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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.09.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140907015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914090701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914090701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-09
- Tag 1914-09-07
-
Monat
1914-09
-
Jahr
1914
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Äonlag, 7. September lSK Minderung -er flrbeitsioflgkelt. Von Alfred Böfenberg - D r e s d e n. Von den verschiedenen wirtschaftlichen Fragen ist die Beschäftigung der Arbeitslosen augenblicklich wohl die wichtigste. Es soll nun gleich zuerst an dieser Stelle betont werden, daß bet der Frage der Weiterbeschäftigung von industriellen Arbeitern und kaufmännischen Angestellten im allgemeinen zu wenig die Lage der Arbeitgeber erörtert worden ist. Von der Allgemeinheit, von den Verbänden der kauf männischen Angestellten und von den Arbeiterver bänden ist von den industriellen Unternehmern die Weiterführung des Betriebes gefordert worden. Welche wirtschaftlichen Folgen eine Weiterführung der Betriebe für den Unternehmer hat, ist, teilweise wohl aus Unkenntnis der Sachlage, viel zu wenig gewürdigt worden. Selbst die Ver tretungen der Arbeitgeber, wie die verschiedenen Ver bände der Industriellen und die Handelskammern, haben die Forderungen der Arbeitnehmer unterstützt und die Erwartung ausgesprochen, daß die Betriebe weitmöglichst aufrechterhalten werden. Tatsächlich sind aber von den Schwierigkeiten der Kriegslage am allermeisten die Fabri kanten, vor allem solche, welche exportierten, be troffen worden. Gelder oder wenigstens Akzepte für ihre früheren Lieferungen nach dem Auslande herein zubekommen, ist ganz ausgeschlossen, im Gegenteil, die noch laufenden Papiere kommen zum grünten Teil wegen Zahlungsverweigerung zurück, und die Fabri kanten müssen hierfür Deckung schaffen. Weitere Lieferungen nach dem Auslande sind jetzt ausge- slblossen. Selbst im günstigsten Falle des von uns allen zuversichtlich erhofften Sieges auf der ganzen Linie wird sich der Export durch die infolge des Krieges herbeigeführte Erbitterung der für die Aus fuhr hauptsächlich in Frage kommenden Gegner Ruh land und England auch nach dem Friedensabschluste nicht so schnell wieder entwickeln. Aber auch die Zahlungen für die Lieferungen an die Inlands kundschaft bleiben aus, da es leider eine grünere Anzahl von Privatleuten gibt, die mit ihren Zah lungen an die Handwerker und Detailgeschäste zögern. Letztere können daher ihren Zahlungsver pflichtungen nicht Nachkommen. Außerdem gibt es ebensolche unpatriotische Zahler unter den Wieder verkäufern und Grossisten. Eine weitere Schwierig keit entsteht dem Fabrikanten dadurch, daß bedauer licherweise eine Reihe von Rohstofflieferanten in der Kriegszeit die Bestimmung ausgenommen haben, daß Rohmaterialien sofort nach Empfang zu zahlen sind. Man kann sich also die Lage eines Fabrikanten kaum schwieriger denken. Auf der einen Seite erhält er kein Geld für seine Außenstände, auf der andern Seite soll er die Rohstoffe sofort zahlen und natür lich auch die Löhne, und drittens hat er keinen Ab satz. Mancher Industrielle wird daher, wie heute die Verhältnisse liegen, seine Angestellten beneiden, die ihr festes Einkommen haben, während er nicbt nur keinen Gewinn hat, sondern laufend große Verluste erleidet. Die allgemeinen Geschäftsspesen, wie Miete, Gehälter, Beleuchtung, Heizung usw., lassen sich nur um ein geringes vermindern, und auch die Fabri kationsunkosten bleiben bei Aufrechterhaltung des Betriebes in kleinerem Umfange fast die gleichen, prozentual zu dem verminderten Umsatz steigen sie gewaltig, ohne daß der Verkaufspreis der Ware höher wird. Sogar die industriellen Werke oder sonstigen Unternehmungen, die infolge ihrer günstigen finanziellen Position in der Lage sind, ohne Rücksicht auf Kasseneingänge und bei sofortiger Zahlung der Rohmaterialien und der Löhne ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, können es deshalb nicht, weil ein Auf-Lager-Arbeiten nicht nur für die Aus fuhr, sondern auch für das Jnlandsaeschäft ausge schlossen ist. Infolge der heutigen, hochentwickelten Technik der Maschinen werden in kurzer Zeit gewaltige Lagermengen hergestellt, und dadurch große Kapitalien festgelegt. Ein Auf-Lager arbeiten ist ferner insofern mit einem großen Risiko verbunden, als sich die Ansprüche des Käufers in der heutigen Zeit in ganz kur.zer Zeit ändern, infolge dessen das. was jetzt noch gangbar ist und der Unter nehmer aus diesem Grunde auf Lager arbeiten läßt, in verhältnismäßig kurzer Zeit sehr schwer, vielleicht sogar überhaupt nicht mehr verkäuflich ist. Dieser Grundsatz gilt nicht etwa nur für der Mode unter worfene Artikel, sondern auch für Stapelartikel trifft dies zu, da ost svätere Aenderungen in den Formen oder technische Verbesserungen früher angccfertigte Waren unverkäuflich machen. — Es muß daher zur Behebung bzw. Minderung der Arbeitslosigkeit un bedingt auf Arbeiten zugekommcn werden, bei deren Fertigstellung obige Umstände nicht in Betracht kommen. — Artikel, weder der Mode, noch einem Formenwechsel, noch technischen Verbesserungen unterworfen, sind z. B.: Schamotte- und Zement r-ipM-, 7-,-di-k»Nr. 4S4. Morpea-Nllsapdr. Srur 7. rohre für Entwöllerungs und Bcschleusungsanlagcn, Pflastersteine für Straßenbauten. Ziegelsteine, Schamotte- und Zementplatten, Düngemittel. Eisen träger und Schienen, Kalk, Molkereiprodukte, Papier, Strohstoffe, ein großer Teil von Porzellan- und Steingutwaren, Fleisch-, Gemüse- und Frucht konserven. Die Fabrikanten von obengenannten und anderen noch ausfindig zu machenden Fabri katen müßten die weitestgehende Unterstützung durch Beleihung der fertigen Ware seitens der Kriegs darlehens- und Kriegskreditkassen finden. Ein Ent gegenkommen müßte den Fabrikanten nicht nur be züglich der Höhe der Beleihung auf die Werte der Ware, sondern auch bezüglich der Lagerung bezeigt werden, denn es ist natürlich Betrieben, wie Stein brüchen, Ziegeleien, Kalkbrennereien. Fabriken für Zement- und Tonwaren, solche für Eisenträger und Schienen, die gewöhnt sind, ihre Fabrikate im Freien zu lagern, nicht möglich, diese in geschlossen« Lagerräume unter amtlichen Zollverschluß zu legen. Eine besondere Beachtung zur Behebung der Arbeitslosigkeit verdient vor allem der Baumarkt. Reich, Staat und Gemeinden, Hoch-, Tief- und Landbauämter, Eisenbahnen und alle sonstigen Be hörden müßten durch üsjentllche Bekanntmachungen oder durch Rundschreiben darauf hingcwiescn werden, alle bereits genehmigten Bauarbeiten ausiührcn zu lassen. Durch Herstellung von Entwässerungs- und Beschleusungsan'lagen und durch sonstige Tiefbau arbeiten können große Massen Arbeitsloser Be schäftigung finden. Durch Ausführung non Hochbau- arbei.en r.ndcn außer den Veauarbeitern fast alle Arten von Handwerkern ihr Brot. Es wird nun viel- fach von den Gemeinden entgegnet werden daß ihnen zur Ausführung bereits genehmigter Veschteusungsan- lagen augenblicklich die Riittel fehlen. Hier müßten die Bauunternehmer und großen Firmen für Be- schleusungsanlapen Anerkenntnisse der Behörden be kommen, und diese Anerkenntnisse müßten möglichst hoch von den Kriegsbelcihungskassen beließen werden. Alle Unternehmer werden auch gern, um ihren Stamm von Arbeitern weiter zu beschäftigen und um ihrerseits der Arbeitslosigkeit mit zu steuern, bereit sein, besondere Zahlungsbedingungen mit den Gemeinden oder sonstigen Auftraggebern aus zubedingen, vielleicht daß die Hälfte der Summe in Raten während der Ausführung, ein Viertel drri Monate nach Fertigstellung und ein Viertel drei Monate nach Friedensschluß zu zahlen sind. Staat und Gemeinden haben das größte Interesse daran, alles zu tun, um die Zahl der Arbeitslosen zu vermindern. Es müssen daher alle Behörden be strebt sein, jetzt nach Arbeiten zu suchen, und selbst solche Arbeiten, die erst für später vorgesehen sind oder die unter den heutigen Verhältnissen vielleicht teuerer als in normalen Zeiten hergestellt werden, ausführen zu lassen, da sie ja aus der anderen Seite große Summen ersparen, die sie sonst für Unter stützung der Arbeitslosen aufwenden müßten und ferner sonst große Einbußen durch Schwächung der Steuerkraft erleiden. Auch die Grundstücksbesitzer haben davon Nutzen, denn sobald die Arbeiter ihren Verdienst haben, können diese die Miete für die Wohnung bezahlen, und auch die Mieten für die von der Industrie benutzten Räume werden pünktlich eingehen. Wenn ich nicht irre, hat der Sächsische Landtag eine Million Mark oder mehr zur Herstellung von Landstraßen mit Kleinpflaster bewilligt. Welche Unmenge von Arbeitslosen könnte bei der Aussüh rung dieser Arbeiten zunächst bei der Bearbeitung der Steine und dann bei den Pflasterungs- und da mit zusammenhängenden Vorarbeiten Beschäftigung finden! In Dresden z. B. sind heute, trotzdem die Frist in kurzer Zeit auläuft, eine größere Anzahl von Grundstücken noch nicht an die Sä)wemmkanalisatiou angeschlossen. Ich bedauere außerordentlich, so an erkennenswert an sich das Entgegenkommen den Grundstücksbesitzern gegenüber ist, daß der Rat zu Dresden nachgelassen hat, die Fertigstellung der für die Schwemmkanalisation notwendigen Arbeiten bis nachFriedensabschluß auszusetzen. Wieviel Arbeitslose hätten hier ihren Verdienst gefunden. Diese Maß nahme des Rates, die eine Erhöhung der Arbeits losen herbeiführt, war insofern nicht im Interesse der Hausbesitzer nötig, da die Mittel für die Baulich keiten in Form einer Rente von der Städti chen Grund- und Hnpotheken-Austalt zur Verfügung ge stellt werden. Es ist mir zwar bekannt, daß die ge nannte Städtische Anstalt augenblicklich wegen Man gels an Mitteln Rentenaufnahme ablehnt, aber da ist es Sache des Rates, geeignete Maßnahmen zur Be schaffung von Mitteln zu treffen. An die Militärbehörden, die ja augen blicklich die größten Verbraucher sind, ist die Forde rung zu stellen, daß sie so wenig wi« möglich in ihren eigenen Betrieben und so viel wie möglich in indu striellen Privatbetrieben unfertigen lassen. Es wäre ganz falsch, mit Uebcrstunden in den Militär betrieben zu arbeiten, womöglich erst neue Arbeits räume einzurichten, neu« Maschinen zu stellen oder vorhandene Räume über die Gebühr zu belasten und dadurch die Arbeiter durch Betriebsunfälle zu ge fährden, während aus der anderen Seite die bis herigen Lvertstütten der Privatunternehmer ganz leer stehen oder di« Betriebe nur in unlukrattver Weise, in beschränktem Maß« aufrecht erhallen werden können. Aus alle Fälle sollte jeder überlegen, welche Wege emzuschlagen sind, um der Arbeitslosigkeit zu steuern, und sott dann, wenn er irgendwelche^ Vorschläge zu machen hat, diese auch an geeigneter Stelle laut wer ben lassen. vermischtes. Ein Franzose und ein Russe über di« Militär« tüchtigkeft un,ere» Kaiser». Lvenige Monate vor Aus bruch des Krieges hat sich, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" von militärischer Seite geschrieben wird, ein hervorragender französischer Diplomat, nämlich Charles Moui, der ehemalige französische Botschafter in Rom, über die Militärtüchtigkeit unseres Kaisers ausgesprochen. Diese Aeußerung ist heute um so reizvoller, als sie ?eigt, wie iich die Fran zosen über die wahren Verhältnisse in Deutschland täuschten und wi« sie stets bereit waren, angebliche Mißstände in unserem Heere sür ihre Absichten aus zunutzen. Zugleich sollten die Worte des Botschafters für Italien cm Hinweis sein, daß Deutschland nicht mehr auf der Höhe seiner Macht steht. Rach diesen Aeußerungen soll das deutsche Heer unter Kaiser Wilhelm ll. war „an Ausdehnung" gewonnen, aber dafür „noch mehr an Tiefe verloren haben. Die Schlagfertigkeit roll also auf ein tieferes Niveau herabgesunkcn sein. Der ehemalige Botschafter, der natürlich durch »eine Ausführungen hauptsächlich zum Nevcmcbckrieg hetz: und die Franzosen veichwört, den „Niedergang des deutschen Heeres" richtig auszu nutzen, ichreibt wörtlich folgendermaßen: „Der jetzige Deutsche Kaiser hat nichts von einem Krieger, noch auch von einem Herrscher, der <s wie sein Großvatrr verstände, hervorragende militärische Personen an die rechte Stelle z>i setzen und darin festzuhalten." Wir können das Geschwätz des ehemaligen Diplomaten ruhig hingeben lassen, da die Franzosen jetzt die mili tärische Persönlichkeit unseres Kaisers richtig einzu schätzen missen werden. Von großem Interesse ist aber, was ein russischer Fachmann über die Persön lichkeit nnd die militärische Tüchtigkeit unseres Kaisers schreibt: „Die ganze Welt ist sich darüber einig, daß Kaiser Wilhelm ll. seine Lebensaufgabe darin steht, di« Schlagsertigksft des deutschen Heeres bis zur Grenz« des Möglichen -u entwickeln^ und der Ausbau der deutschen Kriegsflotte, die anfangs als ..Wilhelms Spielzeug" vom Auslands verspottet wurde, ist wohl der beste B.'weis dafür, daß Kaiser Wilhelm ll. in bezug auf Kricgstechnit und militä rische Initiative vielleicht der größte Fachmann unter den gegenwärtigen Staatsoberhäuptern ist." Wie heute bereits die gewaltigen Einflüsse der Welt geschichte lehren, hat der Russe diesmal ein feineres Verständnis bewiesen als der Franzos«, bei dem wohl Uebelwollcn und Hoffnung aus Elsaß-Lothringen den Blick getrübt haben. Eine eigenartige Sammlung für das Rote Kreuz wurde in Hannover vor dem Hauptbahnhose ver anstaltet. Dort stand ein Stabsoffizier im Gespräch mit einem Kraftwagensührer, dem er einige An weisungen gab. Die Menge blieb stehen, weil sie glaubte, dort „sei etwas los". Als der Offizier die große Menschenmenge bemerkte, rief er: „Haben Sie denn noch keinen Offizier gesehen? Hier ist meine Mütze, ich setze als selbstverständlich voraus, daß jeder gern etwas für das Rote Kreuz gibt!" Di« Mütze wanderte unter der Menge umher und es war nie mand darunter, der nicht etwas hineinwarf. Als die Mütze zu ihrem Eigentümer zurückkam, war sie mit Silber- und Nickelmünzen gefüllt. Gerührt dankend erklärte der Offizier, selten solche Freude am Publikum gehabt zu haben. haßgelang gegen England. Von Ernst Lissaurr. Was schiert uns Rufs« und Franzos', Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß, Wir lieben sie nicht. Wir hassen sie nicht, Wir schützen Weichsel und Wasgaupaß, — Wir haben nur einen einzigen Haß, Wir lieben vereint, wir hassen vereint. Wir haben nur einen einzigen Feind: Den ihr alle wißt, den ihr alle wißt, Er sitzt geduckt hinter der grauen Flut, Voll Reid, voll Wut, voll Schläue, voll Lift. Durch Walser getrennt, die find dicker al» Blut. Wir wollen treten in ein Gericht, Einen schwur zu schwören, Gesicht in Gesicht. Einen schwur von Erz, den verbtäst kein Wind. Einen Schwur für Kind und für Ktnd<»ktnd, Vernehmt da« Wort, sagt nach da» Wort, Es wälze sich durch ganz Deutschland fort: Wir wollen nicht lassen von unserm Haß, Wir haben alle nur einen Haß, Wir lieben vereint, wir hassen vereint. > Wir haben alle nur einen Feind: England. In der Bordkajüte, im Friersaal Saßen Schiff»oifiztere b«im Liebesmahl. — Wie «in Säbelhieb, wie ein Segelschwung, Einer riß grüßend empor den Trunk. Knapp hinknallend wi« Ruderschlag, Drei Worte sprach er: „Auf den lag!" Wem galt das Glas? Sie hatten all« nur «inen Haß. Wer war gemeint? sie hatten alle nur einen Fe in d: England. Nimm du die Völker der Erde in Sold, Baue Wälle aus Barren von Gold. Bedecke die Meerflut mit Bug bet Bug, Du rechnetest klug, doch nicht klug aenug. Was schiert uns Russe und Franzos! Schuß wider schuß und Stoß um Stoß. Wir kämpfen den Kampf mit Bronze und Stahl Und schließen Frieden irgend einmal. Dich werden unr hassen mit langem Haß, Wir werden nicht lassen von unserm Haß. Haß zu Wasser und Haß zu Land, Ha» des Hauptes und Haß der Hand, Haß der Hämmer und Han der Kronen, Drosselnder Haß von siebzig Millionen, Sie lieben vereint, sie hassen vereint, Sie haben alle nur einen Feind: England. * Gstpreußlfcher Lan-ftmm. Wie man im deutschen Süden den ostpreußischen Landsturm bewertet, zeigt folgendes Gedicht im „Stuttg. Reuen Tagblatt": Ostprcußiscker Landsturm — Deutschland, sei stolz! Kerle, gefchnitzt aus Eichenholz. Und wenn er droht, ist's Spaß nicht noch Spott, Und wem er naht, dem gnade Gott! Graubärt'ge Lotsem vom Wetter gebräunt — Die Gefahr ist ihr Rachbar. der Sturm ist ihr Fr«und, Uno die Fischer alle von Samlands Sand Und von Palmnickens Bernsteinstrand. Die pfeifende Kugel fürchten sie nicht: sie sah n dem Tod« zu oft ins Gesicht. Kanonen brüllen laut und grob — Die See brüllt lauter! Sie lachen darob. Ostpreußischcr Landsturm singt ernste Weisen. Sein Herz ist Wachs, die Fäuste sind Eisen, Er wartet: wenn nich: heut', dann morgen! Doch dem Russen wollen wir es besorgen. Und der Russe kam: Und der König rief. Und der Lanosturm kam. Und d«r Russe lief! Er lief in Sätzen querfeldein. Und der Landsturm immer hinterdrein. Und über die Memel herüberklang — Dom andern Ufer — der deutsche Sang. Und der russisch.' Zarenglanz verblich. Ostpreußischcr Landsturm, wir grüßen dich! Paul Enderltng * „Das Leben unser» Fahnen —!" Und abermals erschallt ein Ruf der Kriegsfanfaren Zum Kampf für s Völkerrecht, wie einst vor hundert Jahren. Entfacht die Welt ein Brand von trügrischen Gewalten, so legt Gott sein Gericht in deutschen Schwertes Walten. Wie dort bei Leipzig einst im hehren Strahlen sterne, Der sieg dem Rechte ward, so ist die Zeit nicht ferne, Wo deutscher Mannesmut und deutscher Treue Kraft, Den schönsten Denkstein sich für ew'ge Zeiten - schafft — Drum Kameraden vor — seid würdig eurer Ahnen Eilt vorwärts! — marsch! — Hurra! — Das Leben unfern Fahnen —!l Deutsche Männer. l9f Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Die Wirtschaft zum Gibichenstein lag jetzt, den Umständen gemäß, ziemlich verlassen, denn die Witterung lud nicht mehr zu einem Gang dorthin ein, braune Blätter überwirbelten im Garten die Tische und Bänke. Beim trüben Zwielichtseinfall befanden sich heute «ach üblicher Weise nur in der größeren Gaststube einige Leute aus dem Torf und drübenher von Cröllwitz, das kleinere „Herrenzimmer" stand unbcsucht leer, im großen Messingleuchter brannte nur für etwaige Ankömmlinge eine Unschlittkerze auf dem Tisch. Lorenz Falle hatte wenig als Wirt zu schaffen und bedurfte keiner Gehilfin an seiner Tochter, die mit einer Näharbeit im Schenktischwinkel saß. Sie nahm sich völlig verändert gegen den Abend aus, an dem sie in Jakob Grimms Studicrstube gesessen, trug keine französische vornehme Mode- kleidung, sondern schlichte bürgerliche Frauen, tracht, doch keineswegs zum Nachteil ihrer Er- scheinung; die Schönheit ihres Wuchses und des allerdings blaßfarbiaen Geficktes drüber traten aus dem einfachen Rahmen vielleicht noch über raschender zutage. Auch innerlich mußte etwas in ihr anders geworden sein, in ihren Zügen lag's wie eine strllgelassene Unterwürfigkeit, als ob sie sich damit eine Buße für übel von ihr Be gangenes auferlegt habe. Es erregte den Eindruck, seit ihrer seltsamen Rückkunft von Kassel, der bald unerwartet der Tob ihrer Mutter an einer in Halle epidemisch aufgetretenen Krankheit nackgcfolgt, sei, wenn auch in schweigsamer Weise, zwischen ihr und ihrem Vater wieder oder seit frühen Kindheitstagen zum erstenmal ein Ver hältnis zur Anknüpfung gelangt. Die Tür ging auf, und es trat noch ein Gast herein in einem thüringischen Fuhrmanns, kittet mit lief in die Stirn gedrücktem, breit- krämpigcm Filzhut, den er auf dem Kopf be. hielt. Sein Alter war schwer zu schätzen; das sonnverbrannte Gesicht umgab, nur wenig von diesem gewahren lassend, ein stark verwilderter brauner VoUbart, zu dessen Farbe buschige, doch fast mehlwciße Augenbrauen in einem grellen Gegensatz standen. Hungrig hieß er auftragen, was vorhanden sei, und aß das ihm Vorgesetzte achtlos rasch herunter; sein Behüben und Aus sehen ließen auf einen vielleicht besser gestellten Landwirt schließen; auch solche bedienten sich, in Geschäften von ihrem Hof unterwegs, öfter der landesüblich bequemen Kärrnertracht. Wäh rend des Essens schien er ans die Gespräche der anderen Gäste hinzuhören; einmal wandte sein Gesicht sich Ebergard Falke zu und blieb ein paar Augenblicke auf ihr haften. Tann fing zufällig der Wirt einen zwischen den Lidern des Fremden eigentümlich hervorlvdernden Blick aus, als ob der Zuhörende durch etwas auf gebracht werde, und fragte, zu ihm hintretend, ungewiß: „Wollt Ihr vielleicht in die andere Stube hinübergch'u, Herr?" Der Angesprochenc versetzte fast barsch: „Ich bin kein Herr, nur ein jämmerlicher Knecht." Dock sich von der Bank hebend, fügte er drciu: „Wenn die Lust dort besser ist — die Sck-enkin kann mir ein Glas Wein bringen." Als ob er im Hause orts- kundig sei, ging er über den Flur in die kleine Herrenstube hinüber; Lorenz Falke äußerte, ihm nachgefvlgt: „Sind Sie schon einmal hier ge. wesen? Ich kann mich nicht erinnern." Ihm kam's, daß die veränderte Anrede wohl richtiger angebracht sei, im Benehmen wenigstens hatte der Fremde doch etwas von einem „Herrn". Dieser antwortete kurz: „Nein, ich komme von weiter her," hielt danach inne und setzte hinzu: „Kann ich Nachtuntcrkunft bei Euch haben?" Das bejahte der Wirt und ging zurück, aus dem Keller den bestellten Wein heranfzuholen, den seine Tochter dem wartenden Gaste hin übertrug. Das gefüllte Glas nehmend, leerte cr's auf eineu Zug und sprach danach unerwartet das Mädchen an: „Bist du einmal so gewesen'?" Dazu deutete er mit der Hand niedrig in der Höhe seines Knie über den Boden; von der sonderbaren Frage und der Art seiner Anrede verwundert, sah sie ihm antwortlos ins Ge. sicht. Doch fügte er gleich selbst nach: „Ja, du warst eine Schäferin mit Blumen in einem Korb. Natürlich kannst du dich nicht dran er innern, aber ick seh's und höre dich laut weinen." „Doch, ich weiß cs auch uoch," sic suchte da bei, indes vergeblich, in den Zugen des vor ihr Stehenden und setzte hinzu: „Aber Sie kenne ick nicht." -- „Das ist gut, ich würde - mich selbst auch nicht mehr kennen." Merkbar übte er etwas wie eine fest- bannende Wirkung auf Ebergard aus, deun sie regte sich nicht, die Stube zu verlassen. Sein über den Tisch hingehender Blick traf jetzt aus etwas Traufliegenoes, ein Paar zufällig dort, hin gelegte seine Danicnhandschnhe, bei denen seine Augen mit einem Stutzen anhielten. „Sind das deine?" fragte er. Ablehnenden Klanges der Stimme versetzte sie: „Ich habe sie früher einmal getragen, doch tu ich's nicht mehr: wie sie hierher geraten sind, weiß ich nicht." Seine Rechte aber streckte sieh jetzt mit einem plötzlichen Zugriff »ach einem der Handschuhe, und er stieß aus: „Soll das ein Anzeichen sein — vmso kaustum?" Verständnislos blickte sie ihn an, schüttelte dann aus seine Frage: „Hast du von der Kur. sürstin Elisabeth von der Pfalz gehört?" den Kopf. „Sie war schön, vielleicht sah sie dir ähn- lick, eine Königstochter, aber als der Dreißig, jährige Krieg losbrach, ward sie durch die Katholischen mit ihrem Manne von Thron und Land vertrieben, ins Elend gejagt. Da nahm Ehristiau der Jüngere von Braunschweig einen Handschuh von ihr, steckte ihn an seinen Hut und tat ein Gelübde, ihn nicht abzulegen, bis er ihre Feinde besiegt, sie mit seinem Schwert wieder aus den Thron gesetzt habe. Ihm ge. lang'« nicht, aber an seinem Schwur hielt er bis zum letzten Atemzug. Laß mir den Hand- schuh! Ich kenne eine Dame, die hat ihn für mich dahingelegt. Nicht du hast's getan, sie trug's dir auf. Wie heißt du? Warte, mir klingt's noch im Ohr, ich find'S wieder. Fal- cula rief er dich." Sichtbar fuhr das Mädchen zusammen, sah mit weilofscnen Augen aus den ivuudcrlichen Gast, der seinen breiten Hut abgenommen, sich den Handschuh aus das störrig tur^geschnittene .Haar drückte und den Filz wieder drüber stülpte. In der kleinen Stube war « still, und es ward vernehmbar, daß draußen die Haustür aus- gerissen wurde; Tritte dröhnten in den Flur her- ein, ein Rus klang auf: „l^ nommö äuo ck» ßeun- »«ick!" Dann folgten rasch noch einige andere französische Worte nach: Er solle unter Ver. kleidung in der Gegend Herumstreifen, und Befehl sei ergangen, überall Nachsuchc nach ihm anztl» stellen. Deutlich traf's den beiden im kleinen Herren« zimmer ans Ohr, und jäh flog das Gesicht des Fremden nach dem Fenster des Gemaches herum. Doch gleichzeitig verschwand alles in lichtlosem Dunkel, denn instinktiv schnellte sich Ebergard Falke blitzgeschwind auf ore Tischkerze zu und löschte diese aus. Dann hielt sie im nächsten Augenblick eine Hand des Gastes gefaßt und riß ihn hastig mit sich. Tie Stube mußte noch eine kleine Wandtür besitzen; er fühlte sich durch eine» engen Raum gezogen, offenbar kam er ins Freie hinaus. Doch ließ die Hand seine nicht los, führte ihn mit gleicher Schnelligkeit weiter; beinahe tote Finsternis lag ringsum, er sah nichts von einem Wege, empfand allein unterm Fuß, daß er aufwärts steige. Nur mit Schritt und Tritt hier aufs genaueste vertraute Kenntnis konnte imstande sein, eine Richtung zu verfolgen und einzuhalten; in Büschen und Bäumen heulte lauter das Brausen des Novembersturmes, dann zog das Mädchen einmal die Hand aus der seinigen. Kein Wart >vac zwisa-en ihnen ge- wechselt worden, nun fragte er zum erstenmal: „Wo sind wir'?" nnd sie antwortete: „Aus dem Gibichenstein." (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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