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«»MX«, 12. Kmt 1SZ2 7«. ffahrsa«. Nr. 278 kN GegrÜnoet 18S6 Dru» u. »erlag! Slepscks » «elchardt, Lrrtden. Voltlche<l<»t». ross Dresden Nachdruck nur mit deutl.OueUcnangab« (Dretdn. Nachr.) »uILIIig. Unverlangt« Echrtltltücke werden nicht aulbewahrt Drahianschrilti Nachrichten Drelden gernIprecher-Tammelnummer: iiitt Nur >ür Nachtgeiprilche: Nr. >oon Schrtstleilung u. Haul>tgeichait«ste»e: Dresden«». I, Martenftra^e SS/ti »e-ugsgedlihr del tigNch »weiinallger gusteNung manatlich 5.«» MI. ieinlchlledlich 70 Vlg. ftir Drlger« lohn», durch Postdesug I.sa MI. einlchltehiich »« Psg. Postgebühr (ohne Postjustellungsgebühr) dei 7 mal wdchentllchem Leriand. «tnselnummer l» VIg., außerhalb Eachlen« 30 Psg. «njelgenprell«: Dt« einlpaltige 8N mm breite Zeile 3b Pfg., für auswärts so Psg., dl« oo mm bretie keNameseile 300 Psg., außerhalb 330 PIg. ab». Krilenabichlag lt. Daril, klantlllenanseigen und Strllengeiuch« ohne Rabatt l» Psg., außerhalb 3» Psg. Lsserlengebühr 3» Psg. «uswürllge «ustrlge gegen Borau«be»ahlung. Programmrede des Reichskanzlers Gmndkvender Kurswechsel - Schonungslose Bilanz - Bekenntnis zum sozialen Tatwillen - Melbewußte Agrarpolitik 7 Das Wahlriel: Die nationale Mehrheit Mr Ausnahme bei der LandwirMast vradlmoliiallg aoaoror NvrUosr SokrUUsNnng Berlin, 11. Juni. Reichskanzler von Papen und Reichsernährungsmtnister von Braun nahmen die augen blicklich in Berlin stattsindendc g 2. V o l l v e r s a m m l u n g des Deutschen LandwtrtschaftSratcS wahr, um sich dem deutschen Nährstand bekanntzumachcn und ihr Negierungsprogramm weiterhin zu erläutern. Das ehe malige Herrenhaus in der Leipziger Straße sah die hervor ragendsten Vertreter der gesamtdeutschen Landwirtschaft am Svnnabcndvormittag versammelt. Bom Neichskabinclt waren äusser dem Ncichskanzler und dem Ernährungs minister auch der Nctchöinucnministcr von Gayl an wesend, ferner zahlreiche weitere Bchördcnvertrctcr. Nach Begrüßungöwortcn des Vorsitzenden des Deutschen Land- wirtschastsratcs, Dr. Brandes, gab der Ncichskanzler eine kurze grundsätzliche Erklärung Uber seine politischen Absichten ab. Herr von Papen sprach wieder mit der überlegenen Nuhe »nd Entschiedenheit, aber auch mit der weltmännische» Gewandtheit, die sein össentliches Anstreten von vornherein gekennzeichnet haben. Wieder crsolgte die Unterstreichung der Tatsache, das« cs sich bet der neuen NetchSregierung nicht um „den gewohnten üblichen Wechsel parlamentarischer Kabinette" handele, sondern um die Dokumentierung einer grundsätzlich neuen Richtung der StaatSstthrung im Rahmen der Reichövcrsassung. Wie schon in der ersten Proklamation des Kabinetts von Papen folgte auch in der heutigen Kanzlercrklärung eine loyale Wendung gegenüber der ab getretenen Negierung Brüning. Der Kanzler zog dann wieder eine klare Bilanz der politischen und wirt schaftlichen Gcsamtlage. Im Gegensatz zum früheren NcichS- kanzlcr bemühte sich Herr von Papen, auch die psychologischen Gesichtspunkte in de» Vorder grund zu stellen, die das Uebermaß der »och zu sordcrndcn Opfer allein tragbar machen könne». Vom kommenden Reichstag fordert er die Herbeiführung einer neuen einheit lichen Willcnsbildung und Mehrheit für die geistig-sittliche Gesundung und wirtschaftliche Neuordnung ans nationaler und sozialer Grundlage. Herr v. Papen wandte sich dabet mit bemerkenswerter Schärfe gegen die „unerfreulichsten Arten", das Ziel der neuen Negierung zu verfälschen, nämlich die Unterstellung, bah ihre Haltung unsozial sei und gab eine Erläute rung seiner sozialen Einstcüung. Für den Kurswechsel ist auch der Sah von erheblicher Bedeutung, in dem er an die besten Traditionen konservativer StaatSgcsinnung gegenüber dem reinen Polizcistaat anknüpst: „ES ist ein grundlegender Irrtum, das, der omnipotente unpersönliche Staat an die Stelle der persönlichen Verpflichtung des Arbeitgebers treten könne. Die Verantwortlichkeiten, die ans der gott gewollten organischen Negclung der Dinge erwachsen, müssen wieder ausgcrichtct, die Verbundenheit von Arbeit geber und Arbeitnehmer wtedcrhcrgestcllt werden." Das kann von allen jenen Instanzen, die sich in den letzten Jah ren mehr und mehr zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sowohl von der Arbeitgeber- wie auch von der Arbcituchmerseitc eingcdräugt haben, als eine scharfe Kampfansage gedeutet werden. Es ist gleichsam ein Bekenntnis zur Rerksgemcinschast und zur WIcdcrausrlchtung lener menschlichen Verbundenheit, die durch den modernen Wohlfahrtsstaat nahezu völlig zer stört wurde» ist. Viel bemerkt wurden daun noch die Berlin, 11. Juni. Der Inhalt der kommenden grohen Notverordnung, die wahrscheinlich am DIenStagvormtttag der Oessentlichkcit übergeben wird, wird amtlich nach wie vor g e h e i m g e h a l t e n. Soweit die finanziellen N e u b c l a st » n g e n in Frage kommen, liegen uns jedoch einige Informationen vor, die einen allgemeinen Ueberblick schon heute ermöglichen, ohne das, wir allerdings wegen der strengen Vertraulichkeit, die an den Regierungsstellen ge wahrt wirb, für alle Einzelheiten bürge» können. Soviel wie seh« seststeht, wird baS Mak der sinanziellen Neubelaftnngen, die in der ursprünglichen Notverord nung Brünings vorgesehen waren, in der neuen Not» Verordnung nicht überboten, allerdings wohl auch nicht unterboten werden. Die Beschäftigten steuer dürfte einen Umbau er fahren. Itir die Beamten ist, da sie in der Krtsensteuer- nicht mit berücksichtigt werden, eine besondere Abgabe vor- Worte deö Kanzlers, die sich gegen die Fehler des kapitalistischen Systems tuenden. Der Kanzler hat damit die Antithese herausgearbeitet, die von der Linken ge flissentlich übersehen wirb, nämlich das, bei grundsätzlicher Bejahung des Privateigentums der wirklich konservative Staat nicht ein Freund kapitalistischer Ueberorganisation sein kann. Der starke Beifall, den der Reichskanzler mit seinen Ausführungen vor dem Gremium des Landwirt schaftsrates sand, kann als sicher gelten lassen, dast die deutsche Landwirtschaft der Regierung keinerlei Schwierigkeiten bereiten wird, auch wenn sie, was als selbstverständlich gelten kann, nicht in der Lage ist, sofort grundlegenden Wandel zu schasse». Die Bilanz, die dann der NetchsernährungS- und L a n d w i r t sch a f t S m i n t st e r v. Braun, der heute sich erstmalig der Oessentlichkcit vorstcllte, über die Lage der deutschen Landwirtschaft ausmachtc, ist in der Tat katastrophal. Sehr sympathisch berührte es, das, Herr von Braun seine Ausstthrungc» mit einem warmherzigen Dank an die Adresse des früheren Reichs ernäh- ru n g S m t n t st e r s Schiele begann, der ebenfalls Im Saale anwesend war. Den vielfachen Behauptungen der Linkspresse, dast es sich bet dem Kurswechsel im Reich jetzt im wesentlichen nur um eine Initiative der ostdeutsche n, speziell der ostpreusiischen Landwirtschaft handele, sind die Ziffern cntgcgcuznhalten, die der Minister in bezug aus die prozentuale Verteilung der über 15N Prozent ver schuldeten 1 Millionen Morgen landwirtschaftlicher Nutzfläche mittcilte. Fast die Hälfte davon entfällt nämlich, was vielen unbekannt sein dürste, aus Westdeutschland, wo der bäuerliche Grundbesitz bet weitem andere Betriebö- gröhe» überragt. Die Krise ist also nicht lediglich, wie stets von links behauptet wird, eine persönliche Angelegen heit der ostdeutschen „Grohagrarier", sondern alle Betriebs formen und alle Grössenklassen der Landwirtschaft sind gleichmässig in Mitleidenschaft gezogen. Die weiteren Erklärungen des RcichSernährungö- ministcrs unterscheiden sich nicht wesentlich von den Ten denzen, die auch sein Amtövorgänger, wenn vielleicht auch utcht immer mit der nötigen Entschiedenheit und bei der inneren Zusammensetzung der alten NetchSregierung viel leicht auch nicht so nachdrücklich durchsetzen konnte. Da ist das alte Problem der Preisschere: zu hohe Pro duktionskosten und zu niedrige Preise. Da ist die Kauskrast- verringcrung und die Bcdarssmindcrung. Da ist die ganze Nückwtrknng der Arbeitslosigkeit aus die Erzeuger der Nahrungsmittel. Von Bedeutung ist weiter die Erklärung zum Problem der Autarkie. Wir seien durch unsere Lage gezwungen, nach Möglichkeit die Ernährung des deutschen Volkes anS den eigenen Leistungen der deutschen Landwirt- schast sichcrznsicllcn. In Einzelheiten werden dann eine Reihe von Masniahmen angckündtgt. Zur SicblungSfrage unterstrich der Minister, das, eö unsinnig sei, In grostcm Um fange ein Siedlungswerk so lange anfznnchmcn, als sogar die alten Bauernstellen nicht mehr in der Lage seien, sich wirtschaftlich zu halten. Infolgedessen seien StcdlnugSfragc und Frage der Wiederherstellung der Rentabilität der Land wirtschaft schicksalhaft miteinander verbunden. In Kreisen des LandwirtschastSrateS haben die Erklärungen des NcichS- crnährungSmiuisterS allgemetneBcsrtebtgnug anS- gclöst. sVkortlaut ckor Nockou aul Sotto Lj gesehen. Für die übrigen BevölkerungSkrctse erfolgt dann die Erhöhung der K r i s e n st e u e r. Außerdem dürfte mit der Einführung einer Salz st euer zu rechnen sein. Was die Umsatzsteuer angeht, so sind Masniahmen ins Auge gefasst, die ein beschleunigtes Fliehen dieser Steuer erträgnisse gewährleisten sollen. Die S t u n b u n g S Mög lichkeit wird weitgehend eingeschränkt werben, wenn nicht überhaupt tn Fortfall kommen. Diese letztere Maß nahme wird deshalb als nicht vermeidbar bezeichnet, weil bi« Staat-kaffen praktisch leer sind und man sich nicht mit steuerlichen Maßnahmen be gnügen kann, die einer längeren Laufsrist bedürfen. Die Gcsamtbelastung wird, wie gesagt, bleiben. Offenbar hat sich die neue NetchSregierung davon überzeugt, baß die finanzielle Lage, tn der sich baS Reich befindet, noch viel ernster ist, als man aus den Verlautbarungen der früheren Regierung hat entnehmen können« Politik -er Verärgerung ES war von vornherein klar, daß das ohne Fühlung nahme mit Parteien gebildete Kabinett von Papen mit einer noch nicht dagewescncn Feindschaft zu rechnen hatte. Objektiv und sachlich, die Taten der neuen Männer ab wartend, stehen der NetchSregierung eigentlich nur die Par teien der Rechten gegenüber. Alle anderen Gruppen haben ihr, bevor auch nur die erste Verlautbarung vorlag, eine erbitterte Feindschaft geschworen, die namentlich bei der Sozialdemokratie in einen blind wütenden Haß aus geartet ist. Man kann sich dabei nur über die Geduld wundern, mit der die Neichsrcgterung den ost geradezu ge meingefährlichen Beschimpfungen und Hetzereien der sozial demokratischen Parteipresse zusieht, deren Ton so ruppig geworden ist, daß man beim Lesen der kommunistischen Zeitungen oft meinen könnte, die Moskowiter vertreten jetzt die zahmere Richtung des Marxismus. Schon gegen über der landesvcrräterischen Hetze gegen die Tätigkeit des Militärattaches v. Papen während des Krieges in Amerika bewies die Negierung unglaublichen Langmut. Augenschein lich steht Papen aus dem Standpunkt Friedrichs des Großen, man müsse wüste Schimpfereien niedriger hängen. Es ist nun interessant zu sehen, wie die abgewirtschaftete Sozial demokratie, die in Preußen die Presse geradezu terrori sierte, täglich neue Gipfelleistungen maßloser Hetzereien zu erzielen sucht. Man schreckt dabei selbst vor den niedrigsten Verdrehungen nicht zurück. So behaupten jetzt Millionen von sozialistischen Flugblättern und Zeitungen, die Negie rung schmähe das deutsche Volk und besudele seine ge waltigen Leistungen, sie schmähe die Schichten, die „ihre Not männlich ertragen" hätten, sie „diffamiere" baS deutsche Arbeitsvolk, um nur einige Proben der Beschimpfungen wiederzuacben, die sich die Linke gegenüber der Negierung leistet. Die Berechtigung dazu nimmt man aus der Re gierungserklärung, in der davon gesprochen wird, daß Klassenkamps, Arbeitslosigkeit, Kulturbolschcwismus und Atheismus das deutsche Volk moralisch zermürben müßten, und die Negierung eS daher als ihre Pflicht erachte, gegen diese Gefahren anznkämpscn. Die Ausrufe greisen unbedenk lich, unter Verschweigung des Zusammenhanges, den Satzteil „moralische Zermürbung des deutschen Volkes" heraus, um daran ihre hetzerischen Betrachtungen anzuschlicßcn. Es muß weit mit einer Partei gekommen sein, deren Führer die Hauptschuld an der äußeren und inneren Not unseres Volkes tragen, wenn sic an Stelle der Kritik oder, was noch nützlicher wäre, der Verteidigung der von ihnen tolerierten Maßnahmen des Kabinetts Brüning zu primitiven Fälschcrkunststückchcn greift, um damit trübe Wahlgcschästc zu machen. Wahrscheinlich soll so die „sachliche Opposition" auSsehen, die der Führer der preußischen Sozialdemokratie, Heilmann, großspurig angckündigt hat, um der Rechten einmal zu zeigen, wie man das mache. Die nationale Mehrheit deö deutschen Volkes wundert sich aber von Tag zu Tag mehr über die Geduld des Kabinetts, das in seiner Regierungserklärung versprochen hat, uns gegen den zer setzende» Marxismus zu schützen, jetzt aber die unerhörteste Vergiftung der Oessentlichkcit lediglich mit Nichtachtung strafen will. Man muß von der Negierung entschieden einen wirkungsvollen Schutz gegen rote Fälschungen verlangen, die ja nicht in erster Linie das Kabinett, sondern die nationalen Parteien treffen sollen. Nicht so grobschlächtig, aber im Grunde nicht viel sach licher ist die Sprache des Zentrums. Eö hat sich tn einer überraschend offenen und eindeutigen Weise aus die Sette seines bisherigen roten Bundesgenossen gestellt. Wie weit es zu gehen gewillt ist, wird die nächste Sitzung des Preussi schen Landtags zeigen, die ja nicht nur die Minister- Präsidentenwahl, sondern auch die endgültige Wahl des LandtagSprästdcnten bringen soll. Hier hat das Zentrum zweimal Gelegenheit, sich für rechts oder links zu entscheiden. Daß allerdings wenig Hoffnung sttr eine sachliche Stellungnahme des Zentrums gegeben ist, verrät die unerhörte Sprache, die der Führer des bayrischen Zentrums, der sog. Bayrischen BolkSpartei, tn einer Kundgebung in München führte. Er schleuderte Be schuldigungen gegen die NetchSregierung, wie sie maßloser nicht mehr formuliert werden können. Verbitterung, Haß und die Zerreißung des deutschen Volkes seien die Er- gebnisse des Regierungswechsels, ruft der Parteiführer Schäffer und er knüpft daran dunkle und wortreiche Drohungen, Bayern werbe sich nichts gefallen kaffen. Wir fragen, wer zerreißt denn eigentlich baS brutsche Bolk, wenn nicht bletentgen, bie tn ihrer Verannthett e» gewissen Berliner Linksorganen ermöglicht, Märchen über einen angeblichen Separatismus im Süden und im Rhein- land auszutischcn, bie letzten Endes den Franzosen neue Hoffnungen für ihre Donaubunbpläne geben. Es ist an der Zett, die Bayrische BolkSpartei und gewiss« ZentrumSkretse Was sie Steaernowembm« brlnat Ambau, aber keine Verringerung -er von Vrüning vorgesehenen Lasten 0rudtw«lckuug onaoror Sorllnor Sodrlttlottang