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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.09.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140928013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914092801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914092801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-28
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
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vene 2. nr. 493. Moraen-Nusgabe. Leipziger Tageblatt. in Wien könnt: ich mich vor Staunen nicht fassen. Man lebt hier wie im tiefsten Frieden. Wenn man nicht auf den Straßen das Rote K reu öder verwundete Soldaten sehen würde, wahrlich ich als Fremder würde nicht erkennen, daß dies die Hauptstadt eines Reiches ist, das einen so schweren Kamps zu bestehen hat." Ter Verfasser des Artikels schildert sodann die Zu stünde in Frankr:ich beim Ausbruch des Krieges und stellt fest, daß die französische Presse mit noch größerer Geschicklichkeit als der französische Generalstab bestrebt war, die Riederlagen der Fran zosen zu verwischen. Er erklärt, vernünftige Offi ziere und Politiker seien überzeugt, daß Frank reich nie die Deutschen brsiegen werde und daß cs sich nur so lange halten könnt«, bis Rußland zu Hilfe komme. Man beschuldige Ruß land aber bereits, eingegangene Verpflichtungen nicht gehalten zu haben, und selbst den Optimisten in Frankreich würde nach dem Zusammenbruch ver russischen Offensive in Ostpreußen und angesichts der Unmöglichkeit eines russischen Vordringens in Gwlizien, obwohl die Hauptmacht dorthin geworfen sei, seht bange. Zn Frankreich habe das ganze wirtschaftliche und geistige Leben ausgehört zu bestehen. Der aniänglich? Jubel sei längst einer Panik und hierauf einer tiefgehenden Depression gewichen, kein Volk sei dem Stim mungswechsel mehr unterworfen als das französische. Heute dünkten die Franzosen sich noch als Sieger und pochten auf die Hilfe Rußlands und auf die Macht Englanos, Vas die beiden Gegner aus hungern werde: wen» aber in Frankreich im jetzigen Zeitpunkt die 'Niederlagen in ihren Wirkungen und die Ohnmacht Rußlands gleichzeitig erkannt wär- den, dann sei es schwer zu sagen, ob die Volkstüm lichkeit PoincaKs und die Kraft der vereinigten Parteien stark genug sein würden, um fortreißcnde Gegenströmungen wie bisher zu verhindern. Wenn man, sagt der Verfasser weiter, von Frank reich kommend seinen Weg durch Oesterreich nimmt, so erkennt man erst deutlich den traurigen Zustand der französischen Republik: dort überall Unord nung, eine Woche der Bestürzung, eine Woche der Begeisterung, kurz ein Chaos: hier: Ruhe mitten im Kriege, normale Preise, Arbeit, Ordnung und Zuversicht. Wo der Sieg sein wird? Mancher Franzose weiß cs schon heute. Vie Gffiziersverluste -er Englän-er. Zn England beginnt der Mangel an Offizieren zu beunruhigen. Nach der „Times" sind in einem Monat von über3000 Offizieren 1100 gefallen. England muß entweder neue Offiziere ins Feld bringen, oder die Armee verliert ihren Wert. Mit jedem Offizier aber, der zur Front geht, verliert die neue Armee einen Znstrukteur, weshalb viele Offi ziere der Meinung sind, besser acht Divi sionen mit vollem Ofsizicrbestand im Felde haben, als wie Churchill will. 25 Armeekorps, die nichts können. Aber anderseits siegt doch nur die Menge. Wie kommen wir, fragt die „Times" be sorgt, aus dem Zwiespalt heraus? („Voss. Ztg.") Die „verlorene" öombe. Der Amsterdamer katholische „Amstelbodc" meldet: Am 22. September überflog ein unbeianntes Flug zeug die Stadt Maastricht in der Richtung vo.r Südwesten nach Rordosten und warf aus groszcr Höye zwei Bomben herab. Die c r st e ging vor einem frommen Stifte nieder, worin zurzeit noch ver schiedene Verwundete verpflegt werden. Auf dem Gebäude wehten 5 Flaggen mit dem roten Kreuze. Die zweite Bombe platzte in einem Grundstück der Brüsselschcn Strasse, glückt.cher- weise ohne Menschen zu verletzen. Zn Maastricht hat man sich den Kops zerbrochen, welchem Volte wohl der heimtückische Flieger angehören mag, der dre niederländische Reurralität in so ruchloser Wei e „ge schändet" hat. Man hat vermutet, daß es em Deut scher gewesen sei, der geglaubt habe, schon über einer belgischen Stadt zu sein! Einem deut chen Fliegcroffizier eine solche Un wissenheit und Niedertracht zuzutrauen, rst ein etwas starkes Stück. Aber mittlerweile wird man ja wohl aus den Mitteilungen der englischen Admiralität über die Tätigkeit des englischen Luftgeschwaders am 22. September über Düsseldorf und Köm erkannt haben, woher der Flieger gekommen und wohin er geflogen ist. Die Engländer haben iich auch bei der holländischen Regierung bereits ent chuidizt. . h:e Entschuldigung ist in einer recht fadenscheinigen Wehe begründet worden. Die „Frkft. Ztg." meldet nämlich aus Amsterdam: Der englische Gesandte im Haag ent schuldigte sich bei der niederländischen Regie rung wegen der über Maastricht von einem eng lischen Flugzeug niedcrgeworienen Bombe. Das Flugzeug habe die Bombe verloren und wegen Nebels die Gegend nicht erkennen können. Hilfe aus Gibraltar. Die „B. Z. a. Mittag" meldet: Die Garnison von Gibraltar, die aus einem Bataillon schottischer Füsiliere besteht, ist von einem englischen Dampfer abgeholt worden, um sich mit der englischen Expeditionsarmee in Frank reich zu vereinigen. Dänemarks Neutralität bleibt gewahrt. Kopenhagen, 27. September. Aus Anlaß des gestrigen Geburtstages des Königs drückte der Mi nisterpräsident beim Empfang des Kabinetts im Re sidenzschlosse Amalienborg die Glückwünsche des Ministeriums aus und sagte u. a.: Unter den furchtbaren Kriegen, die Europa ver heeren, wissen Eure Majestät sich an der Spitze einer einigen Nation, in der König und Volk sich in gemeinsamem Verantwortungsgefühl in dem Willen vereinen, die Neutralität auf recht zu erhalten und den Frieden für das Vaterland zu bewahren. Möchten Eure Majestät wieder lichte Tage für Volk und Land entstehen sehen und lang- die reiche Freude fühlen, König eines unabhängigen Dänemarks zu sein, wo eine freie Entwicklung der Lebensbedingungen aller Bürger das Land hält. Zn seiner Antwort dankte der König für die gute Stütze, die er in diesen ernsten Zetten beim Ministerium gefunden habe. Er s-i überzeugt, daß die Minister ihn auch fernerhin in seinem Bestreben, die Neutralität Dänemarks auf- rcchtzucrhalten, unterstützen würden. Der König schloß: „Der Ernst der Zeit drückte uns allen seinen Stempel auf und bewirkte, was ich wohl er fahren habe, daß wir uns in gem-insamer Liebe und Opfcrwilligkeit für unser Vaterland zusammen fanden. Wenn wir von diesem Geiste beseelt sind, werden wir mit Gottes Hilfe Dänemark frei und selbständig den kommenden Geschlechtern übergeben können, wie wir es als Erbe von den Vätern über nommen haben." Sulgarien gegen Nußlanä. Sofia, 27. September. Die nationalen Blätter veröffentlichen mit großer Genugtuung die Er klärungen des Freiherr» v. Fuchs, wonach Oesterreich-Ungarn dafür -intrete, daß Mazedonien Bulgarien zufallen mutz. „Kambana" vergleicht damit die unbestimmten russischen Versprechungen, wonach die bulgarischen Wünsche „nach Möglichkeit" erfüllt werden würden, falls Bulgarien den Russen und Serben helfen wollte. „Kambana" fährt fort: Diese unbestimmten Versprechungen sind offenbar auf eine neuerliche Täuschung berechnet. Jahrzehnte lang behauptete Rußland, Mazedonien sei nicht von Bulgaren be wohnt, sondern von der eigenen slawischen Rass:; Zahrzehntc lang haben die russischen Kon suln in Mazedonien die Serben und Grie- ck>en gegen die Vulgaren unterstützt. Die vorjährige Katastrophe Bulgariens ist gleichfalls das Werk Rußlands. Alle russischen Versprechungen sind schon darum wertlos, weil dir Erfüllung des nationalen Ideals Bulgariens nur auf Kosten Serbiens, also der Tripelentcnte, erreichbar ist. Das bulgarische Volk fordert heute eine rein natio nale Politik, frei von russophilen Versprechungen und Aberglauben, frei von Leuten wie Geschow und Danrw, die Bulgariens Kata strophe verschuldeten und heute wegen Vaterlands. Verrats in Untersuchung stehen. Sejetzung von Lü-erltzbucht durch -le kap!än-er. Rotterdam, 27. September. Aus Kapstadt wird über Rotterdam gemeldet: Lüderitzbucht wurde von südafrikanischen Truppen besetzt. Am 19. Sep tember trafen Transportschiffe vor der Stadt ein. Offiziere mit weißer Flagge forderten die Uebergabe der Stadt, aber die weiße Flagge wehte schon vom Rathaus. Die deutsche Garnison war am 18. mit einem Eisenbahnzug abgefahren. Die Deutschen ließen alles unbeschädigt zurück, außer der drahtlosen Station, die sie zerstörten. Die Eng länder fanden nur wenig Lebensmittel und Geld. Zalsche Gerüchte. Kopenhagen, 27. September. Zn den letzten Tagen waren in Schweden Gerüchte verbreitet, daß es englischen Unterseebooten gelungen sei, in die Ostsee einzudringen. Mit diesem Ge rücht ist die vorübergehende Einstellung der Fahrten der auf der Linie Saßnitz—Trelleborg verkehrenden preußischen Dampffähre „Preußen" in Verbindung gebracht worden. Diese Gerüchte sind vollkommen unbegründet. Die Dampssähre „Preußen" hat bereits ihre regelmäßigen Fahrten wieder aus genommen. Vle Iren Amerikas für Veutfchlan-. Rom, 27. September. Die Iren in New Port hielten eine neue Versammlung ab, in der sie die irische und die deutsche Fahne hißten. Sie nahmen dann eine Tagesordnung an, in der sie für Deutschland Partei ergriffen. Die „Zrish World" schreibt: „Wenn es Iren gibt, die so pflichtvergessen sind, an der Seite Englands gegen Deutschland zu kämpfen, so hören tiefe auf. Zren zu sein. Sie sind bloß englische Sold kn echte. Kein Sohn einer irischen Mutter wird gegen Deutsch land kämpfen." Siegesbeute aus -en Schlachten im Osten wird jetzt täglich in d:n nach Westen gehenden Zügen befördert. Zur Ordnung und Beförderung der ungeheuren Beute sind, nach der „Dirschauer Zeitung", besondere militärische Organisationen ge schaffen worden, die mit Unterstützung von Militär- und Zivilarbcitcrn eifrig ihres Amtes walten. „Am Dienstag wurden in einem besonderen Wagen durch eine Abordnung des Arm"e"berkommandos drei eroberte russische Fahnen und ein Heiligenbild aus kostbarer S.ioe nach Berlin befördert. Humoristische Szenen kann man vielfach beobachten. Ern deutsch:! Soldat, der Kosakenpferde begleitete, präsentierte sich in der Parade-Uniform eines Kosaken, ein anderer trug die goldenen Epau- letten eines russischen Generals und schützte sich mit einem mächtigen, bunten Damenschirm (auchBeute!) gegen die Strahlen der Herbstsonnc. Auch den rus sischen „Bär" konnte man bewundern, welcher von einem braven Musketier, der einen kostbaren, erbeu teten Pelz angczogen hatte, sehr drastisch durch un beholfene Sprünge auf einem offenen Güterwagen markiert wurde. Die Stimmung unserer Soldaten ist die allerbeste. Begeisterung und Siegeszuversicht leuchten aus aller Augen. Die Erfrischungen und Stärkungen unserer Damen vom Roten Kreuz und der Bahnhossmission werden dank bar entgegengcnommen, besonders begierig aber sind alle Soldaten nach Zeitungen." Veutschfein-liche Kun-gebungen . in Zranzöstsch-In-ien. Amsterdam, 27. September. „Handelsbladet" meldet, daß nach der Zeitung „Straits Wudget" am 7. August eine Kundgebung vor dem deutschen Konsulat in Saigon statt gefunden hat. Die deutsche Flagge wurde her- untergeholt. Die Menge gab Revolverschüsse ab und rief: Tod der deutschen Nation! Sie richtete jedoch in dem bereits verlassenen Gebäude kei nen Schaden an und zog schließlich nach dem Deutschen Klub, wo in einer Viertelstunde alles kurz und klein geschlagen wurde. Darauf wurde das Magazin der deutschen Firma Speidel L Co. geplündert und gänzlich zerstört. Die Polizei sei völlig überrascht ge wesen, und die Gendarmen hätten die Menge nicht zurückhalten können. ,Vle Sache steht gut." Die „Köln. Ztg." veröffentlicht folgenden Feldpostbrief: ..... 11. September. . . . Wir sind nach unserem beispiellos siegreichen und schnellen Vorgehen zurückgenommen. Nun ist alles wieder in siegreichem Vor schreiten. Die Sache steht gut. Die Fran zosen haben hier sehr starke Kräfte — sie v:rsuchen alles, um durchzubrechen. Es wird ihnen aber kaum noch gelingen. R. ist zeitweilig aufgegeben: das wird wohl nicht mehr lange sein, denn wir haben unsern letzten Mo-t und Chandon gestern abend ausgetrunken. Uns geht es hier beim Stabe sehr gut. Man hat nur wenig Ruhe. Um 10 Uhr Montag. 28. September I9l4. abends kamen wir gestern in ein Dauernhäuschen, wo einem das Ungeziefer die kurze Nacht vertrieb. Hier finden sich meist Flöhe und Wanzen in einem Bett. Aber wir haben auch schon in famosen Schlössern gelegen. Um 3 Uhr nachts bin ich heute schon vorn in der Fcuerlinie gewesen, und dann habe ich eine große Autofahrt gemacht. Mehr als drei Stunden Ruhe habe ich seit dem Ausrllcken kaum gehabt. Es geht mir sehr gut. Ich bin guter, oft bester Laune, vor allem, wenn unsere Truppen so unvergleichlich schön vorwärts gehen. Die französische Feldartillerie schießt gut und versteht es mustergültig, gedeckt im Gelände und fast unauffindbar Aufstellung zu nehmen. Sie wird vorzüglich unterstützt durch leichte Flugzeuge, die bei der Feuerlcitung behilflich sind. Die französische Infanterie ist schlecht. Sie macht wohl Vorstöße, aber richtig angrerfen haben wir sie nicht gesehen. Den Angriff unserer Infanterie hält sie kaum aus. Von der Kavallerie beider Parteien hört und sieht man augenblicklich wenig. Die Verpflegung und der Munitionsersatz arbeiten gut. Es klappt überhaupt alles gut. Die französische Muni tion ist schlecht: viele Granaten und Schrapnells ex plodieren nicht, sonst Hütten wir bei dem vorzüg lichen Schießen der französischen Artillerie noch mehr Verluste. Die Verpflegung beim Stab ist gut. Gestern haben wir ein Schwein geschlachtet. Man lebt aus dem Lande, macht dicke Suppen mit Kon- scrvcn oder frischem Fleisch drin. Wetter war bis her sehr schön, dann vorgestern wahnsinnige Güsse, und heute auch regnerisch, aber windig. Pferde sehr munter. Mein Kommandeur hat eben das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten. Hoffentlich komme ich nicht ohne das nach Hause. (Der Schreiber des Briefes hat es wenige Tage später erhalten.) Katholische Kirche und Greucltaten in Belgien. Die „Kölnische Volkszeitung" teilt mit: Wie wir erfahren, ist den Z e n s u r b e h ö r d e n von amt licher Stelle folgender Erlaß zugegangen: Zn der Presse haben in letzter Zeit wiederholt unbestätigte Gerüchte überdieVeteiligung katholischer Geistlicher anEreueltaten in Belgien Verbreitung gefunden. Bisweilen sind an diese Nachrichten Kommentare gehässiger Form gegen die katholische Geistlichkeit geknüpft worden. 2m Interesse der Aufrechterhaltung der inneren Einigkeit des deutschen Volkes während des Krieges ist cs notwendig, diesen verallgemei nernden, einen großen Teil der Bevölkerung verletzenden Veröffentlichungen mit Nachdruck ent- gegenzu wirten. Wetterles Ausstoszung. Straßburg, 27. September. Wie dem „Eliässer" von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, hat das bstchöfliche Gericht den Abbd Wetterlö wegen seines Verhaltens seit Anfang des Krieges suspendiert und seinen Namen aus dem Verzeichnis der Diö» zesanpriester gestrichen. Ein entwischter Lan-esverräter. Wie der „Straßburger Post" ein Privattelegramm meldet, ist es Mailänder Blättern zufolge dem Rechts anwalt Dr. Nieder, Milglied des Stadtrats von Mülhamen, gelungen, nach Lugano zu fliehen. Gegen Dr Nieder, der zu den Führern des ehe maligen Nationalbundes gehört, war vom Kriegs gericht Mülhausen Haftbefehl erlassen woroen. Ein Protest -eutjcher Künstler in Nom. Rom, 27. September. Zn der aus Veran lassung franzosen- und englandfrcundlicher Künstler cinocrusenen Versammlung des rü mi schen internationalen Künstler vereins, in der eine scharfe Tagesord nung gegen die Deutschen wegen der Beschießung von Reims zur Debatte gestellt wurde, haben die in Nom ansässigen deutschen Künstler energisch Stellung genommen. Die Vorstände des Deutschen Archäologischen Insti tutes, des Preußischen historischen Institutes, des deutschen Künstlcrvereins, der „Hertziana", des deutschen Campo Santo und der deutschen Akademie in „Villa Massimi" erlassen einen öffentlichen Protest gegen den Verlcum- dungsfeldzug gegen das deutsche Heer. Sie wei sen die Anschuldigungen von italienischen Künst lern und Gelehrten wegen der angeblichen Zer störung der Kathedrale von Reims entschieden zurück. Deutschland, so heißt cs in dem Auf ruf, ist in der Pflege der Künste und Wissen schaften nicht minder eifrig und gewissenhaft 3n -ie Freiheit - in Sen Sieg. 3s Von A. Lrinius. Wie mußte dieser wilde, frcihcitsdurstige Sinn sich gegen diesen Zwang ausbänmen! Wie mußte dessen Herz schreien nach der Äcrgheimat! Daß sie ihm nicht bald geantwortet hatte, fast bereute sie es. Aber alles war so jählings über sie hinweg gestürmt, hatte ihr Innerstes aus allem Gleichgeivicht gehoben, sie wie in einen Abgrund geschlendert. Dann Ivar der Abschied vom Bruder gekommen. Fest war sie gebt.eben. In ihrer Vereinsamung würde sie ja genugsam Zeit für Tränen finden. „ES war ja ein leichtes von dem Andres", hatte der Bruder zuletzt noch zu ihr gesprochen. „Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Er unter ließ den Schuß. Warum, das weiß ich nicht. Vielleicht hat mich Gott anfgespart, M ine Kraft dem Vatcrlande zu bringen. Ihm müssen wir vertrauen. Vergiß das nicht, Herzschwestcr!" — Rose schreckte leicht ans ihrem Sinnen ans. Ein zögernder Schritt war den Gangsteig hinan hörbar geworden. Dann klinkte die hölzerne Gartentür und fiel gleich wieder zurück ins Schloß. Im nächsten Augenblick hielt im Rahmen der Laube Andres Schenk. „Andres!" WArer vermochte sie nichts jetzt zu rufen. „Ja, der Andres, der Geächtete, der einst dein Andres war!" Er näherte sich ihr nicht, sondern verharrte in seiner Stellung. „Fürchte nichts von ocm, den das Geschick, schuld und Strafe gezeichnet haben. Aber sehen mußte ich dich noch, ehe ich für immer von hier gehe." „Auch du? Auch du?!" Rose sah ihn mit großen, fassungslosen Augen an. Sie schien aus ibn zugchcn zu wollen, bann wieder hielt ein Beben und eine Angst sie davon ab. „Rühr' mich nicht an mit deinen reinen Händen, Rose! An mir klebt der Fluch des Gc- fängnisseS!" „Sprich nicht so! Nicht so!" „Aber die Wahrheit bleibt darum doch! Ich habe mich ansgcstogen aus der Gesellschaft, nun gibt's keine Rückkehr mehr. Aber schlecht bin ich nie gewesen. Es lag mir im Blute, da könnt' ich nicht anders. Nun habe ich mein und dein Glück untergraben und vertan. Als vorgestern das Gefängnis sich mir plötzlich wieder öffnete, da ich durch Herzogs Gnaden wieder ein freier Mensch geworden war, da habe ich den Schwur getan, mich auch wieder rcinzumachen von allen flecken, die an meinem Namen hängen. Ich habe mich freiwillig zum Heere gemeldet. Mor gen in der Frühe geht's fort. Eins aber hat mich hierher getrieben. Ich kann nicht mit vollem Mntc in die Schlachten ziehen, ehe du mir nicht das eine Wort geschenkt hast, daß du mir ver ziehen, daß . . ." „Andres, das tat ich längst!" Es schluchzte in ihm auf. „Gut, gut bis zuletzt!" Seine Augen gingen noch einmal über ihre Gestalt. Leise kam cS ihm über die Lippen: „Gott b.hüt' dich, Rose! Nun wird's mir leichter! Und sollt' ich. . . gedenke mein noch eine Weile! Lieb habe ich dich immer gehabt." Er wandte sich um nach der Gartentür. Im nächsten Augenblicke hing sic an seiner Brust. Flehend drang eS an sein Lhr: „Küsse mich. Andres, noch einmal, ivic du cs einst so gern getan!" Da hielten seine starken Arme die Geliebte fest, und seine Lippen suchten zuckend die ihrigen. „Dank, Rose! Nun bin ich wieder eiu freier Mann!" „Behüt' dich Gott, Andres! Ich werde aus dich warten, bis du wicderkchrst!" — Die Gartentür fiel ins Schloß. Sie lauschte seinen verhallenden Schritten. Dann sank sie in der Laube auf die Bank nieder. Nach rascher Ausbildung ging's gegen den Feind im Westen. Die Kompanie, in die man Andres Schenk eingereiht hatte, war fast stolz auf diesen Schützen, der bei den Hebungen mit seiner Treffsicherheit das Aussehen der Vor gesetzten erweckt hatte. Als der Rhein hinter ihm lag, die blaue Kctte des Wasgau immer deut licher aus dem Duft der Ferne heraustrat, da blitzte cs in den Augen des ehemaligen Wil derers auf. „Gutmachen werd' ich wieder, was ich bisher an Unrecht tat. Aus jeden Schuh muß. einer ins Gras beißen!" Und er hielt Wort. Als wollte er die Luft vor sich trinken, so war er in allen Sturm- angrisfcn immer einer der Vordersten. Gut machen! Sv stand es vor seiner starken Seele. Die geschenkte Freiheit mir wahrhaft verdienen! Dann kam der Sicgestag, da man ihn kampfunfähig und schwer verwundet auf dem Felde auslaS und in ein Lazarett schaffte. Die bedrohte Fahne zu schützen, war er ins dichteste Gemenge geraten, links und rechts die Gegner niedermähcnd. Kritische Tage kamen und gingen. Als An- drcs Schenk endlich zum ersten Male die Augen wieder mit freiem Bewußtsein öffnete, sah er ein fremdes, freundliches Gesicht über sich ge beugt. Die Schwester vom Roten Kreuz. Er wollte sprechen, doch sie wehrte ihn leise ab. „Heut' noch nicht! Sie müssen mir hübsch gehorchen. Wenn cs auch so großen Sorgen kindern schwer fallen mag." Einige Tage später aber gestattete Schwester Helene ihm das Reden. Da bat er sie mit leiser Stimme, an ein Mädchen im Thüringer Wald eine Karte zu schreiben. Ihr Inhalt lautete: „Liebe Rose! Schwester Helene schreibt für mich. Denn ich liege im Lazarett. Ich wollte mit in Paris cinzichcn, aber eine dumme Ku gel verirrte sich gegen mich. Pardon habe ich nicht einmal gegeben. Der Krieg macht hart, besonders w»nn man selbst etwas wieder gut machen will. Ich habe nun viel Zeit, an Dich zu denken. Lebe wohl! Dein Andres." Die Schwester aber schrieb noch heimlich hinzu: „.Herr Schenk weiß nicht, daß er lange mit dem Lode rang. Er soll wie ein Held ge kämpft haben. Erfahren habe ich auch, daß er für das Eiserne Kreuz vorgemerkt worden ist. Auch von mir unbekannterweise einen freuno- lichen Gruß. Schwester Helene." Andres Schenk saß bereits aufrecht im Bette. Seine Augen gingen still verklärt zwischen dem herbstlichen Lande draußen und einer Karte, die er in der Hand hielt, deren Inhalt er bald aus wendig wußte. Eine fliegende Mädchenhand hatte ihm geschrieben: „Mein lieber Andres! Sei recht folgsam der Schwester Helene. Ich warte auf Dick) in Geduld und Treue. Kommst Du danu wieder in unser Tal, so will ich stolz sein, mit Dir den ersten Kirchgang zu machen. Wald und Berge grüßen Dich vielmals. Noch mehr Deine Rose." Andres hielt noch immer das heimatliche Lebenszeichen in der Hand, da seine Augen be reits begannen schläfrig sich zu schließen. Da reckte er sich noch einmal aus. Weit, weit die Straßen her scholl wachsender Iubelrus, der immer näher schwoll. Trompeten schmetterten. Ein neuer Sieg ward verkündet. Und dann ging ein herrliches Brausen durch die Reihen der verwerterten Krieger. „Der Kaiser! Der Kaiser!" Dröhnend pflanzte sich der Iubelruf weiter. Da lächelte Andres Schenk. In die Freiheit war sein Weg gegangen, in den Sieg. Auch über sich selbst. Nun hatte er ein Recht weiter zu leben. War das nicht der Sang des Wildbaches? Rauschten nicht die Tannen seiner Berge über ihm? Er schloß die Augen, und fiel in stärkenden Schlaf. Aus der Ferne aber trug die Luft immer wieder den Ruf einher: „Der Kaiser! Der Kaiser!" — Ende.
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