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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.10.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141023017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914102301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914102301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-23
-
Monat
1914-10
-
Jahr
1914
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Kunst- Wissenschaft und (Unterhaltung „Die zärtlichen Verwandten" und „Die Dienstboten" Lustspiele von Roderich Benedix. lReu oinstudiert im Neuen Theater am 22. Dkt. 1911.) Lin merkwürdiger Reiz, heute die Stück« des altrn Benedix zu lehcn! Es ist für uns ein wohl- ruendes Erfühl, die goldenen Harmlosigkeiten aus der Großväter Tagen zu erleben und auf der Bühne Grestalten zu sehen, die so brav und bieder oder so boshaft und l)artherzig sind, ganz wie aus den Romanen jener Zeit geschnitten, und es freut uns, von den Liebhabern so umständliche Artigkeiten zu hören oder aus einfältigem Munde so tüchtige Weis heiten. Vor allem konnten wir gestern wieder ein mal von ganzem Herzen lachen. Da ist alles bühnen- sähig und doch mit wenig Aufwand hervorgebractff; die Gestalten, so typisch-herkömmlich sie sind, haben greifbares Aussehen und bewegen sich dramatisch aufeinander zu. Ja in den ..Dienstboten" ist es Benedix, der eine liebende Beobachtung für das Kleine hat, sogar geglückt, Menschen zu formen, nicht nur Theaterfiguren. Mag Großvater Benedix im übrigen das Ideal in dem herzlich braven, von Geist nicht eben angekränkelten Haustöchtcrchen sehen, so hindert uns das nicht im mindesten, ihm für ein paar Stunden aufs Wort zu glauben. Allenthalben herrschte gestern abend Fröhlichkeit, und sic wurde nicht zuletzt einer entzückenden Aufführung gedankt. Im ersten Stück glänzte Mameluk als Schümm-, rich: er stattete ihn mit wünschenswertem Geckentum und hinreichender Dummheit ans. Neben ihm halsen besonders Walter, d'ssen überlegener Humor durchaus am Platze war und dessen Bollbarr treff lich Zeitstimmung schaffte, ferner aber als „zärtliche Verwandte" die Damen Schippang und Dall dorf, Vie treffliche Kokette der Frau Huth, die in allen Tönen girrte, ferner der flinke, herzige Backfisch Clarissa Lindens, die brave Tbus- nclde von M. Arens uitd die Iduna E. Lorants, dann die Herren Ebhardt, Ingen ohl und Winds fr. In den Dienstboten aber leistete sich Marie Dalldorf als iächselnee Köchin ein unübertroffenes Meisterstücklein. Außer ihr waren vor allem Lkcrts lebensechte Kutscher type, Colmars naturfrischer Reitknecht und Frau Rettys kleine, tüchtige Hanni recht löblich. Carl Huth hatte das Ganze sehr bewegt und lebhaft in Szene gesetzt, so daß es einen vollen Erfolg gab. vr. briockrieh Sebreeikt. * Leipzig, 23. Oktober. Hl. Eewandhaustonzert. Die Bortragsordnung war den Bundesgenossen überlassen Zwei Böhmen und ein Ungar boten ihre Werke dar. Zeitlebens standen sie in enger Fühlung zur germanischen Kultur. Liszt, der sich als musikalischer Kosmopolit doch stets als Ungar fühlte, war der große Rufer im Streite und der Mitbegründer von Neu-Weimar, von wo bahnbrechende künstlerische Ideen ausgingen. Als erster unter allen wagte er Beethovens Sonaten öffentlich vorzutragen, und „den einzigen Freund" nannte ihn Richard Atagner, der ihm so viel zu ver danken hatte. Ihm schloß sich Smetana an, der Liszts sinfonische Dichtungen als Vorbild benuyte und fein Vaterland in einem Zyklus von orchestralen Tondichtungen verherrlichte. Im anderen Lager stand sein Landsmann Dvorük, der. wie man es fein bezeichnete, tschechische Parallelen zum Schassen Brahms' lieferte und in einigen wenigen Werken der neudeutschcn Schule ebenfalls einen Tribut zollte, aber sonst Kompositionen klassizistischer Rich tung mit stark nationalem Einschlag schuf. Diesen drei Meistern ward Arthur Nikisch der auserwähltc und begeisterte Homilet, der dem reichen Klangreizc von Smetanas „Vysehrad" und Liszts gewaltiger Tasso-Dichtung ebenso mit kongenialem Nach empfinden gerecht ward, als er den inhalts- und ver antwortungsvollen Orchesterpari Dvorüklcher Kompo sitionen smehrerer Lieder, der Biblischen Gesänge und des Violoncellokonzerts) mit künstlerischer Hand auszugestalten wußte und hierin Licht und Schatten kunstgerecht verteilte. Der Künstler gib ebenso die Begleitung der DvorLkschen Gesänge am Blüthner mit feinfühliger Hand wieder, und Herr Konzert meister Edgar Wollgandt spielte das Violinsolo in Liszts „Zigeunern" ynt starkem Temperament und lebhaftem Ausdruck. In den beiden Solisten des gestrigen Abends hatte man ausgezeichnete künst lerische Beistände gefunden. Im Gegensatz zur Holländerin Julia Lulp strebt die Oesterreicherin Lula Mysz Gmeiuer mehr nach Universalität — einer Art der Kunstbetätigung, die ohne Zweifel ein Plus an Intelligenz und Energie ossenbart. Die Sänaerin hatte niit Lisztschen Liedern und Dooräkschen Biblischen Gesängen einen ausgesprochenen Erfolg. Ihr ist die Gabe verliehen, anzuziehen durch aus geprägte subjektive Auffassung und Unterordnung des eigenen Willens unter jenen des Tonsetzers, wozu noch die großen Vorzüge hervorragend schöner Stimmittel und deren lückenlose technische Be herrschung kommt. Lebhaft begrüßt und bedankt ward auch der Viowncellmeister Julius Klengel, in dessen Persönlichkeit Dooräks Konzert einen ganz vortrefflichen Interpreten fand. Dieses Werk ist eins der besten seiner Gattung. .Sein ungewöhnlich starker musikalischer Gehalt ist beschlossen in einheit lichem Zusammenwirken von Linzelinstrument und Orchester, jedoch derart, daß dem Solisten immerhin bis zu gewissem Grade drr künstlerische Prinzipat ebenso gewahrt bleibt wie die Möglichkeit, sein außerordentliches Können zu beweisen. Julius Klengel vermittelte die Komposition in ihrer vollen Schönheit und wußte aufs neue intensive seelische Klangwirkung mit Eleganz und Temperament in willkommene Harmonie zu bringen. Man bereitete dem Künstler, der sein Können und seine Kräfte nun schon seit vierzig Jahren in den Dienst der Ge- ivandhauskonzerle gestellt l>at, die lebl>aftcsten Ovationen. b-ugen * Schiller-Verein lLiterarische Gesellschaft) zu Leipzig E. B. mit Unterstützung von Rektor und Senat der Universität. Mo: en abend 8 Uhr findet in der Alberihalle der 10 Vaterländische Abend zu- ounsten einer Wcihnachtsbescherung für tue Kinder der Leip iger Krie. er statt. Eingeleitet wird der- , selbe mit Bachs Präludium und Fuge G-Dur für Orgel durch unseren vortrefflichen Organist Max Fest. Sodann folgen Lichtungen von E. B. Bürger und Freiherrn von Münchhausen, gesprochen von Emil M amelok. Alsdann hält Geheimer Hosrat Professor Dr. Erich Bethe einen Vor- trag. betitelt: „Die Segnungen des Krie- g e s", dem als gemeinsamer Ge ang „Die Wacht am Rhein" folgt. Ferner wird unser beliebter Kammer sänger Alfred Kase die Löwesche Ballaoe „Der Graf von Hadsbnrg" sowie Gesänge von Schubert und Schumann zum Vorirag bringen. Schließlich spielt der bestens bekannte ungarische Pianist Sändor Vas eine Kriegs-Polonaise in As-Moll des seit vielen Jahren in unserer Stadt lebenden polnischen Komponisten Franz Brzezinski ^Manuskript! Zum 1. Male!) * Der Wiener Volkstheaterpreis im Betrage von 30ll0 Kronen wurde dem Wiener Schriftsteller Anton Gustav Streicher für sein Stück „Traum- land" verliehen. * Schämt sich Maurice Maeterlinck . . .? Vor einigen Tagen las man in englischen Blätiern, daß bei Gelegenheit einer Rede, die Lord Haldane in Nrwcastle on Tyne gehalten hatte, auch M a u- rice Maeterlinck anwesend gewesen und zu den Anwesenden gesprochen habe. Die „Times" stellten die große Begeisterung fest, die durch Maeterlincks Worte hervorgerufen sei, und ließ dann einen Be richt über Maeterlincks Rede folgen. Jetzt aber meldet der „Figaro", daß Maeterlinck aus Poetot an eine Zeitung in Rouen geschrieben habe, er wrZse nicht, wie jener Bericht entstanden sei. Seit dem Anfang des Krieges habe er den Kontinent nicht verlassen Aus dieser Meldung darf man schließen, daß auch Maeterlinck sich von dem Lügen feldzug der englischen Zeitungen nicht mehr mit reißen lassen will. Auch die Tatsache, daß der „Figaro" gegen einen Bericht der „Times'.' prote stiert, ist ganz lustig. * Der gereinigte Leoncaoallo. Ruggiero Lconcavallo sollte, une vor einiger Zeit in der gesamten Presse gemeldet wurde, den viel erörterten italienischen Protest gegen die angebliche Zer störung des Domes von Reims mitunterzeichnet haben. Erfreulicherweise ist die „V Z." in der Lage mitzuteilen, daß diese Nachricht auf einem Irrtum beruht Wie einem Briefe Sonzognos an den Ber liner Verleger Fürstner entnommen ist, hat Leon- cavallo weder betreffender Versamm lung der „Ajjociazione Artistica Inter nationale" beigewohnt, noch hat er sich an der Abstimmung beteiligt. Sonzogno führt dieser Mitteilung hinzu: „Wir bewahren unver mindert unsere aufrichtige Bewunderung für alles, was im Felde der Kunst und des Wissens Deutsch land der Welt gegeben hat, und für die edleTa st freundlich kett, mit der die deutsche Nation jedem Kunst- werte, welcher Abstammung cs sein möge, immer entgeaengekommen ist. Wir hoffen, der deutschen Kunstproduktion auch in Zukunft dieselbe gastfreundliche Aufnahme bieten zu können. * Die Wiener Künstlerschast und Hodler. Die Wiener Künstlergenossenschaft hat beschlossen, an die Berliner und die Münchener Sezession ein Schreiben zu richten, in dem ausgesprochen wird, daß die österreichifcheKünstlerichaft mit den Gefühlen und Empfindungen ihrer deutschen Kollegen, die sie zur Ausschließung Ferdinand Hodlers veranlaßten, voll und ganz einverstanden ist. * Heinrich Morf, der hervorragende Romanist der Berliner Universität, wird am 23. Oktober sechzig Jahre alt. Seine Werke „Französische Literatur im Zeitalter der Renaissance" und „Geschichte der romanischen Lite raturen" sind hervorragende Erzeugnisse seiner wissenschaftlich vertiefenDen Arbeit. Zeine kleineren Arbeiten sind in den beiden Bänden „Aus Dichtung und Sprache drr Romanen" zusammengefaßt. Sprache und Literatur betrachtet er mit gleicher Liebe, mit gleichem Kiinstl:rauge. Morf ist als Sohn des bekannten Pädagogen Dr. Heinrich Mors zu Münchenbuchscc in der Schweiz geboren. Nach einer längeren Lehrtätigkeit in Berlin und Zürich wurde er an die Frankfurter Akademie berufen, und seit 1910 wirkt er in Berlin * Ismael Eentz -t. Der Maler Ismael Gentz ist in Berlin im 52. Lebensjahre gestorben. Er war ein Sohn des Orientmalers Wilhelm Gentz, der seinerzeit zu den bekanntesten Malern Berlins ge hört«. In einem Hause ausgewachsen, in dem wohl alle Künstler Berlins verkehrten, sing Ismael Gentz schon früh an zu arbeiten. Schnell gezeichnete Blei- stiftporlräts machten dem Anfänger einen gewissen Ruf. Neben den Porträtzeichnungen, die er als Spe zialität beibehielt, und in Lenen er sehr viele Be rühmtheiten abgebildet hat, schuf er Bilder aus dem Leben des Orients wie fein Vater, in dessen Haus und Atelier er sein Leben führte. * Joseph Flohmann f. Am Dienstag abend ist nach kurzer Krankheit der Bildhauer Professor Joseph Floßmann in Pasing gestorben. Zu München am 19. März 1862 geboren, ist er von den ersten Stunden seines Schaffens, aus der Zeit des Besuches der Münchner Kunstgewerbejchule bei Professor Heß, dann der Akademie bei Professor Eberle, eng mit dem Geist Münchner Bildhauerei verwachsen. Sinn für das Handwerklich Große seines Berufes, Liebe zur Einfachheit und zum ruhigen Ornament und edle Ruhe bei monumentalen Aufgaben bildeten die be sonderen Merkmale seines Schaffens. Eine Marmor gruppe von ihm steht in der Münchner Glyptothek, sie stammt aus der Mitte der neunziger Jahre. Später wandte er sich mit besonderer Liebe der mehr bürgerlichen Plastik zu. Für viele Bauten schuf er den figürlichen Schmuck. Auch der Grabkunst widmete er sein Interesse und er schuf hi«r neben den reizen den Kinderköpsen vielleicht seine innigsten Werke. Sein letztes großes Werk ist die Rciterfigur für das Dismarckdenkmal in Nürnberg, dessen architektoni schen Schmuck Theodor Fischer schuf. Auch Plaketten voll ruhigen Reliefs hat er geschaffen. Seit vielen Jahren gehörte er der Münchner Sezession an und dort war er auch im Ausschuß tätig. Im Jahre 1906 wurde er zum Mitglied der Münchner Akademie der Künste und zum Kgl. Professor ernannt. Im vorigen Jahr berief man ihn als Lehrer an die Kgl. Kunst gewerbeschule in München, wo er als Nachfolger von Professor Pruska besonders für dekorative Plastik wirken sollte. Aus dieser Tätigkeit, die er mit Freu den antrat, wurde er jetzt jäh durch den Tod gerissen. * Kriegssammlunq der Berliner Königlichen Bidlio hek. Die Königliche Bibliothek in Berlin ist schon seit Anfang des Krieges bemüht, eine möglichst vollständige Sammlung der die Zeitereignisse betreffenden Druck sachen anzulegen, um der Nachwelt ein lebendiges Bild der großen Zeit zu übermitteln. Sie ist über zeugt. daß ihre Bestrebungen nur dann von Erfolg gekrönt sein können, wenn sie die Unterstützung und Mitwirkung der weitesten Kreise findet. Sie richtet deshalb an alle, die dazu in der Lage sind — die Militär- und Zivilbehöikden, darunter auch unsere Vertretungen im Auslände, Kommunalverwaltungcn und Dereinsvorstände. Mitkämpfer, Privatpersonen jeder Art daheim und im Auslande —, die Bitte, ihr bei der Sammlung von Drucksachen über den Weltkrieg behilflich zu sein und ihr geeignetes Material zugehen zu lassen. Insbesondere find, wie die Generalocrroaltung der Berliner Königlichen Bibliothek mitteilt, für die Sammlung von Wert: Bekanntmachungen, Erlasse, Plakate, namentlich auch aus den Grenzbezirken und von unseren Truppen kommandos und Behörde» im Auslande-, im Aus lande von deutscher Seite herausgegebene Zeitungen sowie die für unsere Truppen bestimmten Kriegs zeitungen: Aufrufe und sonstige Drucksachen der Hilfsvcreinc und verwandten Organisationen: Pro klamationen. Aufrufe, Bekanntmachungen der feind lichen Behörden und Truppen sowohl im Auslande als auch in vorübergehend besetzten deutschen Ge bieten: ausländische Zeitungen, insbesondere solche aus Frankreich, England. Belgien. Rußland: Flug blätter. Lieder. Gedichte, illustrierte Postkarten, Bildervogen. Karikaturen, sowohl inländische als auch ausländische, vor allem auch feindlich«: Kriegs karten aus feindlichen Ländern: Photographien und sonstige Abbildungen von Orten, Personen und Be gebenheiten, die mit dem Kriege zusammenhängend ausländische Broschüren politischen, militärischen, sozialen oder wirtschaftlichen Inhaltes: Handschrift liche Kriegsberichte und Kriegsschildcrungcn. auch von gegnerischer Seite. Autographen von bemerkens werten Persönlichkeiten. * Hockstchulnachrichten Von der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg wird mitgeteilt, daß die neutestamentlichen Vorlesungen «Synoptiker Römerbrief. Seminarübunoen) an Stelle des verstorbenen Prof. Weiß von Dr. Preuschen, der sich Ende vorigen Semesters habilitiert hat. so- wie von anderen Mitgliedern der Fakultät gehalten werden. * Herbst 1914. Fallende Pracht! Leis« sinken die Blätter, Braune und gelbe und rot«, Stumm und dicht. Glühen und glänzen und gleiten. Sinken im grauen Gewässer, Bang und lang. Decken den Fuß und die Stege, Träumen von Glanz und Sonne. Hell und licht. Suchen die harrende Erde. Sinken und gleiten und fallen. Und um mich — ist der deutsche Märcheinvald; Es rauscht und raunt, und aus den goldnen Birken Tritt Siegfried, wie er aus zum Kampfe zieht: Die Augen blitzen Heller als sein Schwert, Die Sehn« strafst sich kärter als der Stahl. Und jeder Muskel reckt die Eisenkraft. Und von den Schultern strahlt der Locken Glan-, Und wo er schreitet, da ist Mittagslicht. Männliches Mark und leuchtend klare Treue. Der Drache harrt im Ubalde, feig und gelb. — Und hinter ihm stürzt vor die gierge Meute, Der feige Gunter und der schwarze Hagen, Die Brauen Lüstern, und die Blicke stechen. — Und dort am Brunnen, mählich sinkt er nieder, Im lichten Glanze, rot und still und schön. Fallende Pracht! — — Er rauscht und raunt im deutschen Heldcnwald Von Blut und Schlacht und der Geschütze Dampf. Sprung auf! Marsch, marsch! Die Reihen stürzen vor An Somme und Aisne: da knattern die Maschinen. Und wie sie stürzen, sinken sie dahin. Blutend sinken d'e Helden. ^unge und frisckx und stolze, stumm und dicht. Glühen und glänzen und gleiten. Heiß ist das Blut und die Wangen Broun und rot. Träumen von Sieg und Ehren, Decken zerwühlten Boden. Matt und fahl. Suchen die harrende Erde: Sterben so schön, die Jungen! — Fallende Pracht! — — Horst Gasse. Vie bunkert Lsge. >7) Roman aus dem Jahre 1815 von M. von Witten. Es war einen Tag nach der Beerdigung Phi lipp von Eures, als die beiden in tiefes Schwarz gekleideten Krauen durch die Gänge des Gartens der Enresclzen Billa wandelten. „Sie verlangen viel von mir," sagte Toska. Ihre Lippen bebten. Las schöne Haupt lag mit wehem Trotz im Nacken. „Was wäre für wahre Liebe zn viel'?! Toska! Oder wissen Sie es noch immer nicht: Tie Liebe ist stärker als selbst der Tvd!" Mit Heister Angst in den Augen bog sich Erdmuthe twr, um Toska ins Antlitz zn schauen, um ihr Innerstes zn ergründen. lieber das schöne, blasse Gesicht zuckte und wetterleuchtete der Schmerz. „Last er mich so verdächtigen, — mich so in meiner Krauenehre verletzen konnte." Mit jähem Anfschluchzen wandte sie sich ab. „Armes Kind — „Nein, Twin!" Ohne sich umzuwcnden, streckte sie abwehrend die Rechte gegen Erdmuthe aus. „Bedauern Sie mich nicht! Vielleicht habe ich wirklich so harte Strafe verdient! Aber cs ist bitter — bitter, sich so verkannt zu sehen, wo — wo — man — liebt —Die Worte er. starben. Mit raschem Schritte eilte sie vorwärts über den Kies. Als treibe sie die Scham von Erdmuthe fort. In einer blühenden Gcisblattlaube blieb sie aufatmcnd stehen. Sie ergriff einen der lose herunterhängcnden Zweige und drückte einen Büschel der hustenden Blüten gegen ihre heiße Stirn. Tann richtete sich ihre prachtvolle Gestalt hoch auf. Einer Fürstin gleich stand sic Erd muthe, die langsam herankam, gegenüber. „Erdmuthe! Ich würde keinen Augenblick zögern, zu ihm zurückzukehren und ihn um Per. gebuna bitten, weil ick ihn verlassen! Aber — so beschimpft durch ibn selbst — so verzerrt wie ich mein Bild in seiner Seele sehe, so vcr. mag ich's nicht. Selbst wenn er heute meinen Versicherungen Glauben schenken würde, morgen würde der Zweifel doch wieder in seinem Herzen auftauchen und das ertrüge ich nicht! Jede Ehe braucht das höchste gegenseitige Vertrauen, um eine glückliche zu werden. Die unsere doppelt. Sein Vertrauen aber ist in seinen Grundfesten erschüttert. Lassen Sie uns beide getrennte Wege gehen!" Erdmuthe erblaßte. „Toska! Verscherzen Sie Ihr Glück nicht! Otto lebt Ihnen noch! Sagen Sie mir ehrlich, steht noch etwas anderes zwischen Ihnen'?" ries sic mit eindringlichem Flehen. „Nichts! NichtS!" Mit einem gequälten Ausdruck schüttelte Toska das blonde Haupt. Diese rodwchc Miidigkeit in den Augen, senkte sie ihren Blick in den Erdmuthens. „Ter Koloß, der sich zwischen mich und Otto geschoben, er ist iu sich zusammengestürzt. Er riß meinen Vater mit in den Zusammenbruch hinein. Ter ist nun tot. Und lebte er, so würde er heute meine Ehe segnen!" Und rascher, indem ein leichtes Rot ihr blasses Gesicht überzog, suhr sie fort: „Aber wenn sich auch die ganze Welt zwischen mich und Otto drängen wollte, heute würde ich doch den Weg zu ihm finden — wenn er nicht selber die Brücke zwiscl)en uns abgebrochen !" Toska schwieg, die feinen Lippen aufein andergepreßt, das Auge am Boden. Und auch Erdmuthe schwieg, tiefe Trauer im Herren. Es war so still zwischen den beiden Aauen, daß man die Bienen summen hörte, die die Blüten mit süßem Liebeswerben umgaukelten. Ein paar Schmetterlinge taumelten kosend dahin. Ein schwerer süßer Duft hing in der Luft. Hoch stand die Sonne am Himmel. Ter ganze Garten at mete quelltiefes, sommersattes Leben. Erdmuthens Herz zog sich zusammen. Und die, die da wie eine Königin des Lebens und der Schönheit vor ihr stand, die sollte ihre Tage in düsterer Trauer verbringen? Jetzt, wo es noch Zeit für sie war, glücklich zu sein? „Toska, wollen Sie mich morgen nachmittag auf eine Stunde besuckien? — Sei es auch nur, um voneinander Abschied zu nehmen. Ich krnn Ihnen heute noch nicht für immer Lebewohl sagen!" Toska hob die Lider. „Gern werde ich kvwiuen." Sie streckte Erd- muthe die Hand entgegen. „Wie einsam wird es dann um mich sein!" Kröstelnd im heißen Mit- tagssonnenschcin zog sie die Schultern zusam men. Noch ein Händedruck. „Also auf morgen denn!" „Ja, bis auf morgen!" In trüben Gedanken verloren fuhr Erd muthe nach ihrem Quartier zurück. Sie zer grübelte sich den Kopf, wie es noch möglicb sein könnte, hier zu helfen. Ihr edles, müttcrlicl-es Herz wollte sich noch nicht darein finden, daß diese beiden Menschen, die der unerbittliche Tod versäumt hatte, durch das Leben auseinander gerissen werden sollten. Ter Fiaker hielt. Sie zahlte, stieg aus. In gramvollem Sinnen stieg sic die Treppen hinan, schritt den laugen, Küstern Korridor ent lang und betrat, von der einfallenden Sonne ge blendet, ihr Zimmer. Eine Stimme tönte ihr entgegen. „Erdmuthe! Gott sei Tank, dast Sie endlich kommen! Verzeihen Sie nur, daß ich mir er laubte, Sie in Ihrem Zimmer zu erwarten. Aber es ließ mir keine Ruh. Ich wollte keine Minute verlieren —" Tiefer' in das einfache Zimmer tretend, dessen getünchte Wände ein paar alte Kupferstiche schmückten, sah sie Otto von Jäger vor sich stellen, diesen schlanken, hochgcwachscnen Manu, besten vorteilhafte Erscheinung durch du Uniform noch gehoben wurde. In Gedanken stellte sie sofort Toska an seine Seite. Ihr Herz zog sich von neuem zusammen: Waren diese beiden nicht wie für einander geschaffen?! „Was gibt es denn?" fragte sie trübe. „Erdmuthe, wo waren Sie so lana? Sie sind erschöpft. Setzen Sie sich? Ruhen Sie sich aus!" Tie Worte schossen ihm nur so von den Lippen. Dabei drückte er sie in einen der beiden braunen Rips-Fauteuils nieder, die rechts und links vom Sofa, um einen ovalen Tisäi standen „Denken Sic sich doch nur!" Er holte tief Atem. „Graf Dnboit hat sich verlobt." Erdmuthe hatte, ganz in ihr schmerzliches Nachdenken versunken, nur halb hingehört „Was wollen Sie damit sagen?" fragte sie abwesend. „Aber verstehen Sie denn nicht?" rief er ungeduldig. „Dieser Ucberlänfcr hat sich ver- lobt — verlob: mit der Tochter des Generals Bonrmont, der kurz vor der Schlacht von LignN mit ihm gemeinsam zu den Bourbonen über gegangen! Dieser Schurke!" Zornbebend ballte er die Rechte zur Faust. „Er hat mich also doch belogen! Toska muß ihn abgewiesen haben!" Ta ging in Erdmuthens Herzen ein hell- leuchtendes Verstehen und ein frohes heimliches Lachen auf. Aeußerlich aber blieb sic tiefernst: ja sie brachte es fertig, ihr Gesicht in strenge Falten zu legen. „Warum erzählen Sie mir das?" ent- gessnete sic mit gemachter Kälte. „Habe ich etwa je an Toska gezweifelt?" Betreten stand er vor ihr. an einer Spitze seines Schnurrbarts nagend. In Erdmuthe aber wuchs der geheime Jubel. „Es kann mit einer Liebe wahrhaftig nicht weit der sein, die äußerlicher, zufälliger Be- weise bedarf, um glauben zu können." „O mein Gott! Wenn Sie wüßten, wie ich gelitten. Sie richteten nicht so streng!" murmelte er mit zuckendem Munde „Aber im übrigen ist das ja jetzt alles einerlei," fuhr sic unbeirrt mit einer gewissen kalten Strenge sort, wie ein Arzt, der gezwungen ist, Schmerzen zu bereiten, uni zu l-eilcn. Dabei verwandte sie aber, mit feinster Aufmerksamkeit spürend und auflauschend, kein Ange von seinem alle seine Seclenregnngcn widerspiegelnden Ge sicht (Schluß folgt in der Abend Ausga-e.)
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