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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.08.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140825024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914082502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914082502
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-25
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
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östlich von Danzig habe ich Verwundete der selben sprechen können; sie sagen au», daß der Segne» in bedeutender Uebermacht, — mindesten» zwei Kaoallcriedivifionen und starke Infanterie—, gewesen ist Stoßgcfecht und Lanzenangrtff haben abgewechsclt. Die russische Infanterie schoss schlecht. Im Nahkampf, zu dem es oft gekommen ist, war deutlich sichtbar, daß sie das 200 Meter-Visier an gewendet hatten. War ein Gegner zusammen gehauen, so wuchs ein neuer gleichsam aus dem Vaden. Unsere Lanzen haben reich« Blutarbeit getan. Gin Kavallerieregiment, dessen Standarte eine Ncihc von großen Schlachtennamen aufzuwei sen gehabt hat, hat sich ausgezeichnet. Die russische Artillerie hat zeitweise bedeutungsvoll cingegrif- fen. Trotzdem siikd die Mehrzahl der Wun den durch Hieb und Stich hcrvorgerufen. Wir hassen, bald geheilt zu sein und dann wieder zur Truppe stoßen zu können." «pstpreußisthe Flüchtlinge in Serlin. D Berlin, 25. August. (Eigene Draht- Meldung.) Nun sind auch in Berlin in den letzten Tagen zahlreiche Trupps »er- triebener Ostpreußen eingetrosfen. Das Elend unter ihnen ist groß. Dennoch sind sie zumeist wunderbar gefaßt, und vertrauen zuversicht lich, daß die Wasfentaten unseres Heeres ihnen bald Heimlehr und Wiederaufbau ihrer zerstörten Heim stätten erlauben werden. Hier und da kommt aller dings di« Klage zum Ausdruck, daß die Zivil behörden nicht rechtzeitig die Bevölkerung aus die Notwendigkeit, ihr« gefährdeten Wohnsitze zu räumen, hingewiesen haben. Vorläufig ist sllr 2580 Ostpreußen Platz geschaffen. 888 wur den in Charlottenburg untergebracht. Auch in der Umgebung des Stettiner Bahnhofes haben 400 Unterkommen gefunden. Der weitaus größte Teil aber, etwa 1500 Personen, wurde dem Asyl in der Fröbelstrcße zugesiihrt. Mfsehenerregen-e Enthüllungen. Wien, 25. August. (Eig. Drahtmeld.) Wie das „Bolkvblatt" ans Sera je wo erfährt, ist in dem Prozeß gegen die Mörder des Erz Herzog- Thronfolgers von dem Standgericht in Serajewo noch kein Urteil gefällt worden. Infolge der außerordentlich wichtigen Geständnisse der Mörder über ihre offiziellen Auftraggeber in Belgrad ist die Urteilsfällung ausgesetzt, weil man noch hasst, nun mehr mit Hilfe der österreichischen Waffen die ser bischen Anstift« r des Doppelmordes dingfest zu mache». — Es wird angedeutet und von der Zensur nicht beanstandet, daß die Ausführung des Mordplans mit der unerwarteten Abgabe der Re gentschaft durch den König an den Kron prinzen von Serbien in unmittelbarem Zusam menhang gestanden hat. Em Wunder wär's nicht, wenn diese aufsehen erregende Mitteilung sich bestätigen würde. Herr Peter Karagcoraewipch wurde ja seinerzeit auch durch einen Mord König von Serbien. Vie neueste Verlustliste, von der wir in der heutigen Moigenausgabe die Toten veröffentlichten, enthält insgeiamt 821 Tote und Verwundete Unter den geiallenen Ossizieren befindet sich ein Major von Hertel, der Batail- lonskominandcur im 109. Grenadicrregiment in Karlsruhe, dessen Vater ebenfalls als Major im Feldzug 1870,71 gefallen ist. Der Vater, Major Reinhold von Hertel, machte als Schwadronchef im 10. Husareuregimcnt den französischen Feldzug nut und fiel a ni Tage von Mars-la-Tour auf dem Felde der Ehre. Jetzt ist ihm sein Sohn, Major Johannes von Hertel, im Alter von 45 Jahren im Tode gefolgt. Die „Kreuzzeitung" meldet: Ts sind gefallen Oberst Allmcr vom 105. Znsantrieregiment in Straßburg i. Els., sein Vater siel al» Offizier im Deutsch-Französischen Kriege 1870,71; Hauptmann und Kompaniechef Graf Oskar von Lösch au» München; Kavallerieleutnant Freiherr Paul von Syberg-Sümmern aus Bamberg; Leutnant Freiherr Konstantin von N o st i tz, In haber der Medaille für Lebensrettung, aus Bam berg; Rechtspraktikant und Leutnant der Reserve Franz Rebel aus München. öSvo Nachforschungsgefuche von Deutschen. Berlin, 25. August. sEig. Drahtmeld.) Dem amerikanischen Botschafter in Petersburg sind durch das Auswärtige Amt bisher über 8880 Nachforschungsgefuche nach deutjchen Staa sangehöri gen von in Rußland aufhältlichen und nicht wieder zurücktzekehrten Familienangehörigen zugegange». Soweit über Stockholm vorliegende russische Zeitun gen bekunden, sind übrigens schon am 28. Juli (15. Juli russ. St.s, die in Petersburg aufhält lichen Deutschen zwangsweise fest genom men worden, also 4 Tage vor der Kriegserklä rung und zu Der Zeit, da der Zar das letzte Tele gramm an den Deutschen Kaiser mit der Ditte um Friedensintervention noch nicht einmal abgcsandt hatte. Beisekmlfi dcö (Heneralmajors von Bülow. C Berlin, 25. August. Die Beisetzung des Generalmajors Karl Ulrich von Bülow, des jüngsten Bruders unseres früheren Reichskanzlers, der als erst-.'r General in diesem Feldzug siel, findet am morgigen Mittwoch nachmittag 5 Uhr auf dem Kirchhofe der Zwöls-Apostel Gemeinde in Schöne berg statt. (5ine wohlverdiente Anc^eichttttttg. Aus Wien wud gemeldet: Kaiser Franz Joseph hat heule dem Major 2 chneidcr vom deutjchen Siu an - Detachement, der sich bei den Kümpfen inViscgrad auszeichnete, dieEiserne Krone mit der Kriegsdeloiation in Eichenlaub verliehen. NuMche Gr-en zu verkaufen. Die Zahl der Deutsche», die sich ihrer russischen Orden durch Verkauf entledigen und Len Erlös dafür dem Roten Kreuz zur Verfügung stellen, mehrt sich in höchst erfreulicher Weise. Wie wir aus sehr guter Quelle erfahren, haben eine ganze Anzahl preußischer Staatsbeamter und ehemals auf russischen Hochschulen der Ostseeprovinzcn tätig gewesene Hochschulprofessoren ihre sämt lichen russischen Orden zur Verfügung des Roten Kreuzes gestellt. Darunter be finden sich fast sämtliche Orden, die der Zar bei seiner letzten Zusammenkunft mit dem Deutschen Kaiser in Potsdam in überreicher Fülle gespendet hatte. Auch der Wirkliche russische Staatsrat, Professor Dr. Will). Koch in Berlin-Schmargendorf, der be rühmte Chirurg, der bei dem schweren Eisenbahn unglück bei Borki auf den Hofzug Alexanders HI. von dem damaligen Zaren für seine erfolgreiche Hilfeleistung an den zahlreichen Verwundeten den höchsten russischen Orden, mit dem der Adel verbun den ist, erhielt, hat diesen und seine übrigen russi schen Orden zum Verkauf gestellt zugunsten der Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen. Zapanisthe Unverschämtheit. C> Berlin, 25. August. (Eig. Drahtm) Das japanische Ultimatum ist bekanntlich einer Antwort nicht gewürdigt worden. Dem nach hat der japanische Geschäftsträger eine deutsche Antwort nicht in seine Heimat nehmen können. Er hatte am Sonnabend die Harmlosigkeit, an die deutsche Regierung die Anfrage zu richten, wie die in Sch utz haft genommenen Japaner behandelt würden. Es ist ihm der Bescheid geworden, daß für die Behandlung der gefangenen Japaner die Grundsätze „europäischer Kultur" Anwendung fänden, die für die deutsche Verwaltung auf allen Gebieten maßgebend seien. Ivie schlimm es um -le Serben steht. Aus Wien wird dem „B. T." gemeldet: Ge- fangen« serbische Soldaten erzählen, daß die Militä pflichtigen ganzer Dörfer von Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten zur Mobilmachung getrieben werden mußten „Wir wissen nich t", sagten die Gefangenen, „warum wir in den Krieg ziehen müssen. Man sagt, die höheren Offiziere wissen es. Wir hören immer nur, Russen und Franzosen werden uns zu Hilfe kommen, wir haben aber weder Russen noch Franzosen gesehen. Das serbische Heer hungert. Wer bei dem Angriff zurückoleibt, wird von den Offizieren niedergeschossen." Aus Risch wird dem „B T " gemeldet, daß dort fortwährend Züge voll Verwundeter ein treffen. Diese bleiben, da es an Aerzten und Ver bandszeug fehlt, bis zu 8 Stunden unversorgt in den Wagen liegen. Viele Verwundete erzählen, daß österreichische Artilleriefeuer habe ihre Stellung aus großer Ferne erschüttert, die Serben hätten ost ge schossen, ohne den Feind überhaupt zu sehen. Sramaibasieren-e Engländer. Wie das „Journal d'Ztalie" aus der Umgebung des Kommandanten des englischen Mittel m ecrgeschwaders erfahren hat, be reite» die Engländer eine friedliche Besetzung von Triest vor. In Malta sei bereits ei» Manifest in italienischer Sprache gedruckt. Dazu bemerkt die „Tribuna" kritisch uiid kühl: „Wir müßen vom militärischen Standpunkte hervorheben, daß eine Landung in Triest, bevor die Verbündeten sich Polas bemächigt haben, wenig wahrscheinlich ist. In Pola ist noch eine harte Nuß zu knacken, und ferner scheint man die militärischen Aktionen zu Lande völlig außer acht gelaßen zu haben." Vie belgische Königin. München, 25. August. (Eig. Drahtmeld.) Die Meldung der „Münch. Post" von dem Aufenthalt der Königin von Belgien in Bayern wird auf Nach frage an amtlicher Stelle für unzutreffend er klärt. Die Königin von Belgien weilt nicht in Bayern, überhaupt nicht in Deutschland, sondern mutmaßlich mit dem belgischen Hofe in Ant werpen. („Mutmaßlich" kann sie also auch anders wohin geflohen sein. Die Red.) Sven he-in wirbt für -en Vreibunö. Wien, 25. August. (Eigene Drahtmeldung.) Wie die „Reichspost" aus Stockholm meldet, hat die schwe dische Regierung kein Verbot der angekündigten Vortragstournce Sven Hedins durch die schwedi schen Großstädte, zwecks Herbeiführung eines Anschlusses Schwedens und der zwei anderen skandinavischen Reiche an den Drei bund, erlaßen. Sven Hedin hat am Sonntag seine Vortragstournce begonnen. Weitere Mel-ungen. Das bayrische Staatsministerium hat zur Be hebung der infolge des Krieges eingetretezzen großen Arbeitslosigkeit die Wiederaufnahme der Arbeit an allen in Angriff genommenen Militär- und Zivil bauten des Staates angeordnet. Das dänische Justizministerium hat ein Aus fuhrverbot für Ger st e erlaßen. Solche Gerste, die vor dem 22. August zur Ausfuhr bestimmt war, kann von diesem Verbot ausgenommen werden. * lieber Holland wird aus Galizien gemeldet: Die Bauern in der Umgegend von Czenstochau bilden Freiwilligenkorps gegen Ruß land. I Aus Wien wird gemeldet: Die russische Gesandt schaft in Bukarest machte, wie gemeldet wird, der rumänischen Regierung die amtliche Mitteilung, daß vom IS. bis 23. August in Podolien 104 Fälle von Cholera asiatica vorkamen, von denen 94 tödlich verlaufen sind. Deutsche Kriegsbriefe. Zur Veröffentlichung zugelassen Berlin, den 24. August 1914. Oberkommando in den Marken. Von Paul Schwede». (Unber. Nachdr. verb.) m. Große» Hauptquartier, 24. August. Es ist ei» ganz eigenartiges Gefühl, in einer deutschen Stadt zu sitzen, die bereits seil Tagen das Oberhaupt des Reiches, den Großen Generalstab, die höchsten Würdenträger, die Leiter unserer Regierung und daneben mehrere tausend Einwohner beherbergt, ohne Laß eine Kunde von ihr nach außen dringt. Gleich einem Dornröschen liogt sie da, und gewiß nicht weniger reizend. Hier kann man noch absolute Ruhe finden. Ein ewig heiterer Himmel lächelt über der Idylle. Man glaubt zu träumen, wenn man plötzlich auf einem Parkweg einen hohen Herrn in der Uniform eines preußischen Generalleutnants auf tauchen sicht, der sonst in der Berliner Wilhelm- straße Geschichte macht und jetzt auch hier, trotz seiner militärische» Eigenschaft, die Zügel der Regierung fest in der Hand hält. Dann wieder tutet eines der kaiserlichen Automobile und schließlich sitzt man im Hotelspeisesaal inmitten von ausländischen Militär attaches, die hier wild umherlaufen und ganz er staunt die schöne Landschaft betrachen, die durchaus nicht für Mars, sondern für die Musen bestimmt er scheint. Noch sind wir Journalisten also weit vorm Schuß. Aber der Große Gencralstab sorgt schon dafür, daß uns die Zeit nicht allzu lang wird. Neben einem mehrmaligen Appell, der sich an den Tagen, wo die Postanweisungen von zu Hause einlaufen, zu einem förmlichen Löhnungsappell auswächst, gibt es strate gische Unterrichtskurse, Geländebesichtigungen und kritische Besprechungen der Eesamtlage. Man lernt hier an einem Tage mehr, als daheim aus dicken Lehrbüchern in einem Jahr. Im übrigen geht es uns Berichterstattern nicht anders als dem großen Publikum daheim. Wir glaubten auch, daß nun Schlag auf Schlag kommen muß. und haben jetzt Ge legenheit, zunächst in unendlich lnnqer Reihenfolge all die vielen, vielen kleinen Einzeldinge kennen zu lernen, deren volle Beherrschung allein den vollen Erfolg eines solchen Völkerringens, wie wir es jetzt zu beobachten Gelegenheit haben, verbürgt. Mit vollem Recht hat der Kaiser in diesen Tagen vor allem der Tätigkeit unserer Eisenbahnen während der Mobilmachungszeit gedacht. Ich habe selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt, wie ein im Dienst ergrauter Lokomotivführer 24 und mehr Stunden hintereinander arbeitete und stolz iedes Ablösungsanerbieten ablehnte. Und Zugführer, Schaffner, ja selbst Gepäckträger taten überall weit mehr als ihre Pflicht und fühlten sich nicht so sehr als Beamte, sondern mehr als Soldaten. Ebenso die Postbeamten. Und dann die Frauen und Männer, die sich in den Dienst des Roten Kreuzes und der Dahnhofsverpflemmgsstationen gestellt hatten! Ihr segensreiches Wirken ist nicht nur unseren Truppen, sondern der ganzen Nation zugute ge kommen. Denn auch auf die reisenden Zivilisten und die Fremden hat sich ihre Fürsorge erstreckt, und bei allen Reisenden dieser Tage ist es zur uner schütterlichen Ueberzeugung geworden: das macht uns kein anderes Land der Welt nach! Unserem Großen Gencralstab war das bereits von 1870 her bekannt. Aber auch er hatte diesmal mit ganz anderen und durch den Dreifrontenkrieg beson ders erschwerten Umständen zu rechnen. Wäre es da ein Wunder gewesen, wenn hier an der Zentrale in den entscheidenden Augenblicken so etwas wie Nervo sität herrschte? Ach, es ist ewig schade, daß man die ruhigen, ja selbst bei der Bekanntgabe entscheidender Siegesmeldungen fast unbeweglich bleibenden Ge sichter unserer Generalstäbler nicht photographieren darf, nicht weil es die Armeeverwaltung etwa ver- SvhrvidmLSvdivoa kurbdUnäer u. Xoblepapiere, Vi-iwmalsebv 81r. 24. Vas stille Leuchten. 54) Roman von Paul Grabein. «Copxrtxiil Uv Urskliloin Co. m. I>. >>.. l.ei^ri^.) (Nachdruck verboten) „Freundlich und doch schmerzlich," Ruth sprach es zögernd, und dann nach einer Pause: „Ich weist nicht, wie es geht — diese Stunde erinnert mich an jene vor dem Watzmannhause, wo Sie mir damals Ihr Herz geöffnet. Heut will es mich drängen, ein Gleiches zu tun — wollen Sie eS aber auch hören?" „Fräulein Rnth!" Ein zärtlicher Vorwurf klang aus seiner Stimme. „Sie wissen doch, wie glücklich mich Ihr Vertrauen macht." „Nun aut!" Im Dunklen unbemerkt, preßte sic die Hände mit dem Muff fest vor die Brust, als könne >ie so den aufgeregten Herzschlag unterdrücken, der — wie sic meinte — laut bis an sein Ohr schallen müsse. „Sehen Sie, Sie erzählten mir damals von einer schtveren Hcr- zenstäuschung — ich — ich hätte das erwidern können. Das heißt, natürlich so furchtbar wie Ihre Geschichte ist ja die meine nicht entfernt gewesen, aber immerhin — es hat mich doch auch etwas gekostet." „Armes Fräulein Ruth — auch Sie also?" Inniges Mitgefühl klang aus seiner Stimme, die halblaut durch die Dunkelheit zu ihr drang. „Wenn es Ihnen nicht zu schmerzlich ist, bitte, so erzählen Sie mir alles!" Aber sie fand nicht gleich die Worte. „Sie haben Ihr Herz einem Unwürdigen ge schenkt?" fragte er leise. „Einem Schwachen tvcnigstcns, der nicht ein- mal den Kampf um unser Glück versuchen wollte," antwortete sie nun. „Ach, cs ist eine ganz alltägliche Geschichte. Sie dürfen keinen Roman erwarten. — Ich roar noch selbst jung da mals, so rvie Fränzl, und meine Eltern lebten noch beide. Ich kannte noch kein wirkliches Leid — ohne Sorgen, treulich behütet im Vaterhaus, so blickte ich ins Leben, lachend, harmlos, aber wie ich heute weiß, doch auch ziemlich »ber- Mhlich. Ich dachte im Gruzch» »M hMMn, t mein Lebe» heiter zu genießen, und machte mir sonst über nichts Gedanken." „In diesen Jahren doch nur selbstverständ lich!" entschuldigte sie Holten vor sich selber. „So lernte ich ihn kennen — auf einem Ball, im Hause einer Freundin. Er war Offizier, selber noch sehr jung, keine glänzende Erschei nung, aber von einem so heiteren, sonnigen We sen, immer froh, übermütig, einen mit seinem Frohsinn unwiderstehlich fortrcißcnd, daß er bald mein Herz gewann. Wir kamen ja auch fast tag täglich auf dem Tennisplatz und in Gesellschaft zusammen. Zn meiner Entschuldigung muß ich aber doch heute selbst sagen, Rolf war ein sehr guunütiger, hilfsbereiter Mensch, den fremdes Leid leicht weich machte, der für einen Kameraden in der Verlegenheit stets einsprang. Das war es denn auch, was mich zu ihm hinzog, und noch eins: er war glänzend musikalisch veranlagt. Er spielte Cello wie ein Künstler. So sanden sich denn unsere Herzen, und ich meinte, nun wäre alles gut. Aber als er zu meinem Vater kam, um um mich anzuhaltcn, da merkte ich erst, was für ein ganzes Kind ich noch war, und er ebenso. Keines von uns hatte je daran gedacht, ob auch die äußeren Möglichkeiten zu einem Bündnis vorhanden waren. 9ftrn erfuhr ich es von mei nem Vater. Ich war überhaupt nicht in der Lage, einen Offizier heiraten zu können, die Kaution konnte nicht gestellt werden. Und da Rolf selbst auch kein Vermögen hatte, so hätten wir also ein Dutzend Jahre warten können, bis er Haupt mann geworden wäre. Aber abgesehen davon, erklärte auch «nein Vater, daß er seine Einwil ligung zu einem Verlöbnis in solchem jugend lichen Alter seines Kindes niemals geben würde. Aber so schwer uns auch dieser Schlag zuerst traf, wir verzagten darum nicht. Wir waren nun erst recht entschlossen, allen diesen Hinder nissen zu trotzen. Rolf hoffte auf die Hilfe einer allen Erbtante, die er zu erweichen hoffte, und sollte auch das fehlschlagen — gleichviel — so warteten wir eben aufeinander, bis er mich ohne Kaution heiraten konnte. In unserem LiebeS- rausch erschien uns das «ine Kleinigkeit, ja, wir kamen uns sogar furchtbar interessant und ro mantisch vor mit unserer unglücklichen Liebe. Hatte uns doch auch schließlich mein Vater ein Zugeständnis gemacht, daß wir uns ab und zu schreiben durften. Sollte unsere Liebe wirklich echt sein, und allen Hindernissen standhalten, so hatte er nach einigen Jahren auch seine Ein willigung zu einer Verlobung zugesagt. cso gingen wir denn nach einem kurzen Ab schied ein jeder für sich allein in diese Prü- sungszeit hinein. Aber aus der halben Kinderei wurde bald herber Ernst — wenigstens für mich. Allmählich brachte die Situation der „heimlichen Braut", als die ich mich fühlte, eine große Wand lung für mich mit sich, äußerlich wie innerlich. Ich zog mich, erst mehr aus Wichtigtuerei, dann aus einem wirklichen inneren Bedürfnis heraus von allen rauschenden Vergnügen zurück. Es war mir keine Freude mehr, mich m lauter Lustigkeit zu sehen, wo er nicht dabei war, nachdem ich mich immer ernster zu bange« begann. Fern von mir, gewann sein Bild in meinen sehnsuchts vollen Augen immer größere, edlere Züge, und eine wirklich tiefe Liebe begann in mir zu er wachsen, die schließlich mein ganzes Sein aus füllte, so daß meine Eltern sich allmählich um mich Sorgen machten. Das hatten sie ja nie ge dacht, daß unter der früher immer nur sichtbaren, heiteren Außenseite ein so ernstes Wesen bei mir schlummerte, das nun durch die Verhältnisse vor zeitig zum Durchbruch kam. Bald konnte meiner Liebe, die mich so ganz ausfüllte, der dürftige briefliche Verkehr nicht mehr genügen, und dies fruchtlose Sehnen nach dem fernen Geliebten ver zehrte mich, um so mehr, als die Nachrichten von ihm immer spärlicher und flüchtiger wurden. Sein Kommando in Berlin war inzwi schen auch abgelaufen und er war in seine Pro- vinzgarnikon zurückgekehrt. Mit der räumlichen Trennung schien sein Interesse immer mehr zu erlöschen; aber je mehr er mir zu entfliehen drohte, je angstvoller, sehn- süchtiger klammerte sich mein Herz an ihn. Zwar war ich zu stolz, cs ihn merken zu lassen — ich wollte ihn nicht mit Gewalt halten — aber diese» unausgesetzte, mrtutuuUtte, unausge» fprochenc Verlangen war nur noch qualvoller. Und wenn dann ab und zu ein dürftiges Lebens zeichen von ihm kam, so erwärmte sich begierig an diesem armsel'gen Fünkchen mein Halo er starrtes Herz von neuem und schuf sich selber neue Hoffnungen. Jahr um Jahr meiner Jugend ging so da hin, rn Bangen und Hoffen, da kam eines Tages der Brief, der allem ein Ende machte. Rolf schrieb mit dürren Worten, er müsse endlich einem ja doch unhaltbaren Zustand ein Ende machen. Im Grunde sei cs wohl auch nur eine jugendliche Phantasterei gewesen, die uns zusam mengeführt, und es sei die höchste Zeit, uns von Fesseln zu befreien, die uns nur unglück lich fürs Leben zu machen drohten. Kurzum, er gab mich frei und erklärte, daß er sich fortab auch nicht mehr als gebunden fühle. Ich möchte die ganze Geschichte nicht tragisch nehmen — Gott sei Dank sei es ja noch hinreichend Zeit für mich, mich nach einem neuen Lebensglück um- zusehcn. — Das war nun das Ende meines Sehnens und Ringens, das war der Mann, um den ich die besten Jahre meiner Jugend ge opfert hatte!" Mit leiser Stimme sagte es Ruth, dann ver stummend. „Armes, armes Fräulein Ruth!" entfuhr es Holten. Ihre Lebensbeichte hatte ihn im Innersten ergriffen. „Und dann suchten Sie Nch in Ihrer Arbeit, im Lehrerinnenberuf, Trost für das zerstörte Glück?" Ruth nickte stumm. In banger Erwartung harrte sie seiner nächsten Worte. Nun hatte sie ja, Gott sei Dank, ihr Gewissen frei gemacht, nun wußte er, daß ihr .Herz nicht mehr unbe rührt war, daß es sich schon einmal einem Mann geschenkt hatte — aber nun kam auch eine ge heime Angst über sie: Ob sie ihm nun entweiht erscheinen mochte? Vielleicht hatte ihn ja grade der Gedanke glücklich gemacht, daß er der Erste wäre, dem sich ihr innerstes Wesen ganz er schloß? Aber, wie dem auch war, sie hatte getan, was ihre Pflicht war, und gefaßt wollte sie nun hinnehmen, was kommen würde. KortsttMNg i» der Morgenau»gabe.)
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