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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.10.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141001028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914100102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914100102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-01
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Monat
1914-10
-
Jahr
1914
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Nichteinlösung von Wechseln Rückgriffsan sprüche wechselrechtlicher oder zivil rechtlicher Art in Deutschland geltend zu machen. Bon den übrigen Bestimmungen der Verordnung wäre noch zu erwähnen, das; lieber- rretungen von Ausfuhrverboten, sofern die Waren nach England gehen sollen, unter strengere Strafen gestellt werden, als die gewöhnlichen llebertretunaen von Ausfuhrverboten. Scha-enersahfor-erungen an -le Stadt öriisiel. Berlin, 1. Oktober. sEig. Drahtm.) Wie aus Brüssel gemeldet wird, hat der deutsche Generalgouverncur für sämtliche vor dem Einzug der Deuticlzen von der Brüsseler Bevölkerung verübten Beschädigungen und Zerstörungen deutscher Besitztümer die Schadlos. Haltung durch die Stadt Brüssel an- geordnet. Es sind siir die Stadt Brüssel allein an Uber 80 Millionen Franken Schaden von der ge- slüchteten deutschen Bevölkerung ongemeldet worden. Ein grober Teil der Flüchtlinge beginnt bereits wieder nach Brüssel zurückzukehrcn. Holland schützt sich vor Fliegern. Rotterdam, 1. Oktober. sEig. Drahtm.) Dem Amsterdamer „Telcgraas" zufolge hat die holländische Negierung generellen Befehl gegeben, in Zukunft alle fremden Flieger, die niederlän disches Gebiet überfliegen, Herunterzu schi e sz c n , ohne Rücksicht aus weihe Flaggen. Wie in der holländischen Presse gemeldet wird, erfolgte der Bombenwurf eines englischen Fliegers über Maastricht nach den eingehenden behördlichen Fest stellungen nicht bei Nebel, sondern bei nur be wölktem Himmel. Bevor der Flieger die Bombe abwarf, schwebte er, eine weihe Fahne schwingend, in nur 100 Meter Höhe über der Stadt. Französische und italienische Dampfer in Dedeagatsch. Sofia, 1. Oktober. Zlve: französische und vier italienische Dampfer, denen Vie Türkei die Durchfahrt durch die Dardanellen verweigerte, sind in Dedeagarsch angekommen. Spende für Reichsdeutsche in Oesterreich. Wien, 1. Oktober. Der Oberbefehlshaber der Armee, Erzherzog Friedrich und die Ge mahlin des Erzherzogs haben u. a. 2000 Kronen für das Hilfskomitee zur Versorgung der Familien von eingerücktcn Reichsdeutschen, die in Niederöster reich, Oberöstcrrcich, Steiermark usw. ansässig sind, ferner 2000 Kronen siir dasselbe Hilfskomitee mit dem Sitze in Brünn für die Familien von eingc- rücktcn Reichsdeutschen Mährens und Schlesiens ge spendet. Graf starolpls Erlebnisse während seiner Gefangenschaft. Budapest, 1. Oktober. Einer der Reise gefährten dc-Z ans der Kriegsgefangenschaft zu- rnckgckcyrten Grafen Michael Karolyi, In genieur Friedrich, berichtet, dass die Gefan genen in einen« engen Nanin zusammengepfercht wurden. Eines Tages wurden auch verwundete Tnrtos dorthin gesteckt. Jeder Turko hatte an einer Schnur a b g e s ch n i t t e n c O h r e n, Nasen, beringte menschliche Finger, die sic mit bestialischen« Triumphgehcul jeder mann vorwiesen. Die Gruppe der Gefangenen, darunter auch der Kapitän eines deutschen Kauf- farleischisfeS, wurde einem summarischen Verhör unterzogen. Auf die Frage dcS Hauptmanns, welcher das Verhör voruahm, ob der Kapitän nach seiner Freilassung nichts gegen Frankreich unternehmen würde, erwiderte dieser: Kann ich verschweigen, d a ß «cy meine Pflicht erfüllet« und gegen Frankreich kämpfen würde? Hierauf wurde der Kapi tän in Haft behalten. Nach Nebersiedelung der französische«« Negierung nach Bordeaux wurde die Aussicht über diese'Gruppe der Gefangenen der Zivilbehördc übertragen, die die WVdcrrccht- lichkeit der Anhaltung eiusah und den Gefan genen die Reise nach Spanien gestattete. Norwegens Schritte gegen englische Maßnahmen. Ehriftiania, 1. Oktober. Der norwegische Minister des Aeuhern hat in London Schritte unternommen, um die englische Re gierung zu veranlassen, die Erklärung, dass Erze als Kriegskonterbande anzusehen find, wieder aufzuheben. Die Ausfuhr von Erz über Narvik hat augenblicklich ganz ausgehört. Der engltlcke Standpunkt ruft in Skandinavien die grösste Erbitterung hervor, zumal da Eng lands jetziges Auftreten unvereinbar sei mit seiner am 20 Auqufi. also drei Wochen nach Ausbruch de» Krieges, feierlich abgegebenen Erklärung, in der die englische Regierung versprach, genau dem Wortlaut der Erklärung von London im Fahre 1909 über die Rechte im Seekrieg, abgesehen von einigen spezi- fi,irrten Ausnabmen, unter denen Erz nickt ge- nannt war, folgen zu wollen. Erz sei im Gegen teil in jener Deklaration ansdriicklich zu jenen Waren gezählt worden, die unter keinen Umständen als Kriegskontcrbande angesehen werden dürften. Glückliche Kekse! * Nach dem .,B. T." lässt G c n e r a l R e n nen - ka in v f seinen Offizieren und Soldaten sagen: Seid froh, zu Weihnachten werden wir in Berlin sein. Vas Erscheinen -es „vorwärts* wie-er gestattet. Das Erscheinen des „Vorwärts" ist vom Oberkommando in den Marken wieder ge stattet wor<cn, nachdem die Reichs^agsaboeord- neten Haase-Königsberg und Fischer-Berlin aus die Bedingung cingegangen sind, dass in Zukunft entsprechend der beim Kriegsausbruch hcrvoractrete- nen Einmiitiakcit des deutschen Volkes das Thema ...Klasscnkampf und Klassenhass" im „Vorwärts" nicht mehr berührt werde. Eise ne kreuze. Das Eiserne Kreuz wurde an folgende verliehen: Leutnant Herbert Brink, Of'izierstellvertrcter im Brigade Ersatzbataillon Nr. 88 Paul Stöhr, Leutnant der Neierve im Fnsanterieregiment Nr. 179 Heinrich Solbrig, dem Major im Generalstad Trcitschke, dem Kommandeur des Pionier bataillons Nr. 12 Major Steinhoff, dem Ritt meister der Reserve im Gardereiter-Regiment und Brigadeadsutant Arwed Edler v. d. Pianist, dem Hauptmann und Kompanieführer im Grenadier regiment Nr. 101 Legler, dem Feldwebel beim gleichen Regiment Vogel, dem Führer der Kavallerie - Er'astabtcilung Nr. -15 Oberleutnant Fedor v. Hauqk, dem Oberleutnant im Neserve- Fägcrbataillon Nr. 13 Edler v. Littrow, Ne gierungsamtmann bei der Gendarmerie-Ober- inspektion Dresden, dein Leutnant und Regiments adjutant im Grenadier - Neservcvegimcnt Nr. 100 Krrchpauer v. Kirchdorf. Ferner wurde durch Verleihung des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet Hauvtmann v. Montb6, Komvanieführer im 1. K. S. sLeib-sGrenadicrreaiment Nr. 100, Haupt mann o. Montbö ist ein Enkel des Generals der Infanterie z. D. v. Mauthch der im Fahre 1870 eine Division im Felde ae'iibrt hat und Fnhaber des EÜernen Kreuzes 1. Klasse war. Sein Sohn Major z. D. v. Montbc wurde 1870 als Leutnant gleichfalls durch das Eiserne Kreuz ausgezeichnet. Weitere Mel-ungen. Auf dem Truppenübungsplätze Munster bei Hannover sind bis zum 26. d. M. insgesamt 32 000 Gefangene der französisch-engli'chen Armee eingeliefcrt. Ein neuer Transport von 6000 Ge fangenen ist für Anfang Oktober angesagt. kriegsbilüer aus Gstea. Von Paul Lindenberg, Kriegsberichterstatter. (Nachdruck verboten.) XII. Lyck, 26. September. Schon einmal war Masuren, das bisher so wenig betaunle Gebiet, dessen Name jetzt um den Erdball hallt, von Vandalen heimgesucht worden. Damals nannten sic sich T a 1 a r e n, und es ist schon lange her, über 250 Fabre. Aber die Erinnerung an ihre Greueltaten hat sich in der Bevölkerung von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, und das masurische Gesangbuch enthält noch heute ein langes Kirchenlied, das das damalige Elend schildert und den Himmel an fleht, eine Wiederholung zu verhüten. Diesmal heissen die Vandalen Russen, gesandt von dem heiligen Ober- baupte ihres Reiches, dem allerchristlichen Zaren Nikolaus, der bekanntlich, nachdem er in Moskau ge albt worden, an die Völker Europas ein Friedens- Manifest erlassen. Und in dessen Namen und Auf trage, zum mindesten aus Beseht seiner nächsten Rat geber und getreuesten Feldherren, — zu denen frei lich nicht zu den getreuesten) der Grossfürst Nicolai zählt, den man zuerst hängen müsste — scheussliche Schandtaten verübt werden, wie seinerzeit von den Tataren. Auch davon wird man noch schaudernd nach Jahrhunderten berichten! Was von diesen neuen Vandalen in Masuren an Menschenleben, die nichts mit dem Kriege zu tun hatten, an Hab und Gut vernichtet, was freventlich an friedlichen Ortschaiten zerstört wurde, wird später wohl einigermassen aktenmässig festgestellt werden. Mit Grauen wird inan dann erst das ungebeure Traueripiel dieses schönen, stillen, freundlichen Landes erfahren, das bisher selbstgenügsam. arbeit sam, bescheiden-glückcich war und das so unsagbarem Unheil auszesetzt wurde. Ueber Meere und Berge, die jetzt den Weg der Wahrheit hemmen, wird dann der Schrei des Entsetzens gellen und wird dann erst den anderen Völkern eindringlich zeigen, wclche Kulturwerte von jenen neuen Vandalen, nicht bloss in Deutschland, zerstampft worden wären, wenn sie nichc das scharfe germanische schwer« abgewehrt. Auch hier in und bei L y ck «nutzte jenes deutsche Schwert seine Schuldigkeit tun und tat es «n glänzender Weise! Die Vandalen, also die Russen, waren hier, nachdem Koiatenpatrouillen ihre Er kundigungen eingezogen, heuschrectenartig am Morgen ces 19. August ein edrungen, viele Tausende, Stadt und Umgebung wurde«« besetzt. Eine Stunde später besaht der kommandierende o-enecal, ihm die Ver treter des Kreises und der Stadt vorzufiu.ren; man machte so schnell wie möglich siroen Herren - de Landrat, den Bürgermeister einen Flotizra«, den Superuuenden- «en, cen Piairer, zwei Staoträte — ausfindig, sie stellten sich in« Hctel, in welchem der General j Wognung genommen, ein. Mussten dort achc Stun- i den war.en, dann Uetz sie sich der neue Gewalthaber s voljühlen, crtiärte sie als Eei.eln und für verhaltet; j am gleichen Abend wurden ne über die Grenze ge- : bracht Von ihrem Schick, al we»n man heute noch nichts! — Ain gleichen Vormittag waren die städtischen und staatlichen Gebäude um zingelt worden. Tie russischen „Revisoren" stellten im Naihaus schnell fest, dass sich in der Stadt hauptkasse 52 000 Mark befinden mühten; die Be- amten hatten das Geld versteckt. „Jst's nicht umgehend zur Stelle, werdet Ihr alle so- fort euchossen!" — Da war es zur Stelle! In der Post fanden die uniformierten Räuber nur 670 ./t, iin Amtsgericht, in welchem die Beamten am vorangegangenen Tage Vorschüsse erhalten, bloss 67 Ein paar Tage später lieg mittags der Kom mandierende 36 Herren der Bürgerschaft zu sich kommen: „Binnen 2-1 Stunden sind 30000 Rubel russisches oder 75000 ./t deutsches Geld hier bei mir Wenn nicht, werden die in Russland befindlichen sieben Geiseln erschossen, und Ihr und Eure Stadt sollt uns dann kennen lernen!" — Da ging es an ein schleuniges Emsamnreln! Um 11 Uhr des folgenden Tages lieferte inan ii« einein Waschlorb das Geld ab; Reiter käme«« schon entgegen gesprengt: „Ist bald 12 Uhr, habt Ihr das Geld? Sonst...!"— Gleich mit den Russen war eine Anzahl von mit kleinen, littaustchen Pierden bespannten Bauernwagen erschienen; sie hielten vor dein erst vor einem Jahre bezogenen Kreishause, auch dein Wohnsitze des Landrats, Soldaten schleppten heraus, was irgendwie wertvoll war, luden es auf und schafften es, dem Gehein des Kommandierenden folgend, ins nahe Zarenreich. Das Oelbild des Kaisers wurde zerstochen. Dann vernahmen die Russen, dass im Rathause die Armen Unterstützung erhielten. „Aha," dackien sie, „da ist wieder Geld einoelaufen, holen wir's — Die Vermutung traf nicht zu. Da ichleppten sie 17 städtische Beamte, die gerad' im Dienst waren — den Polizei-Inspektor, Sekretäre, Schreiber, Botenmeister, Polizisten — mit fort, sie wurden gleich über die Grenze geschafft. Auch von ihnen weiss man dis heute nichts! — In den nahen Ortschaften wurden viele der Bewohner ermordet, andere verschleppt; alles ward nieder gebrannt. 2m Grenzone Prostken, der 3000 Ein wohner zählte, blieben bloss drei Gebäude stehen! Das Platz war voll! Am 9. September ver kündete näher dringender Geschützdonner das Vor dringen der Unsren, die am folgenden Tage, jubelnd bewillkommnet, einrückten. Sie konnten sich keine Rast gönnen. Im nahen Sibbaer Walde hatten sich die während der Nacht verschwundenen Russen festgesetzt und wie ich es gestern iah, energisch ver schanzt. Einzelne Teile der Landwehr-Division von der Goltz, der die schwere Aufgabe zugefallen, mit schwachen Kräften Lhck zu halten und die nahen Seen zu sperren, um von jener Seite den Feind nicht heran kommen zu lassen, gingen vor und mussten die Nacht in Geiechtsitellung verbleiben. Im Laufe des 11. kam es zu blutigen Zusammenstössen, die am folgenden Tuge — die Russen hatten unterdessen erhebliche Verstärkungen erhalten, brachten auch Artillerie und Maschinengewehre ins Gefecht — zu starten An glisten seilens des Gegners führten. Diese wurden abgcwielen; uns standen nur sieben ermattete, frei lich auch bis zum Letzten entschlossene Landwehr- Kompanien zur Verfügung. Wie tapfer hier di» Russen waren, beweist, dass sie bis auf 200 Meter an unsere Schützengraben herandrangen; eine Batterie unterstützte unsere Infanterie. Wir versuchten mit einigen Verstärkungen eine Um gehung der russischen Stellung, was aber plötzlich auitauchende, frische feindliche Jnfanteriemassen ver- bin-erten. Tie Sache war kritisch Da Hurra und Trommelwirbel, im Sturmschritt eilten die ersten Helfer herbei, denen alsbald weitere folgten, cs war die brave Besatzung der kleinen Festung Lötzen, in der man den Kanonenschall vernommen und deren irgendwie nur entbehrliche Mannschaften auf die Bahn nach Lyck gesetzt worven waren. Und vom Bahnhof aus eilte man in den Kampf. Und nun im Sturm, Hurra, Hurra, vorwärts. Die Russen aus dem Wald gewonen, aus den an schliessen en Ort chaften, über die Grenze. Dort bei Prost len noch ei,« Widerstand, dann be« Gra- jewo, daraus ernstlicher bei A u g u st o w o, schliess lich bei 2Uwalki die Flucht begann bis zu den schützenden Festungen, Oiiowice einer- und Grodno tczüglich Otisa ander eits! Unsere Land wehr aber har sich in all diesen bis zum 16. Sep tember währenc en Kämpfen, in denen sie es mit lehr tüchtigen, übermächtigen Te« e>« der gut ausgebildeten, frischen ,1>. Siairischen Arm e zu tun hatte. einen neuen, reichen, blutig verd.enter« Larbeerkranz er worben! Das wohlhabende, an Umfang dem Königreich Sachen gleichende Gouvernement Su walkt mit seiner 25 00) Einwohner zählenden Hauptstadt desselben Namens ist völlig in deutschem Besitz, steht unter deutscher Verwaltung! Das haben die Unseren brav und glatt erledigt, mit deutscher ^chnellig eit, auch mit deutscher Gründlichkeit. Davon überzeugte mich ein gestriger längerer Besuch der Stabt, wohin mich binnen dreistündiger Fahrt ein Kraftwagen des Oberkommandos gebracht. Eine Stadt, «n der sich, auch nach deutschcn Begriffen, ganz gut leben lässt; freundlich, geräumig, sauber, mlt einer breiten, langen, daumbesäumten Hauptstrasse, an der sich auch der hübsche, grosse öffentliche Garten erstreckt, mit vielerlei Läden und Geschäften, regem Verkehr, ganz hübschen und modern gekleideten Mädels, polnisch- deutsch-jüdisch-russischen Einschlags. „'Nichts Gewisses weiss man nicht!" — Tie sonstige Bevölkerung von gleichem Misch masch Daher auch die überall angeschlagenen Ve- kanntm a chungen unseres Höchstkomman dierenden wie unseres Militärgouverneurs in deutsche", polnischer, russischer, hebräischer Sprache. Die eine verkündet, dass wir als Freunde nahen und dass das bisher geknechtete Land feine politische wie religiöse Freiheit wiedererhaltcn soll, eine zweite droht vor Spionage und Plünderung, eine dritte setzt die Preise der wichtigsten Lebensmittel fest, auch den Wert des Rubels, und so fort. Die Einwohner schaft zeigt sich von friedlicher Gesinnung, Einhei mische und Soldaten verkehren in entgegen kommender Weise. Handel und Wandel spielen sich ordnungsgemäss ab, es wird vieles gekauft und mit deutschem Gelds bezahlt, das lieber als das russische genommen wird — die Leutchen sehen endlich mal Silber, sogar Gold! — Da glänzen die Augen, haste was kannste! Und auch die Augen unserer Offiziere mögen geglänzt haben, als sie am Schluss der erwähnten Hauptstrasse in verschiedenen, einen grossen Hof be grenzenden Gebäuden ein vielumfassendes Lager der in Masuren geraubtenEegenstände entdeckten: Wertsachen, wie Tafelaufsätze, Bowlen, Bestecke, Wanduhren usw. usw. dann Möbel. Betten, Decken, daneben Getreide, Lebensmittel, Koroerven, Früchte lden Wein Haden die Kerls unterwegs aus- getrunken!), in einem besonderen Speicher Proviant für die russischen Soldaten, neue Uniformmäntel, Stiefel, Zelte usw. Flugs wurden die zahlreichen deutschen Bauerngeiährte, die unsere Bagage-Kolonnen vervollständigt, zuruckgehalten, mit dem gemausten Lut und init russischen Zugaben beladen; sie gondeln Lodrsibmasodinon Lkemedmz. i». AulbbtiÄ«'. PrlunimGvks 81r. 2-t. Tal. 12989. Ker Vie hunckert Lsge. 7j Roman aus dem Jahre 1815 von M. von Witten Otto lief; das Blatt sinken. Ohne anfzu- blicken, fast ohne zu atmen, hatte er gelesen. Zuerst, bei der Anrede, halte ein rasender Ver dacht sein Herz Ivie ein glühendes Eisen durch schossen. Dann begriff er, das; diese Zeilen an eine Tote gerichtet ivarcn, das; sie ihm persönlich nichts ranben wollten. Da erst hatte sein wie erlöst ausatmendes Herz die gaihende Schilde rung von dem SiegcSzug des Korsen in sich ausgenommen. Und Zorn und Has; gegen diesen Unterdrücker waren von neuem in ihm mit hell- lodernder Glut cmporgcflammt. Gr sah init ganz anderen Anger«, als Philipp von Eure. Der Ucbergang der Hegimentcr — «hin war'S nicht ein Beweis von der Gewalt, die Napoleon über die Gemüter ansübte — nein! Ihm bedeutete es feigen Trenbrnch gegen Ludwig XVIII., dem sie vor wenigen Wochen den Eid der Treue geschworen. „Verräter!" In zähncknirschendem Grimm zerknüllte er da<- Blatt zwischen den Fingern. „Eure Treulosigkeit wird von neuem einen Wcltbrand entfachen, wenn des Korse«« Adler wirklich Parts erreichen!" Bei einem Haar hätte er den Brief in das verflackernde Kaininicucr geworfen, da- Toska kurz vor der Mahlzeit nochmals halte anzünden lassen. Da besann er sich, dass der Bries ja gar nicht für ihn bestimmt sei. Und während er sich mühte, das Schriftstück auf der Tischplatte wieder zu glätten, überlegte er mit dnmpsen Sinnen, warum Philipp von Eure eigentlich di-S Schreiben aus dem Umwege über seine«« Bruder an seine Fran hatte senden wollen. Gewiß war eS in der Ueberzeugung gesclzchen, das; seine Fra«« Paris bei dem Einzug Ludwigs XVIII. verlassen habe und jener am ehesten ihren Aufenthalt kennen würde. Dabei glitte«« Ottos Augen absicht-los noch.einmal über die Worte aus der letzten Sette Hst«: „Küsse unser geliebtes Kind, unsere Toska. Sag ihr, der Vater, den sie so heiß geliebt, er kehrt Jetzt erst wurde ihm klar: Der Brief wollte doch ihm, ihm ganz persönlich, etwas rau ben! Ein Abgrund tat sich vor ihm auf. Noch stand ToSka an seiner Seite. Aber jenseits tauchte neben dem Korsen, den sie vergöttert«, die Gestalt ihres Vaters auf. Ihr Vater war nicht tot. Er, den sie aus tiefstem Kindeshcrzen liebte, — er lebte! Ewiger Gott! WaS sollte daraus werden?! Ein Grauen kroch Otto zum Herzen. In starrem Schrecken blickte er vor sich hin. Durch die Straßen des kleinen Städtchens Lons le Saunier, die von Militär wimmelten, stürmte ein hochgewachsencr, etwas nachlässig ge- t'leidcter Mann in der goldgestickten französischen MarschallSnnisorm. Er achtete nicht der ehr erbietigen Grüße, erwiderte kaum einen. Auf sei nem tiefgebrüuntcn, offene,« Gesicht lag eine große Erregung; der bartlose energische Mund unter der großen 'Nase zuckle immer von neuem und formte halblaute Worte. Nein! Nein! Nein! Er wollte nicht- mehr hören! Wie ein Gcwittersturm waren sic über ihn hcrgefallcn diese sinnverwirrenden Nachrichten! Erst die Kunde von der Uebcrgabe Grenobles und von der fluchtarligcn Rückreise der bourbonischcn Prin zen ans Lyon, die dem Korsen an der Stütze der Truppen hatten cntgegcnzichen wollen. Dann die Botschaft, das; Napoleon Bonaparte unter dem Frcudengcschrc« des Volkes und der Soldaten in dieser schönsten und wichtigsten Stadt Südfrankreichs eingezogen sei, daß jeder, auch der kleinste Ort, durch die der Zug seitdem gekommen, die dr.isarbige Fabne anfgcpflanzt habe. Und jetzt die Ankunft diese- aus Bourg vertriebenen Präfekten, der berichtete, daß die fanzc Gegend von einem wahren Freudentaumel über Napoleon- Rückkehr ergriffen sei, daß sein bloßes Erscheinen die Truppen zum Abfall ver- eite. Nein! Nein! Nein! Er wollte nicht mehr hören! Er wollte treu bleiben! — Nach Napoleons Abdankung war auch er, wie die , meisten der anderen Marschälle in den Dienst I LSnig- Ludwig- XVIll. getreten. Und Michael Ney, den der König ausersehen, mit einem Heere sich Bonaparte entgegcnzuwerscn, er hatte geschworen, diesen Bonaparte, der durch seine Flucht von Elba zum tollen Abenteurer herabgcsunken war, wie einen ausgcbrochcncn Tiger cinznfangcn. Er wollte sein Wort halten! Nicht umsonst hatte er begonnen, seine Truppen bei Lons le Saunier znsammenzuzichen, um dem Korsen von hier auS in die Flanke oder in den Rücken zu fallen. Der Marschall hatte die Stadt hinter sich. Aufatmend stieg er in de«« nahen Weinbergen hinan. Bald verschwand der Ort hinter ihren Mauern, bald ward er von neuem durch Gatter, tiirci« oder von einer Höhe ans sichtbar. Ein leichter Wind hatte sich erhoben; er spielte init den losen Neben, die schon von zarten« Blatt grün nmrahmt waren, und kühlte ihm die hoch, gewölbte Stirn. Das tat ihm gutz Auf einer Bank unter einem knor igen Nußbaum, der eine sanfte Höhe krönte, setzte er sich endlich nieder. Ruhiger lies; er den soldatischen Blick über die Stadt im Talkessel schiveifcn. Schon neigte die Märzsonne sich golden blinkend gen Abend. Die Glocken klangen leise herauf. Er nahm den Hut vom Haupte, um sich den Schweiß von der Stirne zu trocknen. „Marschall! Bester Marschall!" Ney ruckte empor — wandte sich. Da, den schmalen Weg, den er selber kurz zuvor gegangen, kam jemand herauf. Ein Schrecken durchfuhr ihn. Der blaue Rock — die hohe Bärenmütze — ein Offizier der alten Garde war'S. „Nen! Teurer Marschall! Erkennen Sie mich nicht mehr?" Keuchend vom schnellen Lauf nahte sich der Ankömmling. Ney strich sich mit der .Hand über die Stirn. Er blinzelte. Wer war das doch nur? Die schlanke, vornehme Gestalt. Tic feingeschnittencn aelbblassen GZicsilszüge mit der edclgcsormtcn Nase und dem starken schwarzen Schnurrbart über dem schön geschwungenen Munde, — dieses sympathische Antlitz, auf das freilich Sorgen und .Entbehrung« .Stempel gedrückt. Und un ter den hochgeschivungenen Braue«« diese dunklen Sonncnaugen! Die mußte er doch kennen! Und mit einem Male streckte Michael Ney, einen Frendenruf ausstoßend, dem Offizier beide Hände entgegen. „Philipp d'Enre — welch ein Wiedersehen!" Im nächsten Augenblick lagen sich die beiden Männer in den Armen. Sie wurden nicht müde, einander immer von neuen« zu betrachten, einander immer von neuem ans Herz zu drücken. „Haben mir denn die paar Jahre so arg mitgcspielt", fragte der Oberst, „daß Sie mich nicht gleich erkannten?" „Nun, jünger sind wir wohl alle nicht ge worden," tröstete Ney. Und dann saßen sie üc«de Hand in Hand, wie zwei Knaben, auf der Bank unter dem knospenden Nußbaum und blickten, von Erinnerungen dnrchbebt, schweigend vor sich hin — in sich hinein. Endlich sagte Ney: ,,Ich hielt sie sür tot." „Das will ich wohl glauben! — Es war dicht liintcr Wilna, wo der Weg nach Kvwno durch einen Hohlivcg auf eine Höhe hinanführt — vielleicht erinnern Sic sich! —" ,Z'ber natürlich," bejahte Ney. „Verd . .. Hügel das! Ter reine Glasberg. Des Kaisers KricaZgerät und auch die Kriegskasse mußte dort im Stiche gelassen werden." „Auch meine Handvoll Lenke, wie alle anderen von Hung-r und Kält« halb erstarrt, vermochten nicht auf -em Glatteis hinanzullimmen. Immer von neuen-taumelten die zu Tode Erschöpften haltlos herüb. Da führt« ich sie etwas abseits, in der Hoffiptng, vielleicht einen gangbaren Weg um den herum zu finden. In diesem Augenblick stürmten Kosaken heran, wir wurden überrannt, umzingelt — gefangen genommen! Und dann! P)as mußte ich dann durchleiden! Wahrhaftig, Marschall! Die Zeit meiner Ge fangenschaft, diL gönne ich meinem ärgsten Feind« nicht!"
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