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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.10.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141002029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914100202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914100202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-02
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Monat
1914-10
-
Jahr
1914
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Leipziger Lagediak. veur 2. Nr. 502. Nvenü'Nusgsve. das erste Mal, daß einem Leutnant dieser höchste Kriegsenden verliehen werden sei. Das stimmt nur dann, wenn man den Oberleutnant nicht mit zur Klasse der Leutnants zählen will, wie es doch in der Regel geschieht. Zu den wenigen älteren Rittern des Ordens gehört der Oberstleutnant und Flügel adjutant des Kaisers, Graf v. Soden, der den Orden ?our le mdrirr- als Oberleutnant im Jahre 1900 sur seine heldenmütige Verteidigung der deutschen Ge sandtschaft in Peking während des chinesischen Boxer aufstandes erhielt." 30 französische Flugzeuge erbeutet. Zn dem Kriegstagebuche eines Arztes, das von der „Norddeutsch. Allg. Ztg. ver öffentlicht wird, findet sich folgende Stelle: Draußen donnern unsere schweren Geschütze gegen die Antwerpener Forts. Wir stehen alarmbereit und können jeden Augenblick zu der großen Schlacht abrücken, die da draußen tobt. Englische Kavallerie und belgische Artillerie sind über unsere braven Lnndwehrleute hcrgesallen, aber -wir hatten das Glück, das; gerade noch der erste Transport unseres Linicnkorps ausgeladen werden konnte, so daß die Angreifer mit blutigen Köpfen Heimgeschick: wurden. Zm Nebenraum singt der Fcldtelegraph der Division, und der Unteroffizier meldet mir, das; 30 französische Flugzeuge, schön verpackt und in ein Eisenbahnabteil verladen, von unseren Truppen in Belgien auf gefangen worden seien. Da die Erbeutung der 30 französischen Flugzeuge rrnseres Erinnerns noch nicht bekannt geworden ist, glauben wir diese Stelle des Tagebuches wiedergeben zu sollen. Vie österreichische Offensive gegen Serbien. Budapest, 2. Oktober. Die „Budapester Korre- /pondenz" meldet: Unsere Offensive in Serbien schreitet erfolgreich vorwärts. Ein serbischer versuch, sie durch einen neuen Einbruch über die Save zu stören, scheiterte, da unsere Grenzschutz truppen die kleineren scrbisck)en Truppen sofort aus drm Lande vertrieben. Truppeneinberufung in Serbien. Paris, 2. Oktober. Der „Temps" meldet, das; Serbien die Zahresklasse 1913 uner die Fahnen beruft. — Das Blatt enthält wiederum große Lücken von '/- Spaltenlänge. Truppenbeurlaubungen in Bulgarien. Sofia, 2. Oktober. Rach der „Agence Bulgare" ocabsichtigt die Regierung die Beurlaubung ge wisser Kontingente, die gegenwärtig unter den Fahnen stehen, und die Einberufung einiger Jahr gänge der Reservisten zu Wasfenübungen, um die für den Ga r n i s o n d i e n st und die Aufrecht- erhaltung der Ordnung im Lande nötigen Truppen zu ergänzen. CleMenceaus neue Zeitung mit Sesihlag belegt. Paris, 2. Oktober. Die zweite Nummer von Elemente aus Zeitung, die jetzt den Titel „Homme enchaiii'" führt, ist in Bordeaux mit Be schlag belegt worden. die Verschiffung von Kupfer von Amerika nach Rotterdam. London, 2. Oktober. Die „Daily News" melden aus Washington: Zn e:ner vom Senat an genommenen Resolution wird Staatssekretär Bryan ersucht, nachzuforschcn. ob England sich betreffs der Verschiffung von Kupfer von Amerika nach Rotterdam ringemischt hat, und darauf Bericht durüb.'r zu erstatten. Archangelsk als Exporthafen Nusilanüs. Christiania, 2. Oktober. „Tidens Tcgn" schreibt über die augenblickliche Bedeutung von Ar changelsk als Expo rtha scn Rußlands nach England und Amerika für Holz. Nachdem durch die deutsche Flotte die rus sischen Ostseehäfen völlig ausgeschaltet sind, ist Archangelsk nunmehr die einzige Uebersee- vcrbindung Rußlands. Die russische Amerika linie hat die Fahrt nach New Port mit drei Dampfern eröffnet. England hat für die Fahrt im Weißen Meere die sonst so strenge Bestimmung über die Deck ladung aufgehoben. Ob es aber möglich ist, mittelst Eisbrechern das Fahrwasser nach Archangelsk offen zuhallen, wie es Rußland plant, ist äußerst fraglich. Ein französisches Kriegstagebuch. Die „Natl. Korr." verdankt der Freundlichkeit eines in einem Feldlazarett tätigen Stabsarztes das Tagebuch eines einpelieferten verwundeten fran zösischen Korporals, aus dem nachstehend die wich tigsten Aufzeichnungen rvieoergegeben seien. Sie legen Zeugnis von der militärischen Durchbildung und dem Scharfblick dieses französischen Unteroffi ziers ab, der bis zu dem Zeitpunkt, wo ihn eine deutsche Kugel nredcrwarf, oyenen Auges den Ereig nissen gefolgt ist und sich bemüht hat, sie wenn auch nur in kurzen Strichen, so aber doch durchaus ver ständlich, sestzuhalten. Das aus seinen Aufzeich nungen sprechende Verständnis wird dadurch erklär lich, daß der Korporal dem Volksschullehrerstande angehön. Kriegstagebuch. 31. Juli. Abfahrt in Zornville. 20 Uhr II abends Empfang am Gare de t'Est. Teilweii e M o b r - tljation. Von Ehalon s. Marne ab Reservisten. Bahnhofserndrücke: in Toul: Durcheinander; in Nancy: Lebhaftes Treiben; in Epinal: Tränen. 1. August. 3 Uhr. Allgemeine Mobilisation. Hoff nung und Niedergeschlagenheit. 2. August. Abfahrt nach Robache. Biwak. Gegen Mitternacht Alarm. (Falscher Alarm, Absahrt zum Quartier. 3. August. Plünderung eines Magazins von t? nicht »esbarj — gewöhnliche Abscheulichkeit. (Pro vision.) Schlachtenlärm. Man teilt uns mit, daß die Deutschen zurückgeworfen sind. Zurück nach Robache. Die Laufgräben ausgehoben. 7. August Nichts. Kalte Nacht unter einer Scheune. Alpdrücken, Wecken; um 2' « Uhr werden die Laufgräben besetzt. Neue höhere Laufgräben. Lärm von außen Ein belgischer Sieg in Belgien. (.8000 Tote). Am Abend neue Lagerung. 10. August. Am Morgen: Ruhe. Um 11 Uhr Alarm. Die Ulanen gehen vor in der Richtung von Eol de ? (nicht lesbar). Wir kommen in der Straße an. Man wartet nach einem schweren Marsch unter brennender Sonne. Wir hallen im Wald von Beulay über der Petile Fosse. Abmarsch in einen Waid zur Rechten. 4 Uhr, 5 Uyr, ti Uhr. Bom bardement von ? (nicht lesbar). Die Kugeln zischen über unsern Köpfen. 13. August. Wecken um 3 Uhr. Das Bataillon muß nochmals in 1. Linie des Vormarsches sein. Die Sektion ist zur Bahnhosswache abkommandiert. Ueberwachung des Bahnhofsvorstandes. Die deutschen Grenzpfählc werden verbrannt. Die telegraphfichen und telephonischen Apparate werden zerstört im Bahnhof und in der Post. Tote Pferde. Um 3 Uhr Kanonenlärm Eine Rekognoszierung wird aus gesandt. Die Familie des Bahnvorstehers. Sechs Kinder. Sein Bureau wird zerstört. Was dieselben leiden müssen. Armselige Situation. Abscheulich ketten des Krieges. Der Mensch wird Opfer seiner Gelüste. 15. August. Wir stehen um 5 Uhr auf. Um 6 Uhr treffen wir mit dem Bataillon zusammen. Man teilt uns mit, daß die Deutschen die Brücke von Fonday über die Bruche gesprengt haben. Ten ganzen Morgen einzelnes Feuer. Menschenjagd nach denen, welche zurückgeblieben sind. Zn der Ferne Kanonendonner. Ein deutscher Aeroplan überfliegt um 0 Uhr unsere Linien. Vorbeimarsch an Gefangenen und Ver wundeten. Nachrichten von außen: Italien ist in Oesterreich eingedrungen. 18. August, Um Mitternacht wird aufgebrochen. Um 1 Uhr Abmarich auf dem Weg zum Donon. Es regnet in Strömen. Verfluchtes Schicksal, welches uns zwingt, ohne Ruhe auf den Straßen zu lausen. Es scheint, daß mein Geist getrübt wird in diesem furchtbaren Sturm. Am Dono» finden wir die 21er Jäger. Abstieg auf einem langen geschlängelten Weg. Steile Berge. Schroffe Schluchten. Bergströme. Der Nebel hebt sich, unü vor uns entwickelt sich eine immense Landschaft. Zwei Stunden Marsch. 8 Uhr. Kaffeestunde. Vor uns, auf Luneville zu, hören wir Kanonendonner. Die Müdigkeit wird immer stärker. Der Himmel ist klar, und es ist heiß. Immer dieser nie endbare Abstieg; zwischen zwei Bergen ohne Absatz, nur ein Netz. Mittag. Ich muß mich anstrengen, um zu lausen. I Uhr. Wo geht es hin? 3'/» Uhr. Ein Dorf. Halberschweiler. Jedoch kein Quartier. In kleinen Trupps muß die Kompanie sich auf den naheliegenden Kamm postieren. Vor uns breitet sich Flachland aus. Dies ist wahrscheinlich das Loch zwischen Nancy und Luneville. Die Kanonen tönen ganz in der Nähe. Eindrücke: Wahrhaftig, wir leiden zuviel und es wird eine übermenschliche Arbeit von uns verlangt. Ist denn der Krieg so naturwidrig, daß, wenn er nicht tötet oder verletzt, er die Geister niederdrückt? Und dieser Kanonendonner beschwört bei mir Geister herauf, welche den zerfetzten Körpern entrissen sind. Abscheuliche Visionen. Da liegen Familienväter, arme junge Leute, welche noch nichts von dem Leben kennen, und unter denen sich vielleicht spätere Genies befinden. Kinder, Frauen und Eltern erwarten dieselben und diese liegen hier, von einer Kugel oder Granate getroffen, :n einem einsamen Grabe in unbetanntem Lande, und keiner der Ihrigen weiß ibre letzte Wohnung, und keiner kann auf ihrem Grabe knien. Sie sterben allein, und diejenigen, welche dahinten in ihrem Valerlande bleiben, werden lange leiden. Ohne Hoffnung werden diele im Elend und Kummer bleiben Doch fort mit diesen Visionen. Uebrigens denke ich an nichrs mehr. Mein Herz ist ganz durch einander, zu müde. Ich sehe alles nur mehr in einem Traume in einem Schreckbild, und doch zu natürlich. 20. August, 30, Uhr. Mitternacht. Alarm. Nichts. 4 Uhr. Gewehr- und Geschützteuer. Wir graben Lau'gräben. 7 Uhr. Ringsum tönen die am Abhang aufgcsiettlen französischen Ges! fitze. Die deutschen Kanonen schweigen. In der Ferne ein Fesselballon. II Uhr. Wir verlassen den Kamm unter Geschütz feuer. Wir postieren uns an den Wald, wo unier Biwak lag. Gegen Mittag reenen die Granaten wieder. Eine fällt mitten in die Kompanie und verwundet: les folgen Namen.) Panik . . Ich trete einen Moment in den Wald. Dann komme ich zur Kompanie zurück, welche einen Lauigraben gemacht hat. Der Feind hat den selben bemerkt und es regnet Granaten. Angstvolle Minute. W>r bleiben Jedoch der Herr Leutnant B. wird von einem Sprengstück am Kopf getroffen. Wir gehen zurück, mil den Verwundeten. Wir treten in das Dorf. Beim Wiederaufstieg des Kammes um 4 Uhr werde ich verwundet. Eine Kugel in der Hüfte. — 6 Uhr. Das Gefecht beginnt von neuem. Das Feuer, welches anfangs nach links abzuweichen schien, kommt näher. Die Deutschen sind im Dorf Was machen? Die Franzosen ziehen sich zurück. Wir müssen fort, oder fallen den Feinden in die Hände. Die Franzosen versuchen jedoch einen Gegenangriff, welcher bemerkt wird auf dem Kamme. Die Deutschen haben ihn bemerkt, und fegen den Kamm mit einem Granaten- und Kugelregen. Ich hörte dieselben neben mir pfeifen und platzen. Was machen? Verwundet lege ich mich mit einem Kameraden vom 31. Regiment, welcher gleichfalls verwundet ist, einen Moment hin. Die Nacht kommt, und es gelingt mir unter tausend Schmie- rigtciten und sehr großen Schmerzen, bis zur Waldes lichtung zu kommen, wo die 149sr auf Vorposten sind. Rian weist mich nach der Mitte des Waldes zurück, nahe an ein Observatorium, welches zerstört ist und von wo aus ein Weg zu einem Hof geht, wo die Verwundeten ausgenommen werden. Ich habe das Glück, hier Krankenwärter zu treffen, welche auf ihrer Tragbahre zwei Verwundete, einen Ser- geanten und einen Feldwebel haben, wo man uns verbindet und wo ich mit Herzlichkeit ausgenommen werde. 21. August. Die Nacht war gut, aber seit dem frühesten Morgen ist das Feuer im Gange. Und es ist erst 0 Uhr. als man uns mitteilt, daß die Deutschen oorrücken und Terrain gewinnen. In Wirklichkeit hört man sic bald. Das Gefürchtete wird Wirklich keit. Sie sind da. Die Gefangennahme beginnt. Und der Hunger zerreißt mich. Fast nichts zu essen. Die Deutschen find sehr gut, besorgen uns gut und behandeln uns mit Rücksicht. Die Unsern sind schon seit Morgen fort, und ein Mönch hat uns die Lossprechung vor dem Abgang gegeben. Der Tag geht so vorbei; lang und schmerz voll. Um uns nichts als ein Vorbeidefilieren von deutschen Verwundeten, welche fortwährend herdei geschafft werden; die Klagen der Verwundeten. Arme Einwohner. Auch ihr müßt leiden. Ich danke euch aus tiefstem Herzensgründe, denn ihr seid sehr liebenswürdig gegen uns gewesen, sehr offen; ihr habt alles getan, was ihr gekonnt habt. 23. August. Gute Nacht. Wir werden gut aus genommen. Sehr viel Rücksicht für die Verwundeten. 15 Ubr. Der Vorbeimarsch der Verwundeten. Ah! Der Krieg ist doch traurig. Ein Arm weg, Bein FreUay, 2. Oktober 1914. oder Arm zerschossen. Die einen im Todeskampf. Nachrichten von außen: Das 13. Korps ist geschlagen und mußte sich zurückziehen. Frankreich ist über- chwemmt. 24. August. 2 Tote. Hospital. Die Betten in der Reihenfolge. Verbinden der Wunden. Die brennende Sonne. Ich kann mein Bein fast nicht mehr ge brauchen. Erhalte die Großmütigkeit eines jungen Eisäffer». 25. August. Nichts ändert sich. Es scheint mir, das; mein Zustand sich bessert. Die Nachrichten von außen scheinen sicherer zu sein. Man bringt nur deutsche Verwundete zu uns, was mir beweist, daß wir nicht mehr zurückäehen. Eine große Schlacht sei im Gange. Die Ruffen sind in Deutschland vor gedrungen. Ein Elsässer behauptet, daß der Krieg lange dauern wird, da jede Nation bis zum Aeußersten ringen wird. 26. August. Man teilt uns mit, daß wir Vallery». tal verlaßen werden, um ins Hospital nach Straß burg zu gehen. Wir warten auf den Kais dis 3 Uhr nachmittags. (Der Rest in Klammern nicht lesbar.) Der Kanonendonner scheint näher zu kommen. Ab fahrt um 5'/- Uhr. Zuerst über das Schlachtfeld von Saarburg. Trümmer. Granatspuren. Biwakreste. Deutsche Laufgräben In Saarburg bietet man uns zu essen an. In Straßburg halten wir nicht. In Bühl — ???? — Karlsruhe — Pforzheim — Lud wigsburg und endlich Stuttgart. Es ist '/,1 Uhr. 27 Augusi. Geographisches Der Boden scheint nicht reich zu sein. Lehr viel Blumen — Eoldwaren in dem Tale von Pforzheim. Linoleum, Schuh waren. Vom Bahnhof ins Hospital, bedeckten Straßenbahnwagen. Die Neugierigen am Hospital. Im Hospital in Stuttgart. Gute Pflege. Angenehme Aufnahme. Sorgfältige Pflege. — Die deutschen Nachrichten: Namur ist gefallen. Longwy belagert. Oesterreich siegt auf einer Front von 70 Kilom. über die Russen. 28. August. Schlaflosigkeit. Prognose der Wunde. Siehe Buch. Vie Sucht von Eattaro. Lor der Lucht von Cattaro hat die fran- zösische Mittelmeerflotte einen empfindlichen Ver- Inst erlitten. Schon vor 100 fahren ist ein französischer Versuch, den Oesterreichcrn diesen ihren südlichen Kriegshafen mit Unterstützung der Montenegriner zu entreißen, mißlungen. Im Jahre 1797 war Cattaro an Oesterreich ge fallen. Als Napoleon wenige Jahre später das Königreich Illyrien schuf, ließ er den Hafen durch seine Schiffe und die verbündeten Russen und 'Montenegriner belagern; doch erst der Friedens- schlus; von 1807 machte die Franzosen zu besser: Herren, nachdem die mvnatetange Belagerung enolglos geblieben war. Schon das Jahr 1814 gab aber Cattaro den Oesterreichcrn zurück, die es seither ununterbrochen in Besitz haben. Gleich den Fingern einer Ricsenhand strecken sich die Fjords der „Bocche di Cattaro" tief hinein in das Land bis an die „schwarzen Berge", an deren Hängen noch vor wenigen Jahrzehntei: Gemsen weideten. Hat man die von der Bran dung wild zerrissene Punta d'Ostro an ihrer Einfahrt glücklich umschifft, so gelangt man unter den Kanonen des auf einem Felsenriff erbauten Forts Namula in den Vorhof der bei Punta Kobila in das erste Becken, irr die Bucht von Topla, führt. Ar: ihrem Nordufer dehnt sich die Riviera von Castclnuovo mit einem der italienischen Riviera vergleichbaren Klima aus. Castclnuovo selbst ist ein uraltes, halbverfallenes Städtchen von nicht viel mehr als 1000 Ein- wohnern. Ein bosnischer König hat cs im Jahre T380 gegründet und zur Hauptstadt des Herzog tums Sabe gemacht. Doch vermochte es der türkischen Macht nicht lange zu widerstehen. Crst im 16. Jahrhundert vertrieb Venedig die Türken; die alten bosnischen Mauern wurden durch neue Befestigungen ersetzt und an: Hang des Berges, 50 Meter oberhalb des Hafens, errichteten die Venezianer ein neues Scekastcll, dessen noch sicht bare Mauern einen: späteren Erdbeben zum Opfer fielen. Heute liegt das die Bucht be herrschende Fort Svanguolo etwa eine halbe Stunde von der ^>tadt entfernt. Durch den Kanal von Comvur fährt das Schiff weiter in die dreieckige Bucht von Teodo, deren Nord käste von zahlreichen Ortschaften und kleinen Kirchen besetzt ist, während das unwirtliche südliche Ge- Vie kunckert Lage. Os Roman aus dem Jahre 1815 von M. von Witten „Und wenn ich selbst wollte — er würde mich nicht ausuchmeu — würde mir nicht verzeihen!" rief er schluchzend. „Darüber kann ich Sie beruhigen", tagte Philivv von Eure mit glücklichen: Lächeln. „Er selber hat mich zu Ihnen gesandt. Da lesen Sie!" Er zog einen Brief aus dem Aufschläge seines linken Acrmels. „Bon: Kaiser selbst! Er wird Sie empfangen, nicht anders als damals, als Sie nach dem Siege an der Moskwa zu ihn: kamen." Mit zitternden Herzen, mit gestrafften Seh nen und Muskeln lauschte indessen alles, was deutsch empfand, nach Frankreich hinüber. Und ganz besonders die Offiziere des brandenburgi schen Ulanenregimcnls, so nahe der französischen Grenze, hatten das Gefühl, als lebten sie auf einen: Vulkan, dessen Ausbruch täglich, stündlich zu erwarten stand. Knude auf Kunde jagte sich. Nicht nur Grenoble und Lyon hatten den: Ver- bannten von Elba unter Stürmen der Bc- geistcruug ihre Tore geöffnet, nein! Unglaub lich, unausdenkbar für ein Pveußenberz: Ney, der den König Ludwig mit heiligstem Eide seiner Treue versichert, Ney, der diesem zu Tal fahren den, alles mit sich reißenden Bergstrom einen Damm entgegensetzen sollte — Ney war mit den ihm von Ludwig XVIll. anvertrauten Truppe,: zu Napoleon übergegangen' In diesen: Wirrwarr von G.schchuisseu, in diesem Aufruhr von Gejühleu hatte Otto von Jäger es um alles :n der Welt nicht übers Herz gebracht, seiner Frau den Brief ihres Vaters auSzuhändigen. Leit jenem Abend, da sie ihn seinen Gedanken allein überlassen, war mit ihr eine Wandlung vorgegangen. ES war, als hätte sie in den einsamen Stunden der Nacht den Schatten, der ihr Glück gefährden wollte, mil starker Hand für immer uicdergezwuugcn. Ihr ganzes Wesen war seitdem durchhaucht von stetiger wundersamer Glut; mit quelltiefer Lei denschaft gab sie sich ihrem Manne hin. Und die wenigen Stunden, die der Dienst ihnen ließ, I wurden zu Stunden heiligster Erdenwonnen, die vielleicht gerade deshalb so unerschöpflich tief, I so beseligend leuchtend und rein, weil die Gewiß, heil eines baldigen Eudes über ihnen lauerte, — zu Erdenwounen, die selbst nut den: Tode nicht zu teuer erkauft erschienen! Nein! Nein! In dieses Paradies nicht mit der Hand frevler Zerstörung greifen! Seine fast überirdischen Seligkeiten austofteu, bis zum letzten Augenblick! Die Stunde des Scheidens kau: ja früh genug — allzu früh! In ihr wollte er Toska den Brief ihres Vaters geben. — Und dann —! Dann lief die Nachricht ein von der Flucht König Ludwigs aus Paris — und zwölf Stunden später trugen die Freuden salven der nahen Festung Thionvillc die märchen hafte Botschaft zu dcu aufhorchenden Preußen hinüber, daß der Verbannte von Elba wieder in die Tnilerien eingezogen sei und von neuen: die Zügel der Negierung ergriffen habe. — Otto von Jager lauschte den Salutschüssen mit zusammengebisfenen Zähnen, mit Iwiinlich geballten Fünften Dabei blickte er mi: mißtrauischem Auge auf jein Weib, das mit leicht gesenktem Haupte neben ihm am offenen Fenster lehnte. Was giim in ihr vor? Warf der dröhnende Schall der Kanonen nicht kalte Schauer über ihren Leib? Da - fühlte sie seinen Blick? Sic hob die Lider — sie schaute ihn an —! Diese tiefen, glutvollen Augen, dieser weiche, kirschrote Mund, diese brennenden Wangen, — cs war als flamm, tcn Feuer todesahnender, alles vergessender Libc in ihr — und diese Flammen loderten ihn: — i h m entgegen! Er riß sein schönes Weib an sich und tiefer ins Zimmer hinein. Noch waren Augenblicke des himmlischsten Glückes fein! In den beiden nächsten Nächten blieben die brandenburgiscl-en Ulanen bei ihren gesattelten Pferden in den Ställen. Otto hatte bereits von Toska Abschied ge nommen nnd sich zum Dienst begeben. RnhcloS schritt sie im Wohnzimmer hin und her — noch umflammt von der Glut seiner letzten Küsse. Ihr Mick, in dem das MLrchenleuchten deS Glückes lag, schweifte' hinaus über die knospende, von einen: violettfarbenen Abend himmel überspannte Landschaft, ohne doch die duftige Schönheit zu erfassen. Von Träumen umsponnen, ruhten noch all ihre Sinne. Sie hätte nicht zu denken vermocht. In seinen Küssen lebte und atmete noch ihr ganzes Wesen. — Da trat die Dienstmagd herein. Toska be achtete sie nicht. Gewiß! ^ie wollte das Nacht mahl bringen. „Madame —" „Setz' nur die Schüssel hin und geh." „Madame — ich habe den Tisch noch nicht gedeckt — da ist ein fremder Herr —" „Mein Mann ist nicht zu Haus. Er soll morgen wicdcrkommen." „Das habe ich dem Herrn schon gesagt. Er aber will durchaus die Madame selber sprechen — oder rvie er sagt, das Fräulein von Eure." „Mich? Unmöglich. Ich empfange keinen fremden Herrn!!" sagte sie streng nnd wandte sich ab. Die Dienstmagd aber druckste und bewegte sich nicht von der Tür. „Nun, — hast du nicht gehört?" rief Toska ärgerlich über d ie Schulter zurück. „Madame, der Herr will sich doch nicht ab weisen lassen," kam es weinerlich. „All ihr Hei ligen! Madame, da ist er schon!" Fluchtartig entschlüpfte das halbwüchsige, flachsblonde Ding und gab den Eingang frei. Vom Flur her aber warf sie aus ihren wasser blauen Augen noch einen Blick auf deu Herrn, der in sein m grauen Reiseanzug, in dem längen Nock mit dem hohen Kragen, und den langen engen Pantalons so vornehm aussah. Der aber zog die Tür hinter sich zu. Toska starrte ihm, von Entsetzen gebannt, ins Gesicht. Und plötzlicli stürzte sie mit einem Schrei, der das ganze Chaos der Gefühle offenbarte, die ihr Herz durchbebten, in seine Arme. „Vater! Mein Vater!" Er hielt sic umschlungen. Er drückte sie an seine Brust — „Mein Kind!" Eine Träne schimmerte in seinem Auge. - - - - Da fühlte sie, daß er um den Heimgang der Mutter wisse, daß die Trauer um sie, einem Schatten gleich, sich auf das Glück des Wieder sehens legte, — fühlte in aufquellendem Weh, was er und sie in ihr verloren. „Vater! Vater!" schluchzte sie auf, ihr Ge sicht an seinem Halse vergrabend. Er verstand sie und streichelte sanft ihre Wangen, ihr Haar. „Ja! Ja Toska." du bist nun mein Einziges, Wie lang seine entbehrte Stimme sie erbeben machte! Lang versiegte Brunnen brachen in ihrem Herzen auf — durchströmten sie mit rei chem, lang versunkenem Leben. Wie mit Zauber schlag stieg da an der Brust des Vaters ihr« Jugendzeit herauf, die sie hatte vergessen wollen, um jeden Preis, die unter Ottos Küssen wie unter Lavaglut verschüttet worden. Und sic ward sich jählings mit unabweisbarer Gewißheit be wußt, wie ihr ganzes Wesen verwurzelt war in des Vaters Wesen. Er und sie hatten zu- sammengchört wie Erdreich und .Pflanze — wie Acker und Weizen. Die Mutter — sic war der sanftglänzendc Sonnenschein gewesen, der mild wehende Wind. Und plötzlich schien es ihr, als habe ihr Herz in unaufhörlichem Bangen nur seine Heimkehr ersehnt; als sei er allein die ruhevolle Heimat ihrer Seele. „Vater! Mein Vater!" Im nächsten Augenblick aber brach's über sic herein mit Sturm und Drang, daß ja ein anderer von ihrer Seele Besitz ergriffen — ein Fremder, dem sie nie Gewalt über sich Härle geben sollen, und den: ihr ganzes Wesen doch zuflammte wie die leuchtende Blütenkrone deS Rosenbaums den: Sommerhimmel. Wem gehörte sie zu? Keinem! Keinem! Nein beiden! schrie eS in ihrer Brust. Und erschauernd in tiefster Herzensangst, einen von beiden hingcben zu müssen und doch keinen von beiden entbehren zu können, umschlang sie den Hcimgekchrtcn noch einmal mit leidenschaftlicher Inbrunst. Fortsetzung In der Morgenausgabe.^
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