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Sonntag, 12. Juni 1SZ2 — „Dresdner Nachrichten Nr. 27Z Sette 17 Bilder vom Tage Sckeil Der deutsche Stahlhelm in Amerika Hum erst»» Male in der Geschichte der Vereinigten Staaten sah man anläßlich de« alljährlich startftndenden Gedenktage« für die Gefallenen de» Weltkriege« in den Straßen von Detroit eine Abordnung de« deutschen Stahlhelms k>. kdoto Der erste deutsche Schienenomnibus Auf der Strecke Lüneburg—Soltau soll demnächst Deutschlands erster Schienenomnibus, der kürzlich seine erste erfolgreiche Probefahrt gemacht hat, eingesetzt werden. Der wagen erreicht eine Geschwindigkeit bis zu -5 Stundenkilometern Sederl Goldene Hochzeit Sixt von Arnims Dest. bekannte Truppenführee des Weltkriege« und frühere komntandierende General de« Armeekorps in Magdeburg, GrnereA der Infanterie a. D. Sixt von Arnim, konnte mit seiner Gattin am ll. Juni da« Fest der Goldenen Hochzeit feiern LtlsoUe Eine Rolltreppe für Faltboote Am wehr von Baierbrunn ist kürzlich eine von den Isar werken für den Deutschen Ranuverband erbaute Faltboot- Rolltreppe gebaut worden Aev Vork Uwes Mensch und Tier im Gasnebel Auf einem Versuchsgelände bei Vranienburg werden setzt interessante Uebungen gegen die Gefahr eine« Luftangriff« vorgenommen. Hierbei soll geprüft werden, wie weit Menschen und Tiere, die im Dienste der Landesverteidigung stehen, im Schutze der Gasmasken arbeitsfähig sind Berliner Allerlei Besuch auS der Provinz — Tanentzien-MaSken — Die letzten Pserbedroschken — Zerstörerwut — Am Kordon der Schutzleute — Ansstellung der Entwürfe für Berka — ES raucht nichts mehr In der großen Flandernschlacht sind wir -einige Male zusammengeslogen und haben in den Nächten, umkracht von Geschossen und geblendet dnrch die Scheinwerfer, unsere Bomben abgcworfen. Jetzt sitzen wir, „Emil" und „Franz", wieder beieinander. Er kommt aus einem kleinen Nest in Westfalen, nimmt auch im Sommer nie Urlaub, mußte «un aber aus einige Tage her, schiittelt den Kops und sagt: „Mehr als drei Tage hielte ich es in Berlin nicht aus!" Das kann ich dir nachfiihlen, alter Junge: denn du kommst aus der Natur tu die Unnatur. Nach langer Zett ein Bummel auf der Tauentzien macht mir das wieder einmal klar. Ich habe die Nanke- straße abpatrouilliert, wo, wie das „Studcntcnwerk" mir mitgeteilt hatte, eine Eisdiele sich befinden sott, die von drei Studenten und einer Studentin, die damit Geld verdienen wollten, betrieben werde. Geld verdienen? Bet diesen Zetten, bet diesem wieder ganz kühlen Wetter? Ich habe bas Lokal nicht gefunden, vielleicht ist eS schon pleite. Aber in der ganzen Gegend und besonders auf der Tauentzien habe ich wieder Menschen gesehen, Menschen weiblichen Ge schlechts, die kein« menschllchen Gesichter mehr haben, son dern Masken. Lauter Fabrikware, zurechtgcpinselt und standardisiert wie die Ankietbeftguren in den Schaufenstern der Modehäuser. Jede Frau hat die gleichen getuschten Augenbrauen, die gleichen karminroten Lippen, die gleichen fast bläulich rosigen Wangen, die gleiche Starrheit im Blick. Masken, nichts als Masken auf mechanisch beweg lichen Gliederpuppen. Alles Leben ist verkleistert und ver schmiert und lackiert. Also nicht etwa ist bas Leben ge steigert, das Gesicht verschönert, wie man es in alten Zetten wohl tat. In England gab es noch 1888 ein Gesetz, wonach jede Weibsperson, die durch Schminke oder Puder oder Stahlkorsett oder sonstige Fälschung einen männlichen Untertan Ihrer Majestät der Königin zum Ehebruch ver locke, wegen — Hexerei zu verfolgen sei. Du liebe Glite! Der heutige Massenaustraa von Farbe und Lack zum Tauentzienbummel hat nichts Verlockendes mehr. Und da wundern sich diese jungen Mädchen und reifen Frauen, „beste Gesellschaft" übrigens, daß die Männer sich von ihnen abwcnden? Daß sie jedes Kathrinchen aus dem westfälischen Dorfe vorziehen, dem noch das Blut sichtbar ins Gesicht schießt und dessen Lippen noch erblassen können? Lange vor dem Kriege war die Tauentzien, wenn nan der Hans v. Kahlenberg glauben darf, von „Nixchcn" be völkert, von halbslüggcn Dingern, die in der Gegend in irgendeiner Konditorei ihren ersten Demivterge-Noma» er lebten. Aber die sahen ganz anders auS. Das waren noch saubere DeeruS mit natürlichem Flaum im Nacken, nicht blaurasiert, nicht gepudert und geschminkt. Heute ist hier fast jede Dame eine lackierte Geisha. Hin und wieder sitzt solch eine getünchte Holzstgur am Volant ihres Autos und gleitet maschinenmäßig durch den Wirbel der Großstadt. An den Kreuzungen ein kurzes Knirschen und Halt, oder ein lautes Aufbrüllen und Weiter sausen. Immer mehr werden wir motorisiert. Es gibt schon über 110000 Motorfahrzeuge in Berlin und nur noch 01 Pserbedroschken. Diese sterben langsam aus. Sie stehen nur noch — zu zweit, zu dritt, zu viert — in der Nähe von Bahnhöfen oder am Tiergarten, denn es gibt noch alte Frauen vom Lande, die bet ihrer Ankunft in Berlin sich keinem Auto anvertranen möchten, und es gibt noch junge Pärchen, die gelegentlich die Poesie des langsamen Juckelns auskosten wollen. DaS langsamste vom langsamsten brachte einst das größte Trinkgeld ein. Der Wagen schaukelte, der Wagen federte, aber er stieß nicht, man konnte sich also ruhig — bet Mondschein im Tiergarten — einen Fünf- mtnutenkuß geben, ohne sich die Zähne auszuschlagen. Oder wenn Sonntags die Familie eine Droschke nahm, Vater und Mutter im Fond, die beiden Töchter auf dem Klappsitz, durfte der Junge aus dem Bock neben dem Kutscher Platz nehmen und die Leine mit anfasfen. Solche Seligkeit kennen die Buben von heute nicht mehr. In der nächsten Woche soll einmal, um den Besitzern zu helfen und den Gästen etwas von der alten Poesie zu vermitteln, abends um 8 Uhr ein Droschkenkorso durch Alt-Berltn unternommen werden. Aber bas ist schon säst eine Museumssache. Wir sind für Fortschritt. Biele hassen das Alte. Auch wo es besser war. Bon einer Statue auf öffentlichem Platz in Berltn-Kaputh, „Die Kauernde", ist der ganze Ober- körper mit Hämmern zerschlagen worben. Dem jungen Alten Fritz in der SicgeSallee Haven sie die Nase mit roter Oelfarbe verschandelt. Am Denkmal Friedrich Wilhelms i. stehen ein paar wunderschöne Verse über das Wirken -es ein >en, >em Landesherrn. Ta ist das Wort „Untertan" mit Anilin verschmiert. Dies alles sind die letzten Zuckungen der ver sinkenden Novcmbcrwelt. Wir sind schon mitten im Auf bruch der Nativ«. Noch am 22. März, bet der Goethefeier in Weimar, wünschten die Offiziellen nur die Beflaggung der öffentlichen Gebäude. Mit Schwarzrotaold natürlich. Die Bürgerschaft wurde ersucht, nicht zu flaggen: man fürchtete, daß ganz Weimar sonst ein Meer von Schwarz- wetßrot würde. Auch Berlin ist bald so wett: und dann wird man nichts mehr verbieten können. Noch ist Genosse Grzesinskt der Herr von Berlin. Noch leckt er wider den Stachel. Wenn die Wache aufztebt, läßt er sie links und rechts und vorn und hinten von Polizei cinkesseln, als seien unsere Soldaten nicht MannS genug, ohne polizeilichen Schutz daherzumarschieren. Umgekehrt paradiert seine Polizei, mit Schellenbaum sogar, ohne militärischen Schutz. Man merkt die Absicht und man ist nicht verstimmt, sondern man lacht. Man lacht grimmig und entschlossen. Ueber ein kleines werden die Herren, die uns fast vierzehn Jahre lang ihre Herrschaft aufgezwungen haben, verflüchtigt sein. ES bleibt ein paar Jahre lang das von ihnen angerichtete Elend. Es bleibt hie und da auch noch irgendeine monumentale Erinnerung an sie. So das fürchterliche Grab des un bekannten Soldaten, wenn man es so nennen will, in der Neuen Wache Unter den Linden. Nun soll endlich deutsches Ehrenmal sttr die Toten des Weltkrieges entst im Bcrghain bei Bad Berka in Thüringen, und in GlaSpalast am Lehrter Bahnhof in Berlin, dem Sitz der früheren Großen Künstausstellung, sind die 1828 Entwürfe dazu in plastischen Modellen ausgestellt oder in Zeichnungen anfgehängt. Mich cnttänscht bas Gros der Einsendungen. Was ist denn da? Haufenweise immer wieder: Burgturm, Stadion, Pergola, Planschbecken, Pyramide, Kolosseum, Berg« und Talbahn, Nicsenglocke, Sarkophag, Obelisken, Stahlhelm. Zum Teil wird sogar der Hochwald, bas Schönste von Berka, rasiert, damit durch Kahlschlag eine Plattform ge wonnen wird. Gewiß, die Siegessäule in Berlin ober die Germania vom Ntederwalbdenkmal ob RüdeSheim mögen uns heute altmodisch Vorkommen. Aber sie haben Wucht und sie haben Idee. Ich habe nur zwei Entwürfe gefunden, die mir Frontsoldaten etwas sagten, und beide hat das Richterkollegium nicht anerkannt. Das eine «st der Entwurf, der einen 22 Meter hohen unv noch fünf Meter unter die Waldbodenfläche gehenden va«