Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.08.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191408306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140830
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140830
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-30
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
krnr ?. Nr. 440. Sorrnlrlgs-Aasgsde. Leipziger Tageblatt. zahlreichen verwundeten Krieger, die sich gegenwärtig in Bad Nassau befinden. Di« Kaiserin besuchte vor ihrer Rückreise nach Homburg da» Kur haus sowie das al» Reservelazarett eingerichtete Henriette-Theresiensttft und bezeigt« jedem einzelnen Soldaten ihre wärmste Teilnahme. Vie Aufnahme -es neuen Sieges über -ie NuHen in Serlin. Berlin, 29. August. (Gig. Drahtbericht.) Als die Schuljugend heute aus den Schulen stürzte — in einigen Anstalten wurden trotz des schulfreien Tages Feiern abgehalten — trat ihr eine neue Siegesnachricht entgegen. Die russische Arme«, die vom Rarew her nacq Ostpreußen eingerückt war. war geschlagen. Nachdem ihnen die Nachricht bekannt war. stürzten die Jungen mit Windeseile durch die Straßen. Das kronprinzliche Palais und da« Schloß waren das Ziel Tausender. Hier erschollen brausende Hochruse. Sehr originell wirkte eine Kruppe von 8—lOjahriqen Knirpsen, die mit ihren Papierhelmen aus dem Kopse, ihren Fähnchen in der Hand, durch die Straßen zogen und sangen: Lieb Vaterland magst ruhig sein. Zranzöfifche Drohungen gegen -ie Neutralen. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt über französische Drohungen gegen die Neutralen: Am vergangenen Sonnabend, als schon in aller Welt die erste schwere Niederlage der Franzosen bekannt war, führte die französische Presse gegen die Neutralen noch eine lehr drohende Sprache. Der Senator Gervais schilderte in jenen Tagen im „Matin" die diplomatische Situ ation Frankreichs in den rosigsten Farben. Den Italienern gab er hochmütig zu verstehen, daß diejenigen, die sich keinen Gefahren aussctzen, auch an der Beute keinen Anteil haben würden. Offen bar denke Italien jetzt über diese wichtige Frage nach. Wir haben den Italienern keine Rat schläge zu geben, sie wissen, wo ihre wahren Interessen sind. Wir schenken ihnen Vertrauen und Kredit. Ebenso hochnäsig war die Sprache über Holland Wir müssen mit gewissen Erscheinungen einer unsicheren Neutralität nachsichtig sein. Diese Gefühle haben wir auch gegen Holland. Es scheint, daß es alle Maßregeln ergriffen hat, um seine territoriale Neutralität zu sichern. Es bedarf aber auch der politischen und wirtschaft lichen Neutralität. Ucber diese Punkte sind be- sondere kontrollierte Zusicherungen unumgänglich. Den Türken wird schließlich für bald eine Ab rechnung in Aussicht gestellt. Etwas elegischer behandelt in diesen Tagen schon Jean Herbette im „Echo de Paris" die Türkei. Er meint, daß Frankreich Verwicklungen im Orient nicht brauchen kann. Den Franzosen müsse daran liegen, daß das Kriegstheater nicht un nötig ausgedehnt werde und daß ihren Freunden in Serbien nichts vom Balkan her geschehe. Alles das ist nun heute leeres Gerede, hinter dem keine Macht mehr steht. Ein englischer Lan-siurm in Sicht! London, 29. August. lReutermeldung.) Premier minister Asquith hat an die Lordmayors von London, Dublin und Cardiff und den Lordprovo von Edinburg ein Schreiben folgen den Inhalts gerichtet: Die Zeit ist gekommen, in diesem größten Konflikt, in dem unser Volk jemals ge standen hat, der öffentlichen Meinung und der öffentlichen Betätigung eine Organi sation zu geben. Ich schlage vor, daß in jedem Distrikt des vereinigten König reichs unverzüglich Versammlungen abgehalten werden, in denen jedermann klar gemacht wird, daß von ihm verlangt wird, daß er seine Pflicht tue. Ich selbst bin bereit, soweit es meine Amtsobliegenheiten erlauben, nach besten Kräften mitzuhelsen, iund ich werde gern an meine Mitbürger Ansprachen richten. Ich weiß, daß ich in jedem politisch - organisier- len Distrikt auf die leitenden Persönlichkeiten rechnen kann. Fortschritte -er polnischen Organisation. Der Kommandeur der polnischen freiwilligen Kommission übernahm die Verwaltung der russisch polnischen Stadt Kiclce, ließ alle russischen Aufschrif ten entfernen und auf allen öffentlichen Gebäuden die polnische Nationalsahne hissen. 2m russisch polnischen Städtchen Sosnowice erschien bereits die erste nationalpolnische Zeitung. Der neue Drahtdienst funktioniert bereits so, daß das Blatt amtliche deutsche Telegramme ver öffentlicht. Lonntagsarbeit während des Krieges. Die Sonntagsruhe wird dis aus weiteres nicht mehr aufgehoben werden, jedoch sind in Zukunft für die Dauer des Krieges alle Sonntagsarbeiten erlaubt, die für den Heeresbedarf und für die Lebensmittelversorgung des Heeres und der Be völkerung zu leisten sind. Für die Verkaufsstellen von Lebensmitteln besteht jedoch Sonntagsruhe. Krieasgesnnftcn. Aus Hamburg wird der „Voss. Ztg." berichtet: Pastor Wind fuhr von der hiesigen Kathari ne nkir He scheint in französische Gefan genschaft geraten zu ein. Pastor Windsuhr war aus Veranlassung des hiesigen Kolonialinstttuts zu Sprachforschungszwcckcn nach Französisch-Marokko ge reist, und war am tz. Juli in Moaador angekom men, wo er bei dem deutschen Konsul wohnte. Bei seiner letzten, vom 20. Juli datierten Nachricku, machte er die Mitteilung, daß er Ende Juli aus Mogador abreise. Seitdem ist nichts mehr von ihm bekannt geworden. weitere Mei-ungen. Der bekannte Vertreter der chineü chen Sprache an der Berliner Friedrich-Wilhelm Un versi.ät, Geh. Regierungsrat Pros. Johann Jakob Maria Groot, der im Jahre 191l aus Leiden (Holland» Herderufen worden ist, hat di« Hälfte seines Gehalt» als Universitätsprofessor für die Dauer de» Kriege» seinem „zweiten keimatlande" zur Ver fügung gestellt. Der preußische Kultusminister hat Vie Heftung Antwerpen. Auch der Zufluchtsort der geschlagenen belgischen Armee, die Festung A n t w e r p e n , ist von deutschen Truppen eingeschlossen und vollständig von der Außenwelt nach dem Lande hin abgcsperrt. Die Festung ist eine der stärksten der Welt und besitzt 2 starke Fortslinien, die die Stadt halbkreisförmig umgeben. Die Besatzungen werden jetzt mit allein Eifer noch verstärkt. Laufgräben von Mannshöhe ver binden in doppelten und dreifachen Reihen die einzelnen Forts. Vor dem Fort Capelle, das die stärkste Befestigung des äußersten Gürtels darstellt, werden furchtbare Drahtverhaue angebracht. Am 27. August haben vier belgische Divisionen einen Angriff gegen uniere Verbindungen in Richtung Brüssel gemacht. Die zur Abschließung von Antwerpen zuriickgelassenen Kräfte haben diese belgischen Truppen geschlagen, dabei viele Gefangene gemacht und Ge chütze erbeutet. Unsere heutige Karte gibt ein anschauliches Bild von der Lage der Forts und Wälle. den Betrag angenommen und wird ihn d.m Hilfs komitee für die o st p r e n ß i s ch e n Lands le Ute überweisen. Die Groß Herzogtümer Mecklenburg- Schwerin und Mecklenburg-Strelttz haben sich in dankenswerter Weise der preußischen Regierung gegenüber bereit erklärt, eine größere Zahl o st preußischer Flüchtlinge längere Zeit in Quartier zu nehmen. * * Den Flüchtlingen aus Ostpreußen, die in Berlin mittellos sich aushalten, darf für ihre Rückkehr in die Heimat oder bei Unterbringung in der Nähe Berlins auf dem platten Lande freie Eisenbahn fahrt gewährt werden. -x- * Aus Hannover wird gemeldet: Der Ma gistrat hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen, für die durch den Einmarsch der Russen in Not ge ratenen Ostpreußen 50 000 zu bewilligen. s Der „S i m p l i zi ss i m u s" erklärt, daß er sein Erscheinen nicht eingestellt habe, vielmehr jetzt zweimal wöchentlich auf den Pran trete: mit der regelmäßigen Nummer und den Kriegsflug blättern. * Der National stift» ng für die Hin terbliebenen der im Kriege Gefallenen sind von der Farbenfabrik vorm. Bayer k Co., Lever kusen bei Köln (Elberfelder Farbenfabriken) 50 000 Mark überwiesen worden. Vie Entrüstung -es Königs von England un- -as Völkerrecht. Von Neichsgerichtsrat vr. Neukamp. In einer von König Georg von England an König Albert von Belgien gerichteten Depesche lesen wir: „Ich erfuhr mit Abscheu von den Geiahren, denen Du durch ans deutschen Luftschiffen geworfene Bomben ausgesetzt gewesen bist." Dieser „Abscheu" vor der Handlungsweise der deutschen Lustschiffer richtet sich an die falsche Adresse. Man muß zugunsten des entrüsteten Königs von England annehmen, daß ihm die völkerrechtlichen Bestimmungen gänzlich unbekannt sind. Denn sonst könnte er unmöglich das Verhalten der deutschen Luftschisfer als verabscheuungswürdig bezeichnet haben, da diese vielmehr in gerechtem Kampfe mit durchaus ertaubten Mitteln tätig waren. Dies ergibt sich ganz klar aus den aus den Haager Friedenskonferenzen getroffenen Abkommen. Bei der ersten Haager Friedenskonferenz wurde unter dem 29. Juli 1899 von einer Reihe von Staaten, darunter von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Frank reich, Rußland und Belgien eine Erklärung folgenden Inhalts abgegeben: „Die vertragschließenden Mächte sind dahin übereingekommen, datz das Wersen von Geschossen und Sprengstoffen aus Luftschiffen oder auf anderen ähnlichen neuen Wegen für die Dauer von fünf Jahren verboten ist." Dieser Erklärung ist aber gerade derjenige Staat, dessen König jetzt em derartiges Werfen von Bomben aus Luftschiffen verabscheut, nämlich Großbritannien, nicht beigetreten. Darin ist vielleicht der Grund zu suchen, daß die in jener Erklärung niederqelegte Vereinbarung nach Ablauf der fünf Jahre nicht ver längert worden ist, also spätestens nach dem Jahre 1906 keine Gültigkeit mehr besessen hat. Wenn also das von dem König von England jetzt als ver« abjcheuungswürdig bezeichnete Werfen von Bomben au» Luftschiffen gegenwärtig nach Völkerrecht statt haft ist, so trägt England daran die Hauptschuld. Auch Art. 25 der jetzt geltenden „Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landtriegs" (vom 18. Oktober 1907) steht dem Werfen von Bomben auf die Festung Antwerpen nicht entgegen. Denn diese Vorschrift bestimmt: ,,E» ist untersagt, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, mit welchen Mitteln e» auch fei, anzugreisen oder zu be schießen." Antwerpen ist aber keine „unverteidigte" Stadt, sondern eine F e st u n g, so daß auch danach die Be rechtigung der deutschen Luftschiffer zum Bomben werfen sich ergibt. Glaubte König Georg seinem „Abscheu" Ausdruck verleihen zu müssen, warum hat er dieien dann nicht gegen seinen Minister Grey kundgegeben, der schon feit Jahren in heimiückischer Weise aus die Ent fachung des jetzigen Weltkrieges hingearbeitet hat? Ist es doch jetzt unumstößlich nachgewiesen, daß der Plan Englands, in Gemeinschaft mit Frankreich das Deutsche Reich zu überfallen, auf einer schon seit Jahren getroffenen Vereinbarung der Diplomaten beider Länder beruht. Die französische Zeitung „Gil Blas" berichtete bereits am 25. Februar 1910, also vor fast l'/i Jahren wörtlich folgendes: „Ein inOst- franlreich erscheinendes Blatt brachte eine höchst merk- würdige Enthüllung. In den militärischen Kreisen des Ostens erzählte man sich, daß die Stadt Mau- beuge, die unweit der nordöstlichen Grenze Frank reichs an der Bahnlinie Köln—Paris liegt, seit mehreren Wochen mit größeren Mengen eng lischer Munition versehen werde. Die Stadt Maubeuge ist militärisch von großer Bedeutung. Sie wird im Felozugsplan des französischen General stabs als Konzentrationspunkt für die verbün deten englisch-französischen Truppen bezeichnet, die im Kriegsfall von dem englischen General French unter der Oberleitung des französischen Gene ralissimus Jokfre befehligt werben sollen. Nun ist bekannt, daß die englischen Geschütze nicht das gleiche Geschoß als die französischen haben. Die beiden Regierungen seien jedoch übereingckommen, schon in Friedenszeiten auf französischem Gebiete diejenigen Munitionsmengen anzuhäufen, die im Kriegsfall für die englische Artillerie notwendig sind." Trotz dieser, durch die wirklichen Ereignisse jetzt bestätigten, also zweifellos richtigen Tatsachen hat der englische Minister Grey mit einer Verlogenheit, die ihresgleichen sucht, dem englischen Parlament vorzuspiegeln gewagt, England habe sich nicht ver pflichtet, im Falle eines deutsch-französischen Krieges Frankreich beizustehen. Wenn der ennlische König absolut das Bedürfnis fühlt, seinem „Abscheu" Aus druck zu geben, so hätte er diesen über die beispiellos dastehende Verlogenheit und Niederträchtigkeit seines Ministers Grey aussprechen sollen. Aber muß der König nicht auch sich selbst verab scheuen? Hat er nicht durch allerlei Winkelzüge die Mobilmachung Deutschlands gegen Frankreich hint anzuhalten gejucht? Auf seine Veranlassung hat der König der Belgier das großmütige Anerbieten Deutschlands, Belgiens Unversehrtheit zu wahren und mit größter Schonung für Land und Leute den Durchzug durch Belgien zu bewerkstelligen, falls Belgien neutral bleibe, hochmütig abgelehnt. Und ist dadurch nicht unabsehbares Elend über Belgien hereingebrochen? Möge doch der englische König seinen Abscheu gegen die kranzöfijchen und englischen Soldaten richten, die unter Verletzung des Art. 23o der „Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Land krieges" und der für Frankreich noch heute bindenden Erklärung „betr. das Verbot von Geschossen, die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder platt drücken" vom 29. Juli 1890, sog „Dum-Dum-Geschosse" verwenden. Sollte diese gröbliche Verletzung des Völkerrechts nicht alsbald aushören, so wird Deutsch land sich gezwungen sehen, auch jeinerseils die Völker- rechtliche Vorschrift des Art. 25 der Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges außer acht zu lassen, d. h. mittels seiner Luftschiffe auch unver teidigte Städte, wie z. B. London, zu bombardieren, jedenfalls so lange zu bombardieren, bis auch Eng land und Frankreich sich bequemen, den völkerrecht lichen Vereinbarungen gemäß die Verwendung von „Dum-Dum-Geschossen" durch ihre Soldaten nicht weiter zu dulden. die neue Regierung in Frankreich. —Kaum hat die französische Regierung cingestanden, daß Frankreichs Heer in der großen Vogesenschlacht zu einem Rückzüge genötigt wurde, der den Ucbergang von der Offensive öonmas, 30. Nu-uv 1914. zur Defensive nötig machte, da erfolgt in Paris eine Umbildung des Dtinisteriums auf „breiterer Basis". Neben die Säulen des bisherigen Ka binetts (Bivtani, Malvy, Doumergue usw.- ist der nationalistische TelcasfS als Minister des Auswärtigen, der patriotisch-sozialistische Wieder hersteller des Zapfenstreiche- Millerand als Zkriegsminister, der gemäßigte Ribot als Fi nanzminister, der radikale Sozialist Guesde als Minister ohne Portefeuille getreten. Die „BasiS" des neuen Ministerium- ist also die denkbar breiteste. Bei dem Entschluß, diese Basis zu betreten, hat Frankreichs belgischer Bundes genosse vermutlich indirekt mitgewirkt, da der Sozialdemokrat Bandervelde in das bel gische Mnisterium ausgenommen wurde, als Belgien seine Politik auf Gedeih und Verderb mit England und Frankreich verband. Das Bedürf nis nach einer Verstärkung feiner Volkstümlich keit ist für das Nkinisterium in Belgien wie in Frankreich die Triebfeder für eine Umbildung gewesen, die alle vorhandenen Parteirichtungen zu befriedigen sucht. Die Frage aber ist, ob solche Bemühungen wegen der inneren Verhältnisse in Frankreich notwendig waren oder ob sie einer befürchteten Zuspitzung der inneren Lage vorbeugen sollen. Die Ausschiffung des bisherigen Kriegsministers Messimy spricht für die Richtigkeit der Nach, richt, daß zwischen Messimy und dem Generalissi mus Ioffre wegen der Niederlage in der Vo gesenschlacht Meinungsverschiedenheiten aus brachen: sie endeten mit dein einstweiligen Siege Ioffres. Ter Wechsel ans dem Posten des Gou verneurs von Paris hat den lange kalt gestellten Eroberer Madagaskars, General Gal- lieni, an eine überaus verantwortungsvolle Stelle gebracht. Im Zusammenhänge mit dieser wichtigen Personalveränderung erscheint die Um bildung des Ministeriums noch bedeutsamer. Nimmt man hinzu, daß von einer vollständigen Aendcruug des französiscl-en Kriegsplanes und von einer Ersetzung des Generalissimus Ioffre durch den Marolkoheldcn d'Amade gesprochen wird, dann drängt sich die Neigung aus, in dem neuen Kabinett eine „Regierung der nationalen Verteidigung" zu erblicken, wie sie 1870 nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches eingesetzt wurde. Freilich braucht das neue Ministerium Viviaui keinen „Gesetzgebenden Körper" aufzu lösen, in dem damals die Bonapartisten die Mehrheit hatten, und auch keinen napoleonisch gesinnten Senat abzuschafsen: ganz ohne jeden. Staatsstreich, der 1870 die Grundlage der neuen republikanischen Verfassung bildete, ist das neue Ministerium Viviani in allen Formen Rechtens znstandegekonimen. Aber daß es deüinegen fähig sei, den Widerstand gegen den deutschen An sturm mit besserem Erfolge als jene „Regierung der nationalen Verteidigung" zu leiten, erscheint bei der Schärfe unseres Schwertes ausgeschlossen. Wo Männer von der überragenden Bedeutung eines Gambetta und Favre gescheitert sind, da werden Telcassö und Millcrand schwerlich große Erfolge erzielen. ßZ Vie russische SoAlalSemokratke un- -er Krieg. —s. Wie die englischen Arbeiterführer Macdonald und Keir Hardie im Unter hanse Widerspruch gegen die Teilnahme Eng lands am Kriege erhoben haben, so ist auch von der sozialdemokratischen Fraktion in der russi schen D u m a eine Erklärung gegen den Krieg abgegeben worden. Nach einem Bericht des Pe tersburger Blattes „Retsch", der heute tm „Vorwärts" vorliegt, haben sich die sozialdemo kratischen Mitglieder der Duma nicht mit die sem Einspruch begnügt, sondern nach seiner Ab gabe, zusammen mit den Mitgliedern der „Trudowiki"^ den Sitzungssaal verlassen. Tie russischen Kricgskrcdite und das Vertrauens. Votum der Duma für die russische Regierung sind also ohne jene Tumamitgliedcr beschlossen worden. Tarin tritt eine Volksstimmung zutage, deren politische Bedeutung nicht gering zu ver anschlagen ist. Tenn die Haltung der sozialdemo- kratischen Tumafraktion und der „Trudowiki", mag sic auch zunächst nach Möglichkeit verheim- licht worden sein, wird den russischen Volks, massen auf die Tauer nicht verborgen bleiben können, und die Gemüter breiter Schichten sicher lich gegen den Krieg cinnehmen. Die Folgen hiervon werden schärfer erst dann hervortrcten, wenn die russischen Truppen eine Reihe großer , Niederlagen erlitten haben. Ter Sprecher der sozialdemokratischen Duma- fraktion faßte den Krieg als die Folge der im. perialistischcn Politik der herrschenden Klassen auf und schob die Verantwortung für den Kriegs, ausbrnch den „Regierungen aller Länder, die jetzt den Krieg führen", zu. Es ist chon wegen des Zeitpunktes, zu dem diese An icht ausge- sprachen wurde und angesichts der ru fischen Zen sur begreiflich, daß die sozialdemokratische Duma, fraktion die besondere Schuld, die Rußland für den Kriegsausbruch trägt, nicht kannte. Da die sozialdemokratische Presse Deutschlands die Ver antwortung Rußlands aus Grund einwandfreier Aktenstücke genau kennen gelernt und ausdrück lich anerkannt hat, wird sich die deutsche sozial- demokratische Partei hoffentlich nach Möglich keit bemühen, unter den russischen Sozialdemo kraten die Kenntnis des wahren Sachverhaltes zu verbreiten. Die deutsche Sozialdemokratie hat in dankenswerter Weise die italienischen Parteigenossen von der Haltlosigkeit englisch- französischer Lügen unterrichtet, die das fried liche und opferbereite Berlin als einen Herd des Aufruhrs schilderten, von der Erschießung deutscher Sozialdemokraten usw. fabelten. Wie die Widerlegung solcher Tendenzlügen durch die deutsche Sozialdemokratie in Italien ohne Zwei fel nützlich gewesen ist, so nnrd auch die Auf klärung der russischen Sozialdemokratie über die wirklichen Urheber des Krieges von Nutzen sein. Es ist darum wünschenswert, daß unsere Sozial demokratie Mittel und Wege findet, ihre russi schen Parteifreunde in der bezeichneten Rich, tung aufzuklären.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)