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Irrttas, 24. gunl i»S2 Lktlden. vostlchei-lN». IO«» Dre-de- Nachdruck nur mit deutl-Ouellenangab« lDrrtdn. Nachr.) »uliilllg. Unverlangt« Echrtltftück« »erde» »ich« aulbewadrt »r<cht«^chrtstl N«»rlcht«, »rrld«, Fernlvrechrr-Gammelnummer!»5»4t Kur lü« «achtgelprLche: Nr. «00lt Gchrlttleltung «. -auplgelchLIllfteüer »rrldk» « «l. 1, «arlenfleat« ck»/t» loh«), durch »vs»«»-« ».»0 «. elnl»ll«dllch I« «s^ »oügedlch« <°dn« Post»ust«llun«»Lebühr> »ei 7 mal v»chenlllch«m Verland. Aiq-lnumme, t» »s«., -udechald «achlen» l» »sg. «njelgenpreil«: Dl« »tnlvalttg« »0 mm »reit« Seil, U Pl^, sü, aulwirt» »0 »s«., dl« »0 mm »rette ReName,eUe »00 Vs,„ «etßech-ü» »dO ««. «d». »rtlenadichla« lt. Darls, ssamUtenanjelgen und Stellengeluche ohne «atalt »» Pt». autechal» »» «f» 0slertenge»ltdr »o Pf» «ulmirtl«, «ustrige gegen «°rau»be»-dlun«. GnWung und Gleichberechtigung ». W»m M »er »eilMen Kolonie Lausannes Lausanne, 28. Jun«. Im Stabtkasino zu Lausanne fand heute e«n Deutscher Abend statt, der von der deutschen Kolonie in Lausanne, der deutschen Handelskammer in der Schweiz und vom Verband deutscher Studierender an Schweizer Hochschulen veranstaltet war. Der Reichskanzler, die RetchSmtntstcr und die ganze deutsche Delegation nahmen an dieser eindrucksvollen Veranstaltung teil, die etwa KM Personen vereinigte, und in deren Mittelpunkt «ine grosse politische Rede des Reichskanzlers stand. Auch der österreichische Bundeskanzler Dollfus, war erschienen. Reichskanzler v. Papcn sprach einleitend von der Aufgabe der Ausländsdeutschen als Pioniere des deutschen Kultur lebens und von dem durch die Tat bewiesenen festen Willen Deutschlands zu friedlicher Arbeit. Nach einer herzlichen Begrüßung des österreichischen Bundeskanzlers und Worten des Dankes ftir die gastliche Aufnahme in der Schweiz fuhr der Reichskanzler fort: Die Staatsmänner Europas sind in Lausanne zusam mengekommen, um ihre Völker von dem ungeheuren Druck zu befreien, der fast jede langdauernde wirtschaftliche Tätig keit zum Erliegen gebracht hat. Diese Konferenz bars nicht mit Resolutionen schließe«, die der Welt nur den Frieden versprechen; diele Kon seren, muß der Welt eudgttlti« de« Frieden zurück» gebe«. ES geht hier in Lausanne nicht darum, die Ursachen zu suchen, die die Weltwirtschaft in Unordnung gebracht haben; diese sind zur Genüge bekannt und von allen Sachverstän dige» brr Welt überzeugend und Übereinstimmend ost ge nüg bargelegt worben. Heute gilt es, die bereits erkannten Fehlerquellen zu beseitigen. Die Zelt der halbe« Maßnahmen ist vorbei. Die Völker Europas und der Welt wollen Taten sehen. Ich kann nicht daran glauben, baß die Welt zu solcher positiven Arbeit noch nicht reis ist. Die Geißel der Arbeitslosigkeit lastet schwer auf Deutschland. Die Hoffnung der Jugend ist saft geschwunden. Das wirtschaft liche Leben gleicht einem Kirchhof. Mehr «och als dieses materielle Elend lastet ans «nS das niederdrückende Be wußtsein, z« einer Nation minderen Rechts degradiert z« sein. Kann man sich mundern, daß ein Volk mit einer olch stolzen Geschichte, wie die unsrige, sich in allen Fasern eines Herzens gegen einen Zustand ausbäumt, der sein eeltscheS Gleichgewicht in dem empfindlichsten Punkt zer- tören muß? Die Welt darf sich weder darüber täuschen, baß das materielle Unglück, unter dem Deutschland so besonders leidet, nicht an den Grenzen eines Landes Haltmacht, «och anch darüber, daß die seelische Spa««««« Gegenwirkungen erzeugen muß, die das sozial« Gleichgewicht Europas ans das ernsteste bedrohen. Leider sind die Ansätze zu einer Besserung, die ver- schtebentltch gemacht wurden, nicht mit der Energie verfolgt worden, wie es nötig gewesen wäre. Ich denke in erster Linie an die weitschauende Initiative, die der Präsident des großen amerikanischen Volkes vor einem Jahre unter nommen hat. Die Welt wäre ein großes Stück weiter, wenn dieser weitherzige Gedanke in seiner ursprüng lichen Reinheit hätte verwirklicht werden können. Nicht minder hat die gestrige Botschaft des amerikanischen Präsidenten der Welt erneut bewiesen, mit welchem Ernst die große amerikanische Nation auch ihrerseits den Welt übeln an die Wurzel zu greifen gewillt ist. Die Frage nach dem Ausweg a«S der Weltwirtschasts- kris« ist klar und einfach z« beantworten. Ma« muß sich entschließe«, «inen endgültigen Strich ««ter die tragisch« Rechnung des Krieges z« machen. Das allein ist imstande, der Welt das Bertranen wiederzugeben, das Vertrauen, dellen sie bedars, «m das seelisch« und materielle Gleichgewicht wieder» zusinden. Auf den Schultern der hier versammelten Staats- männer ruht eine ungeheu re Verantwortung. Ich habe den festen Glauben, baß sie frei von voreingenomme ner öffentlicher Meinung sich der Größe des Augenblicks bewußt sein werbe« und Lösungen finden, die der Wesamt lag« Europas Rechnung tragen. Die deutsche Regierung, die zu führen ich die Ehre habe, hat noch einmal den Versuch gemacht, alle lebendigen auf- bauwilligen Kräfte der Nation zusammenzufasicn, um neue Grundlagen für das Leben unseres Volkes zu finden und die soziale Zerrissenheit unserer Zeit zu überwinden. In diesem festen und unerschütterlichen Willen willen wir uns eins mit dem gesamten deutschen Volk. Dentschland will den Frieden in Sbren, «eil «S de« Frieden de« Welt will. An Oesterreich hatte der Reichskanzler zu Beginn seiner Rede sich mit folgenden Worten gewandt: Ich grüße auch in dieser Stunde unsere österreichischen Brüder, deren Geschichte mit der nnsrigcn ans baS engste verbunden ist, deren Not wir wie unsere eigene empfinden. Zu jeder Stunde waren und sind wir bereit, unseren öster reichischen Freunden zu Helsen, soweit eS irgend möglich ist. Ich bitte erneut den Herrn österreichischen Bundeskanzler, das Versprechen unerschütterlicher Freundschaft entgegen- zunehmen. Reue SmMn str Berliner Kommunisten vraktrnalckung un«»r«r Berlin, 28. Juni. In dem Moabiter Viertel um die Rostocker Straße herum, wo es in der vergangenen Nacht zu kommunistischen Barrikadenbauten kam, sammelten sich schon am heutigen Vormittag an den Ueberresten der in der Nacht errichteten Barrikaden immer wieder große Menschenmenge» an und am Nachmittag war besonders die Rostocker Straße fast schwarz von Menschen. Die Polizei hielt sich zunächst zurück und begnügte sich damit, in den Querstraßen und den Straßenausgängen Posten aufzu stellen und die gefährdete Gegend mit Schnellastwagen zu durchfahren. Als dann in den NachmtttagSstunden die An sammlungen immer stärker wurden, erschien plötzlich et« Spezialsahrzeug der Polizei, «ine Art von Panzer rvagen, der mit Wasserspritzeinrtchtnng versehen ist. Die Polizei rückte mit diesem Fahrzeug und mit Schnell lastwagen in das Viertel um die Rostocker Straße ein und begann die Steinplatten von den Barrikaden, die die Straße völlig versperrten, zu entfernen. Gegen Ansammlungen, die immer wieder entstanden, griff man mit dem Spritzen wagen ein und schlenderte nach allen Seiten Wallerstrahlen, auch in die ofsenstcheuden Fenster der Wohnungen, in denen sich Menschen zeigten. Dieser Wasserangriss macht« jedoch ans die Kom««niften keine« allzu starken Eindruck. Kaum war das Sprihenanto vorbeigefahren, so war die Straße wieder voll von Menschen. Angesichts dieser Lag« hielt es der Berliner Polizeipräsident für richtig, selbst «ine JnspekttonSsahrt in die gesährbete Gegend zu unternehmen. Er begab sich in Begleitung von mehreren Offizieren und geschützt von 60 Poltzetbeamten durch die Straßen, um die Zerstörungen in Augenschein zu nehmen. Ueberall, wo er erschien, brach die Menge in Schmäh rufe und gellende Pfiffe aus. Auch aus diesen Besichtigungsfahrten mußte das Spritzauto wiederholt eingreisen. Die kommunistische Frechheit ging sogar so weit, daß sie heute am hellichten Tage in der verlichingenftraß« verachte«, «ine Barrikade ans Pflastersteinen z« errichten. Als die Polizei htnzukam» wurde sie mit Steinwürken empfangen, wobei «in Beamter leicht verletzt wurde. Schließ- ltch gelang «S der Polizei, bi« Kommunisten zu vertreiben «md zwei von ihnen zu verhalte«, -- Bezeichnend sü, da». SerUnor SodrHtlaltnog Vorgehen der Kommunisten ist ein Vorfall, der sich heute vormittag in der Stckingenstraße ereignete. Hier wurde der Berfuch unternommen, ein Baugerüst in Brand zu setzen, und in der Beusielstraße warf eine Frau aus dem zweiten Stock eines Hauses brennende Matratzen auf die Straße hinunter, wo gerade eine Polizetpatrouille vorbei- ging. In beiden Fällen schritt die Polizei, die mit einem großen Aufgebot zur Stelle war, sofort ein. Heute abend mußte die Polizei in verschiedenen Stadt teilen Schreckschüsse abgeben, um die kommunistischen Demonstranten, die trotz des polizeilichen Verbotes auf die Straße gegangen waren, auseinander zu treiben. In Schöneberg versuchten die Kommunisten, die Schloß straße entlang auf das Rathaus zu ziehen, wurden aber bald von der Polizei zerstreut. Am ComentuSplatz rotteten sich etwa 500 Kommunisten zusammen und leisteten der Polizei heftigen Widerstand. Es wurden mehrere Schreck schüsse abgegeben, worauf die Menge ausetnanderstob. Hier wurden vier Hauptschreier sistiert. Besonders gefährlich entwickelte sich die Situation in Neukölln. Etwa 1000 Kommunisten erschienen aus den Nebenstraßen in der Berliner Straße und waren trotz mehrfacher Aufforderung der Polizei nicht zum AuSetnandergehen zn bewegen. Erst nachdem bi« Polizei sechs Schreckschüsse abgegeben hatte, ge lang «S ihr einigermaßen, die Ruhe wiederherzustellen. Auch am Wedding und in Steglitz setzten die Kommu- nisten ihre Ruhestörungen ein, konnte» aber bald nach Etn- satz polizeilicher Kräfte auSetnandergetrieben werden. SttdrrritiMWl mrn dir zniimmMM vr»k»kn»»lS««y on»«r»r AsrUavr Svbrlttlottnng verlt«, 28. Juns. Im ReichSministerium de» Innern werben zur Zeit von den zuständigen Referenten die Bor- berettungen für die als Ergänzung dqr Notverordnung des Reichspräsidenten gedachten neuen innerpoltttschen Not- maßregeln getrossen. Man ist also gerüstet, falls aus Süd deutschland ablehnende Antworten bi» Ende dieser Woche ein- treffen sollten. In politischen Kreisen hält man «» für sicher, daß sich Bayer« und Bade» dann der Notverordnung l-ge» merde«. Das Reich wie- Industrieller Das Bckanntmerden des Erwerbs der Aktienmehrheit der Gelsenkirchener Vergwerks-AG. durch das Reich hat wohl zunächst in allen Kreisen heftigstes Er staunen und Kopsschütteln verursacht. Denn es handelt sich hierbei um einen Kauf von ganz erheblichem Ausmaß. Gelsenkirchen, das die Mehrheit der Aktien der Vereinig ten Stahlwerke besitzt, ist das maßgebende Unter nehmen der deut'chen Schwerindustrie. DaS Reich hat durch seine Einflußnahme nicht weniger als 4 8)4 Prozent beS deutschen Roheisens, 40 Pro, zent beS Halbzeugs, 46 Prozent in Schie nen- und 60 Prozent der Nöhrenerzeugung unter seine Kontrolle gebracht. Ebenso stark ist die Ein flußnahme des Reiche» auf die Kohlenförderung geworden. Rechnet man zu dem Ncuerwerb noch die bereits im Besitz der öffentlichen Hand befindlichen Zechen Hibernta und Recklinghausen, dann hat das Reich jetzt rund 4S Prozent der Nuhrkohlen fördern ng in seiner Hand. Damit ist in nüchternen Ziffern dargelegt, daß der größte Schwerindustrielle innerhalb unserer Grenzen von jetzt ab der Staat selbst ist. Wieder einmal hat die kalte Sozialisierung einen beträchtlichen Erfolg erzielt. Aus dem Wege zum Staatssozialismus, den man. da er dem Er werbsstreben Les Staates dienen soll, ebensogut Staats kapitalismus nennen kann, ist eine neue wichtige Etappe erreicht. DaS Etndringen des Staates in die Schwerindu strie muß um so erstaunlicher sein, als ja vor einem Jahre erst die Großbanken, mit Ausnahme der Deutschen und DiSkontobank, im Verlause der Sanierung Reichs unternehmungen wurden, und bald darauf auch die Schiffahrt verstaatlicht wurde. Hunderte von Millionen auS dem Säckel der Steuerzahler und aus dem begrenzten Kreditvolumen der Neichsbank wurden für diese Zwecke aufgcwenbet. ES sei dabei nicht verkannt, baß die Sanie rung in beiden Fällen unvermeidlich geworden war, und daß daraus der staatliche Einfluß zwangsläufig erwuchs. Deshalb bleibt doch aber der Vorwurf für die NeichSpolttik bestehen, daß die allzu bereitwillige siebenjährige Tribut erfüllung mit geborgtem Gelds und das wahnsinnige An ziehen der Steuerschraube die hauptsächlichen Ursachen für den Ruin der Wirtschaftszweige wurden, die schließlich im Verlaus der Krise vom Reiche wieder saniert und über nommen werden mußten, weil ihr Zusammenbruch die noch stehenden Teile der deutfchen Wirtschaft in das Unheil mit htneinzureiben drohte. Bevor aber der FtSkuS die verstaatlichten Banken und die Schiffahrt überhaupt verdauen konnte, stehr er bereits vor der Aufgabe, Kohle und Eisen, die von der Krise am schwersten betroffenen Rohstofsproduktionen, nutz bringend zu verwerten. Wahrhaftig, die Sorgen des Reiches wachsen in» Phantastische. In einer Zett der größ ten außen-, inner-, sozial-, kultur- und finanzpolitischen Schwierigkeit belastet sich baS Reich auch noch mit der Verantwortung für einen immer größer werdenden Teil der deutschen Wirtschaft. Der staatliche Sektor der Wirt schaft wächst, während der private in unaufhaltsamer Schrumpfung begriffen ist. Man könnte den Erwerb der Aktienmehrheit von Gelsenkirchen als ein typisches Bei- spiel dieser Entwicklung bezeichnen. Denn es fallen dabet charakteristische Lichter aus die Vorgänge, die heute zur Ausdehnung des Staatskapitalismus führen. Als der Er werb von Gelsenkirchen durchsickerte, hat die Linkspresse, der jedes Mittel recht ist, um aus Wahlgründen alle Feh ler der letzten Jahre dem neuen Kabinett in die Schuhe zu schieben, sich «ine kleine Verdrehung geleistet. Die sozialdemokratische Presse brachte Karikaturen, aus denen der Unbefangene entnehmen mußte, das neue NeichSkabi- nett habe aus öffentlichen Mitteln der privaten Schwer industrie Millionen gewissermaßen als „Liebesgabe* geschenkt. Einen Tag darauf mußte diefelbe sozialistische Presse eine amtliche Mitteilung veröffentlichen, daß nicht Papen, sondern baS Kabinett Brüning die Ucbernahme von Gelsenkirchen bereits Ende Mai rechtsgültig abge schlossen hatte. ES handelt sich hier also um eine letzte Tat der von der Sozialdemokratie tolerierten alten Regierung. Genauer gesprochen, nm ein ganz persönliches Werk beS demokratischen ReichSsinanzmintsterS Dietrich, der da von nicht einmal seinem Staatssekretär, dem jetzigen Ftnanzmtntster, Graf Schwerin v. Krosigk, Kenntnis gab. Nur der Reichskanzler und der ReichSwtrtschastS- ver O Krasttalirer 8eite 8 untl 9