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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.10.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141016013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914101601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914101601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-16
-
Monat
1914-10
-
Jahr
1914
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/reu»«, IS. vkiober ISI4. k«ipH>a«r «og-dlott Nr. S27. Morgen-Nusgavr. Sette 7 Kunst- Wissenschaft und Unterhaltung Vie Reimser ftatheörate. Daß ein Künstler vom Range Ferdinand Hodlers sich in blindem Glauben dazu hinreiß-.n lieg, einen französisch gesinnten Protest gegen die Barbarei" der Deutschen zu unterzeichnen, ist mit ditteren Gefühlen empfunden worden, und mit Recht bat er scharfe Zurechtweisungen über sich ergehen lassen müssen. Um so erfreulicher berührt eine von der „Igl. Rdsch." veröffentlichte Kundgebung eines bekannten Amsterdamer Malers, die in ihrer Sach lichkeit und ihrem edlen Empfinden nur allzu lebhaft von der Handlung Hodlers adslicht. Der Holländer Maler schreibt: „Ich habe sie nie gesehen, die Reimser Kathedrale, vnd ich kenne sie nur aus Abbildungen. Jedoch, wenn von Reims oder Chartres die Rede war, muhte ich immer denken an das höchste in der gotischen Archi tektur, an eine Steigerung noch des Eindrucks, den die Pariser Notre-Dame-Kirche gewährt. Wenn die französische Militärbehörde und die französischen Stra tegen in neuerer Zeit, wo man die verheerende Wir kung der modernen Artillerie zur Genüge kannte, Reims zu einer Festung gemacht haben, so zeigt dies wieder, daß militärische Wissenschaft und Aesthetik nichts miteinander zu schaffen haben. Bei der Wahl einer Verteidigungslinie ist di« Erhaltung selbst der größten Kunstwerke Nebensache und fast immer außer Betracht geblieben. So war es zu allen Zeiten und in allen Ländern. Die Befestigung von Reims schloß die Möglich keit einer Vernichtung der Reimser Kathedrale in sich ein. Deshalb war die ganze gesittete Welt auf den Verlauf der Beschießung gespannt, mit reizbaren Nerven, und nicht imstande, den kommenden Ereig nissen objektiv entgegenzusehen. Daß Künstler, in pulsio wie sie sind, sich in ihrem Urteil übereilten, ist begreiflich; unter den obwalten den Umständen war das aber jedenfalls unpralti ch. Die Heftigkeit, womit Poincars und DelcassL Protest erhoben haben, bevor sie sich über den wirklichen Tat bestand unterrichtet hatten, deutet leider allzusehr auf eine Ueberreizthcit, die bei einer Regierung nicht Vorkommen sollte. Die prachtvolle Kathedrale mit den unersetzlichen Fenstern hat sowohl nach den deutschen als auch den französischen Berichten stark gelitten. Ob bei diesem höchst bedauerlichen Ereignisse große Raschheit mit gesprochen hat, kann dahingestellt bleiben. Im Kriege heißt es aber, schnell handeln. Die Gründe, die zur Beschießung den Anlaß gaben und die vom deutschen Generalstabe amtlich nfitgeteilt wurden, brauche ich ihrer Bekanntheit wegen nicht zu wiederholen. Es bleibt nur ein starkes Bedauern über vernichtete Schönheit übrig. Dieser Verlust ist aber nur ein Detail des Krieges und fällt als seine Folge zurück auf die, die diesen schrecklichen Weltbrand entfachten. In Deutschland wird man sicherlich Wert darauf legen, aus dem Auslande eine warme Stimme zu hören und zu verbreiten. Und da möchte ich dieses sagen: Die Zerstörung einiger Teile der Reimser Kathedrale gehört zum Kriege, und im Kriege geht es ums Leben. Das alte Deutschland aber soll man dabei unangefochten lasten. Jede Beschimpfung fällthier aufden Schimpfenden zurück. Denn höher noch als ein Kunstwerk steht das deutsche Volk, aus dem mehr große Männer hervorgegangen sind, als mein Papier zu nennen Platz hat. Wollte ich an Deutschland zweifeln, so hieße das, an mir selber zweifeln. Aus allen Briefen, die mir zugingen, lerne ich, daß das deutsche Volk an ethischen Gedanken nichts eingcbüßt hat, jedoch um eine große Idee bereichert worden ist. Wer die Deutschen nach Reims auf einmal Barbaren nennt, macht sich im Grunde nur lächerlich, denn er ist doppelt geblendet: einmal von seiner Liebe zum Schönen, zum andern von seinem Haß. Die verschiedenen Briefe aus Deutschland, die ich in diesen Tagen empfing, zeigen, daß trotz der An forderungen, die der Ernst dieser ungeheuren Zeit an die Nerven des deutschen Volkes stellt, Deutsche doch noch die Kraft und die Größe der Gesinnung haben, öffentlich ihr Bedauern über die Beschädigung der Reimser Kathedrale zu äußern. Auch sie empfin den tiefsten Schmerz. Wir wissen es ja alle: Nur der Krieg ist ein barbarisches Mittel. Der höhere Mensch aber, der hilfreiche und gute, der edle Mensch Goethes, bleibe von jeder Beschimpfung verschont. Aber um zurückzukehren zur Reimser Kathedrale: Nach dem Kriege wird dieses Kleinod sicherlich restau riert werden. Und wahrscheinlich wird dieses Zeug nis des Mittelalters dann so genau in das Licht neuester Forschung gerückt werden, daß sich auch die Franzosen einmal über die ganze Bedeutung des so genannten „Peter, und Paulus-Meisters" als Bahn brechers des Naturstudiums in der französischen Bild hauerkunst klar werden. In Deutschland ist schon vor dem Kriege über ihn geschrieben worden. Wilhelm Vöge, in Band 49 der „Zeitschrift für Bildend« Künste", beendet feinen auch diesen Meister behan delnden Aufsatz mit den Worten: O, daß man sie verderben läßt in Näs'e und Wind, die köstlichen Zeugen von Frankreichs Kunstgeschichte." Kunst UN- Wissenschaft. Leipzig, 16 Oktober. ll. Kewandhauskouzert. Ein Programm in Moll, Musik, die für die obwaltenden Empfindungen zum awslösenden Medium ward und jene Stimmung im Publikum, die sich mehr denn je aller Aeußerlich- keit entledigend, allein der Sache selbst zuweudete. Groß war der künstlerische Ertrag des Abends und bedeutend der Eindruck, den Meister Arthur Nikischs tiefgründige Auslegung der beiden Sinfonien in H-Moll und D-Moll von Schubert und Schumann aufs neue wachrief. Das erstgenannte Werk bietet in seinen beiden Sätzen zwei so groß gefaßte seelische Zustandsbilder von solcher Schönheit und dichterischer Eindringlichkeit, daß man diese unvollendete Sinfonie neben jener in C-Dur zu des Meisters bedeutendsten Schöpfungen zu rechnen hat. In beiden Sätzen be stimmt das Gefühl allein die Form und sein Aus druck behauptet den Vorrang vor der intensiv durch geführten musikalischen Arbeit. Findet sich hier eine von romantischen Elementen stark durchsetzte instru mentale Lyrik, so bildet in Schumanns D-Moll-sin- fonie das dämonische Element die eigentlich trei bende Kraft des ersten Satzes, die auch im Scherzo weiterwirlt, wogegen in der Romanze und im Finale verschiedene aber einander doch ergänzende Stimmungen zur Ausgleichung beitragen. Zu beiden Werken gesellte sich noch ein kurzer, wohlbekannter Jnstrumcntalsatz Carl Reineckes, das Zwischenspiel aus der Manfred-Oper — das mit seiner stillen Klangseligkeit leise gemahnt an Stimmungen aus Webers „Euryanthe" und Wagners „Lohengrin" und seiner Wirkung stets sicher sein kann. Die Vortrags ordnung fand eine willkommene vokale Abwechslung durch eine Reihe Lieder und Gesänge. Julia Culps hohe und ausgereifte Kunst fand wieder alle die ihr gebührende ehrende Auszeichnung und dankbare An erkennung Nach wie vor glaubt diese Meisterin der vokalen Vortragskunst am größten zu sein in der Be schränkung auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet der in Frage kommenden Literatur. So bot sie auch gestern bekannte und geliebte Lieder von Wolf und Brahms, die durch Arthur Nikischs Begleitung am Nlüthncr noch ein besonders künstlerisches Relief ge wannen und aufs neue die Andacht zur Kunst förderten. Luxoo Segnitr. * Aus den städtische« Theater«. Zn der am Sonntag, den 18. d. M., stattfindenden Vorstellung „Lohengrin" wird Luise Wolf-Modes vom Stadttheater in Zürich die Partie der Elsa auf An stellung singen. Die Dame ist als Ersatz für das ausgeschiedene Frl. Aich vorgesehen. Die Partie der Ortrud singt zum ersten Male Kammersängerin Cä. cilie Nüsche-Endorf. Die Vorstellung beginnt um 7 llhr. — Der für Sonntag, den 18. d. M., im Alten Theater zum Gedächtnis der Völkerschlacht 1813 an gesetzten Vorstellung zu halben Preisen von Kleists „H e r m a n n s ch l a ch t" geht ein von Fritz Tögel für diesen Gedenktag gedichteter, von Lothar Körner gesprochener Prolog voraus. * Ehrenpreis der Stadt Leipzig für zeitgenössische deutsche Graphik auf der Bugra. Wie bekannt, hatte der Herr Oberbürgermeister und der bohe Rat der Stadt Leipzig einenEhrenpreis von 5000 den deutschen Graphikern auf der Bugra gewidmet. Der Preis sollte zu gleichen Teilen auf die Deutsche Kunstgenossenschaft und den Deutschen Künstlerbund fallen, mit der Bestimmung, daß diese auf jede der Körperschaften entfallenden Teile l2500 .^) höchsten« in je zwei gleichen Teilen von der Jury jeder Körperschaft unabhängig vom übrigen Preisgericht verteilt werden sollte. Die Jury des Deutschen Künstlerbundes hat diesen Bestimmungen gemäß je 1250 X Herrn Wilhelm Laage, Betzingen (Württemberg), und Herrn Wilh. Howard, Leipzig, mit allen Stimmen zugesprochen und ausgehändigt * Schiller-Verein (Viter«rische Gesellschaft) zu Leipzig, v. B. Heute abend 8 Uhr findet in der Alderthalle der 10. Vaterländische Abend zugunsten einer Weihnachtsbescherung für die Kinder der Leipziger Krieger uatt. Ihre Mitwirkung haben in selbstloser Weise zugejagt: Prof. Dr. jur. Ludwig Beer, Organist Mar Fest, Hofkonzertmeister Gustav Havemann «Violine), Wilhelm Walter «Deklamation) und der Leipziger Lehrer- Gejangverein unter Leitung seines vortreff lichen Lhormeisters Prof. Hans Litt. Das aus führliche Programm ist aus dem heutigen Inserat zu ersehen. * Ausruf zur Sammlung von Kriegsliteratur für die Deutsche Bücherei des Borsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig «Gerichtsweg 26). Der Vor stand des Börsenverelus macht bekannt, daß in der Deutjchen Bücherei nicht nur die tm Buch handel erschienene Kriegsliteratur, sondern auch alle diejenigen in Beziehung zum Kriege stehenden Druck sachen, die eine Bedeutung für die Geschichte des gegenwärtigen Krieges haben oder lür den Gejchichts- for«cher vermutlich erlangen können, gesammelt werden sollen, auch wenn sie nur teilweise oder gar nicht in das Sammelgebier der Deutschen Bücherei ge hören. Es wird jedermann gebeten, je rwei Exem plare von Drucken nachfolgend verzeichneter Art schnellstens beschaffen zu helfen: 1. Kriegschroniken in allen Sprachen, die von Tageszeitungen, Berufs vertretungen, Vereinen usw. zum Zwecke der Auf klärung des Auslandes, zur Versendung an die Feld truppen oder zur Erinnerung an Kriegsereignisse herausgegeden werden. 2. Kricgsanjprachen und Kriegspredigten. 3. Gedichte, Liederbücher, Bilder bogen und Karikaturen in Eindlattdrucken oder Heften. 4. Ausrufe, Maueranschlage. Fahrpläne und andere Be kanntmachungen z. B. auch von deutschen Behörden in Feindesland snwie feindlichen Behörden in vom Feind besetzten Gebieten. 5. Zeitungen des Aus landes und solche oes Inlandes, die in vom Feinde besetzten Landesteilen erschienen sind. 6. Kriegs zeitungen, die nur wegen und während des Krieges herausgegeden werden. 7. Ausländische Zeitungen, die in den von deutschen Truppen besetzten feindlichen Landen in deut cher Sprache oder mit deutschem Nebentext erschienen sind. 8. Landkarten, Pläne usw., mit Ausnahme von Ansichtskarten und Extrablättern von Tageszeitungen, die nicht gewünscht werden. Die deutsche Bücherei ist für Ueberweisung von je zwei Exemplaren «sicher und anderer Drucke mehr, die den jetzigen Krieg ähnlicher weise betreffen, sehr dankbar und bereit, etwaige Portoauslagen zu vergüten. * Ernst Hausmann s. Ein angesehener Berliner Künstler, der Maler Prof. Ernst Hausmann, ist dieser Tage gestorben. Hausmann, seit 1902 Be sitzer der goldenen Medaille für Kunst, die er auf der Großen Berliner Kunstausstellung für sein Altarbild für die Rügenwalder Marienkirche erhalten hatte, war seit längerer Zeit schwer leidend, so daß ihm der Tod Erlösung war. In Frankfurt war er 1856 als Sohn jenes Friedrich Karl Hausmann, des späteren Direktors der Hanauer Zeichenakademie, geboren, dessen farbig so lebendige kleine Entwürfe auf der deutschen Jahrhundert-Ausstellung sich einen Ehren platz in der Kunst der 50er Jahre errangen. Ernst Hausmann wurde Schüler seines Vaters, dann in den 70er Jahren der Münchener Akademie und hat später auch in Paris studiert. Das Kirchenbild, die Historie, das Bildnis wurden die Hauptfelder seiner Tätigkeit. Den Münchener Schüler Lindenschmits verraten seine Bilder des Eckehard, des Erzbischofs Guibert von Paris. «Sein „Christus auf dem Meere" ist sehr bekannt geworden. Noch auf der diessommer- lichen Großen Berliner Kunstausstellung hingen zwei Werke seiner Hand, mit Gegenständen aus alten Kir chen Italiens: das eine mit dem Weibnachtsbecken von Santa Croce in Florenz, das andere ein Blick in das Heiligtum des heiligen Franz von Assisi in seiner Vaterstadt. * Hochschulnachrichten. Das mecklenburgische Mi nisterium des Innern, Abteilung für Unterrichts angelegenheiten, bat eine Verfügung erlassen, wonach die zurzeit noch nicht immatrikulierten Studierenden, die einem der mit Deutschland kriegfüh renden Staaten angehören, in der Matrikel der Universität zu streichen sind. Das Ministerium hat danach im einzelnen verfilgt, daß Angehörige vermischtes. Oscar Wilde und England. Im 17. Kapitel von Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Grey" wird folgendes Gespräch geführt: „ Das Bier, die Bibel und die sieben Tod ¬ tugenden <in Anlehnung an die Todsünden) haben unser England zu dem gemacht, was es ist." „Sie lieben also Ihr Vaterland nicht?" „Ich lebe darin." „Damit Sie es desto besser verurteilen können." „Soll ich das Urteil Europas über es zu dem meinigen machen?" „Was sagt man denn von uns?" „Daß Tartüffe nach England aus ar- wandert sei und dort ein Geschäft erösf- n e t habe." „Ist das Ihr Urteil, Harry?" „Ich gebe es Ihnen weiter." „Ich könnte keinen Gebrauch davon machen. Es ist zu wahr." „Sie brauchen keine Angst zu haben. Unsere Landsleute beachten niemals eine Charakter stimmung" „Sie sind aber praktisch." „Sie sind eher verschlagens!» praktisch. Wenn sie ihre Hauptrechnung abschließen, gleichen sie Dumm heit durch Reichtum, Laster durch Heuchelei aus." „Und doch haben wir große Dinge getan." „Große Dinge hat man uns zugeschrieben, Gladys." „Wir haben deren Last getragen." „Nur soweit die Börse in Betracht kommt . .." Eine echte russisch« Zigarette. Die russischen und französischen Offiziere werden von den unsrigen als Standesgenossen geachtet. Man begegnet ihnen mit Rücksicht und tauscht mit ihnen den kameradschaft lichen Gruß. (Nur den englischen Offizieren, den berntwilligen Werkzeugen einer Politik der Lüge und der planmäßigen Raubsucht, wird solche Höf lichkeit verweigert.) In einem Gefecht jenseits der Grenze Ostpreußens war, wie das „B. T." rrzählt, ein russischer Kaoallerieoffizier in deutsche Hände gefallen. Ein Graf mit vornehmem Namen, in Deutschland gebildet und der deutschen Sprache vollkommen fähig. Er bot einem deut schen Leutnant, der sich mit ihm unterhielt, eine Zigarette an. Der Leutnant nahm die Ziga rette und bemerkte lächelnd: „Dir erste echte russische Zigar-tte." — „Ach nein," er widerte der Russe gleichmütig, „diese Zigaretten haben meine Leute requiriert, als wir in Insterburg waren." Humor Auf der Ertmm'schen schleppt sich eine Händlersfrau mit ihrem Pack. Da stehen drei Sol- daten und unterhalten sich. Die Frau ruft ihnen zu: Wenn Ihr da rumme steht, jein die Russen alle, eh Ihr hinne kommt. — Der Fritz bringt ein unerfreu- liches Zeugnis nach Hause, besonders schlecht steht es im Französischen Er beschwichtigt aber den Zorn des Vaters schlagfertig mit den Worten: Die Franzosen kriegen im Kriege auch nicht mehr wie eine Viere! dieser Staaten bis auf weiteres vom Besuch der Vor lesungen, auch in der Eigenschaft als Hörer aus zujchtteßen sind. Eine Immatrikulation solcher Per sonen findet fernerhin nicht statt. Ebenso dürfen sie als Assistenten bei den akademischen Instituten nicht angenommen werden. Die Zulassung einer Aus nahme hat sich unter vorliegenden, besonderen Grün den in jedem Einzelfalle das Ministerium vorbehal ten. Im letzten Sommersemestcr hielten sich an der mecklenburgischen Landes Universität vierzehn Russen auf. — Ein oerwund «t aus dem Kriege heimgekehrter akademischer Lehrer wird bereits im kommenden Winter semester seine Tätigkeit an der Berliner Uni versität aufnehmen, der Privatdozent Dr. Konrad Knopp. Der junge Gelehrte wurde an der linken Hand verwundet und kann daher nicht weiter im Heere Dienst tun. Infolge des Krieges muß der Berliner Vorlesungsplan mancherlei Aenderungen erfahren. So haben ihre Kollegs abgesagt, weil sie sich im Felde befinden: Professor Dr. Karl Strecker, der außerordentliche Professor für Mittellateinisch: der Nationalökonom Dr. Adolf Günther und der Botaniker Dr. Schubotz. Der Extraordinarius für alte Geschichte, Dr. phil. et jur. C. F. Lehmann-Haupt, der vor dem Kriege an die Universität Liverpool beurlaubt war, nimmt seine Berliner Tätigkeit wieder auf. Vie bunüerl Lage. 34j Roman aus dem Jahre 1815 von M. von Witten. „Steh auf!" herrscht er sie an. Sic tau melt, seinem Willen gehorsam, empor. „Ich muß zurück. Du aber — duI — du sollst uns nicht um den Sieg bringen! — Seh' diel) aufs Pferd!" Im Nu ist er abgesprungen und bietet ihr, mit der Rechten den Hals des Pferdes fassend, die Linke zum Trittbrett. Von seiner kalten ge bietenden Art wie gebannt, setzt sie den Fuß auf die Handfläche. Er hebt Toska hinauf — im nächsten Augenblick fitzt er hinter ihr im Sattel. Körper an Körper gedrängt — so reiten sie durch den Wald, in dem der Mittagszauber spinnt. Hinter ihnen donnern und krachen die Geschütze, sie hören es nicht. Sie hören nur das wilde Klopfen ihrer Herzen, nur das Sausen ihres Blutes in den Ohren. Otto kneift die Augen zusanrmen, er beißt die Zähne aufeinander: Herrgott noch 'mal! Dieses schöne, warmblütige Weib vor ihm 7— sein Weib ist's ja! Noch ist es sein Weib! Ein Schütteln durchläuft ihn — eine rasende Versuchung. Fühlt Toska, was in ihm vorgeht? Auch sie hat die Augen geschlossen: aber nicht krampfhaft, sondern mit einem stillen Ausdruck seliger Er- lösung. Lässig, wie mit gelösten Gliedern lehnt ihr Leib gegen die Brust des Mannes. Und jetzt gleitet ein wundersames Fraucnlächcin über ihr blasses Gesicht. So sterben zu können —! Ta —! Irgend ein Laut. Vielleicht auch nur ein Schatten, der mahnend durch die Seele strich. Tas qualvoll süße Ineinanderwogen der beiden Seelen ist zerrissen. Ter Traum ver weht. Otto sitzt krampfhaft aufrecht wie eine Statue im Sattel. Er umklammert Toskas Handgelenk mit einem Truck, als sei feine Hand eine eiserne Fessel. Mit steif ausgcstrecktem Arm ihren Körper von sich haltend, so jagt er nun mit ihr, als sei eine unsichtbare Scheidewand Zwischen ihnen aufgerichtet, das letzte Stück Wegs durch den Bois de Pari» zurück. Jetzt lichtet sich der Wald, das Torf Lasne liegt vor ihnen — die vorgeschobenen Abteilungen werden sicht bar —, eben taucht Blüchers Kops, jetzt seine Gestalt, jetzt seine Stute aus dem Engpaß und auf der Höhe auf. Otto galoppiert an den Feldherrn heran. Er schwingt sich vom Pferde — und hebt Toska mit kraftvoller rascher Bewegung gleichfalls herab. „Durchlaucht!" Er meldet kurz und knapp mit sich überstürzenden Worten seine Beob- achtungen. Daun fügt er hinzu: „Noch ahnt der Feind nichts von unserem Anmarsch. Alles Gelände bis nach Plancenoit ist unbesetzt. Doch im Begriff, zu Euer Durchlaucht zurückzureitcn, entdeckte ich im Buschwerk diese — diese — Spionin!" Ter alte Blücher läßt den Blick schmunzelnd auf dem schönen Landmädchen ruhen. „Ten Teufel auch, Mädchen! Du bist viel zu hübsch zur Spionage. Oder sollte dir deine Schönheit helfen, zu „Durchlaucht!" Ein Blick aus großen entsetzten Frauenaugen trifft ihn. Blüchers weickies Herz revoltiert. „Na — na, Kind! So schlimm war's nicht gemeint." Diese warmen, gütigen Worte sind Balsam für das unglückliche Weib. Ihre todwunde «Seele öffnet sich ihm weit, ihm, diesem greisen deut schen Helden mit der schönen gewaltigen Stirn, mit den großen Blauaugen, aus denen ein so wundersames Feuer strahlt. „Wohl bin ich schlecht — doch s o schlecht bin ich nicht!" stammeln ihre Lippen. Da ziehen sich Blücl-ers Brauen zusammen. „Wie? Ein so gutes Deutsch spricht man? Besser als der alte Blücher selber?! Und will doch keine Deutsche sein! Scham und Schmach! — Jetzt gesteh, was weißt du von den Fran zosen ?" Da ringt Toska in Heller Verzweiflung die Hände gegen Blücher auf. „Durchlaucht — Erbarmen! Nehmen Sie mich gefangen l Tun Sie mit mir, was Sic wol len! Zu einem Verrate zwingen Sie mich nicht — —!" Ein kurzes Lachen. Blücher wendet den Blick. Otto von Jäger hat es ausgestoßen. Doch schon ist das Lack-en auf seinem Gesicht verzückt. Hat einem Ausdruck höchster Spannung Platz gemacht. „Durchlaucht, ich glaube im Bois de Paris Chasseure zu erblicken. Darf ich kundschaften ?" „Vorwärts! Vorwärts!" Gestreckten Laufs jagt Otto auf fiincm Hengste davon. Ouerfeldcin. Halbwegs vor dem Gehölz reißt er das Pferd herum. Wie der Wind saust er zurück — im selben Augenblick setzen sich auch schon die Husaren, die als Vor trupp auf der anderen S ite des Waldes hallen, in Galopp. Sie sprengen auf der Skraize entlang hinein in den Forst. Otto quer auf sie zu, erreicht sie, schließt sich ihnen an. In wilder Jagd wird die kleine Schar französischer Plänkler zurückgetricben. In we nigen Minuten ist der Wald wieder rein. Tie Lützowschen Husaren bleiben darin halten. Otto aber reitet zum Feldmarschall zurück. Sein Stab hat sich um ihn gesammelt. Infanteriemassen schieben sich den Weg von Lasne auf das Gehölz zu hin. Neue Trupps quellen aus dem Engpaß wie ans einem unerschöpflichen Brunnen heraus. Otto meldet. Umsonst sucht sein Auge nach Toska. Wo ist sie hingckommen? Ist sie ent flohen? Hat der Feldmarschall sie entlaufen lassen? Er wagt nicht zu fragen. Und zum »Fragen ist auch nicht Zeit. Vom Westen her donnern und krochen die Kanonen. Und die Franzosen haben's nun doch erfahren, daß die Preußen im Anzuge sind! Aber Gott fei Dank nicht durch sein Weib! Nicht durch sein Weib! Indessen rückt der Zeiger der Uhr immer weiter vor. Droben auf der Höhe, am äußersten Westrand« des Walde» über Krtschermont hält nun Blücher mit seinem Stabe in peinvollem Harren. Eine lange Wolkenwand liegt zwischen den beiden Heeren. Aber die unaufhörlich zucken den Blitze der endlosen Geschützreihen bezeichnen die Stellung der Feinde zur Genüge. Einer Warte gleich ragt hinter der französischen Schlachtlmie das Gehöft Betle-Alliance empor. Einzelne Reiter sprengen von dort aus in alle Windrichtungen und kehren dorthin zurück. Tort steht Napoleon. In seinem Rücken, westlich von Plancenoit das gewaltige Rechteck einer aeschlvsse- nen Truppenmasse. Die französische Reserve, die kaiserliche Garde muß es sein! In Blüchers Augen blitzen Flammen. Tas ist der Punkt, gegen den BülowS Korps den Stoß führen muß! — Und drunten bei Belle-Alliance steht der Schlachtenlaiser. Mil düsterm, fanatischen Blick. Mit geblähten Nasenflügeln. Ihn fröstelt. Ter Angriff seiner Divisionen, die in vier grandiosen Massen die Höhe von Mont-St.Iean emporstiegen, ist auf der ganzen Linie abge schlagen. Nicht einmal das blutig umstrittene Schloß Hougomont ist in die Hände der Fran zosen gefallen, und der schwer eroberte Obst garten von La Haye Saint wird nur mit äußer ster Anstrengung behauptet. Nichts ist gewonnen. Nichts. Trüben stehen die Mauern der Truppen Wellingtons unerschürtert. Allen einschlagenden Geschossen — allen Angriffen zum Trotz. Wie von Zauberwort immer wieder von neuem ge schlossen, immer wieder von neuem aufgebaut. Und von Osten her drohen die Preußen. Tie Preußen, die er gewähnt bei Lignv endgültig ans dem Felde geschlagen zu haben. iÄle, höchste Eile tun not! Ter Kaiser schickt einen Adjutanten an Ney, den längst vorbereiteten Rettersturm au»zu- sühren. „Herr Marschall, an Ihnen ist'» jetzt, die Schlacht zu gewinnen," läßt er ihm sagen. (Forqetzmß, i» d«
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