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Dresdner Nachrichten : 01.05.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-193205019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19320501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19320501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-05
- Tag 1932-05-01
-
Monat
1932-05
-
Jahr
1932
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 01.05.1932
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Aufmunterung zur Freude So« vttomar «»ktn» SH blätter« si» alt«« Siederbnch«. Da st«-« st«, »4« schmucklos«, Wels«»: ^Heiterkeit tn der Natur", „Frische» Leben", „Rundgesang tm Freien", „Dl« schon« Welt" und so viel« ander«, dt« tm gleichen St«»« gedichtet und U» Töx gesetzt wurde». Ach ja, man -raucht kein unbedingter Sobpretser »er früheren Zett zu sein, aber da» läßt sich nun einmal nicht leugnen: di« Stuhr -e» Gemütes, die unser« Vorväter be- faße«, ist dahin. Immer werde» wir angetrieben: Ave gehre» sollst du, sollst begehren I", und da» Ergeb»*» vo» all dem Hasten ist doch nur ein verschmachte« «ach Begierde inmitten de» Genuss«». Da mal» klang der Nuhm der Genügsamkeit, da mal» ergdtzt« ma« sich an d«m Kartoffelsied« de» „Wandsbecker Voten", und ein« tnnig« Verbundenheit mit der Natur machte die Menschen froh. Wahrhaft kindlich erscheinen un» die Seelen, die namentlich tm Frühling von einem tiefe« GlückSgefühl bewegt wurden. Au» solchem Geiste herau» ist «inst auch Hölty» „A«f- rnrrnterung zur Freude" entstanden. „Wer sollte sich mit Grillen plagen, so lang un» Lenz und Jugeird blüh'»I", ruft der Dichter aus, der tn so srühen Jahren au» dem Lebe» gerissen werLen sollte und -essen Poesie «ine wehmütige Todesahnung war. Er gibt sich mit ganzem Herzen den Freuden hin, bl« dies« Welt zu bieten hat. Da rauscht ihm der Wlesenquell, da scheint der liebe Mond, da erlabt ihn der Saft der Pnrpurtranbe, und ei« Kutz aus einen roten Mund ist seine Wonne. Un- wenn wir «n» ««»prüfen, ob wir denn die Fähig kett zum Abstretsen der AlltagSforgen völlig etngebüßt haben, so dürfen wir sprechen: Nein! Im Innersten sind auch wir heut« noch imstande, schlicht und einfach zu empfinde«, — wir solle« nur den Mut dazu haben. Unsere Zett will alle» sachlich, nüchtern und skeptisch geschaut und behandelt misten, und «» ist durchau» recht, wenn wir uns von Sentimentalitäten frethalten, denn tn ihnen stickt viel UnivahreS. Aber hüten sollen wir un» davor, mit d«r Unechtheit zugleich dt« Seligkeit de» Fühlen» zu bespöttel«, denn st« gehört zu -en wertvollsten seelische» Gütern, und wer ihrer bar ist, -er lebt arm dahin. Aber wer konnte denn ihrer bar sein? Wer geht seht des Morgens an seine Arbeit, schaut in-en Sonnenschein hin aus, läßt das frisch« Grün, di« schimmernd«« Blüte«, di« selbst tn »er Großstadt nicht fehlen, in sein« Augen leuchte« und käm« nicht zu der Erkenntnis, daß der Idealismus nicht auSzurotten ist ans dem Herzen der Sterblichen, deren kleine Spanne ihrer Tage unsagbar viel Leide», aber doch auch unendlich viel der Freud« umfaßt? Wir streben vorwärt», ersinnen und erfinde», wa» da» Lebe« bester und bequemer zu ertragen macht, wir ändern mühsam im Laufe der Jahrhunderte die ganze Daseins haltung, der Schüpser aber spricht in sedem Jahre sein urewig«», allgütige» .HSerdel" und stehl da schwillt «» um «n» aus in Millionen Knospen, da lockern sich dt« Beet« in dt« Hohe, da beginnt eS. sich zu färben in tausend Ab stufungen heute wie schon vor lange», langen Epochen, immer das Alte, »nd trotzdem immer das nie geschaute Junge, Reizende, Neue, und wir stimmen mit Hölty ein: „O wunderschön ist Gottes Erdei" In diesem Worte kommt all das Entzücken, alle die Dankbarkeit zum Ausdruck, die uns beim Anblick der ver jüngten Natur, dem Urbilde der Kraft, der höchsten Lust, der erhabensten Gröstc und der ewigen Gesetzmässigkeit mit brausender Gewalt durchfluten. Die „Schönheit an sich" ist eS, die sich da brausten entfaltet. Sie weist nichts von Kunst- und Formregeln, und dennoch rundet sich alle» an ihr in der vornehmsten Harmonie, und wir reich begabten Menschenkinder, wenn wir danach trachten, in der Kunst ein wenig der Natur nahezukommcn, wir stehen schier ratlos vor der Selbstverständlichkeit dieser Schönheit, wir leiten ästhetische Gesetze über Gesetze aus ihr ab und suchen, danach z» handeln, »nd dabet ist ei» GraShälmchen mit seinem blinkenden Tautropfen an der Spitze herrlicher als alles Künstliche, befriedigender und — unerreichbar, unnach ahmlich. In der Füll« de» Frühlings ist -em Menschenherzen etwas gegeben, wofür eS frei schwärmen und sich reueloS begeistern kann. Denn diese Begeisterung ist ein Gegen geschenk de» Geschöpfe» an seinen Schöpfer, «nd ist e» auch nur eine kleine Gabe: sie wirb freundlich angeschaut, denn sie ist ein Zeichen dafür, baß wir wissen: di« Erd« ist „wert, daraus vergnügt zu sein." Sicherlich! ES ist traurig viel unvollkommen hienteden, «S gibt traurig viele Menschen, bi« das FrlihlingSjauchzen nicht vernehmen vor der hohl dröhnenden Stimme der Not, vor dem Pochen der Torge an ihre Tür, aber die anderen, die eS besser haben, die ein Vergnügen im edelsten Sinne an -er Wett spüren dürfen, werden au» der Frühlings erkenntnis LaS Pflichtgefühl schöpfen, -en leiblich und geistig Armen zu Helsen, damit auch diese aus Erden veranüat« Menschen sein können. Die Erde ist'» wert, daß alle, die aus ihr ivandeln, imstande sind, die Schönheit der Natur und darin Gott zu schauen, und niemand, der den Frühling genießt, wird sich in all seinem Wohlgefallen dem Wunsche verschließen können, da» eigen« Mitleid mtt fremden Schmerzen zur Mitfreud« der anderen umzuwandel». wert ist die Erd«, vergnllgt ans t-r z» sei«, dar«« feie« wir denn auch Menschen, die diese» Vergnügen verdienen, «del, hilfreich und gut, und unsere Gedanken seien rot» «nd blank wie et» Frühlina»morgeu. So wenig wir frei lich mit aller Kunst ein echte» Blättchen herznstelle« ver mögen, so wenig werden wir z« der Hohe» Schönheit und Abgeklärtheit gelangen, die au» der Natur erstrahlt, aber «en» wir bet dem Bewußtsein Le» Unvermögen» gleich wohl in unserem Streben verharren, so birgt et«« solch« Arbeit an uns selbst schon den Lohn tn sich. Un» von dem Wnst de» Unerquicklichen zu entlasten, den da» öffentlich« Leben und den die geschäftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf un» häufen, ist der Krüh- sing köstlich geeignet. Völlige Erlösung zwar au» Len Banden, die uns umspannen, gibt e» nicht, aber recht tiefe Atemzüge in der LenzeSlust bewirken, daß sich die Seele auf sich selbst besinnt, sich Hoffnung», und glauben-voll aus- rasst aus allem, wa» st« hemmen und h^rabstimme« will, «nd in aller Demut stolz au» wahrster Empfindung und Erfahrung heran», mtt dem er jubelt: „v wunderschön ist Gottes Erde, Und wert, darauf vergnügt zu fein. Drum will Ich, bi» Ich Asche werde. Mich dieser schönen Erde freu'»!" Dt» Vükgkk von Itviüou / «un, »«»«niiEchi- »»n «m ««!»<- Immer wenn ich durch da» Meißner Burgtor geh«, seh« ich vor mir ei« Heldenbastes Bild, da» mir «tust in alter Chronik begegnete «vd da» «»ter de« Metß««r Vurgwr An«, Abschluß fand. Dt, Helden der Historie aber, di« Anno Isa« unter dem Tor der Burg für die Freiheiten und Rechte ihrer Vaterstadt freiwillig ihr Lebe» ließe», wäre» ketue Meißner. E» wäre» vier Bürger vo» Zwickau. Herr zu Meide« war damal» der Landgras vo« Thü ringen. Wilhelm der Einäugige, der auch ,« Meißen im Dom vor dem hohe« Altar begrabe« liegt, ein gewalttätiger Herr, immer bedacht auf Mehrung seiner Macht, obgleich er ohne Leibeserben war u«d auch so dahtnfuhr und alle», wa» er erpreßte, andere» lasse« mußte. Er war so raffgierig, bäß er selbst de« Bischof vo» Meißen nicht da» Setue gön»t« und dessen Rechten und Einkünften so grausam zusetzte, baß zuletzt der heilige Benno selber stch tn» Mittel legte, ob gleich er schon voo Jahre tot war. Aber er hing »och an seinem alten BtStnm «nd stieß daher in einer Nacht, «ach mancher vergebltchen Verwarnung, dem gierige» Landgrafen tm Traum eine glühend« Fackel tn» Auge, so baß dieser am Morgen einäugig erwacht« und fortan, da er denn doch keine Lust hatte, ganz blind zu werden, die Güter der Kirche, die so streitbare Heilige hatte, in Ruhe ließ. Ja, er stiftet« voll Schrecken dem Dom noch zwei schöne Lehngüter und hielt stch dafür an den benachbarten Städten schadlos, zer- trümmerte ihre alten Gerechtsame, setzte strenge Vögte über sie, lieb mit einem Wort die freien Bürger zu Untertanen pressen und hatte auch bet de» meiste« Glück damit. Unter den Städten aber, die der Landaras zu bucke« dachte, war auch da» alte freie Zwickau, eine Stadt von Männern — wenigsten» damals. Al» der einäugige Land graf stch an Zwickau wagte, mußte er erleben, baß diese Bürger nicht so leicht zu beugen waren. Die wehrte« stch ritterlich und ginge« vor Kaiser «nd Reich und hoffte« dort aas Hilfe. Rat und Bürgerschaft von Zwicka« sande« aber kein« Hilfe bet anderen und verzagten darum doch nicht, sondern beschlossen, sich selbst zu helfen. Sie, die frei und unabhängig allein unter Kaiser un- Reich zu stehe» meinte«, sollte« eine« verhaßteu laudgräfltche» Bogt tu ihre« Mauer» dulden, der die Bürgerschaft mtt Steuern «nd Verbote« drückt« «nd dem Rat tn alle» hineinredete, wa» ihn nicht» anatng? Dem dachten sie auf die gründlichste Weis« ab zuhelfen, »nd am ersten Markttag im April, al» der Vogt, et» Hess« «amen» Franz Steuchflugen. grob «nd vranztg auf seinem derbe« Apfelschimmel durch da» Volk ritt, stemmte sich ihm von ungefähr «tu Bürger mtt der Achsel unter de« linken Schuh, stieb ihn aus dem Steigbügel und mit raschem Schwung der Schulter den schweren Mann selber über» Pferd hinweg auf dt« drüber« Seite und auf die Erbe. Dort standeu ander« bereit, die mtt rasche« Schwerthiebe« den Gefallenen zudeckten, ehe er nur ptep zu sagen ver mochte. Und nach einem kurzen Augenzwinkern war von dem hochmögenden und wohlgeborenen Herr» nicht mehr übrig, al» ein blutiger zersetzter Leichnam, reif für den Gottesacker. Die beide« Knechte, dt« hinter ihrem Herrn gertUeu, lag«» dicht daneben, gleichfalls ans die rascheste Art au» dem Sattel gehoben und erledigt, ohne baß den Bürgern, die das Werk übernommen, dabet viel geschehe« wäre. Damit mar die Sache freilich noch nicht zu Ende, sonder« nach bteser raschen Tat, die ja nicht schwer au»- ,«führen war, kam erst da» schwere: die notwendige Sühne. Darüber waren stch die Zwickauer von vornherein klar, daß sie zwar Mannö genug mären, den lästigen Bogt und seine Leute zu erledigen, dab aber hinter diesen der mäch tigere Landgras stehe, dem sie nicht gewachsen seien. Ja, sie mußten fürchten, dab eine solche Gewalttat, wie sie sic begehen wollten und beginge», dem Fürsten gar nicht «»willkommen sein würde, da er nun mit scheinbar gutem Recht über sie herfallen und endgültig ihrer Gerechtsame und Freiheiten berauben könne. Wenn sie also die Tat, zu der sie sich ge drängt fühlten und von der sie stch wohl einen heilsamen Schrecken für alle künftigen Vögte versprachen, nicht lassen wollten, so mussten sie doch zugleich dem Rachezug des Fürste» zuvorkommen und ihm für die Erschlagenen eine Sühne bieten, die er nach dem damaligen Rechröbrauch an nehmen müsse, ohne gegen die Stadt selbst vorgehen zu können. Für da» Lebe« de» Vogte« und setver Knecht, »Vst« »au, darüber war mao sich klar, mtt de« Lebe» vo« Bürger« der Stabt bezahle» und »ich« etwa mtt «uter- aeorourtem Pöbelblat, sonder» mit einem, da» dem de» Vogte» nicht unwürdig sei, dem Blute von RatSherre» also. Noch am Abend de» Mordtage» sand daher in der Hauptkirch« zu Zwickau «tue seltsam«, erschütternde »nd feierlich« Handlung statt. E» ging der ganz« Rat zu» heilige» «beubmahl. Da»« aber knieten vier au« seine» Reihe», dt« sich freiwillig dazu gemeldet, Peter Mergen thal» und Han» Dittman», dazu die beiden Brüder Hau» und Stessa« Gülden, gesondert vor dem Altar nieder und empfingen von dem Priester die letzt« Wegzehrung «nd Salbung al» solche, die dem sichere« Tobe verfalle« sind. Unter dem jämmerlichen Weinen aller Anwesenden, ihrer verwandten und Freunde, rüsteten stch dt« oier Männe, »um Tobe. Noch in der gleiche» Nacht sichre» st«, da e» galt, dem lanbaräfttche« Zorn mtt der Sühne »nvo»- zukomme«, tn einem Etlwage» au» dem Tore der Stadt, dahin ihre Gefreundeten ihnen mtt Fackeln da» Geleit ge geben, und schlugen den Weg nach Meisten ein. Sie reisten Tag und Nacht, wechselten die Pferde, so oft sie nur frische sanden, und kamen schon den übernächsten Tag Uber die Nossener Stratze herein vor Meitze» und sahen tn einem gräulichen kalten Morgennebel die srsten Türme der Burg vor sich, dahinter ihr Schicksal schltes. Sie aber als Männer, dte ihm nun schon tagelang ins Auge gesehen, hatten nur einen Gedanken, bah e» jetzt so schnell wie mög- sich komme» möge und ma» endlich de» peinlichen Warten» überhoben sei. I« keinem Winkel ihre» Herzen» schlum mert« auch nur die kleinste Hossnung aus Gnade. Bor dem Burgberg stiegen sie von dem Wagen. Der Priester segnete sie »och einmal und salbt« sie mit dem Oel de» Tode». Dann ginge« dte Bier, stch bet den Händc« haltend, den Burgberg hinan, standen vor der Pforte ein« Weile tm kühlen Morgenwind und blickten über da» weite Elbtal unten und sahen im Osten einen roten Schein tn de« Nebeln. „Also dem»", sagt« Peter Mergeuthaler «nd ließ de» Klöppel am Tor «tebersalleu. Hans Gülden blickte schwer vor sich hin «nd dachte an sein junge» Weib. Der Torwächter kam. Man meldete dem Landgrafen, baß da vier NatSherrrn von Zwickau seien, dte mtt ihm z« sprechen hätten. Der Landgraf, der durch einen eilenden Retter tu eben dieser Nacht Botschaft von dem Mord be kommen sprang «och voll frischer Wut au» dem Bette «nd schrie schon, tnde» er i« seine Hosen fuhr, nach dem Henker. „Dte DonderSkerle sind früh ausgestanben", rief er und begriff, daß er zwar nun diese vier in Händen habe, dte sich al» die Ursache» u«d Täter de» Morde» bekannte«, dab ihm aber dte Stadt entwisch«, die er ,« fassen gedacht. Und 1« diesem Zorn und ohne Erbarmen stellte er stch nebe» de« Henker unter da» Tor und stand da in seinem flatternden grauen Haar, mit seinem einen Auge zwinkernd wie ein Teufel, und schrie, al» ma« die Bier nun heretnlteb: ^Ha« drei«, Ha«», wie L« jede« triffst. Wir wolle« nicht lang« fackelnd Aber die vier kamen fast fittfam herein, «nd feder kniet« still nieder, neigte den Hals und empstng den Todeshieb mtt gefalteten Händen. Da» Blut spritzte dem Landgrafen über dt« weichen Morgeuschuhe. Al» dte Bürger -er Stadt Meißen vernahmen, welch grausig Abenteuer stch am frühen Morgen im Burgtor zu- getragen, ließen Ne voll Schrecken und auf Antrag ihre» kleinen bösen Stadtschreibers Gotthard dem Landgrafen ein Tebeum singen. Zrvet Jahre noch lebte der einäugige Landgraf. Dann starb er, im 0». Jahre seines Alters. Aber seit jenem Morgen konnte er nur schwer noch den Schlaf finden. Gegen Mitternacht, wenn er stinkvoll war, schlief er ein wenig ein. Aber dann riß eS ihn hin und her, als friere er bart, und er mußte anfstehen, hielt die Hände übers Herz und taumelt so im Hause herum. Und ost fand man ihn unter dem Tore stehend, starrend auf den Fleck, wv die Vier »n seinen Füßen verblutet waren. „Die DonderSkerle", murmelte er. Und an einem kalten Morgen fand man ihn dort tot auf den Steinen. ÄÄ6 / von Sans Stnnlno Freiherr vrotü ein längere» Gespräch geriet, denn ein „ i «nd Beben zerrte bi« Glieder de» naben, alle Selbstbeherrschung schien ihn zu verlassen. Da FrqnztSka von Hohenheim fuhr erschrocken von ihrem Stickrahmen empor. Unbeherrscht, wie tn alten Zeiten, ZorneSsalteu aus der Stirn, betrat Earl Tuge» da» Gemach. Er polterte lo»: „Ist da» Zucht? Ist da» Sitte?" «r zog ein Bündel Papier« au» der Tasche,' große «nd klein« Zettel, mit krausen Buchstabe« bedeckt, flatterten über den Tisch. Franziska ergriff einen davon, la», erstaunt, und purpurn stieg e» in ihre Wangen: „An KranztSkal Elysische Gefühle drängen de» Herzen» Saiten zu Gesängen, ein teurer Name weckt« siel" Ein wenig verwirrt, verständnislos blickte die ehemalige Baronin von Leutrum zu dem Herzog von Württemberg auf. Karl Eugen lachte dröhnend, seine gute Laune war zurückgekrhrt. Zärtlich haschte der Manu nach den blonden Haaren der Geliebten, strich st« behutsam: „Du brauchst darum kein schlechte» Gewissen zu haben, Franzel. Aus einen dumme» Jungen ist der Herzog von Württemberg noch nicht eifersüchtig!" „Also, «tu KarlSschüler", riet Franziska «nd la» weiter: „Nie solle« unsere Träne«, «ie »ersiege«, -um Himmel sollen ewig unser« Wünsch« fliege«, Franziska wolle« wir ein ganze» Lebe» weihe«!" Et» Lächeln überflog da» schön« Gesicht: „Er schreibt anmuttg und nwhlerzoaen, bet« Knabe", lobte dte Frau, „steh, selbst Dichter ziehst d« auf deiner Schule heran l" „Der Teufel soll solch« Federfuchser holeul" grollte Karl. -Dichter? Und si» Deutschland? Dafür ta«ge« wir nicht m»d solle« e» lieber de» Franzose» überlaste«. Met«« Sari», chul« ist «tcht sür solch« Firlefanzerei«, da — Mensche, sollen st« erziehe«!" „Sind Lichter nicht »»r alle» ««ch Mensche«?" fragt« Franziska lächelnd. Sie hatte dt« Papiere a« stch genommen, ohne baß der Herzog e» bemerkt hatte. Er redete sich weiter tn Zorn und erging sich i« weitschweifigen Erörterungen über die Zwecke und Ziel« seine» Institute». Franziska aber la» i» den Verse» de» unbekannte» Schüler». Et« seltsamer inner- sicher Zug kam tn die Augen der schönen Frau. ,Hch will deinen Sünder einmal kennenlernen*, bat sie ^etzt. „Da» kann sofort geschehen", gab Karl Eugen zurück. „Dte Jungen» sind gerade betm Esse». Ich werbe dir de» Jukulpate« vorfahren lassen." Am Arme de» Herzog» betrat dte Sräsi» von Hohen- heim de« Sbsaal der KarlSschule. Die Zögttnge hatten gerade ihr Mahl beendet, harrten tn mitttärtscher Haltung, auSgertchtet wie aus »em Ererzterplatz, de» gestreng,» Herzog» «nd Herren. "Ter bort ist «»', flüstert« Karl Eugen der Gesiebten zu, „der Schmalbrüstige, Vlaßgestchttge .. . nicht einmal den Kops kann er richtig herumdrehen, blickt drein, al» feie« irgendwo Gespenster." Sie schritten uahe a« de« Junge« Hera». ^FSegtreten da» Ganze!" befahl der Herzog. „Nur der Verfemacher -letbt da!"^ Jähe Röte schoß tn dt« Augen -«» Junge«, st« blickte« verzweifelt. -Ich will Ihn der Frau RetchSgrästu Vorsteven, die Er so frech bedichtet hat, Monsteurl" E» war gut, daß Herzog Karl sich jetzt zu dem In tendanten der KarlSschule wandte, allsobald mit dem Frei herr« vo» Seeger in ein längeres Gespräch g ' gewaltige» Schütteln und Beben zerrte bst Knaben, alle Selbstbel,/ trafen seine tränenverdunieltcn Äugen den gütigen Blick der hohe» Frau; wunderbare Stärkung erfüllte dte Seele de» Jungen. - . „Er dichtet also", began« Franziska fetzt, «nd «l» der Gefragte angstvoll nickte, setzte fie freundlich hinzu: „Und Er dichtet sehr schön, so jung Er auch noch ist. Ich danke Ihm dafür .. > - Fassungslos blickte Friedrich Schiller ans di« also Redend«. „Man hat mir doch alle» fortgenommen", »ammell« er hilflos. Franziska »o« Hohenbet» lächelte ^m». «e po« et» wohlgeordnete» Bündel Papier« an» ihrem Geldtäschchen, reicht« e» de« KarlSschüler: «Ach brachte Ihm sein« Po««« wieder mit." —Da btelt stch Schiller «tcht «ehr. v«rs««ke« n»«k« Schul«, Zucht «nd Herzog. Er stürzte „r «nd bedeckte dt» schmal, Hand der Fra» mtt heiße, Küsten. „Euch will ich mein« Vers« für immer geben", schwur er in, knabenwtlde, »«»erschwang, behaltet fie ...!' Der Druck ihrer Hand riß de» BefsiemmaSlns« tm» Leben zurück. Beschämt barg Schiller die Papierboge« t» seinem Wam»; eben auch trat der Herzog hinzu. Auf- geräumt, denn der Frether, vo« Seeger hatte th« vo« dem erstaunliche« Fleiß, de» RetmemacherS berichtet, schlug er die Schulter« de» Sünder»: „Hat Er an« ««gesehen, daß ein rechter Mann mit solchem Ver-kram seine gute Zett nicht versäumen darf?" Offenbar nahm Karl Eugen da» -schweigen de» Jungen al» Zustimmung, denn er fuhr fort: „Dann erhalte Er sich wetter meiner besonderen Gnade!" . Lrtedrtch Schiller stand «och immer stumm, aber setse leuchtenden große« Auge» hinge» wie si» verzücknug a« Franziska. „Ich habe einen Menschenblick", plauderte der Herzog von Württemberg und führte die geliebte Frau sorglich die weiße Marmortreppe tn de« vttthenden Garten hinab. „Wenn dieser Schiller sich bi« blöd« Poeterei an» dem Kopfe schlägt, verspricht er «in große» Subjektum zu werben!"
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