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Dresdner Nachrichten : 12.06.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-193206126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19320612
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19320612
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-06
- Tag 1932-06-12
-
Monat
1932-06
-
Jahr
1932
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 12.06.1932
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Kein Alltcrg Zonntag. l2. Juni —-»E.Mt-.M-M Die Lleöer tm Schühenoraden / »»»».- «.„. Während der Kümpfe tn Polen lag einmal eine »rutsche Abteilung »en Russen so lange gegenüber, »ab beide Teile gewisse feste Ordnungen angenommen batten. Da» Felo war rechtzeitig bestellt gewesen, und nun zog sich eine wette schwankende Ebene goldgelben Roggen» bin, tn »em Mohnrosen und Kornblumen rot und blau blühten. Den ganzen Tag lagen sich die feindlichen Krieger gegenüber,' di« einen lagen und saßen gebückt in den nied rigen, brettergcdeckten Höhlen, indessen die anderen stan den und durch sorgfältig verdeckte Locher tn dem Wall der aufgeworsenen Erde nach dem Gegner lugten. Gegen Sonnenuntergang fand meistens ein verstärkte» Schießen statt; aber wie nach einer stillschweigenden Verabredung verstummte da», wenn Feierabend war; dann dachten die Leute aus beiden Setten wohl an ihre Heimat und wie sie mit der Genf« aus dem Rücken, durchschwitzt und müde auf dem rasenbewachsenen Wege borfwärt» gingen mit schweren und schleppenden Schritten, indessen der abend lich« Rauch au» den Schornsteinen der Häuser zwischen den Ovstbäumen -um dunkelnden Himmel stieg. Wenn dann di« Stille eingetreten war, die nach dem vorherigen Gettsse der Schüsse sehr tief erschien, bann hörte man nach einer Weile fern im Feld da» Schrillen einer Grille: eine andere Grille antwortete, eine dritte machte sich bemerk bar; und bald war die Lust erfüllt von dem seltsamen, wie ltebeStollen Musizieren vieler solcher Tierchen. Schon seit langer Zett waren die Deutschen gewohnt, baß dann aus dem russischen Graben die wunderschöne, klagend singende Stimme eines jungen Manne» erklangt. Di« Stimme sang russische Volkalteoer: eine nach der anderen hoben sich die schwermütigen Weisen, tönten über die still lauschenden Deutschen hin, breiteten sich über das weite Kornfeld, wo au» der Entfernung die Grillen eifer süchtig die menschlichen Klänge überschallen wollten. Unter dessen sammelte sich die Dunkelheit tn der Ebene und stieg langsam nach oben, wunderlich erschien die Linie des Gra ben» gegenüber, eine lauwarme Nacht begann sich zu heben nach der sengenden Hitze dcS Tage», der Boden strömte Wärme au», und still tauchte am Horizont die goldene Scheibe des Monde» auf. Etwa «ine Stunde sang der Sänger, jeden Abend sang er dieselben Lieder, tn der selben Reihenfolge; und wenn er geendet, bann suchten die ermüdeten Soldaten, welche nicht auf Posten standen, einen Schlaf bis zum Morgen, wo die ersten Schüsse sic wieder weckten, wenn die Sonne kaum ihre früheste Helligkeit ver breitete. Bei den Deutschen war «in Leutnant, der zu Hause VolkSschullchrer war und sehr schön Geige spielte. Dieser hörte dem Sänger mit besonderer Liebe zu und merkte sich alle seine Melodien. Als er einmal Ablösung hatte, sand er in dem Herrschastshause, tn welchem er mit seinen Leuten lag, «ine Geige; er übte die Weisen beS unsicht- baren Sängers, und al» er wieder tn den Graben zurück gehen mußte, nahm er die Geige mit. An dem Abend aber, wo er ankam, war eine merk- würdige Stimmung tn all«»; eS war wie ein bebendes Er warten, ein nervöse» Sehnen; die Grillen schrillten lauter und hastiger, der Sänger sang sehnsuchtsvoller und trau riger; ein Mann sagte still: »Jetzt bringt meine Frau die Kinder zu Bett, faltet ihre Hände und läßt sie für ihren Vater beten." Alle fühlten, daß diese Nacht etwa» geschehen werde. Wirklich kam ein Neberfall der Russe». Die An greifer stürzten vor, erst stumm, und al» geschossen wurde, mtt Geschrei; jeder Mann war auf seine Stelle geeilt, der Leutnant ries: „Ruhig zielen"; Schüsse knallten, plötzlich waren die Russen im Graben, mit dem Gewehrkolben wurde geschlagen, das Bajonett war aufgesetzt, Schreien, Verwünschungen, ein furchtbares Brüllen erscholl; es wußte keiner von sich, Leuchtkugeln streuten Licht von oben, schließlich merkten die Deutschen, daß die Russen wichen; sie folgten ihnen, aber eine Leuchtkugel zeigte ihnen, wie wenige sie waren, so ließen sie sich gleich wieder in ihren Graben zurückgletten, aus die Leichen und Verwundeten, die da lagen. Sic zitterten alle vor Aufregung; nur das Stöhnen der Verwundeten wurde gehört, sonst war auf beiden Seiten alles still. Die Nacht verging, die Sonne erschien, und der lange Tag kam. Viele waren gefallen, eS hatte keine Ablösung geschickt werde» können. Die Toten wurden durch die Gänge fortgetragen, auch Verwundete. Einige Verwun dete blieben, denn sie wollten die Kameraden nicht allein lassen. Endlich senkte sich die Sonne, die durch die Erwartung schwebenden Nerven wurden wieder ruhiger, da» erste Schrillen de» Heimchen» erscholl. Jede» Ohr war ge- spannt aus den Sänger, ein Nbenbgeräusch schien ihn an- »ukttnden, ein andere»; bi« Grillen erhoben immer Höher ihre Stimmen; kein Lieb kam au» dem feindlichen Graben. Der Leutnant hatte «tue Kopfwunde bekommen; der Arzt hatte Ne ihm verbunden, und er wollte nicht sein« Leut« verlassen. Im Htntrrarunde de» Unterstand«» lag die Geige. Langsau» nahm er sie in die Hand, strich, stimmte sie, stimmt« sie weiter. Dann begann er zu geigen. Er geigte die erste Weise, welche der Russe gesungen, der nun gefallen war und vielleicht unter den Toten tn dem verwühlten und unanständigen Raum zwischen den Gräben lag. ES war alle» still bet den Leuten, alle hörten schweigend zu, und auch bet den Russen drüben war tiefe» Schweigen; nur die Grillen waren lauter »vte vorher. Und wie die erste Weise verklungen war, setzte er den Bogen an zu der zwetten Weis«; schweigend hörten alle ihm zu, der fortgetgte, indessen die Dunkelheit sich sammelte tn der Ebene. To geigte er eine Stunde lang, all« Wei sen, welche der tote russische Soldat gesungen. Wie er geendet, war eine große Paul«, tn der man nur die Grillen hörte. Da standen bet den Russen bi« Soldaten auf ihrem Wall: sie hatten ihre Gewehre fort geworfen und hielten die Hände hoch; so kamen Ne zu den Deutschen herüber und ließen sich aefangennehmen: sie weinten alle, die Deutsche»» gaben ihnen Brot, und sie aßen; und während sie still auf der Erbe kauerten und aßen, legte der Leutnant seine Geige wieder an die Wange und geigte, und diesmal sangen die Dentschen mit; eS war da» Lied „Ich halt' einen Kameraden". Alle waren auf gestanden und auch die Russen standen aus, und indem sie daS Lieb nicht verstehen konnten, entblößten sie ihr Haupt und falteten die Hände; sie hatten sich tn der Nacht geschlagen als mutige Männer; aber al» nun die Verse „Gloria Viktoria" kamen, wurden sie ängstlich. Da lachten die Deutschen, und als die Russen sie lachen sahen, da lachten sie mit. Letzter Frühling Von Vr. Sorst Ackermann SS zwitschert, flötet, trillert, eS girrt und gurrt und gellt, ES jubeln dte uralten Lieder nun wieder durch die Welt, ES raunt tn dürren Acsten, eS treibt und drängt und schwellt, ES braust da» uralte Knospen nun wieder durch die Welt... Ist längst auch schon versunken dein Frühling und sein Glück, Noch einmal, einmal träume dir seinen Glanz zurück. Leg' in den Wald dich nieder, ttes atmend lausch umher, Noch einmal, als ob dieser bei»» letzter Frühling wär'. Hast manches GlaS getrunken, manch Becher schäumt« hoch, Wen»» Lied und Lieb und Leiden dir durch die Seele zog, Wenn slügelrauschcnd führte ein Gott dich himmelwärts, Das, zwischen Sternen schwebte dein staunend Menschenherz; Manch Freundes strahlend Auge tat deinem Trunk Bescheid, DcS Glanz für dich erloschen tn alle Ewigkeit... Nun trinke auf bas Singe»» und Blühen um dich her. Trink', trinke, als ob jeder dein letzter Becher wär'. Hast manches schöne Mädchen ans heiße Herz gedrückt. Manch Knospe, die an» Wege, mtt kühner Hand gepflückt; Durchbraust von FrühlingSstürmen dte Seele und der Leib, Trug dich zu Sonnenhöhen der Glaube an ein Weib... Und ging sie schlackenreiner au» Feuerbranb hervor, Dann trag' dich deine Liebe zur Ewigkeit empor. Laß jeden Tag sie wärmen, weil du nie sicher bist, Ob's nicht der allerletzte für deine Liebe ist. Hast manche» Lied gesungen, dein Leben klingt und klang, Auf weiten, weißen Schwingen zog aufwärts dein Gesang, In ferne Märchenschlösser, aus Himmelsblau erbaut, Ins Traumlanb ewiger Freiheit zu einer KönigSbraut... Nun sing' ein Lied dein Frühling, der singend dich umblüht. Gib dein ganze Seele, dein innerste» Gemüt, Stimm' alle deine Saiten, wie Glocken bell und hehr. Als ob von deinen Liedern dies Lied dein letzte» wär'. Gute Lektion / Als »er korsisch« Eroberer auch die Republik Venedig wie eine am Wege gefundene Münze ohne viel Federlesen» etnsteckte, besetzte er natürlich dte hohe»» Aemter und Wür den mit Leuten seiner Umgebung. Auch mtt de»» kirchlichen Steller» machte er S nicht anders. Es gab da in seiner Armee «inen entlausenen Mönch, einen gewissen Gamboni, nicht eben «tn Kerl, mtt dem man Aussehen machen konnte, doch mochte der gemeine Mann den derben, rauh zupacken- den Felbprebtaer gern, und unter ägyptischer Sonne hatte er sich nicht übel bewährt. Den zottigen, immer «tn wenig unappetitlichen Gesellen setzte Bonaparte auf den Patri- archenstubl von Venetien —, wahrlich ein nicht geringer S^run^ für den einfachen Soldatenpastor; aber der tat ihn ES war damals Venedig ein Zentrum der großen Welt, wie nachmals Part», und dte jungen Geistlichen ließen sich'S angelegen fein, nach der Mode zu girren und zu seufzen, wie andere junge Gecken auch, ginge»» tn Seide und Samt und ließen den lieben Gott einen guten Mann sein. Man kann sich'S auSmalcn, wie sie insgeheim und wohl auch öffentlich ihre» raubeinigen und bärbeißigen Patriarchen lachten, der ja in der Tat wie ein Ueberbleibsel aus bibli scher Patrtarchenzeit unter ihnen stand, den Stutzern und ElegantS Venetiens —, und eS dauerte »richt allzu lange, so war manches Scherzwort im Schwange, ja, e» liefen Bilder und Spottschriften um, und zu jedem bösen Witz mußte der neugebackene Patriarch seine»» Buckel herhalten. Aber der Patriarch war auch nicht auf den Kopf ge- fallen! Der Rädelsführer von allen war «in junger Geistlicher, der immer a la mock« gekleidet ging, einen Backenbart trug, einen TituSkovf, wie ihn Frankreich neuerdings vorschrteb, «inen Stock mit silbernem Knaus, den gewaltigen Klapphnt stets unterm Arm, wie man den»» eben tn der groben Welt sich gehabte und wie s die kleine nachtut, um zu erweisen: Wir gehören dazu. War dem kleinen AbbS der Patriarch «in Dorn im Auge, so »var der Abb« dem hohen Herrn gar «in Pfahl im Fletsch. Aber für s erste ließ er ihn tn Frie- den, tn der Stadt sich -eigen und sich gebaren, wie ein balzender Pfau. Eine» Tage», ganz unerwartet, empfängt der Abb» «ine Vorladung »u einer Audienz beim Patriarchen. In von Gustav Salm. KSln sei,« neuestes, elegantestes Habit gekleidet, wohl frisiert und pomadisiert, mit allen Wassern gewaschen, gepudert und ge schminkt, betritt er die Antichambre. Ein Kammerdiener heißt ihn Platz nehmen, im Augenblick sind zwei ander« um ihn, ein weißes Laken »vird ihm umgeworsen, wie ein Netz, da» ihm hoffnungslos die Arme umstrickt, eine Schere fährt knirschend durch sein Haar, wie eine Sichel durchs Gra» —, ,„Ja, aber waS »nacht ihr denn, ihr Schlingel, waS erkühnt ihr euch?!" ruft er aus, will aussprtngen, aus und hinaus —, aber vier Hände, sechs Hände halten ihn nieder. „Befehl Seiner Eminenz, des hochwürdigen Herrn Patri archen!" rufen Kammerdiener und Haarkräusler ihm zu, und schonungslos beendet dte kltppernde, klappernde Scher« ihr Werk. Trauernd, wie ein Baum im Herbst sein« Blätter, sieht er die Simpelfransen seines TttuSkopse» tn seinen Schoß heruntersinken, melancholisch läßt er'S Über sich ergehen, daß ihm mitten auf dem Haupte eine Stelle kahl herauSgeschoren wird, groß wie eine Hostie, ganz der Vorschrift gemäß. Und schon ist ein eilfertiger Pinsel dabei, sich tn seinem Gesichte zu tummeln, Schaum flockt auf, unterm Schermesser fällt der Backenbart, der ihm ein so wacker männliches Aussehen verlieh —, bleich und stuben farben kommt die Haut der Wangen zum Vorschein. Endlich endlich, da dem geschorenen Stmson eben zuin Bersten zu- mute ist, nimmt der Haarkünstler bas weiße Linnen von seinen Schultern, »nan bürstet ihn säuberlich blank, der Diener hilft ihm tn den Mantel hinein —, aber waS für einen Mantel, vom ck« <itvn?j Entrüstet, empört fährt er auf —, warum nimmt man ihm seinen pelzbesetzten Schulterkriwen, den atlaSaefütterten Mantel —, ist er unter die Räuber gefallen? — „Befehl Seiner Eminenz", sagt daS eiserne Lakaiengcsicht, und ein« Hand im »vetßen Handschuh reicht ihn« den Hut, nicht öen seinen, beileibe nicht —, ein kleine», rundes Pfaffenhütchen, einen rechten Deckel schier —, und da er nicht sogleich zufaßt, setzt ihm der Diener mtt festem Schlag das abscheuliche Ding auf den Kopf. — „Befehl Seiner Eminenz I" sagt er dabet und ist ernst wie ein Fisch. Wie er tn den Spiegel schaut —, unwillkürlich tut er'S, er ist- so gewohnt —, wer schaut ihm entgegen, ihm, dem eleganteste» Stutzer Venedigs? Ein Pfässleln, klein, schmal und bescheiden, durch nichts unterschieden von Hunderten, ja Tausenden seines Standes! Dte Galle will ihm auf ch« steigen —, jetzt nur hinaus, nur weg —, da reißt schon, als ob er'S errate, der Bedient« dte Tür aus, eilend» stürzt er hinaus —, hilf Himmel! — in einem anderen Saal steht er —. und vor ihm, auf seinem Sessel, tn der Pracht seine» AmtSgewande», sitzt würdevoll und groß Gamboni, der Patriarch! Lächelnd streckt der dem jungen Geistlichen die Hand mtt dem Ringe entgegen, baß er sie küsse —, dann richtet er ihn auf, sieht ihm aufmerksam ins Gesicht, tut, al» besinne er sich, und bann sagt er: „Steh an, der AbbS PerrinU Sind Sie'S ober sind Sie'S nicht, AbbS? — Also doch endlich ein Geistlicher, «vte er sein soll! — Schon gut, schon gut, mein Lieber, vertei digen Sie sich nicht, ich sehe, alle» ist in der schönsten Ord nung. Aber da steht man einmal wieder, waS man auf daS Gerede der Leute geben kann! Denken Sie nur, wie mai» Sie verleumdet hat, AbbS! Hat man »ntr nicht gesagt, daß Sie Über de»» MarkuSplah flanierten wie ein englischer Lord? Daß Dte »ntt den hübschen Damen leichtfertige Blicke tauschten, wie irgendein Mann von Welt? Einen Degen trügen Sie, trug dte Fama mir zu, oiiapsau-iia» trip pelten Sie einher, wie bi« jungen Stutzer tun, der Halb welt machten Die die Eour, lieber AbbS! Soviel Worte, so viel Lüge»! Nein, nein. Die brauchen nicht» zu sagen, mein Freund, ich sehe schon, man hat einen alten Feld- kaplan einmal wieder hinter» Licht sichren wollen mit nichtsnutziger Verleumdung, aber diesmal hat'S nicht» ge holfen, diesmal nicht! Ein so alter Fuchs wie ich, traut seinen Augen mehr als seinen Ohre». Was Backenbart, wa» TttuSkopf! Es ist alle» nicht wahr! Tie Tonsur sogar ist in schönster Ordnung; Dte dürfen sich sehen lassen, Äbbs, Sie sind ein Mann nach dem Herzen Gottes. Nun ich mit eigenen Augen soviel Lästerung und Lüge durchschaue, weiß ich auch, wa» ich von jenem anderen zu halten habe, waS man mir htnterbracht. Sie und über Ihren Vorgesetzten spotten? Sie und eine» tn Amt, Er- sahrung und Würde Höheren mit geringschätzigen Worten gedenken? Gehn Sie, gehn Sie, lieber AbbS, Ihnen selber würd' tch'S nicht glauben! Ich sehe wohl, man hat Sie bet mir anschwärzen wollen, aber sagen Sie aller Welt: Den alten Gainbont führt man nicht hinter» Licht, da» bringen selbst die schlauen Welschen nicht zuwege —, der ntmint seine Sache selber tn die Hand und sieht gar wohl, wo -Respekt und Ordnung herrschen und die heilige Vorschrift noch ge achtet wird. Küssen Sie den Ring, AbbS, und gehen Sie getrost nach Hause. Ein Mann, der, wie Sie, tn nichts wider die Regeln verstößt, hat von feinem Patriarchen nicht- zu befürchten. Damit Gott befohlen, mein lieber AbbS." Wortlos, knirschend verltcft der Abb« da» Palais. Man hat ihn hernach nicht wieder mit TttuSkopf, Spitzen jabot und Galanteriedegen gesehen. Und es sind in dieser einen Woche noch viel, sehr viel Häupter demütig unter die Schere aebeugt worden; wußte doch niemand, ob nicht er der nächste war, der zur'Audienz besohlen würbe. . WR , cht entgehenlassen und begann den Kerl zu -richnen, indes ich auf meinen Trunk wartete. Am Gchenkttsch, hinten tn einem nieberlänbtschen Helldunkel, wirtschaftete eine kräftige, braune Person, der ich ansang» keine Beachtung schenkte. Da brüllte Herr Weigl — so hieß der Wirt: „Monika! Wird'» bald? Der Herr wart' schon an' Ewigkeit!" Monika — dieser Name, er ist nicht gerade selten in unseren Landen, hatte für mich «ine zart«, heimliche Be deutung. Go hieß nämlich meine Tugenbltebe. Aür einander bestimmt Etnr Malerveschtchte von Vvbo «tlbbeev Ueber ein Geländer am Dee beugte sich der Maler HanS Mobrmanu und starrte verstört in das Grünblaugrün der Wassertiefe. Er war bterhergefahrcn mtt dem innerlich halb auSgereiften Entschluß, seinen Kämpfen und Qualen ein Ende zu machen. Allzuviel bedrängte den etwa Fünfundbreißigjährtgen. Nicht nur künstlerische Enttäuschungen und häusliche Sorgen. Er hatte ja al» Landschaster einen leidlichen Ruf, seine kleinen Bilder aus dein Alpenvorland hatten bisher genügt, um ihn und Monika vor Nahrungösorgen zu be wahren. Seine groben phantastischen Gemälde allerdings, in dte er sein wahrstes Wesens gelegt zu haben vermeinte, wurden als völlig unzeitgemäß von den Ausstellungen zu- rückgewtesen. DaS Schlimmste aber war die törichte über eilte Heirat mit Monika. Mächtige Platanen, die aus dem Villenaarten eines er folgreichere»« Kollegen hcrüberschatteten, verbargen ihn wohl vor jedem nengtertgen Blick. Der See war noch einsam. Etwas weiter unten am Strande hatte er freilich ein« Staffelei bemerkt. Dort mochte eine» jener Malwetber, di« er nicht auSftehen konnte, ihren DilletantiSmuS pflegen. Sie würbe gewiß zu sehr mtt sich selbst beschäftigt sein, um wahr-unehmen, was hier vorging. Unterzustuken, vergessend zu vergehen, daS war sein leidenschaftliches Begehren. Langsam schritt er die oberste« Stufen hinab zum Wasser. Hier kam «hn wohl «tn Frösteln an. Dennoch, r» mußte geschehen. Da spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Eine Stimme, frisch wie der Morgen und doch aller Besorgnis voll, klang ihm ins Ohr: „Um Gottes willen! was machen Sie da?" Ohne sich umzuwenden, zog er den Fuß zurück. Er blickt« erst aus, als er sich wieder einige Stufen empor gezogen fühlte. Da zeigt« sich ihm eine jugendliche Frauen gestalt, von der Kraft und neues Leben aus ihn einzuströmen schien. Ihre klaren grauen Augen, in deren Grund je eine dunkle Flamme zu brennen schien, waren fest aus ihn ge richtet — nicht vorwurfsvoll, auch nicht gerade mit weh leidiger Teilnahme, doch mtt einem Hellen, treuen und ruhigen Forschen. Al» «väre sie sicher, daß er keinerlei Umkehr plane, schritt sie einer Bank zu — Hanö folgte ihr wie ein Schlafwandler. ES war etwas Natürliches, baßer sich nun zu ihr setzte. Dte Staffelet stand verlassen unten ain Seeuser. Er stammelte ungeschickten Dank, und nachdem er sich etwa» gesammelt, begann er: „Ich stthle mich verpflichtet, Ihnen zu sagen, wa» mich so wett gebracht hat." «Erzählen Sie nur", sprach sie freundlich. Und so kam eS, daß Han» Mohrrnann ihr sein Herz auSschüttete, dieser braunlockigen, schlanken Fremden, von der er nicht einmal den Namen wußte: „Mein Unheil begann an einem regnerischen Tage, al» ich, meine Skizzenmappe unter, dem Arm, eine endlose Pappelallce entlangschrttt und vor einer ebenerdigen Schenke stehenblteb, die ich bet früheren Wanderungen auf dieser öden Streck« niemals beachtet batte. Der Gastwirt, ein untersetzter Mann mtt grauem Schnauzbart und großer, rötlicher Nase, stand zwischen den Pfosten de» Eingangs. Er sah wie ein alter Kasperl au». Da Regentropsen siele»«/ folgte ich seiner Aufforderung, einzutreten, und setzte mich an einen der unsauberen Holzttsche. SS waren nur noch drei ober vier Gäste da, die an einem entfernten Ti che saßen. Drei waren Fuhrleute, der vierte ei», brettbrüstiger Bursch mit einem Raubvogrlkops, aus dem rauslust ge, schwarze Augen funkelten. Er wurde von den andern Ge genannt. Ich wollte mir diese- abenteuerliche Modell n entgehenlassen und begann den Kerl zu -richnen, inb,
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