Volltext Seite (XML)
«al«» kN Gegrünoet 1896 »ruck u. «erlag! Llevlch t «elcha^t, Lietden. Postlcheck-Kto. >0«S Dresden Nachdruck nur ml! deuII.Quellenangab« (Dresdn. Rachr.l «ulLIIIg. Unverlangl« CchUItftücke werden nicht aulbewahrt Drahtanschrift! Nachrichien Dresden gernsvrecher-kammelnummer: iditl Nur für Nachtgesprckche: Rr. »avlt Schristieilung u. Hauplgeschistlslelle: Dresden-N. >, Mariensirabe SS/t» Besugsgehühr bei tiigNch »«eimaliger Zustellung manailich «.so vll. seinschliehilch 70 Psg. sstr DrLger- lohui, durch Postbezug ».so Ml. einlchliehllch »« Psg. Postgebühr lohne Poftsustellungsgedühr) bet 7 mal wbchentlichem verland. Einzelnummer >» Psg., »oberhalb Sachsen« I» Psg. Anzeigenpreise: Di« einspaltig« »0 mm breite Zeil« IS Psg., ftir auswLri« «0 Psg-, die «0 mm breite NeNamezeile »00 Psg., außrrhalb »so Psg. ab», »risenabschlag lt. Dartl, ffamlllenan,eigen und Siellengeluche ohne Rabatt 1» Psg., auherhalb >d Ps^ vftertengebühr «0 VIg. «uswärtige Austräge gegen Borausbezahlung. Groener legt bas Wehrmlnlsterlum nieder Mer er blelbt vorlituftg MmnmlMer Vradlmvlckuug uu»«r«r v«rll«»r Sotsrtttlalt««» Berlin, IS. Mai. Reichswehr« «nd Neichsinnen« Minister Groener hat heute an den Reichspräsidenten und den Reichskanzler Brüning die Bitte gerichtet, ihn von seinem Amt als ReichSwehrminister zu entbinden und ihm ausschließlich das Amt eines Reichsministers des Innern ,« übertragen. Als Begründung gib« Groener an, daß er eS als seine Ausgabe betrachtet habe, während beS Winters alle Macht «nd Autorität des Reiches in einer Hand zu. sammenzusassen und zu sichern und daß er diese Ausgabe als erfüllt ansähe. Die weitere Leitung beider Ministerien sei für ihn zu viel. Außerdem sei die gleichzeitige Verwaltung des politischen ReichsmintsteriumS des Innern und des un politischen und überparteilichen RelchSwehrministcrinmS mit dem Charakter der Reichswehr nicht in Einklang zu bringen. Groener läßt weiter erklären, er habe Aufgaben im Bereiche des NeichSinnenministeriumS in Angriff genommen, denen er sich jetzt ganz widmen wolle. Nach dickem Entschluß hat also Groener den ersten Teil jener Kvnscgueuz gezogen, die nach seiner NeichstagSnicdcr- lage vom Dienstag unvermeidlich erschien. In unterrichteten Kreisen glaubt man indessen nicht, daß sich Groener tm ReichSinnenministertum werd« halten könne«. Offenbar will man das Ausscheiden GrocncrS gewisser- maßen verlangsamen, indem man ihn vorerst von einem Ministerium entbindet. Ein endgültiges Ausschei den des Ministers Groener aus dem NcichSkabinett ist iiir die nähere Zukunft als sicher anzunchmen. da Groener ein organisches Leiden hat und in höchstem Maße crholnngSbe- dlirstig ist. Zunächst wird Dr. Groener seht aus einen län geren Urlaub gehen, aus dem er höchstwahrscheinlich nicht zurltckkehren wird. In manchen politischen Kreisen, nament lich In solchen, die der N e g i e r u n g nahestehen, glaubt man allerdings feststellcn zu sollen, daß mit der alleinigen Wahr- nehmung der Geschäfte des Neichsinnenmintsteriums durch Groener die Regierung habe z«m Ausdruck bringen wollen, daß die Politik, die zum Verbot der SA. «nd zum Schutze des Reichsbanners führte, fortgesetzt werden solle. Man wolle dadurch insbesondere auch gegenüber der Sozialdemokratie zum Ausdruck bringen, daß das Kabinett Brüning eine inncrpolitischc Kursänderung nicht vornehmen würde. Diese Ausfällung scheint nach unserer Meinung allerdings nicht viel kür sich ,n haben. Schließlich ist ja doch zu bedenken, baß Groener seine Niederlage lm Parlament nicht als Wehr-, sondern als NetchSinnen- mintstcr erlitten hat. ES klingt immerhin merkwürdig, daß ein Minister, der eine so schwere Schlappe 'rlitten hat wie Dr. Groener, nun erst recht für seinen Posten als Innenminister geeignet sein soll. Bin Abgeordnete lm Rewslag »erbaltet Lobe verhinbert wichtige Abstimmungen -urch Vertagung vratztmolckuug «uioror vorlluor SodrUUoltung Rerlin, 12. Mai. Der Reichstag ist unter beispiellosen Tumultszenen in de» Nachmittagöstunden des Mittwochs ausgcslogen, ehe die Tagesordnung zu Ende gesührt war und ehe eine Anzahl wichtiger Abstimmun. gen stattsinden konnte. Die Reichüregicrung ist damit zunächst von der innerpolitischen Sorge entlastet worden, die in erster Linie darin zu suchen war, daß eö höchst zweifelhaft erschien, ob der RelchScrnährnngüminister Schiele und der RcichSstnanzintnister Dietrich diese Tagung überstehen oder durch Annahme eines Mißtrauensvotums gestürzt werde» würden. Die NclchSrcgierung selbst wird sich gewiß zu diesen Vorkommnissen beglückwünschen. Nom Standpunkt der Opposition ans muß dieser Abschluß bedauert werden, da ein Sturz von Dietrich «nd Schiele zweifellos zu einer weiteren Klärung der innerpolitilchcn Brr» hältntsse und zur Beschleunigung der Umgruppierung nach rechts hätte beitragen können. Ausgangspunkt dieses NiesenskandalS, der heute lm Reichstag entfacht wurde «nd der zu beispiellosen Szenen führte, war die Berprügelung des Kapitän, leutnants a. D. Klotz. Dieser war früher Mitglied der NSDAP., ging dann zur Linken über und gab eine antifaschistisch sozialistische Korre spondenz heraus. Klotz hat seinerzeit gewisse Briese, die von dem Privatleben des nationalsozialistischen Stabschefs Röhm handelten, und die für diesen als kompromittierend gelten mußten, der sozialdemokratischen Presse zur Ver öffentlichung zugeleitet. Klotz hat auch damals mitgewirkt, als der setncrzeltlge RelchSlnnenmtutster Dr. Wirth in Zu sammenarbeit mit dem inzwischen von Groener schleunigst entfernten Ministerialdirektor Sptecker eine Abwehrstelle gegen den Nationalsozialiöinns tm NclchSinnenmintsterinm schuf. Klotz hatte sich begreiflicherweise durch dieses Vorgehen bet den Nationalsozialisten verhaßt gemacht, woraus diese es für angebracht hielten, ihm eine Lektion zu erteilen, die denn auch reichlich derb auösiel. Die Erregung der Linken war groß. Die NeichStagSsttzung wurde unterbrochen, konnte nur kurz wieder zur Erledigung des Gesamtmißtrauensvotums, das mtt M Sttmmen der Ablehnung verfiel, wieder ausgenommen werden, woraus abermals Vertagung etntrat. da die Sozial demokratie den Vorfall zum Gegenstand längerer FraktionS- beratnngen machen wollte. Schon während dieser FraktionS- beratungen wurde in der Wandelhalle davon gesprochen, daß man von links her unter allen Umständen versuchen wolle, die Sitzung zu vertagen, um aus diese Weise um die grsähr, lichen MißtrancnSanträge gegen Dietrich und Schiele «nd um die Abstimmung über den Antrag aus Auslösung des Reichsbanners herumznkomme«. Diesen durchsichtigen Plan hätten die Nationalsozialisten durchkreuzen können. Ihr Verhalten slihrte aber dazu, daß die sozialdemokratischen Absichten gelangen. Nach Wieder eröffnung der Sitzung verkündete Höbe nämlich, daß er die vier nationalsozialistischen Abgeordneten, die Herrn Klotz verprügelt hätten, wegen dieses Verhaltens für 8ll SitzungS- tage aus dem NeichStag auSschlicße Lvbe forderte die Abge ordneten aus. das Haus zu verlassen. Als diese sich weigerten, schloß er kurzerhand die Sitzung, bi« wahrscheinlich erst am S. Juni ihre Fortsetzung sinbe« »irb. Im Anschluß hieran spielten sich im Plenum Szene« ab, wie sie der NeichStag seit dem Jahre 1ü25 nicht mehr erlebt hat. Der Berliner Polizeipräsident hatte alle Hebel in Be wegung gesetzt, um ein Entweichen der inkriminiertcn Nationalsozialisten zu verhindern. Der Reichstag war her metisch abgesperrt. Kein Abgeordneter, kein Jour- nalist, kein Angestellter konnte das Haus verlassen. In allen Räumen sah mau Kriminal-und Schutzpolizei Der Sitzungs saal war von einem Kordon von Poltzeibeamten umgeben. Nach der Sitzung kam eS zu stürmischen Demonstrationen der Tribltuenbesucher, die „Heil Hitler!" riesen, Ruse, die von nationalsozialistischen Abgeordneten lebhaft erwidert wurden. Hieraus wurde die Tribüne geräumt. Plötzlich erschien tu der Tür hinter der RegterungSbank der Berliner Vizepolizeipräsident Weiß, der von den Nationalsozialisten bestgehaßte Mann in Berlin. ES ist derselbe, dellen Entfernung aus dem Plenarsaal am gestrigen Tage von der Rechten stürmisch gefordert worden war. Kaum hatte Weiß den Saal betreten, als ihn die Na tionalsozialisten mit unfreundlichen Rufen empfingen und zum Verlassen des Saales auffordertcn. AIS Antwort ans diese Begrüßung rief Weiß eine Bereitschaft schwer bemass- neter Schutzpolizisten herbei, die in schneidiger Attacke über jene Bänke setzte, wo sonst Minister nnd Staatssekretäre Platz zu nehmen pflegen und Miene machte, die Zurnfer fcst- zunchme». Hinterher erfuhr man, daß der NcichStagSpräsi- dcnt Löbc Herrn Weiß die unbeschränkte Wahrnehmung des Haus» rechtes tm Reichstag übertragen hatte, was der Polizeivizepräsident gründlich wahrnahm. Sein Auftreten in einer Stunde solcher Erregung kann man nur mißbilligen. Wer Zeuge dieser Szene war — und der Par- lamentSjournalist ist wahrlich nach den Erfahrungen der Nachkriegszeit nicht mehr zart besaitet—, muß feststcllen, daß die Vorgänge mit zu -en beschämendsten gehören, was in der Geschichte des deutschen Reichstages überhaupt zu verzeichnen ist. Im Sitzungssaal zahlreiche Abgeordnete und ans dem ReichStagSpodium Herr Weiß als Kommandeur von jungen Schupobeamten. ES war, als ob das in den Wahlen ge- schlagen« neupreußische System sich noch einmal an der Schwelle feines Versinkens demonstrativ der Ocsfcutlichkeit hätte vorstellen wollen. Inzwischen hatte der nationalsozialistische FraktionS- slthrer Dr. Frick dem Vizepoltzcipräsldenten Weiß mitge- tetlt, baß «S solcher Aktionen gar nicht bedürfe, da die vier nationalsozialistischen Abgeordneten bereit seien, sich der Polizei zur Verfügung zu stellen. Herr Weiß, der wahrschein, lich die Absicht gehabt hatte, auch noch diejenigen National- sozialtstcn zwangszustellen, die ihm unsrcnnbliche Bc- grüßungSworte zugerufcn hatten, zog eS nach dieser Mit- teiluna vor, mtt seinen Beamten den Sitzungssaal zu verkästen. Die vler Natlonalfozlallften begaben sich ln das jjtmmer des AeltestenrateS, wo Herr Weiß Hast, befehle gegen sie auSsertigte. Hierauf wurden sie in das Untersuchungsgefängnis im Polizeipräsidium eingeliesert. Wie verlautet, sollen Ne morgen dem Schnellrichter unter der Anklage vorsätzlicher Körperverletzung vorgeführt werben. Noch lange zitterte tm Reichstag die maßlose Erregung nach, die diese un würdige» Szene» Hervorgernfen hatte». Groenvrs Sturz Der Reichswehr-, nicht aber der Reichs Innen minister Groener ist auch ohne Mißtrauensvotum als Opfer dieser NeichStagSsttzung aus der Strecke geblieben, die io friedlich begann und so stürmisch endete. Den Sturz, den die vereinigten Angriffe der Opposition nicht zu erzwingen ver mochten, hat eine Kette von Fehlern herbcigcsührt, die Groener bei der Behandlung dcrSA.-Frage selbstverschuldet hat. Er siel nicht erst bet lener peinlichen Szene im NeichS tag. als er bet seinem letzten Nechtsertigungsverknch versagte, sondern bereits damals, als der bekannte Bries Hindenburgs an ihn abgesandt wurde Im vornovembcrlichen Staat hätte ein Minister nach Erhalt eines solchen Schreibens unver züglich sein Nücktriltsgeiuch einrcichcn müllen. Sein Sinn konnte für den, der zwischen den Zeilen eines derartigen StaatSdokumcntes zu lesen versteht, nichts anderes sein als der unausgesprochene Borwurs: Ich habe mich als konstitutioneller Präsident den Beschlüßen gefügt, die Sie im Gcsamtkabinett durchgcsctzt haben: aber ich bin zu der Ansicht gekommen, daß ich über die politischen Motive nnd Wirkungen der Maßnahmen gegen die nationalsozialistischen Wehrverbände unzulänglich unterrichtet worden bin Groener hatte sich aber schon zu sehr den laxeren Ausfällungen der jetzigen Zeit angepaßt und war innerlich schon zu weit von der ihm vielleicht altmodisch erscheinenden Denk weise Hindenburgs abgerlickt, um dielen Wink zu verstehen. Er kämpfte um seine Stellung. Dabei mußte er notwendig nach dem ersten Schritt den zweiten tun und die Option für links vollziehen, die er lange mit Vorsicht vermieden hatte. Der württembergische Demokrat kam in dem alten General zum Durchbruch und er wurde in dem vergeblichen Bemühen sein SA.-Verbot zu rechtfertigen, zum Verteidiger des Reichsbanners, über dellen staatSschädlgende Tätigkeit er kurz vorher selbst so harte Worte gesprochen hatte. Dieser Abrutsch nach links hätte nur dann gut auSgehen können wenn Groener die Angrtske der Opposition tm Reichstag mit hieb, und stichiesten Argu menten hätte abwehren können, nnd wenn ihm der Nach weis kür die Berechtigung seines Standpunktes überzeugend gelungen wäre. DaS Gegenteil war bekanntlich in so hohem Maße der Fall, daß der Reichswehrinmister sogar von seinen Freunden nach dem blamablen Auftreten im Reichstag poli tisch ankgegeben wurde Auch der Umstand daß der Reichs kanzler ln keiner großen Rede nicht einmal mehr den Ver such machte, den NetchSwekirkollegen herauSzuhaue», zeigte, daß seine Stellung nicht mehr zu retten war. Der Rücktritt am Donnerstagabend ist trotzdem über raschend gekommen, weil man angenommen hatte, daß er sich langsam ans dem Weg über den bekannten politischen Urlaub vollziehen würde. Und auch die Art, wie dicGroener- krisc beigelegt wurde, ist eigenartig. Der ReichSwehrminister geht, der in seiner Person mttverctnigte Innenminister bleibt. Aus Vieler Regelung darf man den Schluß ziehen, daß das Kabinett doch zu der Ausfällung gekommen ist. die der Abg. Straßer etwas scharf formuliert hatte in dem Antrag aus Prüfung, ob der ReichSwehrminister noch die nötige Autorität habe, um das Machtinstrument des Staates in Händen zu halten. Die Tatsache, daß Groener als Innenminister gehalten wird, zeigt dagegen, daß der Reichskanzler den von ihm eingeschlagenen Kurs gegen die nationalen Verbände betbchaltcn und wenigstens bis zum Abschluß der Lausanner Konferenz '-'ne tiefer greifende Umbildung seines Kabinetts vornehmen will; denn nach den Vorfällen dieser Tage Ist irgendeine Ver ständigung mit den Nationalsozialisten unvorstellbar, so lange Groener überhaupt noch In der Realerung sitzt. Man kann deshalb die jetzige Regelung nur als eine vorüber gehende ansehen, ebenso wie die Verwaltung des Neichs- wehrminIsterlumS durch die militärischen EhesS der HecreS- und der Marlncvcrwaltung. Diese nach jeder Richtung hin unbefriedigende Lösung bedeutet weder nach innen noch nach außen eine Befestigung der Stellung dicker Negierung, die in den nächsten Wochen den schwersten Aufgaben entgegcngeht. Da auch die Stellung ihres Finanz, und ErnährungSministcrS offenbar nur durch die etwas gewaltsame Vertagung des Reichstages gerettet werden konnte, liegt klar zutage, daß der Auflösungsprozeß bereits in den wichtigsten NcgterungSpostcn begonnen hat. Heute: Der 8eite 9 unä 10 » KraMalirer