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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.10.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141016013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914101601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914101601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-16
-
Monat
1914-10
-
Jahr
1914
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Veue 2. Nr. 527. Moryen-Nusgsve. Leipziger Ea^adlall. tzcn Deutschland vorbereitet ward, daß die Pta- icyen des Neyes, das uns über den Kopf geworfen werden sollte, imm.r enger wurden und dass >rnr es noch nachträglich alS (Hunde des Geschicke preisen dürfen, das, b'in russischen Uebermut das Abarten und Diplomatisieren zu lange wurde und er zu offenem Konflikte trieb, ehe der saubere Plan in allen seinen Teilen ausgereift war. Im einzelnen bieten die Aktenstücke natürlich manches Bekannte, oder sie drücken doch nur das amtliche Siegel auf Dinge, die auch so schon dnrchgesickcrt waren. Das gilt insbesondere von den Verhandlungen dieses Frühsommers über die Ziele der russisch-englischen Marine konvention, die Herr Grey so tapfer ableugnete, und von der Herr Ssasonow noch in einer feiner letzten Unterredungen mit unserem Peters burger Vertreter ärgerlich gemeint bat: „Sie existiere nur in der Idee des „Berliner Tage blattes" und im Monde." Ach nein! Es war über sie sogar außerordentlich eingehend in 'Paris, Petersburg und London verhandelt wor den, und sogar die Pläne einer L andnngrus sischer Truppen in Pommern, die uns Deutschen freilich als ein phantastisches Nackt- stuck erscheint, waren sckon sorglicli zu Papier ge bracht worden. Ein sehr trübes Licht fällt dabei auf die englische Diplomatie. Sie meinte zu schieben und sic wurde geschoben. Die eigent lichen Drahtzieher fasten in Paris und Peters burg. Herr Iswolski ist der wirtliche Kommodore, und Herr Grey, der die auswärtigen Geschäfte eines Weltreiches leitet und in diesem Sommer zu Paris zum ersten Male ausländischen Boden betritt, ist von dem gemeinen Neid gegen Deutsch land so erfüllt und verblendet, das; er anschei nend gar nicht spürt, wie ihm die Jaden ent gleiten und wie er die Freiheit des Handelns, von der er zeitweilig im Parlament noch prahlt, längst gegen das Linsengericht russischer Hilfe verkauft hat. Für unsere eigene Diplomatie bedeuten aber diese Aktenstücke eine erireuliche Ehrenrettung. Sie ist in diesen Wochen öffentlich nnd mehr noch in vertrauten Kreisen hart angelassen wor den. Aus der Publikation der „Norddeutschen All gemeinen Zeitung" erfährt man mit Genug tuung, dass ihr doch die Dinge nicht einfach über den Kopf gewachsen sind, dass sie — wenig stens in den letzten Tagen der Entwickelung — gut beobachtet und auch entsprechend berichtet hat. der Vormarsch der Deutschen zur belgischen Küste. Amsterdam, 15 Oktober. „Nieuws van den Dag" meldet: Ppern wurde durch die D e u t s ch e n voll ig umzingelt. Der Strom von Flüchtlingen, die sich aus dem Wege nach Calais befinden, weist auf einen allgemeinen Bormarsch der Deutschen nach der Küste hin. Rotterdam, 15. Oktober. Der „Nieuwe Rotter- damsche Courant" meldet aus Aardenburg: Die Deutschen haben die Brücke bei Stroobrugge an der holländischen Grenze besetzt. Ströme von Flüchtlingen kommen in Seeländisch Flandern an. Aus Rosendaal meldet dasselbe Blatt: Mor gen beginnt wieder der Bahnverkehr nach Antwerpen. Kopenhagen, 1'». Oktober. „VerUngSke Tidcnse" meldet: t-iu englischer Korrespondent traf in Bcnrne die BortrnpPen de- von Antwerpen kommenden belgischen Heeres an. Re sende, die gestern von Lstende «„gekommen find, haben den h e ft t g e n K a m p f bei Oo ltdninkcr kc dicht am Meer beobachtet. Oostduinkerke liegt nur 17 Kilometer südlich oon Ostende entfernt in unmittelbarer Nähe der Küste. Nachdem die Deutschen auf Zeebrügge, das nördlich von Ostende an der Küste liegt, einen er folgreichen Vorstoß gemacht haben, wird sich das Schicksal des umklammerten Ostende bald erfüllen. Gen Antwerpen. Mein Niese. — Auf der Lokomotive. — Morgengrauen in Löwen. — Franzö sische Offiziere. — Brüssel und die Macht der Gewohnheit. — Garnisons leben. — Die Weiblichkeit. - Geschäfts aussichten. Brüssel, 10. Oktober. In einer rheinischen Garnisonstadt stieg er zu mir in den Zug nach Köln und erregte schon allgemeines Aufsehen: er mast über zwei Meter, schien in seinem Fvstartilleristenmantel gewaltig breit, spielt« mit seinem Schiestprügel neuesten Systems wie mit einem Strohhalm und flöhte erst Vertrauen ein, als er seine grauüberfponnene Pickelhaube heruntergenom men und ins E>epäcknetz gelegt hatte. Trotz der Uni form aus dem alten, solideren, aber leider sichtbare ren blauen Tuch fuhr er ins Feindesland, nach Brüssel — mit Urlaub. Ein Ostpreustensohn. zwölf tes, best- und höchstgeratenes Kind, Brauer, mit einer Belgierin verheiratet, die nebst Sprossen er im martialischen Gewand aufsuchen wollte. Sein Harptmann hatte ihm dafür acht Tag« freigegeben — ein gutes Zeichen für unseren Leutcüberflust. Der Zufall hätte mir für die eigen« Brüsseler Reise keine grestartigcre Leibwache geben können. Mein Riese, der sehr gern rauchte, wurde überall mit solchem Re spekt betrachtet, als wäre er wirklich ein „großes Tier"; man liest ihn immer mit und fragte auch mich armen Zivilisten in seinem Schatten nicht allzuviel nach Woher und Wohin. Gesegnet sei das preustische Heer, das solche friderizianifckie Gardisten in seine Fußartillerie, einst die stiefmütterlichste, heute di« ruhmvolle Waffe, stecken kann. Bis wir mit dem Zuge des T.-Landwehrbatail- lons über die belgisch« Grenze kamen, hatten wir Muste, uns den nächtlichen Betrieb in Hcrbestal an- zuschauen und voll Bewunderung die dortigen Roten- Kreuz-Damcn kennen zu lernen. Seit Wochen ar beiten sie wie auf dem Schlachtfeld«! Zwar nicht im Kugelregen, aber inmitten der ein und aus gehenden Transporte unaufhörlich mit solcher Anstrengung und vor den Verwundetenziigen mit solch edler Nervenanspannung, daß auch sie das Eiserne Kreuz verdient hätten. Möge ihnen de, Dani zuteil and besetzt. Amsterdam, 14 Oktober. „Nieuws van den Dag" meldet au» Terneuzen: Deutsche Truppen, die nach Tausenden zählten, rückten durch Selzaete nach Westen vor. Zn Selzaete wurde ein Aufruf erlassen, dast alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren sich binnen zwei Tagen anmelden müstten. — Heute früh wurde Assenede besetzt. Assenede liegt etwa 8 lrm nordwestlich von Selzaete, 5 km von der holländischen Grenze Vie Zlucht aus Selgirn. Rotterdam, 15. Oktober. sEig. Drahtmeld.) Aus Ros en da al wird gemeldet: Flüchtlinge teilen mit, dast die belgische Armee et «geschifft worden sei. Leute, die aus Ostende gekommen sind, fügen hinzu, dast den Privaten die Ucber- fahrt nach England nicht gestattet worden ist. (Es kann sich bei der Einschiffung wohl nur um spär liche Reste der belgisci)cn Armee handeln. D. Red.) Folkestone, 15. Oktober. Heute sind wieder mehrere tausend Flüchtlinge aus Ant werpen hier gelandet, von denen viele halbver hungert und ärmlich gekleidet waren. Ueber -ie Panik in Gsten-e werden der „Franks. Ztg." auf dem Umwege über Paris noch folgende Einzelheiten gemeldet: Aus Ostende berichten die „Daily News": „Heute früh entstand in Ostende eine groste Panik Zn den Strasten drängte sich eine dichte, auf geregte Menge von Flüchtlingen aus den benachbarten Gemeinden Tausende von Menschen standen am Strande und schauten hinaus auf die See, ob von dort nicht Hilie käme Um 2 Uhr nach mittags bemächtigte sich der Stadt eine groste Enttäuschung, da mitgeteilt wurde, dast keine Boote nach England mehr abgingen. Der Bahnhof stand voll Menschen, die lärmten und nach M treln suchten, wegzukommen. Der trostlose Zustand Ostendes ist um so eindrucksvoller, wenn man an das frühere Treiben in normalen Zeiten denkt. Ein Dutzend englischer Journalisten und Photographen ist gefangengenommen worden." Winston Churchill -er britische Masver. London, 15. Oktober. Die „ Morning Po st", die bereits früher die Regierung vor der Gefahr eines dilettantischen Eingreifens von Zivilpersonen in militärisch« und maritime Operationen warnte, kritisiert in ihrer Nummer vom 13. Oktober den Der such, Antwerpen durch eine kleine Streitmacht von Seesoldaten und Marinefreiwilligen zu ent setzen Für diesen kostspieligen Fehler sei Winston Churchill verantwortlich. Das Blatt tadelt die Ent sendung englischer Hilfstruppen in dem Augenblick, da es für die belgische Armee der richtige Kurs ge wesen wäre, sich auf eine sichere Stellung zurück- -uzichcn. „Als die Engländer mit wenigem schwerem Geschütz in die Stadt geworfen wurden", sagt das Blatt, „war bereits eine Bresche in den äusteren Sektor der Befestigungen gelegt: die Stadt lag wehr los den schweren Haubitzen ausgeliesert und die rück wärtigen Verbindungen waren ernstlich gefährdet. Die belgische Armee hätte Antwerpen mehrere Tage vorher in Sicherheit verlassen können, als der Rück zug noch kein so verzweifeltes Glücksspiel war. Den Bürgern Antwerpens konnte die Beschießung erspart werden. Die Anwesenheit der britischen Truppen erschwerte und verzögerte den bereits zu lange hinansgeschobcnen Rückzug. Wir haben Grund zu der Besorgnis, dast die britischen Verluste be trächtlich gröster find, als der Staatssekretär zuzu geben bereit ist. Aber selbst der zugestandene Verlust ist ernst genug, wenn man berücksichtigt, dast der Gegner keinen dem entsprechenden Ver- l u st hatte und dast der Verlust der Anwc n d ung eines gänzlich falschen Operations planes entsprungen ist. Es ist nicht angängig, dast Churchill seine Stellung dazu benutzt, seine tak tischen und strategischen Launen Fach männern aufzudrängen, die durch die natürliche Schwierigkeit der Lage hinreichend bedrängt sind. Wir erfahren, dast Churchill im letzten Monat einmal recht bald ihrer Jugend Herbes Tal wieder ein frohes Tal werden. . . . Noch vor ein paar Tagen braucht« man von hier bis Lüttich 14 Stunden; wir fuhren schon mit besserer Lokalzuggcschwindigkcit. Gefpenstifch huscht die lange, eiserne, nur wenig erhellt« Schlange unserer A^ggons durch die Wälder nnd über die ungezähl ten Schluchten nnd Fluhbrücten, die in der ernsten Hut des braven Landsturms stehen. Dast jedoch noch lange nicht das Reisen für den Touristenverkehr er- öffnet werden kann, erfuhren wir auf dem Rangier bahnhof in Lüttich, wo unser Bataillon eine ander« Richtung einschlug. Mein Riese war nicht verlegen — er „requirierte" eine Lokomotive, die nach Brüssel beordert war und die uns sowie ein paar Postsäcke gern zwischen Feuer und Kohlen mitnahm. So spiel te» wir die Roosevelts auf dem Tender, glaubten es aber dem Lokomotivführer aufs Wort, dast ihm das Fahren bei den Belgiern, wo alles „umgekehrt" ist, man links fährt, keine Wcichcnsignale usw. hat, noch nicht zur Lust geworden ist, obschon die blauen Bohnen der Franktireurs zu surren aufgchört haben. Geht eine Maschine daneben, dann heistt es: „Wieder zu schnell gefahren!", ob man auch „wie 'ne Schneck« flrtzte" . . . Unsere Eisenbahner, die bald ganz Bel gien in eigener Regie haben, tun gutgelaunt den schwersten Dienst, und ihre gemütlichen Uniformen sind schon allen Flämcn und Wallonen wohlvertraut — sie erinnern sich bald nicht mehr der meist weniger reinlichen „Chcminots" von ehedem. Da das fchüttrige Stehen auf dem Tender — vorn Heist, hinten Eis -- nur ein zweifelhaftes Pläsier ist, nahm uns bald ein badisches „Zügele" mit, tn dem r»ern'andte Fustartilleristen sahen, di« gern Platz machten: bis nach Löwen, trauriger Berühmtheit. Grau stieg der fröstelnde Morgennebel über den Ruinenstrasten rings um die weite Bahnhofshalle auf: ein etwas maroder Soldat, der aus der kritischen Zeit zurückgeblieben ist, zeigt uns die massenhaften Spuren des Gewehrfeuers, das au» den Häusern ins Bahnhcfsiunerc gerichtet wurde, wo die aus einem einlauscnden Zuge steigenden Infanteristen nur dank dem schlechten und zu hohen Schiesten der Bürger nicht sämtlich umkamen. Die Belgier wollen noch immer bezweifeln, dast di« Löwener das Strafgericht selbst oerfchuldet hatten. Man kann auch heute den unumstößlichen Wahrheitsbeweis antreten. Die Palmwedel vergilben auf den Gräbern der deutschen Opfer, die man im Ziergärtchen unmittelbar vor dem Bahnhof bestattete — dies« Tapferen werden im britischen Hauptquartier in Frankreich, einmal in Dünkirchen und einmal in Antwerpen war. Diese Zersplitterung seiner Tätigkeit auf Gebieten, die ihn nicht eigentlich angehen, kann nicht die regelmähige Tätigkeit und Leistungsfähigkeit seines Ministeriums fördern. Sein Platz ist Tag und Nacht in der Admiralität. Wir schlagen vor, dast Churchills Kollegen dem Ersten Lord ganz bestimmt und endgültig erklären, dah die militärischen und maritimen Operationen unter keinen Umständen von ihm geleitet werden dürsen." Errichtung einer Sürgerrvache in Antwerpen. Dem „Lokalanzeiger" wird gemeldet: Die Deut schen errichten in Antwerpen eine Bürger- wache, die die öffentliche Ordnung wahren soll. Die Häuser müssen nachts offen bleiben und vor den Fenstern soll ein Licht brennen. Sämtliche Brände sind nunmehr gelöscht. Bei dem Löschen haben die Deutschen die Antwerpener Feuerwehr kräftig unter stützt. Der „Temps" und Lord Kitchener suchen sich zu trösten. Paris, 15. Oktober. Der „Temps" stellt die Er oberung Antwerpens, nach einer Mitteilung des englischen Kriegsministeriums, als eine Räu mung der Festung von feiten der Bel gier dar. Der Fall von Antwerpen lasse eine Lücke entstehen, aber die dadurch bedingte Verstärkung des Feindes werde durch die belgische Feldarmee ausge glichen, die ihrerseits nun zur Kampffront gehe. Vas En-e eines Hetzblattes. Es wird gemeldet, das; die A n 1 wcrpencr „M et r o p o l e" am 7. Oktober zum lctztcn Male erschien. Sie brachte folgende Erklärung: „Als Soldaten der Feder halten wir cs für un sere heiligste Pflicht, unser Bialt bis zur letzten Minute erscheinen zu taffen, und wir sind fest entjchlvssen, diese Pflicht voll zu erfüllen." Tas Blatt fügt hinzu, es wäre unnötig, zu erklä ren, dast es sich nie dazu entschließen könnte, unter Aufsicht der Deut schen zu erscheinen, und daß es deshalb fein Ericheinen einstellen müßte, bis zu dem Tage, da es wieder schreiben könnte, was es zn schreiben wünsche. Es schließt mit dem Aus ruf: „Es lebe der König, es lebe die Armee, es lebe das Vaterland! Es lebe das freie und immer unabhängige Belgien!" Vie bisherigen Verluste -er Zranzosen. Wie der „Täglichen Rundschau" aus Madrid ge meldet wird, lästt sich die in Barcelona erscheinende Zeitung „Dia Grafico" am 29. September von der französischen Grenze berichten, die Franzosen halten 150 UOU Tote und 350000 Verwundete. Von Gefangenen wird nichts gemeldet. Kämpfe an -er elsässischen Grenze. Köln, 15. Oktober. sEig. Drahtmeld.) Wie die „Köln. Ztg." über Zürich erführt, werden von der elsässischen Grenze her neue Kämpfe ge- meldet, die offenbar im Largtal stattsanden, und deren Mittelpunkt die vorzüglichen französischen Stellungen bei Sept sind. Man erwartet auf französischer Seite dir baldige Belagerung von Belfort. Ein wertvolles Zeugnis. Die Schonung, die die deutschen Belagerungs truppen der Stadt Antwerpen angedeihen ließen, ringt sogar den Engländern Anerkennung ab. Die „Times" sagen darüber: „Wir haben schon öfter die deutsche Art und Weise, Krieg zu führen, verurteilt, aber cs ist ein Gebot der Ehrlichkeit, anzucrkcnncn. dast Antwerpen von den Deutschen mit der größten Mäßigung behandelt worden ist." ebensowenig vergessen werden, wie die andern, die mit Lebensgefahr Löwens Rathaus und Kunstschätze retteten. Aurora crstaud über den ausgebrannten und ge borstenen Mauern, die das vor ein paar Jahren ge sehene Bild Messinas in schmerzliche Erinnerung rufen. Doch war es nicht die reine Morgenröte, son dern der Feuerschein aus der Richtung Antwerpens, oon wo fast ununterbrochen, wie Vorboten eines aufziehendcn, schweren Gewitters, das Donnern ge wisser Brummer herübergrollte. ... In dies Bild schob sich noch ein Transport frisch oon den Schlacht feldern ein — einer der musterhaften Lazarettzllge, die alles mit sich führen, was die beste Klinik auf weisen kann, Operatiönssaal einbegriffen. Ein leichtverwundeter, blutjunger Leutnant, das Eiserne Kreuz auf der Brust, brachte uns zu vier franzö sischen Offizieren, die mit ihren Beinschüssen ihre Gefangenschaft entschuldigen zu müssen glaubten und nm — Zeitungen flehten. Einer von ihnen sprach etwas Deutsch, war entsetzt, daß fast ganz Bel gien in unser n Händeii ist und die Russen, statt in Berlin, bei Suwalki und Lodz Herumfechten. Die Zeitungen bekamen die Capitaincs nicht, dafür aber erneut die Versicherung — d.»m Leutnant hatten sie cs nicht recht glauben wollen — daß man in Deutsch land Verwundete und Gefangen« nicht mißhandelt! Sie atmeten sichtbar auf: die blödesten Lügen haben selbst diese „intellektuellen" Köpfe verwirrt. Nach 28 Stunden Reise — die Endstreckc in einem Wagri mit Dragcnerpfcrdcn — langten wir in einem Brüsseler Vorort an. Mein Ries« stieß die gierige Banke oon Ansichtskarten-, Zigarren- und Traubenhändlern sein starker „commerce" mit den „feindlichen" Truppen hat sich aufgctan) etwas un sanft beiseite. Er erstürmte eine Trambahn, hatte es eilig, sein gesundes, schönes, flandrisches Weibchen wiederzusehen und vor Liebe auszufressen. Ich ichlug mich bald in die scharenweise lustwandelnde Menge auf den Boulevard Anspach, wo die Feldgrauen ge mütlich promenieren und alles tiefsten Frieden atmet. Die Preußen, Sachsen, Baiern gehen so ungezwungen durch die Straßen, als wäre das immer so gewesen. Und Brüssel bat eer unwiderstehlichsten Macht unterworfen, der Macht der Gewohnheit. Die alte Hauptstadt Brabants, die spanische, reichsdcutsche und österreichische Garnisonen kannte, wird die neueste, deutsche, in keiner bösen Erinnerung behalten. Offiziere und Soldaten sitzen in Nefinu- rant» und Las-» dicht bei den Einheimischen, geben /reiisg, >s. DHioder IS>4. Gesetz««!- -er Schantun-batzn durch die Japaner. Der Londoner „Daily Telegraph" erfährt au» Peking: Eine japanische Avantgarde, die au» 2 Kompanien bestand, hat Tsinanfu, die End station der Schantung-Eisenbahn besetzt. Sie hat sich heute ohne Zwischenfall des ganzen dort versammelten rollenden Materials be- mächtigt. Die fünfte Division des chine sischen Heeres, 10000 Mann stark, die in der Nähe lagerte, ist auf Beobachtungsposten geblieben Zwar sind fortwährend Zwischenfälle vor gekommen, aber den japanischen Truppen ist doch kein offener Widerstand entgegengestellt worden. Ein ganzer B a h n b e a m t e n st a b verläßt Japan mit dem Zweck, die Schantung-Eisenbahn unter genau denselben Bedingungen zu übernehmen wt« die Eisenbahnstrecke im Süden der Mandschurei. Serbische Gestän-niste. Wien, 15. Oktober. Das von Belgrad nach Nisch übergesiedeltc Blatt „Na rodn-i L i sti" schreibt: Die gemeinsame Offensive der deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen hat die russische Heeresleitung offenbar überrascht; na mentlich von dem deutschen Ausmarsch in Galizien scheint sie vollständig überrumpelt zu sein. Die Lage der russischen Armee ist u in s o k r i t i s ch e r, als von russischer Seite selbst die überlegene Kampfcsart der österreich sch-ungari chen Truppen zugegeben wird. Die Lage scheint schwierig. Jetzt darf die ser bische Regierung nicht zögern und must die Gefahr zu lokalisieren suchen. Wir verlieren um so mehr, je tiefer wir in den Krieg hinein geraten. Die Regierung sieht untätig zu, aber jede Minute weiteren Zögerns kostet Menschenleben. Vie kana-ier stn- eingetcoffen. Der „Franks. Ztg." wird indirekt aus Paris gemeldet: Nach hiesigen Blättern ist das erste Kon tingent kanadischer Truppen in Southampto n eingetrosseii und wird zu nächst in England einexerziert. Der Vertreter -es Kaisers bei -er Leichenfeier in Bukarest. Bukarest, 15. Oktober. Heute mittag ist F first Wedel mit Svnderzug hier eingetroffen, um als a u ß e r o r d e n t l i ch e r B o t s ch a f t e r des Kaisers an der Leichenfeier teilzu nehmen. Der Fürst, der in einem Hotel abge stiegen ist, wurde um 3 Uhr vom König, dann von der K ö n i g i n in P r i v a l a u d i e n z emp fangen. Um 5 Uhr hatte Fürst Wedel eine Unter redung mit dem Premierminister Graf Bra- tianu. Er wird morgen an der Leichenfeier im Schlosse und dann an der Beisetzung in Kurten De Arges teilnehmen, die sich zu einer großen nationalen Trauerfeier gestalten wird. Die an deren Höfe sind nur durch die iu Bukarest residierenden Gesandten vertreten. Eiserne kreuze. Das Eiserne Kreuz wurde ferner verliehen: dem Oberst im Fuhartilleric-Regiment 4 Hugo Hühn tl und 2. Klaffe), dem Oberleutnant im Dragoner- Regiment 25 Dr. Eduard Schlüter, dem Leut nant im Feldartillerie-Regiment 9 Karl Retz lass, Sohn des Direktors der Wescasnkanischen Pflanmngs- geiellschaft „Bibundi" Retzlaff-Hamburg. dem Führer einer Landsturmbatterie Hauptmann Jung, Geh. Re- gierungsrat und VortragenoemRat imReichsamte des Innern, dem Leutnant und Adjutant bei den Jägern zu Pferde von Normann, dessen Vater, der be kannte konservative Politiker, dieselbe Auszeichnung 1870 71 erhielt, dem früheren Militärattache in Brüssel und am Heag, Hauptmann im Generalstab wie diese um die neunte Abendstunde solid tn die Klappe. Von srenndichastlichem Verhältnis kann nicht die Rede iei», doch hotten wir uns die geheime Erbitterung schlimmer vorgestellt. Besonders sett der in geifireichelnder Obstruktion nach Popularität strebende Bürgermeister Max vom Gouverneur Feldmacschall von der Goltz ohne viele Um'tänk>e nach einer preusthchen Festung abgeschoben wurde, geht alles in der Stadtverwaltung wie am Schnür chen. Schössen und Polizei verhindern neugierige Ansammlungen. So entwickeln sich die deutschen Re- gierunqsbetriebe ruhig, verkaufen rheinische Post beamten im Zcntralpostamt unermüdlich die vor läufig für Philatelisten wertvollsten, mit Centimes wertungen überdruckten Germania-Briefmarken und verteilen die postlagernd« Korrespondenz der Brüsse ler aus einigen Prooinzstädten oder aus Deutschland — die Briefe würden ihnen in die Wohnung zu- gcstellr werden, doch wollen die belgischen Briefträger vorläufig nicht unter deutscher Leitung arbeiten. Auch die Bahnen beginnen mit bescheidenem Verkehr. Unseren Militärs und Beamten mistfällt das Brüsse ler Leben durchaus nicht. Wie ernst die Zeiten sind, die Stadt hat ihren heiteren Charakter bewahrt. Die Herren spielen die gewohnte Partie Karten oder Billard, die Damen zeigen in geschlitzten Iupons luftige Scidcnstrllmpfe. Mögen die Modistinnen auch nur schwarz-weiße Halbtrauerhüt« sallenfalls mit etwas Grün, Farbe der Hoffnung) anempfehlen — Brüssel legt die grelleren Farben ungern ab. Aus der Umgebung kommt täglich schon aus giebiger Proviant: es ist unwahr, daß Brüssel Nah rungsmangel bevorsteht. Fast alle Geschäfte (ausgenommen Banken) sind geöffnet, versorgen auch gern das deutsche Militär mit Lcdersachen, Decken usw. Die Gift presse ist unterdrückt; man liest schon vertrauensvoller die kurzen Veröffentlichungen des deutschen Gouvernements und diskutiert mit den erlaubten kleinen Zeitungen die Frage, ob es jetzt nicht dock' besser wär«, Franzosen und Engländer den Kampf allein fortsetzen zu lasten, billigt sogar „unter den Umständen" das deutsche Verbot, dem an die jungen Belgier gerichteten Appell aus Antwerpen Folge zu leisten. Das letzte Echo oon dort ist ver- stuwmt. . . . Und als ich auf dem Boulevard Anspach froh meinem ostpreußijchrn Riesen wieder begegn«, scheint nur seine Länge Staunen zu erregen, nicht, dast seil» flandrisches Weibchen so vertrauensvoll an feinem Arm hängt. Carl Lahm.
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