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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.08.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140824011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914082401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914082401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-08
- Tag 1914-08-24
-
Monat
1914-08
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 42S. Morgen-Nusgavr. Leipziger Tageblatt. MlMtSg, 24. «USUtt lSlH. au dem Balkon erschien dann durch einen . .treuen, en müßten. den Kundgebungen vor dem Königlichen Schloss« zog die Meng« vor da« kronprinrliche Palais. Hurrarufe wechselten mit patr ottschen Liedern, bi» schließlich die Kronprinzefstn < 5 ..." und der Menge zuwinite. Sie ieh dann durch Schutzmann ersuchen, die Menge möchte sich zerst da die kleinen Prinzen schlaf« " ' Unter dem Gesang des Liedes: „Die kleinen Prinzen müssen schlafen gehen . . ." entfernten sich darauf die Menschenmassen. Die Kaiserin nahm heut« vormittag am Gottesdienst im Dom teil. Als die Kaiserin später der Kronprinzessin einen Besuch abstattete, ver anstaltete ein zahlreiches Publikum vor dem kron- prinzlichen Palais wiederum andauernde Kundgebungen. Weitere Nachrichten über Siegesfeiern. München. 23. August. In München, wie in anderen bayrischen Städten erscholl gestern aus An laß der Siegesfeier von den Türmen Musi k. Die an den Mauern angeschlagenen Siegesdepeschen sind mit Rosen, Eichenlaub und Lorbeer umkränzt. Straßburg, 23. August. Die Nachricht von dem Sieg der deutschen Truppen hat hier eine Begeiste - rung ausgclöst, wie man sic noch nie zuvor ge sehen. Dichte Mcnschenmassen durchwogtcn die Straßen. Münster, 23. August. Auch in Münster wehen a u s a l l e n I e n st e r u S i e g e s f a h n e u. Biele Häuser waren gestern illuminiert. Die tapferen Bayern. Straßburg, 23. August. Die Tapserkeit der bayrischen Truppen wird besonders her vorgehoben. Die Bayern, denen die Patronen ausgegangen waren, gingen mutig und unerschrocken mit den Bajonetten gegen die feindlichen Linien vor. Schließlich bahnten sie sich sogar mit denKolben den Weg. In der französischen Armee heißen die Bayern „die bayrischen Löwen". Aus N o m wird gemeldet: Der Sieg bei Metz hat in der hiesigen deutschen Kolonie großen Jubel erregt. Nach den von hiesigen Blättern aus Basel gemeldeten 'Nachrichten über einen großen Sieg der Franzosen bei Mülhausen wirkte diese Meldung wie eine Befreiung von einer schweren Last. Auch die italienischen Blätter erkennen die große Bedeutung des Sieges von Metz an. Sie veröffentlichen auch Telegramme ihrer Ber liner Korrespondenten, in denen die in Berlin herrschende Begeisterung gemeldet wird. Der Kaiser an die (Yroszsserzostin-Witwe von Baden. Karlsruhe, 23. August. Kaiser 'Wilhelm sandte an die Großherzogin Luise von Baden folgendes Telegramm: „Mit Dir vereint im Geiste, wende ich meine Dankgebete zu Gott für den herrlichen Sieg, den die Truppen aller deutschen Stämme gemeinsam heldenhaft erfochten haben. Gott war mit uns. Ihm allein sei die Ehi:e! Er helfe weiter. Wilhel m." Oesterreich unö Italien. In den letzten Tagen haben zwischen Oester reich und Italien wieder einmal Verhand lungen geschwebt, bei denen wohl auch die be stehenden Verhältnisse inAlbanicn eine Rolle ge spielt haben. Wie der „Voss. ZLg." mitgeteilt wird, hat am Sonnabend der italienische Geschäfts träger, der den Botschafter Bollati während seiner letzten Abwesenheit von Berlin vertritt, unserem Auswärtigen 'Amte Erklärungen abgegeben, die darin gipfelten, daß die österreichisch italie nischen Verhandlungen zu einem erfreu lichen Punkte gediehen sind, die keinerlei Besorg nisse mehr rechtfertigen. Deutsche Erfolge gegen Sie Serben. Berlin, 23. August. Aus Sera je wo ging heute nachmittag folgende Meldung beim Admiral stab der Marine ein: Am 20. August Serbenstellung Höhe 334 bei Bifegrad genommen. Seesoldaten in erster Linie. Drei t o t, z w c i O f s i z i e re, 21 Mann verletzt. Verhalten Mannschaft mustrrgültig. «gez.j Major Schneider. Es handelt sich um unser L k u t a r i - D e t a cbe - ent, das sich nach einem Abzug von Skutari den jj^erreichischcn Operationen angeschlossen hat. vom österreichisch-serbischen Kriegsschauplatz. Wien, 23. August. Aus dem Kriegspreßquartier wird am 2l. August amtlich gemeldet: Vom 20. August liegen folgende zusammcnfass«nde, ver spätet eingelangte Meldungen vor: Auf dem süd lichen Kriegsschauplätze Cattaro wurden wir ohne wesentlichen Erfolg von den Montenegrinern beschossen. Unsere Festungs- und Marineartillerie erwiderte das Feuer mit sichtlich größerer Wirkung. Bet Trebinje herrscht Ruhe. Libeca wurde mäßig, aber ununterbrochen beschossen. Die eigenen Truppen besetzten am 18. August Plcvlje und sind im Vordringen über die obere Drina und de« Lim. An der unterenDrina haben die Truppen den anbefohlenen Rückmarsch vollkommen geordnet und vom Feinde nicht lvlästigt durchgeführt. Bei B a ba n z fand ein erfolgreicher Vor stoß gegen Süden statt, worauf die siegreichen Truppen, wie befohlen, wieder zurückgingen. Aus dem nördlichen Kriegsschauplätze schreitet die eigene Aufklärung mit gutem Erfolge fort. Budapest, 23. August. Im Klub der Nationalen Arbeitspartei erklärte der Honvedminister Graf Hazai auf Befragen über die Bedeutung des heutigen Eommuniqws sowie über die Lage folgendes: Als offenherziger Soldat sage ich immer die Wahrheit, was sie auch sei. Ich vermag auf das bestimmteste zu erklären, daß zu einer pessimistischen Auffassung keinerlei Grund vorliegt. Im Gegenteil kann ich er klären, daß es mit unserer Sache in Serbien gut steht. Die dort operierenden Truppen lösen trotz des Uebergewichies des Feindes heldenhaft ihre Aufgabe. Es gelang ihnen, die Serben zurück zuwerfen. Eben heute erhielt ich die Nachricht, daß auf dem südöstlichen Kriegsschauplätze unsere Truppen ein aus über 3V Bataillonen be stehendes serbisches Heer besiegt haben. Das Lom- muniquc, das einzelne mißverstanden haben, be zweckt ausschließlich, zu erklären, daß große ent scheidende Ereignisse nicht im Süden, sondern im Norden sich abspielen werden. Ich erkläre offen, welches die Lage ist, wie ich auch mit männ licher Offenheit sprechen würde, wenn die Lage nicht diese wäre. Ich wiederhole, daß wir mit den bis herigen Ergebnissen zufrieden sein können, denn es gelang, dem Feinde riesige Verluste beizufügen. Man muß jedoch, wie ich bereits erklärt habe, sich vor Augen halten, daß der entscheidende Kampf oben geführt wird. Den Worten des Honvcdministcrs folgten langanhaltende Eljenrusc. Sofja, 23. August. Bon der serbisch-bulgarischen Grenze wird gemeldet: Die österreichisch ungarische Armee ist in erfolgreichem Vor rücken in das Innere Serbiens begriffen. Die Serben seien von allen Seiten gedrängt infolge der erlittenen ungeheuren Verluste. Zn Ni sch herrsche Panik. Unzählige serbische Flüchtlinge haben eine Zufluchtsstätte in bulgarischen Grenz orten gesucht. Nachdem in Nisch kein Platz mehr für die Verwundeten war, sind sie nach Pirat ge schickt worden. — Der bulgarische Gesandte Tschapraschikow ist unterwegs nach Sofia. Der Kampf um -ie Var-anellen-Ourchfahrt. Nach einer Mitteilung der Wiener „Reichspost" deuten alle Anzeichen darauf hin, daß England und Rußland vereinbart haben, die Durch fahrt durch die Dardanellen zu er zwingen. Ueber bulgarische, türkische und rumänische Verhandlungen wird dem „Berl. Tgbl. aus Sofia gemeldet: „Vereinbart wurde gegenseitige Neu tralität, also eine Art Rückendeckung. Keiner der Staaten Bulgarien, die Türkei oder Rumänien soll etwas unternehmen, bevor nicht die beiden anderen Staaten zustimmcn. Russischer Heitcrkeitserfolg. Wien, 22. August. Große Heiterkeit er- regt hier die von der Petersburger Tclc- graphcn-Agentur verbreitete Meldung, daß in Prag eine große Revolution ausgebro chen sei und eine Anzahl l-ervorragender tsche ¬ chischer A b g e o rdneter hingerichtet wor den sei. Auch die Prager Blätter machen sich über diese russische Lügenmeldung lustig und bezeichnen sie al» wahnwitzige- Produkt bos- Hafter BerleumdungSgerüchte. Vettere Meldungen. Bei Saarlouis wurde ein französischer Flugzeug hcruntergeschossen. o Wette rlH, von dem es hieb, er sei nach der Schwc-iz geflüchtet, dann, er sei in Deutschland er schossen worden, ist, wie sich jetzt herausstcllt, nach Frankreich geflüchtet. — Da gehört er äls Hansis Gesinnungsgenosse auch hin. * Im Lazarett in München ist der erste fran- zösische Verwundete gestorben. Er wurde mit militärischen Ehren bestattet. * Ein Vermißter, Wilhelm Herzog, der sich beim Ausbruch des Krieges auf einer Seereise be fand, telegraphiert dem „B. T." aus Zürich: „Ich teilte drei Wochen lang das gleiche Schicksal mit 3 bis l> tausend Deutschen, die j e tz t n o ch i n S p cr - nie» cingeschlossen sind. Ich entkam mit Erna auf einem italieniscku'n Schiffe nach Genua." * Die Oesterreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz veranstaltete am Sonnabend auf dem Trabrennplatz eine f e l d in ä ß i g e F e i e r anläßlich des 5,0jährigen Jubiläums der Genfer Konvention, der außer mehreren Ministern und zahlreichen anderen Per sönlichkeiten der Generalinspektor des freiwilligen Sanitätswesens, Erzherzog Franz Salvator, und Erz herzogin Marie Therese, letztere in der Tracht der Roten-Kreuz-Schwestern, beiwohnten. * Die vor drei Jahren von Sir Ernest Cassel in London gegründete Stiftung zur Unter stützung großbritannischer Staatsan gehöriger, die in Deutschland in Not geraten sind, hat es nach dem Ausbruch des Krieges für ihre Pflicht gehalten, mit ihren beträchtlichen Mit teln die sich in Berlin aufhaltenden, in Not geratenen britischen Staatsangehörigen zu unterstützen. Sie ist hierbei von der festen Erwar tung geleitet, daß die von demselben Stifter in England gegründete Stiftung zur Unter stützung hilfsbedürftiger Deutscher in gleicher Weise verfährt. Im Hotel „Adlon" in Berlin ist der stellver tretende Sekretär des amerikanischen Kriegsamts, Henry Brcckingridge, mit etwa fünfzehn amerikanischen Offizieren cingetroffen. Die Herren waren mit dem Kriegsschiff „Tennessee" gekom men und in Hock van Holland gelandet. Sie haben den Auftrag, die in Berlin befindlichen ame rikanischen Staatsangehörigen abzuholen. * Die Offiziere und Besatzung der von England beschlagnahmten Dreadnoughts „Re schad ie" und „Sultan Osman", die sich in England befan den, sind in Konstantinopel an Bord des Transportdampfcrs „Reschid Pascha" cingetroffen. Vie -ritte Kriegswoche. —s. Tic dritte Kriegswoche hat uns mili tärische Erfolge gebracht, die unsere Zuversicht I stärken, und einen neuen Feind, der sie nicht mindert: Japan. Unter Berufung auf sein Bündnis mit Großbritannien haben die „Preu ßen des Ostens" die Abtretung Kiautschous und die Zurückziehung oder Abrüstung unseres ost- asiatrschen Kreuzergeschwaders in der Form eines Ultimatums gefordert. Tie Antwort auf dieses räuberische Verlangen ist dem Geiste nach von unserem dortigen Gouverneur gegeben worden, der seiner Behörde telegraphierte: „Cinstehc für Pflichterfüllung bis zum Acußersten." Eine amt liche Antwort ist nicht gegeben worden. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Die gelbe Macht, die Großbritannien gegen uns loslicß, wird zu spüren bekommen, daß ihr Versuch, von Schanlirng aus einen beherrschenden Einfluß auf China zu gewinnen, teuer bezahlt werden muß. Daneben erhebt sich die Frage, ivelche Folgen der deutschfeindliche Vorstoß Japans am anderen Ufer des Stillen Ozcans haben wird, nämlich in den Bereinigten Staaten von Amerika, die das japanische Trachten nach der Vorherrschaft im fernen Osten aus hochwich- tigeu wirtschaftlichen und völkischen Gründen längst mrt Argwohn beobachten. Den Kaiser traf die Ueberretchmrg de- fapamschen Ultimatum- schon im Feld. Er hatte nnt herzlichen und zmn Herzen sprechenden Wor. ten von der Reichshauptstadt Abschied genommen und trat die Fahrt nach dem westlichen Kriegs- schauplatz in dem Bewußtsein an, daß ein Volk von nie gesehener Einmütigkeit und Geschlossen heit hinter ihm steht. Sein Volk in Waffen aber l-at, noch ehe die dritte Woche nach dem Befehl zur Mobilmachung verflossen war, die erste feind- liche Hauptstadt besetzt: das prächtige Brüs sel. Ten glücklichen Kämpfen von Perwez und Tirlemont auf dem Fuße folgend, schlägt der Einzug unserer Truppen in Brüssel mit einem Male die ausländischen Schwindelnachrich ten zu Boden, die nicht nur eine gelegentliäie belanglose Schlappe, wie die bei Schirmcck, maß los anfbauschcn, sondern auch in Siegen, die sich nie und nirgends begaben, förmlich schwel gen. Vielleicht bedauern einsichtige Mitglieder der belgischen Regierung schon jetzt, daß Belgien zum zweitenmal hoffärtig die Friedenshand zu- rürtstieß, die ihm Tenlschland nach dem Falle Lüttichs geboten hat. Lassen doch die fr an- zösi s ch e n N iederla ge n in Belgien selbst und vor allein bei Metz, ferner bei Longwh die Ueberlegenheit des dentsctzen Heeres von neuem erkennen. Auch die Russen haben sie auf dem öst lichen Kriegsschauplätze wiederum erfahren. Huunenartigc Brandstiftungen in Marggrabawa und in anderen Orten, Mißhandlungen und Er mordungen deutscher Bürger usw. können wahr lich nicht die Tatsache aufwiegen, daß russische Truppen der Stallupönen und neuerdings bei Gumbinnen empfindlich aufs Haupt ge schlagen wurden. Tas gleiche gilt von der Ent fachung des Franktircurkrieges, vor dem unsere Regierung in St. Petersburg nachdrücklich gc- lvarut hat. In Belgien scheint das deutsche Ver fahren, sich Geiseln zur Verhinderung des meuchelmörderischcn Franktireurkrieges stellen zu lassen, eine gute Wirkung geübt zu haben. We nigstens hörte man letzthin nichts mehr von sol chen Freveltaten. Auf der See befleißigt sich die gewaltige Flotte Großbritanniens andauernd der größten Vorsicht. Ans unserer Seite stand dagegen eine Erkunduugsfahrt von Unterseebooten unter dem Zeichen desselben frischen Osfensivgeistcs, den die Namen „Augsburg", „Königin Luise", „Göbcn" und „Breslau" verkörperten. Zu diesen Schissen gesellen sich jetzt die Kreuzer „Straßburg" und „Stralsun d", die der britischen Flotte die Zerstörung eines unserer Unterseeboote ver golten und zwei Torpedobootszerstörer beschä digt haben. Für seine Zurückhaltung gegenüber dem Feinde entschädigt sich England durch Ver letzung neutraler Ha ndelsiutc li essen, indem cs neutralen Schiffen, wie der holländischen „Tubcmtia", eine Behandlung zu teil werden läßt, die nach den Bestimmungen der von England allerdings nicht ratifizierten — Londoner Seerechtsdeklaration als Vergewalti gung bezeichnet werden darf, und indem cs über die tatsächlich offene Nordsee und Ostsee falsche Angaben entgegengesetzten Inhaltes verbreitet. Das verbündete O e stc r rc i ch - U n g a r u, dessen greises Oberhaupt inmitten der Wirren des KoalitionskriegcS unter besonders inniger Teilnahme seiner Völker den 8ö. Geburtstag beging, hat in einer Anzahl kleinerer Gefechte seine Truppen erfolgreich mit den Russen fechten sehen und gegen die serbische Drina-Division einen so schweren Schlag geführt, daß ein An griff auf das serbische Haupthecr wohl nicht mehr fern ist. Naturgemäß halten diencutra - len Balkanstaatcn ihr Augenmerk auf den scrbsichcn Kriegsschauplatz gerichtet. Die An wesenheit türkischer Staatsmänner in Sofia und in Bukarest hat Gerüchte von der geplanten Bil dung eines neuen, wider Rußland gerichteten Baltanbundcs hcrvorgernfen. Aber auch Ver suche, Bulgarien au die Seite Serbiens zu briu. gen, sind anscheinend im Gange. Sind das un gewisse und zweifelhafte Dinge, so richtet sich die Aufmerksamkeit um so mehr auf Italien, über dessen Absichten fortdauernd allerlei Ge rüchte verbreitet werden. Von Rom aus ist neuerdings wieder das Festhalten an der Neu tralität versichert worden. Geheimrat Lamprechts Vortrag „Ueber -ie heutige Lage". Im Großen Festsaale des Zeutrnlthccitcrs sprach gestern vormittag Geheimrat Lamprecht vor einer begeisterten Zuhörerschaft „Ueber die heutige Lage". Der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt, und allenthalben herrschte eine durch die letzten Ereignisse gehobene, festliche Stimmung. Geheimrat Lamprecht betonte zunächst, daß er nicht die Absicht habe, die eigentlichen Taten der Gegen wart zu beurteilen: vielmehr bezwecke sein Vortrag, diese durch eine Darstellung kulturhistorischer Grund lagen zu beleuchten. Er ging dann von der strengen Unterscheidung zweier Gruiidcntwickluiigen aus, der des Mensch hcitsbewußtseins und des Nation« l- bewußtseins. Das Menschheitsbewußtsein reicht kaum bis über die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Es war zunächst rein in der Richtung des Gefühls wirksam und sand in Persönlichkeiten wie Lessing, Schiller, Kant und anderen seinen idealistisch gestimmten Ausdruck. Das „Seid umschlungen, Mil lionen!" ist bezeichnend für diese Phase des Mensch heitsbewußtscins. Unter dem ungeheuren Einfluß der wirtschaftlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert, die den sozialen Ge sichtspunkt erst in kleine, dann in immer weitere Kreise trug, wurde jenes Weltbewußtsein mächtig gesteigert. Es blieb idealistisch, wurde aber nunmehr gegenständlicher. So ergab sich der Standpunkt des Pazifismus oder Friedenskosmopolitismus. Diese Auffassung war in ihren Anfängen deutsch, wurde da« ab« vornehmlich gepflegt von den weft- curopäisciien Ländern sowie Amerika. Durch das schmähliche Spiel von Frankreich und England wurden jene Kulturidcen zertrümmert. Den Gegenpol zum Weltbewußtsein bezeichnet das N a t i o n n l d e w u ß t s c i n. Es war ur sprünglich rein geistiger Art und erwachte etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es ergab sich aus der Einheit kultureller Schöpfungen. Dieses idealistische Nationalbewusstsein wurde durch die Freiheitskriege zu einem politischen geschmiedet. Der Begriff „Vaterländisch" wurde jetzt erst wirksam. Dieses Nationaldewutztscin aber erlebte im Verlaufe des 19. Jahrhunderts eine weitere Verschärfung. Es vollzog sich nämlich eine Umgestaltung des Staats bürgertums. Früher siel der Begriff Nation und Staat nicht zusammen. Der Staat bedeutete im Mittelalter im Grunde nur eine kontraktliche Form der Lebensgemeinschaft. Vom 15. bis ins 18., ja bis in die Ansänge des 19. Jahrhunderts aber stand der Fürst in thronender Höhe, und nichts als eine Ebene von Sandkörnern waren die Untertanen. An Stelle dieser absolutistischen Anschauung schuf der Liberalismus eine neue Staatssorm. Bolt und Staat sind eins geworden. Der Staatsbürger hat das Recht mitzusprcchen, aber auch die Pflicht mit zutun. Die natürliche Gleichheit ist zur politischen geworden. Diese Umbildung aber ist der Grund der Hochspannung und der Unwidcrstcblichkeit unserer nationalen Kraft. Aber auch in den anderen Ländern erlebte das Nationalbewusstsein eine bedeutende Steigerung. Eben daraus ging ein Wettbewerb hervor, der die Konkurrenz auf wirtschaftlichem Gebiet« auf Macht fragen der Politik übertrug. Es handelt sich jetzt nicht mehr nur um geistige oder wirtschaftliche, sondern um politische Weltherrschaft. Ein jedes Volk wollte hier das auserwählte sein, und eben dies machte Rußland, England und Frankreich zu unseren Gegnern. Neben den Entwicklungen des Weltbewußtseins und des Nationalbewusstseins aber traten Erscheinungen auf, die nicht in der Richtung dieser beiden Linien lagen, die Erscheinungen der Rasse. Sie bezeichnen die Mitte Zwischen jenen. Dieses Rassenproblem ist durch die Gegenwart in besondere Nähe gerückt. Wir haben erlebt, daß die germanischen Nationen eine Einheit geworden sind — bis auf den einen einzigen „abtrünnigen Bruder" England! „Aber", so wirst Ge heimrat Lamprecht ein, „wir werden sehen, was Amerika hieraus lernt!" Wir dürfen erwarten, daß die Führung des angelsächsischen Zweiges von Eng land an Amerika abgetreten werden wird. Ganz anders liegen die Dinge bei den Romanen. Wenn wir von Belgien absehen, so kann durchaus nicht von einer Nasseneinheit gesprochen werden. Wie Geheimrat Lamprecht sich witzig ausdrückte, Portugal ist nichts als ein „Mädchen für alles" von England und Spanien sein „Kommis". Italien aber ergeht sich in Erwägungen. „Ueberklugheit ist indessen nach der Regel der Geschichte oft eine Torheit." Am seltsamsten aber verhalten sich die Dinge bei den Slawen. Wir haben es als eine Ueberraschung erlebt, daß das ganze westliche Slawentum tief inner lich gegen Rußland empfindet. Der Panslawismus war, wie Lamprecht sagt, nichts als „ein Wind" oder richtiger „eine bloße Bö". Im Grunde war er nur eine unverschämte Verbrämung der nationalistischen Bestrebungen Rußlands. Zur Erklärung d« west slawischen Abneigung gegen Rußland brachte Lamp recht wertvolle neue Gesichtspunkte. Er begründet historisch: Der westslawische Kreis gehörte zum Imperium Romanum, war nicht byzantinisch wie Rußland. Die Westslawcn haben an der Kultur Westeuropas teilgenommen. Bei den Tschechen finden wir frühzeitig Renaissance erscheinungen. Tatsachen auf literarischem wie reli giösem Gebiet«, z. B. das Auftreten von Huß, sprechen hierfür. Ganz ähnlich verhalten sich die Ding« in Polen. Die Südslawen aber haben durch ihre Be ziehung zur venctianischen Kultur am westeuropäi schen Geiste teilgehabt. Dagegen sind di« Russen nicht Slawen in gewöhnlichem Sinne, sondern „stark mon golisch verunreinigt". Oesterreichs hohe Sendung war es von je, Schutz wall zu sein gegen östliche Unkultur. So gliedert sich sein Kampf gegen Rußland und Serbien in seine bis her ruhmreich erfüllte geschichtliche Aufgabe ein. Zcntraleuropa ist heute der Träger europäischer Gesittung und hat die Pflicht, die Angriffe der ver fallenen Kultur Westeuropas und der Unkultur Ost europas abzuwehren. Wir dürfen voll Zuversicht der Zukunft entgegenschaucn! Mit warmen Worten, die von dem beglückenden Gefühl sprachen, in einer sol chen Zeit zu leben, schloß Geheimrat Lamprecht seinen Vortrag. Herzlicher Beifall dankte ihm enthusiastisch. Dann aber ergriff er nochmals das Wort und verlas neue hochersreuliche Botschaften aus dem Felde. Die Stim mung war überwältigend, als „Deutschland, Deutsch land über alles" den Saal durchbrauste. Es war wiederum eine große Stunde, die tm Gedächtnis bl«ib«i wird. vr. I'. 8.
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