Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 23.09.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193609230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19360923
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19360923
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1936
-
Monat
1936-09
- Tag 1936-09-23
-
Monat
1936-09
-
Jahr
1936
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 23.09.1936
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Franziskus und das Volk Die soziale Mission de« Lranziskaner-Ordens Von allen Heiligen und Ordensstiftern der katholischen Kirche wird der HI. Franziskus, dessen „Fest der Wundmale" in die vergangene Woche siel, am meisten von solchen Bewcgun- gen in Anspruch genommen, die mit der katholischen Kirche selbst nichts zu tun haben wollen. Ncubuddhisten, Vegetarier, Pazifisten, Anthroposophen, Theosophen, Mystiker aller Schattie rungen, Pantheisten, Sozialisten, Kommunisten, Naturschmärmer aller Art bemühen sich immer wieder, darzulcgen, daß Franzis kus von Assisi gleichsam nur durch ein Versehen unter die Hei lige» der katholischen Kirche geraten sei und das; er im Grunde nichts anderes als der verkannte Prophet ihrer jeweiligen Son dermeinung gewesen sei. Und auch wo man den christl > chen Heiligen gelten läsjt und wo man sich darüber klar ist, daß cs Franziskus nicht um Naturverherrlichung, Tierliebe oder um die Bekämpfung des spätmittelalterlichcn Kapitals, sondern einzig und allein um die Nachahmung des Lebens Christi ging, wehrt man sich gegen den Ordens st ifter Franziskus und behauptet, nicht er sei der eigentliche Vater des Franziskanerordens, sondern diese Gründung sei ihm durch die römische Kurie, vor allen Dingen durch den Kardinal Ugo- linv von Ostia, den späteren Papst Gregor IX., gleichsam auf gedrängt worden. Wäre Franziskus wirklich nur der grosse Individualist gewesen, wie ihn seine modernen Bewunderer mit Vorliebe sehen, so hätte ihn die mittelalterliche Welt nicht gehindert, ein ganz individuelles Leben zu führen. Die mittelalterliche Welt war gewiss eine gebundene Welt in der festen Ordnung von Kirche, Stadt, Dorf, aber sie kannte als Gegengewicht neben dieser Gebundenheit doch auch die Freiheit dessen, der aus dieser Ordnung als Einsiedler hcraustretcn wollte. Es gab Wälder, Einöden, Felsengrotten genug, in denen zahlreiche Eremiten hausten. Die mittelalterliche Welt ivar nicht die eines neuzeit lichen Pvlizeistaates, in der jeder einzelne registriert und regle mentiert wurde, cs gab noch keine Ländergrcnzen mit Zoll- und Pahschranken, die dem Wanderdrang und der Abenteucrsehn- suckt ein unerbittliches Halt entgegenseszlen. Die Sorgen um die geistige Einheit, die katholische Rechtgläu'oigkeit, wurde durch die bischöfliche Inquisition so milde gehandhabt, sah zahlreiche Sckten-Schwärmer ziemlich ungestört ihr Dasein fristen konnten, so das; die Welt des Mittelalters uns durchaus nicht so uniform erscheint, wie es uns die Gegner der mittelalterlichen Welt er zähle» möchten. Wir wissen, dass Franziskus wie fast alle älteren Orders stifter zunächst den Weg des Eremiten, den Weg in die Einsamkeit gegangen ist. Er hat auch später, als sein Orden sich bereits über ganz Italien verbreitet hatte, immer wieder die Einsamkeit ausgesucht, und es mar in der Einsam keit der Berge, wo er die Gnade der Stigmatisierung erhielt. Das Eremitenleben ist so alt wie die katholische Kirche selbst, und die Kirche hat immer dieses Leben, das Recht des Menschen ans Einsamkeit, in der Einsamkeit bei sich selbst zu sein, respek tiert. Sie hat allerdings wohl auch von Anfang an die Ge fahren des Ercmitendnseins gesehen, vor allem den geist'ichen S'olz. der zur Häresie führt. Die grohe Ordensstiftung des stützen Mittelalters, die des hl. Benedikt, geschah auch, um den E,.nähren der Eremitendaseins zu begegnen, indem sic zu der Armut und Keuschheit das Gelübde des Gehorsams, unter cincm Abt zu leben, hinzusügte. Aber die Kloster blieben in der seltzstgemählten Einsamkeit der Einsiedlerklausen, sie lagen ans einem Berge oder in einem waldigen Tale, nächstens vor den Toren einer Stadt, und wen» schon in »ner Stadt, dann durch hohe Manern von ihr getrennt. Alle die Klöster der Benediktiner, Augustiner-Chorherren, Zisterzienser. Prämon- stratenser, Vallombrosaner, Camaldnlenser, Kartäuser wollten eine Welt für sich sein: eine schweigende Zone der Distanz lag zwischen dem Frieden ihrer Klöster und der Welt der Ritter, Bürger und Bauern, cstn aber für sich leben zu können, muhten diese Klöster sich auch selbst ernähren können, muhten Besitz haben So wurden sie in die soziale Welt des Mittelalters cingcreiht als die Besitzer non Grund und Bod^r, von Gerecht- samkeiten und Zehnten. Sie taten unendlich ,>»rl Gutes beson ders in den nordischen Ländern, in denen sich ein streng asze- tisches Leben völliger Armut von selbst verbot, für die Hebung der Kultur, aber sie muhten fast notwendig durch das Anwach sen des Besitzes verweltlichen. Jede Klosterresorm, die in die Einsamkeit ging und als Grundlage des klösterlichen Einkom mens den Ackerbau mit Grundbesitz vorsah. wie die von Elugny, Citeaux Clairvaux, Premonlre, muhte »ach wenigen Generatio nen zu denselben Resultaten führen. Mit der Gründung des Franziskanerordens setzte sich ein völlig neuer Tun des Mönchslebens durch, der des Bettel - mönchs, der bis zur Reformation wesentlich mit das Gesicht der Kirche bestimmte Gewih hat es Franziskus völlig fern gelegen, ein sozialer Reformer zu sein, er hat in erster Linie an sein und der anderen Seelenheil gedacht. Aber weil er eben nicht nur an sein, sondern auch an das Heil der anderen dachte, litt es ihn auf die Dauer nicht in der Einsamkeit der um krischen Berge, sondern er muhte zu den Menschen, ihnen predigen und helfen, und aus dieser Predigt und ratenden Hilfe' entsteht die soziale Mission d e s F r a n z i o k a n e r - ardcns. Der einfache und unkomplizierte Sinn des hl. Franziskus unterschied noch nicht zwischen sozialen Fragen und religiösen Nöten. Er ersann kein kluges System sozialer Für sorge, durch das man den einzelnen erfassen und so allmählich auch religiös beeinflussen könnte. Franziskus war in allen Twgen ein Mensch der direkten Aktion. Wo er einen Armen sah. ging er zu einem Reichen, ihn zu bitten, dem Armen zu helfen. Man wende nicht ein. das; diese Methode zu kindlich genial. zu naiv, zu primitiv sei, um je soziale Wirkungen er zeugen zu können. Dem demütigen Sinn des hl. Franz lag cs gewih fern, von sich und seinen Mindcrbriidern eine Erneuerung der Kirche und der christlichen Gesellschaft des Abendlandes erhoffen zu können. Aber der kluge Sinn der römischen Päpste, eines Innozenz III. iiud eines Gregor IX.. erkannte, das; die Bewegung, die von Franz von Assisi ausging, der Kirche und der Gesellschaft ent weder Heil oder schweren Schaden bringen würde. Dadurch dah der Orden fest in die Kirche eingebaut wurde, dah man ihm später die bis dahin so vernachlässigte Aufgabe der Predigt stellte, das; man ihm das Studium an den neu entstehenden Uni versitäten gebot — das letztere zum grohen Mihvergniiqcn des hl. Franz, verhinderte man, das; schwärmerische Tendenzen über wucherten, wie sie sich später in der S p i r I t u a l e n b c w e - giiug gar bald zeigten. Der neue Orden gewann so seinen Platz in der sozialen Welt des Mittelalters, und dieser Platz war an der Seite des Bürgertums in den aufstrebenden Städten. Auch den Ordenszweige», die der milderen Auffassung der Regel folgten, den K o n v e n t u a l e n, war Landerwerb und Grundbesitz verboten, die Minderbriider sollten ihren Lebens unterhalt durch das Erbetteln milder Gaben gewinnen, sie wa ren also angewiesen auf das Wohlivollen der Städte, In deren Manern ihre bescheidenen Klöster lagen. Dieses Bürgertum befand sich seit der Zeit der Kreuzzüge ini steigenden Wohlstand, und Franziskus hatte Im Hause seines Paters, der selbst ein reicher Tuchhändler war, wohl beobachten können, wie sehr der neue Reichtum den Menschen von Gott und Christus entfremden könne. Gegenüber der Gefahr dieses neuen Reichtums, der nicht mehr Klötzer Reichtum an den Gütern der Schöpfung Gottes mar, sondern Reichtum an einer neuen Macht, dem Geld, seht Franziskus sein Ideal der Armut. Die Liebe des hl. Franziskus zur Armut hat nichts zu tun mit südlicher Unbekümmertheit, etwa der eines neapolitanischen Lazzaroni. Franziskus Kain ja nicht aus dem einfachen, be dürfnislosen Volke, sondern aus seinen gebildeten und begüter ten Schichten. Sein Leben der Armut war ein Heroldsruf in die Welt seiner Tage, durch die Erneuerung des armen Lebens Christi sollte gleich von vornherein das starke Selbstgefühl dieser neu aufsteigcnden Schicht des Bürgertums gedämpft, auf seine Grenzen aufmerksam gemacht werden. Diese Armut mar also kein Zeichen eines Kampfes gegen die gesellschaftliche Ordnung, sie war kein Protest gegen die neue Zeit, sondern nur ein Hinweis auf die ewige Ordnung, von der jede Zeit ihren Sinn und ihr Mas; er hält. So hat auch der Franziskancrorden niemals den Sinn für die Wirklichkeit verloren und nie einem extremen Radikalis mus gehuldigt. Die grohen Nachfolger des hl. Franz — ein Antonius von Padua, ein Bonaventura, Bernardi» von Siena, Berthold von Regensburg — kannten sehr wohl nicht nur den Reichtum, sondern auch die Sorgen ihrer Mitmenschen in den weltlichen Ständen. Für das damalige Italien wie auch für Deutschland galt das alte Wort des Vergil Dum delirant reges / Plectuntur Achivi. (Während die Könige rasen, werden die Achiver geschlagen.) Kämpfe zwischen Kaiser und Papst, Guelfen und Ghibel- linen, Patriziern und Zünften, Baronen und Städten machten landauf landab das Leben unsicher, liehen vor allen Dingen den Bauern und den kleinen Mann aus dem Volke verarmen. Sobald daher ein Franziskanerprediger in eine Gegend ent sandt wurde, galt seine erste Bemühung dem Frieden. Es war keine Seltenheit, dah einfache demütige Minoritenbrüder oft sogar aus einer fremden Nation das edelste diplomatische Geschäft — das des F r i e d e n s st i f t e n s — übernehmen muhten. Mit der Friedensstiftung parallel ging die Beilegung persönlicher Feindschaften, und die Befreiung von Gefangenen aus den finsteren und ungesunden Gefängn'sseu, wobei wir bedenken müssen, das; im Mittelalter fast nur Schuldner und politisch Mihgünstige in das Gefängnis geworfen wurden, wäh rend eigentliche Verbrecher mit dem Tode, mit Körperstrafen oder mit Landesverweisung bestraft wurden. Der zweite Ruf der Prediger galt der Neue und B us; c, Die Kl. Versammlung der „Gesellschaft für Naturforscher und Aerzte", die am Sonntag in Dresden eröffnet wurde, rückt die grohen Fortschritte der Naturwissenschaft und ins besondere der Medizin wieder in den Vordergrund des In teresses. Wir bringen gnlählich des Kongresses einen Ab schnitt aus den kürzlich erschienenen Tatsachenberichten aus der Entwicklungsgeschichte der modernen Naturwissenschaften <M. Gumz'ert: Das Leben für die Idee; Neue Forscherschick- fale. M'ermann-Fiscl-er-Verlag. Wien), der in spannender Darstellung die grohartige Entwicklung der modernen Ge hirnchirurgie schildert: Harvey Cushing kehrt 1900 nach einer sorgfältigen phy siologischen und chirurgiscl;en Ausbildung bei Kocher in Bern, dem Meister der Kropfozrerationen, als Dreissigjähriger zurück an die Iohn-Hopkins-Universität zu Baltimore. In Europa hatte er eine einzige Operation einer Hirngeschwulst gesehen, die als nndurchsührbar von dem hervorragenden Kocher abge brochen werden muhte. Seit man in den neunziger Jahren sich zum erstenmal an die operative Entfernung von Gehirnge- schwülsten heranmägte, hatte eine Kette von Miszerfolgen alle mnszgebenden Chirurgen zu tiefstem Pessimismus veranlaht. Kehirngeschwülste galten für inoperabel. Heilungen waren Wunder. 1901 starb ein junges Mädchen aus der Abteilung des be rühmten Osler im Iohn-Hopkins-Hospitgl unter unklaren Er scheinungen. Bei der Sektion fand man unvermutet eine Ge schwulst desHirna n Hang s. Cushing war zugegen. ..Die bei der Sektion qemclchtc Entdeckung einer ganz unerwarteten und offenbar inozrerabeln Geschwulst machte auf mich einen grohen Eindruck." Dreissig Jahre später, am 15. August 1931, gibt Cushing das Protokoll seiner zwei tausendsten Gehirnoperation: Die Patientin klagte über starke Kopfschmerzen und hatte Sehstörungen. In örtlicher Betäubung wurde ein Knochenlappen aufgcklappt und düs Gewebe elek trisch ausgeschnitten. Mit einem Motorsauger wurde die Ge schwulst aus ihrem Bett entfernt, der Knochenlappen wurde zu- riickgeklappt. die Wunde exakt vernäht. Als nach Beendigung der Operation die abdeckenden Tücher entfernt wurden, konnte die wiederl;ergestellte Sehkraft beider Gesichtshälsten gezeigt wer den, und die Patientin fühlte das Nachlassen der Kopfschmerzen. Der weitere Verlauf war ausgezeichnet. Die Patientin stand am dritten Tag auf und hätte nach einer Woche ohne Gefährdung das Hospital verlassen können. Nach dem letzten Bericht vom 28. April 1934 erfreut sie sich bester Gesundheit. Cushing schreibt: „Im Jahre 1901 hätte man einen solcizen Eingriff als wunderbar bezeichnet. In dreiszia Jahren werden ohne Ziveifel unsere jetzigen chirurgischen Eingriffe unseren Nachfolgern ebenso roh vorkommen, wie uns jetzt die Operatio nen vor dreihig Jahren roh ersäicinen." Er erinnert an das Wort Leonarüo da Vincis, „das; nur ein mittelmässiger Schüler seinen Lehrer nicht übertrifft". Cushing ist der Mann, der die unrettbar dem Tode Ver fallenen, denen eine Geschwulst im Gehirn sitzt, durch eine lebens sänge zähe, systematisä)e, genial« Arbeit dem Tode abgerungen hat. Dreißig Jahr« lang hat er nichts anderes getan als Gehirntumoren operiert. Er hat sein Leben, das Leben seiner Assistenten und Pfleger, die Einrichtungen seines Krankenhauses, den Ablauf jedes Ta ges, den Mechanismus jeder Tstwegung in den Dienst dieser «inen, einzigen Sacl)«: der Vibration des Gehirntumors gestellt. Di« neurologisclie Diagnostik wurde ständig verbessert, das Durchlcuchtungsvcrfahrcn der Gehirnräume erdacht svon Dan dy), 1927 kam das elcktriscl)« Messer und schuf ganz neue Ozvra- tionsbedinguugen, di« die Biutungsgesahr stark cinschränkten. Vor allem aber wär es die gerade zu einzigartige techniscl>e Or ganisation, unter deren Schutz Cushing sein Messer arbeiten lies). „Die Patienten bleiben nach der Operation gewöhnlich mehrere Stunden auf dem Operationstisch liegen, bis sie sich vollkommen erholt haben, und verweilen dann oft mehrere Tage in den Operationsräumen. Kranke mit Schluckstörungen müssen oft lange Zeit durch di« Nase ,«füttert iverden." Be sonder« Hilfskräfte mit ungeteiltem Dienst wenden, während dl« Aerzte operieren, den dreißig bis vierzig Kränken, die gr- mit dem sie sich nicht nur an die Obrigkeit, 'andern auch an die breite Masse des Volkes wandten. Es sind uns zahlreiche mittelalterliche Berichte erhalten, welche den cstten E ndruck und die ergreifende Wirkung franziskanischer Prediger schildern. Unter dem feierlichen Klang der Glocken zog o.is Volk den Minderbrüdcrn entgegen, keine Kircl;« reichte ans um die Schar der Zuhörer zu umfassen, so das; aus össentiichen Plätzen von Tribünen herab gepredigt werden mußte. Die Minderbrüder waren nicht mit den Interest.»' des Adels verbunden: und so geht durch ihre Predpien ein Zug g e s u n d e r V o l k s t ü in l i ch k e i I. Sie predigen mutig und ohne Umschweife, das; Mätressenwirtschaft auch eines Herzogs Ehebruch sei, das; Steuerdruck gegen die Untertanen ebenso wie Plünderung gegen das siebente Gebot verflöge, das; Kriege führen aus Ehrgeiz, Uebermut und Eroberungssucht dem ge meinen Mord und Raub gleichkommen, das; das Prunken mit Denkmälern und Statuen ebenso Eiteskeit sei wie der über triebene Luxus der Bürgersfrau. Und es blieb nicht bei dem bloßen Predigen, sondern so fort mit der Predigt setzte auch die soziale Reform ein. Auf einem Scheiterhaufen wurden Gegenstände der Eitelkeit verbrannt, Kriege und Familienfeindschaften hörten aus, Lurus- bauten wurden unterbrochen, Ehen gültig gemacht, dem Wucher — besonders der Juden — wurde gesteuert, Aekangeno wurden entlassen, Schulen, Spitäler, Waisenhäuser wurden gegründet. Den Armen gab man reichlich Almosen, Söldner wurden in ihre Heimat gesandt, Bruderschaften für fromme Zwecke ge gründet. Das strenge Gelübde der Armut machte es dem Franziskanerorden unmöglich, selbst aktiv Werke der Barm herzigkeit auszuüben, etwa Spitäler zu bauen, Waisen aufzu nehmen, Gefangene zu befreien, Tote zu beerdigen. Desto eifri ger waren sie aber bemüht, die Laienwelt für diese Auf gabe zu gewinnen. In erster Linie dienten diesen Zwecken der Dritte Orden, aber auch zahlreiche Bruderschaften zum Schirm der Hilflosen, zur Pflege der Kranken, Siechen, Waisen, zum Begräbnis der Armen. Diese Vorstufe unserer sozialen Arbeit ruhte aber völlig im Religiösen, es ging um die Barmherzigkeit, die Nächstenliebe, die Gerechtigkeit und noch nicht um eine soziale Frage. Diese Tätigkeit war so lange möglich, als die christliche Predigt noch unmittelbar den Menschen erreichte, als jeder Mensch zwar vielleicht sündigte wie immer, sich aber noch in seiner Tota lität — also auch im Wirtschaftlichen, Sozialen und Politischen — Gott voll verantwortlich wußte. Erst als mit dem Durch bruch der Neuzeit diese Selbstverständlichkeit nicht mehr geaeben war, konnten soziale und wirtschaftliche Fragen nicht mehr in einem Atem mit religiösen Fragen gelöst werden, und cs ent stand das Problem einer besonderen Sozialpolitik. wohnlich gleichzeitig in Behandlung sind, ihre angestrengteste Aufmerksamkeit zu, um das geringste verdächtige Zeichen^vahr- zunehmen. Cushing hgt es zustande gebracht, daß die Sterb lichkeit der vier häufigsten Geschwulstarien, die 1901 — 1912 bei seinen Füllen noch 30,9, 13,5 21, 25 v. H. betrug, in den Jahren von 1928—1931 aus 11,7, 7,7, 4,4 v. H. zurückgegangen ist. Das ist ein vernichtender Sieg über den Tod. A. W. Mayer, selbst ein hervorragender Chirurg, hat vor einigen Jahren das Erlebnis einer Operation Cushings meisterhaft geschildert: Den größten Eindruck auf jeden Be sucher der Kliniken in den Vereinigten Staaten macht wohl Cushing. Keine Erzählung gibt das wieder, was man da er lebt! Cushing operiert nur einige Bio le in der Woche, und dann macht er nur eine einzige Operation am Tage . .^. Alle Vorl>ereitungen zur Operation haben schon etwa eine Stunde vor Erscheinen Cushings begonnen. Der Patient wird hereni- gc fahren. Er leidet an einer Geschwulst im Gehirn, und als Folge davon ist seine rechte Hand gelahmt. Cnshing erscheint im inattorauen Operatiansmantel. hochgeschlossen am Hals, mit Mütze. Er geht sofort zum Patienten und spricht mit ihm freundliche Worte. Ter Patient wird aufgelegt, der Kops mit Alkohol gewaschen, und sofort beginnt Cushing sehr bedächtig und langsam mit der Lokalanästhesie. Während der Operation scheint der Patient gelegentlich einzuschlummcrn. Mit dem Messer ritzt jetzt Cushing, den Schnitt andeutend, bindet sich dann dicke Gazclappenbinden scsi um Rase und 'Mund, knotet sorgfältig auf dem Kopf über der 'Mütze und sichert den geschickt gewundenen Knoten noch mit einer Sicherheitsnadel Ich er wähne das als kleines nnd natürlich unwesentliches Beispiel, aber es charakterisiert so sehr die vollendete Sorgfalt. Sicher heit, Zuverlässigkeit und Bedachtsamkeit, die ihn und seins Operationen auszeichnen, denen die weltberühmten Erfolge dann bcschieden sind! Während sich Cushing nun wäscht, wird der Patient ge lagert und vorbereitet. Ein Rahmen läßt das Gesicht des Pa tienten zu seiner Annehmlichkeit nnd zur Beobachtung der er fahrenen Schwester völlig frei, die im bequemen, mit Rücken lehne versehenen, ganz niedrigen Stuhl unter dem Operations tisch sitzt, den Blntdruchapvarat in der Hand, und dauernd Auf zeichnungen macht. Die Diathermieelektroden sind sorgfältig eui- gewickelt. ein Dauertropfeinlans. angewärmt zwiscken zwei Gummiwärmilaschen. beginnt bei der Operation. Die Abdeckung und endgültige Waschung besorgt Cnshing selbst. Eigens ge fertigte Lochtiicher, mit Bändern versehen, werden von 'hm fast hermetisch nm das Operationsfeld befestigt, ein Verrutschen ist nicht möglich. Der Augenrand der zu operierenden Seite wird mit Guttapercha bedeckt. Alles geschieht mit größter Bedächtig keit und Gründlichkeit nach genauem Schema. Drei Aerzte assistieren, ein Instrumentenassistent und eine Instruinenten- sckwester helfen. Diese Zusammenarbeit zu sehen, ist unver gleichlich. Man merkt allen die Freude an. schon im voraus zu wissen, was der Operateur verlangt. Ist der Schädel ge öffnet. so setzen die Wärter dem Operateur automatisch die Stirnlampe auf. Den elektrischen Schneideapparat bedient ein besonderer Techniker. Die Art der Ausstellung des Operations tisches iil>er dem Kränken, die Abi'augvorrichiung, die Diather mie. alles ist in einer organisatorisch wundervollen Weise ange- ordnet. Die Arbeit der ausdrucksvollen Hände Cushings muß man gesehen haben: was langsam gehen muß, geht langsam, was schnell gehen muß. geht blitzartig. Kaum ein Tropfen Blut fließt . . . Zum Schluß der Oi«ration legt Cushing die Hirn- lap»>en .so zurecht, wie er sie haben will, und ein Hohlraum ist nicht mehr vorhanden. Die Stirnlampe hat während der Zeit das Hirn dauernd vor Abkühlung bewahrt Jede Fläche des Hirns, die während der Operation nicht gesehen zu werden braucht, wird durch längliche, dauernd srischvränarierte kleine Wattetupfer gedeckt, alles geht auss zarteste vor sich. Zum Schluß ist kein Blutpunkt mehr zu sehen. Hätte man es nicht miterlebt, man würde es für ein Wunder hallen! Der Patient, völlig bei Tst'wusztsein,spricht vergnügt, und der bis vor einem Augenblick Gelähmte drück« kräftig di« dargeboten« Hand seines Arztes! So Hal ein Forsäier unseres Jahrhundert», ein Mann, der unter uns lebt, den Griff in di« zartest« und geheimnisvollst« Triumph der modernen Chirurgie Die einzigartige Gehirn-Gz-evation des Dr. Lushing
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)