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Nr. 232. — 3. 10. 36. Sächsische Volkszeitung Seite 7 c^/^6 AlAM» Nachdruck verboten 26. Fortsetzung. Jetzt fiel dem Funker aus der Erzählung Pauls der Name auch wieder ein. Er überwachte den Inhalt des Tele gramms. „Da bist du aber fein raus, mein Junge. Wenn dein Chef eine halbe Million gewonnen hat, dann pfeift er bestimmt auf die paar Kröten." „Das kann schon sein, aber woher kennt denn mein Chef den Alten?" „Keine Ahnung. Hat denn dein Thef keinen Ver wandten, der Kapitän ist?" „Ja, aber der heißt Philipp." „Na, du Dummkopf, unser Käppen heißt doch Philipp Carsten." Dem Paul rutschte bei dieser Offenbarung das Herz in die Hosen. „Wenn jetzt der Olle dahinterkommt, daß mein Chef sein Neffe ist dann schmeißt er mich in den Vach. — Öder vielleicht auch nicht", setzte er nach einigem Besinnen hinzu. „Wie meinst du das denn?" „Na, der Alte und der andere Alte, die beiden können sich doch nicht riechen." Und Paul erzählte, das Telegramm vergessend, alles, was er Uber die liebevollen Verwandt- sihaftsverhältnisse wußte. „Also Junge", Treuberg schlug ihn kollegial auf die Schulter, als er geendet hatte, „nun sei mal ein Kerl, geh jetzt zum Alten, gib ihm das Telegramm und erzähle ihm haargenau, was ou weißt und wer du bist. Ich wette, der Alte gibt dir noch einen Taler extra." Dem Paul wurde bei diesem Gedanken nicht gerade wohler zumute. Er wollte aber auch nicht feige erscheinen, und so schob er dann nach einigem guten Zureden und mit mächtigem Herzklopfen dem Heiligtum zu, wo Carsten, in eine mächtige Rauchwolke gehüllt, über eine Karte ge beugt an der Vesteckversetzung arbeitete. „Wat gibt's denn?" „Ein Telegramm aus Hamburg, Herr Kapitän." Paul tastete sich durch den Nebel zu Carsten hin. „Wo bist du denn, Heini? Du machst ja hier einen baiinigen Dampf, ich kann di ja gar nich sehen." Wenn der Alte Heini zu ihm sagte und Scherze machte, war er gut aufgelegt. Die Gelegenheit war also denkbar zünstig. Carsten las die Botschaft und schüttelte den Kopf. „So was gibt's aus der Welt! Ja, das ist doch . . .!" Er schob dann das Blatt beiseite, die Sache schien für c-i erledigt. „Wat willst du noch?" Paul trat von einem Vein auf das andere und konnte keinen richtigen Anfang finden. „Hast du wat ausgesressen?" „Ja, Herr Kapitän." „Wat denn? Naus mit der Sprache!" Und nun beichtete Paul, erst langsam und verlegen, daun aber, als er merkte, daß Carsten seiner Erzählung mit Interesse folgte, frei von der Leber weg, ohne sich da bei in ein besonders gutes Licht zu setzen. Immer wahr heitsgemäß. Das imponierte Carsten. „Vomventreuzundseeschlange. Du bist wohl vom Deubel geritten", polterte er los. „Und so wat kommt aus meinen ehrlichen Kasten und will umsonst 'ne Seereise machen. N» aber raus mit dir, sonst gibt's wat mit 'n Tampen." Wie der Blitz war Paul von der Bildfläche verschwun den, froh, sein Gewißen erleichtert zu haben. Mit dem Taler war es also nichts geworden. Carsten lachte in sich hinein und setzte vergnügt seine Pfeife erneut in Brand. Der Erste Maschinist kam herein. „Käppen, der Backbordkessel ist nicht in Ordnung. Wir müssen den nächsten Hafen anlaufen, sonst kommen wir nicht heil hinüber." Carsten stieß eine Verwünschung aus. „Wie lange dauert die Reparatur?" „Wenn es schnell geht und alles zu haben ist. können wir in sechs Tagen fertig sein." „God. Wir laufen Spanien an. Der Steuermann soll kommen." * Das Geld war ans der Vank untergebracht. Zehn tausend Mark hatte Friedrich abgehoben, und Frau Süßkind rat das gleiche. Aeußerst vergnügt fuhr man dann nach Blankenese, denn Grete hatte sie wohl oder übel einladen müssen. Friedrich Süßkind war eine ganz gemütliche Seele, er war lustig und aufgeräumt, gauz im Gegensatz zu Frau Susi, die immer nachdenlicher wurde. Milten in die vergnügte Stimmung platzte ein uner wünschter Besuch. Ein Polizist und der Autoliefcrant erschienen. „Guten Tag, Herr Wachtmeester!" begrüßte Friedrich die Ankömmlinge jovial. „Immer rin in die gute Stube." Er hatte vor der Polizei nun keine Angst mehr. „Ach, der Autofritze ist ooch da. Junger Mann, was wollen Sie denn?" Die beiden waren bisher noch nicht zu Worte ge kommen. „Sind Sie Herr Friedrich Süßkind aus Bummels büttel?" „Gott sei Dank, ich heiße SUßkind." „Sie haben gestern bei diesem Herrn hier ein Auto gekauft?" „Jawoll, habe ich. Ist aber schon wieder kaputt." „Sie sind dann geflüchtet." „Nee. nur weggeloosen." „Es ist eine Strafanzeige gegen Sie erstattet worden." „Schon wieder mal? Die Polizei muß mich doch mächtig gern haben." „Mit fünfhundert Mark Strafe und Tra-ung der Kosten für einen neuen Laternenmast nebst Abtransport des Autos müssen Sie rechnen." „Dunnerlittchen!" Friedrich kratzte sich am Kopse. Susi schluckte schon wieder. „Reg' dich nicht auf, mein Täubchen, ich bezahle." „Und der Wagen?" Der Verkäufer trat hervor. „Mensch, ich habe doch mit einem Scheck bezahlt." „Bedaure, mein Herr. Ich habe den Auftrag, ent weder das bare Geld zu bringen oder Sie sestsetzen zu lassen." Jetzt griff Robert ein. „Moment mal", warf er in die Unterhaltung ein, „Herr Süßkind hat von Ihnen einen Wagen gekauft?" „Ja, aber . . „Kein Aber, Herr Süßkind hat mit einem Scheck be zahlt?" „Ja, aber . . ." „Abern Sie doch nicht immer. Sie haben den Scheck in Zahlung genommen. Sicher riesen Sie doch vorher die Bank von Herrn Süßkind an. Nicht wahr? Richtig! Und die Vank bestätigte Ihnen daß der Scheck in Ordnung geht. Gut, was wollen Sie denn dann noch?" „Ich . . . mein Ches ... der Vorfall hat ihn ängstlich gemacht. Der Wagen ist kaputt gefahren, und . . . nun fürchtet..." „Hier gibt es nichts zu fürchten. Der Scheck wird prompt eingelöst. Beruhigen Sie Ihren Chef. Es ist Ihnen doch bekannt, daß Herr Süßkind den Haupttreffer in der Lotterie gemacht hat." „Ach Sie sind das!" ries jetzt der Verkäufer erfreut. ..Dann Ut ia alles in Ordnuna." „Ja, das klingt ganz anders!" Friedrich sah sich triumphierend um. „Ich hosse, mein Herr, Sie werden den nächsten Wagen auch bei uns kaufen!" „Ausgeschlossen!" jagte Süßkind energisch. „Jetzt gehe ich zu SUßenthal! Das ist mir ein vertrauter Name. Dort gibt es auch famose Wagen " Betrübt zog der Verkäufer ab. während der Schupo eine Quittung Uber die Polizcistrase aussertigte und den Betrag erhielt. Dann ging auch er, freundlicher als er gekommen war. Bäckermeister Lindemann hatte seinen Sprößling wie der. Stumm war das Wiedersehen, und stumm wie die Fische traten sie die Rückreise an Die Bummelsbüiteler zitterten vor Neugierde. Gro ßer Auflaus am Vahnhöichen. Die beiden Lindemänner mußten ein wahres Spießrutenlaufen durchmachen, ehe sie das schützende Haus erreichten. Unter der Einwirkung des Haseluußstockes wurde der anfangs bockige Georg sehr bald gesprächig und gestand alles Rur eines verschwieg er, nämlich, daß sein Freund Paul mit von der Partie war. Er war kein Verräter, und Nutzen hätte er dadurch auch nicht gehabt Er hoffte im Gegenteil, daß Vn"I eines Ta"?s wieder etwas von sich hören lassen und sich für seine Rettung er'-'nnlkich zet- gen würde. Also mußte man ihm glauben, daß er den Laden allein geschmissen und sich mit dem Einbrecher herumgebalgt hätte. Und er hatte gewissermaßen Glück. Die Ortsobrigkeit konnte noch im Lause desselben Tages einen Mann fest nehmen, der sich verdächtig ost in der Nähe des Süßkind- schen Ladens zeigte. Tatsächlich gestand dieser Mann, daß sein Komplize den Einbruch verübt und mit der Pump draisine dann das Weite suchen wollte. Er selbst habe am Bahndamm auf der Lauer gelegen, um mit seinem Kum pan in einem in der Nähe wartenden Auto nach Berlin zu fahren. Er hatte Georg aur dem vorbeirajenden Gefährt für diesen gehalten und kam zu der Annahme, daß dieser mit seiner Beute allein das Weite suchen wollte. Den zweiten Insassen des Wagens hatte er in ver herrschenden Dunkelheit nicht gesehen, da er sich im Augenblick des Vor beifahrens in den Graben hatte werfen müssen, um nicht umgerisscn zu werden Die Polizei stellte nun Ermittlungen nach dem ver schwundenen Ehepaar Süßkind an, um sich Uber die Höhe des gestohlenen Geldes zu orientieren. Bald wußte man in ganz Bummelsbiittel, daß Süß kinds nicht nach München gefahren waren. Das war Wasser auf die Mühle der nie stillitehendeu Klapperschlan gen, und so lieferte seit Tagen diese neue Sensation ein willkommenes Gesprächsthema bei allen mehr oder weniger soliden Kaffeekränzchen. Bis in den Vormittag hinein hatte Friedrich Süßkind geschlafen, denn die Zahl der Grogs, die er gestern ge trunken hatte, war reichlich gewesen. Als er aufwachtc, sand er zu seinem Erstaunen das Belt an seiner Seite leer. Susi schien also schon aufgestanden zu sein. Müde, gähnend erhob er sich und rief nach Susi. Aber das holde Wesen meldete sich nicht, und Friedrich nahm an, daß sie entweder unten in den Gasträumen aß oder ein- kausen gegangen war. Als er sich angekleidet hatte, trat er in den angrenzen den Salon und sah zu seinem Erstaunen einen Zettel auf dem Tische liegen. Er nahm ihn und las: „Lieber Friedrich! Wenn du diese Zeilen liest, dann bin ich schon auf der Fahrt nach dem goldenen Süden. Ich halte es jetzt an deiner Seite nicht aus und will versuchen, mein kümmerliches Leben gegen ein schöneres einzutauschen. Das Geld habe ich mitgenommen. Du hast ja genug fürs Leben. Lcst' dir's gut gehen. Deine Susi." Einen Augenblick lvar er sprachlos. Sein Pcrsönlich- keitsgefühl hatte eine zu starke Ohrfeige erhalten. Dann dachte er an das schöne Geld. Aber das tat er nicht lange, denn darüber war er sich klar, daß Susi alle zehn Finger darüber gehalten hätte, so daß es immer un antastbar für ihn gewesen wäre. Mitten in seinem Zorn kam ihm aber der Gedanke, daß er jetzt ein freier Mann.war, daß er nicht mebr an Susi gekettet war. lFortletzung tolgtt Nach 87 Liebhabern in den Kerber In einem österreichischen Dorfe hat die Behörde jetzt einen echten, rechten Weibsteufel festgesetzt. Es ist eine Maid, die In Ihrem nurzcn, kaum dreißigjährigen Leben, schon 87 Lieb haber hatte und sie fast alle zur Verzweiflung getrieben hat. Die Behörden beschäftigten sich mit Ihr, als sie an einem ihrer Liebhaber, dem letzten, einen Giftmordversuch unternahm, der aber gottlob mißlang. Ueber alle ihre Gemeinheiten, ihren Klatsch, ihre Verleumdung, führte sie pedantisch Tagebuch, — das war cs denn zuletzt auch, was ihr das Genick, brach. Sie »hielt vier Jahre schweren Kerker, verschärft durch monatlich zwei Fasttage und Dunkelheit. Technik verdirbt Bogelgesang Die Agentur Cosmopreß meldet: Der ostpreußische Vogel sachverständige E. Christoleit hat beobachtet, daß die Schön heit des Vogelgesanges in den letzten Jahrzehnten erheblich nachgelassen hat. Namentlich beim Buchfink, bei der Mönchs- grasmücke und beim Sprosser lgroßc Nachtigall) hat er beobach tet, daß die einzelnen „Strophen" des Gesanges kürzer, ein förmiger und im Klanae „trockener" geworden sind: beson ders die Möncksgrasmücke beherrscht heute nur noch Bruch stücke ihrer früher wie ein kurzer Marsch oder eine Fanfare klingenden Tonreihe Christoleit macht hiefür die zunehmende Industrialisierung verantwortlich, durch die die Vögel beun ruhigt werden. Eemüt wie ein Reibeisen Sir Francis Reginald Bow. ein alter Militärpensionär, starb In Sidney und hinterließ 14 000 Mark. Die kriegte laut Testament seine Tochter. Für seine Frau, die dieses edle Eecnüt anscheinend sehr liebte, hatte er sich etwas anderes ausgedacht. Er bestimmte, daß der Vollstrecker des Testaments seiner Frau den Betrag von einem Schilling Straßenbahn gebühr auszahlen möge, damit sie irgendwohin fahre und sich "jause. Begreiflich, daß die bei der Testamentserössnung cm- wesende Witwe in Empörung und Tränen nnsbrach. Sie er klärte dann nachher, als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, daß sie ihren Mann verlassen habe, weil er sie unmenschlich gequält. Als sie aus dem Hause ging für immer, habe er ihr nachgeruseu, sie möge nie wieder kommen und sich am besten das Genick, brechen. Der Dollarmillionär und sein Sekretär Frankfurt a. M„ 1. Okt. Das Frankfurter Schöf fengericht hatte nicht den „Vorzug", den angcklagten Dol larmillionär von Angesicht kennen zu lernen, denn der 74jährige in Berlin ansässige Herr war wegen weiter Entfernung von. Er scheinen in der Hauptverhandlung entbunden. Dagegen war sein mitbeschuldigter Generalsekretär erschienen, ein schnurriger Franke aus einem herrlich gelegenen Städtchen, der in seinem Dialekt wahrhaft erheiternd seine Erlebnisse mit dem angeblich so Begüterten vor Gericht zum Besten gab. In einem Berliner Cafö l-alten sich beide zum erstenmal gesehen und eine Beglei terin des alten Herrn schilderte ihm. wie es dem Alten früher so gut und jetzt so schlecht ging. Im Verlauf der Unterhaltung bekam der Bayer, der in geschäftlichen Dingen Reisen unter nahm und dabei auch nach Berlin gekommen war, einige mär chenhafte Zahlen serviert, die sein Interesse an dem Gegenüber sicher beträchtlich stärkten. Der Alte wollte in Amerika noch ein Vermögen von zweieinhalb Millionen Dollars besitzen und sei vor Kriegsausbruch mit zehn Millionen Mark nach Deutschland gekommen, die ihm aber von der Reichsbank nicht herausgegeben worden seien und beschlagnahmt blieben. Ferner wollte der Millionär noch in Isenburg Bauplätze besitzen, die ihn 45 000 Äiark gekostet hätten Augenblick,sich saß der Alte so fest, daß ihm der Bauer zwei Mark aus seiner Tasche gab. damit er sich eine Tasse Kaffee leisten konnte. Der Bayer konnte sich damals seiner Geschäfte wegen nicht länger mit dem Alten befassen und fuhr weiter, um sich nach einiger Zeit unvermutet in besten Berliner Wohnung elnzusinden, wo er mit großer Freude auf genommen wurde. Der Alte zeigte Ihm ein von einem Notar unterschriebenes Schriftstück, wonach Ihm aus seinem beschlag nahmten Vermögen noch zwei Millionen Dollars zustehen soll ten. Als es dem Alten darauf ankam, nun seine Isenburger Grundstücke zu verkaufen und Geld in die Hand zu bekommen, fand er In dem Bayer einen freiwilligen und unermüdlichen Mitarbeiter, der teils allein, teils mit ihm Reisen nach Kottbus, München, Frankfurt unternahm und ihm selbst ein Darlehen von 1200 Mark gab, für das der Alle angeblich aus freien Stücken 4500 Mark zurückzahlen wollte. Durch allerlei Aus künfte, die der Bayer über den Dollarmillionär erhalten hatte, wurde er allmählich immer skeptischer gegenüber dem Alten. Dieser trat aber so forsch auf, daß manche Bedenken wieder zerstreut wurden. Auf der Reise von München nach Frankfurt l-atte der „Millionär" den Wunsch geäußert, daß ihn der Bayer zuerst nach Bad Nauheim und dann nach Amerika begleite und sein Reisebegleiter werde Gleich als man in Frankfurt an kam, veranlaßte ihn der Alte, mit in eines der ersten Hotels zu gehen, wo er ihn als seinen Generalsekretär ausgab. In dem Hotel hielten sich die Angcklagten längere : auf und die Zechschulden wuchsen auf 700 Mark. Der ..Millio när" pumpte das Personal an. versprach teilweise über das Dom>elte zurückzuzahlcn, lieh sich vom Hotelier auch einen Be trag und sprach davon, daß er aus einer Erbschaft in den näch ten Tagen 33 000 Mark zur Verfügung habe. Der Gcneral- ekretcir reiste früher als sein Chef ab, der eines Tages vcr- chwunden war. Die Verhandlung ließ keinen Zweifel, daß der Bayer bei der Sache selbst der Hereingcfallene ist und die Isenburger Grundstücke wegen zu hoher Belastung, Steuerschulden usw. nicht verkäuflich waren, wenn formell auch der „Millionär" Besitzer ist. Das Gericht sprach den Bayer frei und verurteilte den Pseudomillionär Heinrich Schäfer wegen Betrugs und auch eines Erpressungsversuchs zu neun Monaten Gefängnis. Die milde Bestrafung erfolgte mit Rücksicht auf das Alter des An gcklagten. ' ---