfrohe mögen letzt Tag flir Tag an den Fenstern der Eisenbahnwagen geitanden und emviunden haben, wie gut das enge verschneite Tal, Züg lein, Wagen und Lvkvmottvgcblmmel »usammenpasscn. llnd iveun es bergauf in die steile Kurve um die Ortschaft Weesenstein herumging und vom stellen Felskegel herab Schloß Weesenstein sreundlich mit seinem hohen Turm heritbergriistte, gab eS wobl vit den echt Dresdner Witz zu hören: „Das ist nicht von Weesenstein!" >Der Dresdner sagt das gern, wenn er meint, irgend etwas sei univescntlich.i Aber die meisten haben darüber vergessen, daft sich hier wirklich das AuS- steigen und eine kurze Wanderung gelohnt hatte. Weesen stein ist eins -er ältesten sächsischen Lchlösser. Cs hat eine mehr als tausendjährige Geschichte auszuweisen. Bcrmutlich wurde es kurz nach Entstehen der Burg Dohna gegründet und zum Schutze der Strafte an gelegt, die aus dem Elbtal über Liebstadt, Fürsten- ivalde, K u l in und den GcierSberg nach Böhmen führt Stolz erhebt eS sich aus einem jäh am rechten Müglitziuer aufstrebenden Felsen ausKnotenglimmerschieser mit O.uarziteinlagen. Lein Name „W e n s l n g b e r g" taucht zuerst UN 8, als Weisen stein dann Güö aus: doch geht man fehl, ans die Herkunft „Wtesenstcin" zu deuten. Biel glaubhafter dünkt die Bildung des Namens aus den Wortstämmen „wchse", „wäse" oder „wiese", die sich auch in dem „Waisen", dein berühmten Halbedelstein in der alten deutschen Kaiserkrone, wiedernnden. Wenn man dazu hört, daft bei Dohna und Weesenstein sriiher ein stark o v a l i s i e r e n - e r milch weift er Quarz gebrochen und oit als „Oval" verkauft wurde, darf man dieser An sicht, die auch der heimische Forscher Alfred Nie icke ver tritt. glauben. Bei der Dohnaischcn Fehde, dem Ringe» Ser Wettiner und der böhmischen Krone, gelangte es daun in den Besitz des Markgrafen Wilhelm I. und damit in den des sächsischen Herrschergeschlechtes, dem es bis kurz nach dem Weltkriege gehörte . . . Auffahrt „Und Berge hier und Berge dort, zur Rechten und zur Linken" mochte man mit dem Dichter des Liedes von der Nndelsburg begeistert ansrufen, schreitet man den kurzen steilen Berg zum Lchloft hinan und gewahrt man den Turm, der mehr an den einer Kirche gemahnt, und sieht man schlieftlich das liebe und traute Gewimmel von Dächern und abermals Dächern Man soll mit de» Errungenschaften neuester Baukunst nicht vrnnken wollen und von modernen Hochhäusern sprechen. Hier streben zehn Stockwerke ü b ereinander empor und lauen Dach aus Dach folgen. Unten jedoch schmiegen sich die Häuser des Dorfes Weesen stein sanft an Burg und Müglitz. Doch weder Stahl noch Beton sind das Gerippe des hoben Schlosses. Natur gewachsener Fels ist es, nm den immer wieder herum gebaut oder in den tics hinein gearbeitet wurde. Schon wenn man das Nenainanceportal und die Burgbrücke mit ihrem hübschen Saudsteingeländer hinter sich hat und im ersten Hole steht, schaut einen -er Fels mitten aus dem Mauerwerk heraus an. Aber noch deutlicher wird das, iveun man den ältesten Teil des Schlosses mit leinen bis zu zehn Meter Dicke messenden Wänden durchschreitet. Mit unendlicher Mühe haben hier Hacke und Stemmeisen gearbeitet. Um lül.z begann man. Erst 157ö entstand der neuere Teil des Schlosses und erfuhr auch der Turm, der mehrere Male umgebaut sein soll, seine Wand lung in seine heutige Gestalt. Weesenstein ist gewift kein P r » n k s ch l o ß, kcins von denen, die man nnr mit Riesensilzpantosseln beschreiten darf und in dessen Zimmern man vor den absperrenden, dicken Kordeln haltmachcn mnft. Es ist eher der stille und behagliche Landsitz eines F ii r st en ge schlechtes gewesen, in dessen Zimmern viele lustige Fag-gcspräclie erklungen lein müllen, oder in denen man sich vom Alltag zu stiller Erholung zurückzog. Durch Zimmer und Korridore An Treppen, Zimmern und Korridoren ist wahrlich kein Mangel. Doch die Mühe lohnt sich. Immer wieder tauchen neue stille Winkel aus, immer wieder wird das Auge in reichem Wechsel von einem sicheren Ltilgelühl entzückt, das unbeirrbar über jedem Bauwillen gewaltet haben mnft, lo regellos auch beim ersten Anblick das Durcheinander von Gängen. Stiegen und Räumen anmutet. Ta grübt zunächst ein Borraum mit stattlichen und vielen Geweihen an der Decke und den Wänden. Ein farben frohes Bild aus dem 17. Jahrhundert bestätigt, daft das äuftcre Bild des Schlosses von dieser Zeit an das gleiche geblieben ist. Aber schon im R o k o k o s p e i s e s a a l wird Geschichte lebendig. Trefflich der Kamin aus Maxener rotem Marmor. Aus ihm leuchtet feines alte- Meißner Porzellan. Die Figur einer silbernen Amazone erinnert an die Silberhochzeit König Johanns von Lachsen, der regelmäftig in jedem Fahre im Frühling »nd im Herbste vier Wochen aus Lchloft Weesenstein zubrachte. Die prcuftische Königin Elisabeth schenkte sie Lachsens gelehr testem König. Ins Lustig-Bunte wandelt sich daü Bild im groften Gesellschaftszimmer mit seinen mehr als einBiertel- jahrtansend alte» Ledertapetcn. Hier sieht feierlich ans einem alten Bilde Gras Günther von Bllnau, der Erbauer des neueren LchlofttellcS, auf die Müglitz herab. Einfach tut sich das Lterbez immer des im Alter von 17 Fahren verstorbenen Prinzen Ernst auf, nebenan sieht man ein Gemälde von Rudvw, das seltsam in unsere Tage hinüberweist. Es zeigt König Friedrich August IN. als blutjungen Prinzen, den späteren König Georg, König Albert, Königin Carola, Prinzessin Mathilde und die Prinzen Max und Albert vor dem Ptllnitzer Schloß. Eine Sonderstellung nimmt daS ehemalige Arbeitszimmer des Königs Johann ein. Ein Bild Dantes erinnert an die Uebersctzung der ,l:nnnneüm clivinn" durch den König. Zwei bunte Ltiche zeigen uralte Dresdner Winkel aus der Gegend nm den Freiberger Platz. Bürgerlich einfach schimmern die hell braunen Möbel. Fn dem danebenlicgenden Schlafzimmer läßt eine kleine Nachbildung des Rauchschen LarkophagcS der preuftischen Dulderkönigin Luise an die starke Freund- iä>alt gemahnen, die gerade in diesen Zeiten den prenfttschen und sächsischen Hoi verband. Eine Tür weiter breitet sich das sogenannte chinesische Zt m m e r aus, mit Pagoden, Dschunken und gemalten chinesischen Landschasten auf der Ltosstapetc. Ein altes Spinett lacht von der einen Wand her und ein Chronometer ans dem Fahre 18N1 tickt würde voll Bor dem Kachelofen steht ein Schirm mit Perlen stickerei, ein Geschenk der Königin Carola und der da maligen Prinzessin Georg zur goldenen Hochzeit König Johanns. Bon den Fenstern ans gleitet der Blick aus das verschneite Dors Weesenstein und aus die Bcrghäuge, die frischer Schnee bezuckcrt hat. Eigenartig sicht eine gefaltete Serviette aus Meißner Por zellan aus und ist so naturgetreu nachgeahmt, daß man sie anfasscn muß, um ihr die Unechtheit zu glauben. Sm ältesten Schloß Wieder Treppen und Ltnsen, Ltuscn und TrcppenI Doch jetzt sind die Gänge in den Felsen gehauen, mitten im Felsen auf einmal Mauerwerk: hier mündet ein unter irdischer Gang ein, der Weesenstein und Bnrg Dohna verband. Burggraf Feschkc von Dohna soll sich durch ihn kurz vor dem Fall der Dvhnaer Burg nach Weesenstein gerettet haben, wo er vier Nächte ver brachte, um seine Flucht sortzusetzen. Wieder Ltnsen und eine endlose Flucht von Bodcngcmächcrnl Zum Teil noch mit von Holz gestützten Lchleppcsscn. Gegen eine Dachsparre gelehnt, kindet man ein hölzernes Chrtstnsbild, scheinbar noch aus katholischer Zeit, aber bemerkenswert schön. Ueber Ltnsen und noch einmal Ltusen, teils von schönen Landsteingeländern oder solchen aus alter seiner Schmiede arbeit geleitet, geht eS in die Wohnräume der alte« Burggrafen. Wieder sind die Wände Fels. Hier hängt ein alte- Hift horn, dort trägt eine Riesentruhe die rotweißen Wappen derer von Biinau und Schleinitz. Hier muß der Ge- rtchtssaal der Burggrafen gewesen sein. Doch den Durchgang zur Folterkammer hat man vermauert. W In ihr ist wieder alle» um einen herum naturgewachsener Felsen. Hand, und Kuhschellen, Ringe an den Decken, die Folterwerkzeuge getragen haben müssen, halten mit einer vergessenen Hellebarde gruselige Zwiesprache, und aus den kalten Wänden scheinen schmerzliche Seufzer zu scirallen. Wie licht und froh breitet sich da ein Stockwerk höher der IKXr gebaute Rittersaal mit dem Bild Rudolfs von Büna». Hier kann man sich schon festliche Gelage von ehedem vor stellen. Mit einem Ruck geht es wieder in jüngere Fahr- Hunderte, denn nebenan liegt da» Billardzimmer, in dem ganz anachronistisch Schreibpult und Schreibstuhl, beide mit grünem Glas verziert, zum „Markieren" gedient haben. Born an dem Schreibpult sieht man Spiegelglas mit dem etngeätzten kurfürstlichen Wappen. Nach unten zu gleitet der Blick über den verschnei ten Schloßgarten. TaxuSbäume geben dem einen Teil etwas NokokohasteS. Aber die letzte U e b e r sch w e m m u n g von 1»27 hat hier viel vernichtet. Ganze Hecken mußten hinweggeschnitten werden nnd sind nicht wieder gewachsen. Der kleine Frühstückspavillon aber steht noch, wie er war, und auch die Steinsäule, die die landwirtschast- lichen KretSvereine Sachsens dem König Johann zur silber nen Hochzeit schenkte», ist noch vorhanden. In vorlutherlsche Zeiten sührt «chloßkapelle, ein kleines Juwel in Barock. DaS Deckenblld ist eine Nach bildung des Deckengemäldes der Katholischen Hoskirche. Der Barockaltar trägt ganz seltsam, aber glänzend gelöst, auch die Kanzel, die hinüber zu der schönen Orgel blickt. Aus einem der Fenster steht man in daü Kirch bösch en hin ein, einen kleinen Hos, der jedoch... im sechsten Stock und doch zu ebener Erde liegt .... so türmt sich Geschoß aus Geschoß um den Mittelpunkt des Felsens. Eng der Gang zwischen steilen Wänden, der sogenannte „MönchSgang"» klein und schlicht die katholische Kapelle mit Bctgestühl. Doch im Wirrsaal der zehn Stockwerke des Schlosses findet man auch den Pserdeftall im vierten Stock, ehe man den Söller mit seinem freien und schönen Aus blick auf Garten und Berge erreicht, der König Johanns LtebltngSplah war. Ties unten liegen Gewächshaus und Parkzimmcr. Aber stebt man im Schloßgarten vor der seinen LouiS-Leizr-Fassa-e dieses neueste» SchloßteilS, fällt einem doch eigenartig genug eine Art Holzanban auf. Hier wollte sich König Johann kurz vor seinem Tode einen Fahrstuhl errichten lassen, der durch Gewichte und Seile bewegt werben sollte. Sein Tod ließ es nicht zur Benutzung dicker damals sicher beispiellosen, heute so vielfältigen tech nischen Errungenschaft kommen. Weit dehnt sich die H e r r s ch a s t S k tt ch e mit einem Niesenofen ans gelbbraunen Kacheln: doch das blitzende Kupfer verschlang der Weltkrieg, nur Griffe erzählen noch von höfischer Küchenpracht. Der benachbarte Trakt -eö über rvv Zimmer zählenden Schlaffes hat früher dem Betriebe einer Brauerei gedient. Da findet man noch den sogenannten Brauhos mit seinem Krangtebel und, dem Dorfe zu, das Braugärtchen mit dem Ziehbrunnen. In einem Flur prunkt das derbe Gemälde des sogenannten Trinkers von Maxen. Der Pförtner von Maren lin der Gärtner von Weesenstein sollen hier eine Wette a»s- gctragen haben, wer von beiden am meisten vertragen könne. Aber der Maxener muß «in hinterlistiger Bursch' gewesen sein und tat dem Wcescnsteincr in -en dritten Krng Bier eine tote Maus hinein. Freilich socht das die ausgepichte Kehle des Weesensteiners wenig an, er schluckte sie hinab nnd meinte nur, er habe wohl einen Gerstcnkcim mit verschluckt. Die Historie verschweigt jedoch, wie dem Wccscnstetner der -Trunk bekomme» ist, oder ob der Maxener deshalb die Wette gewonnen hat . . . Treppauf, treppauf im Wtrrsal der Fluren, durch Zimmer aus Zimmer grüßt einen nach stundenlanger Fahrt wieder das Jagdgeweih des ersten Zimmers. In der stillen Wohnstube der Lchloßverwalterin saust daS Feuer im Kachcl- osen und umgibt einen mit wohliger Wärme. Draußen ist der Tanz der Flocken so dicht geworden, daß der ragende Buchenwald wie eine maltbraune Wand am Bergsaum steht. Bor dem Fenster klopkt ein Meisenhahn mit dem Lchnabel aus das Holz der gedeckten Futterstatt sür gcsiedertc Gäste. Müde vom Lchauen und Wandern geht der Schritt berg ab. Und dann pfeift und bimmelt der Zug heran, und Dresden und die Großstadt ist so nahe und so bald wieder um einen, daß man gar nicht glauben möchte, über einen Katzensprung hinweg liege in der Einsamkeit -er Berge ein verwunschenes Schloß. * Schloß Weesenstein ging kurz nach dem Kriege mit drei dazugehörigen und jetzt verpachteten Rittergütern in den Besitz des Geheimen Kommerzienrates Bauer, Aue, über. Unterdessen ist e» an seine Tochter als Erbschaft gefallen. DaS Schloß befindet sich in den besten Händen, denn baulich wurde für das Helmatdenkmal in jeder Weise gesorgt. Wenn eS, wie geplant, in den Besitz des Landesvereins Sächsischer Heimatschuh übergehen sollte, dürste cs die denk bar beste Dauerstatt werden, die sächsisches BolkStum un sächsische Geschichte lebendig erhält. tt. l-. Der wundervolle Rokoko «Gpeisesaal Im Gerichtssaal der Burggrafen