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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.12.1915
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19151230015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915123001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915123001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-12
- Tag 1915-12-30
-
Monat
1915-12
-
Jahr
1915
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Donnerstag, LV. Dezember ISIS Leipziger Tageblatt Rr. SSS. Morgen-Ausgabe. Seite 7 Kunst * Wissenschaft - Leben Wem am dle Sache zu tun ist, der mutz Parket zu aehmeu wissen, sonst verdient er nirgends zu wirken. Goethe. Gin Friedensgedicht von Romain Rolland Schon vor dem Kriege trug sich Romain Rolland mit dem Plane einer Sammlung von Dichkungen, die er demnächst unter dem Titel «Ara Paris ' der Oeffentiichkeik zu übergeben gedenkt. Aus der Hand chrift des Dichters veröffentlicht nun die „Reue Zürcher Zeitung" bereits jetzt ein Gedicht aus diesem «FriedcnS- altare", das Alerander Castell ins Deutsche übertragen hat. Es ist ein Gedicht, das durch die Wärme und Aufrichtigkeit feiner Gesinnung und seines Ausdruckes auch bei uns Freunde finden wird, zumal da man in Deutschland den französischen Dichter wegen seiner menschlichen und friedlichen Gesinnungen nicht, wie er es vielfach von seinen Landsgenossen erleben mutz, steinigt oder an den Pranger stellt. Rollands Friedensgedicht lautet: .Vs protuväis clamsns, aus dem Abgrunde des Hasses erhebe ich zu dir, göttlicher Friede, meinen Gesang. Das Geschrei der Armeen wird ibn nicht ersticken. Vergebens . . ., ich sehe das blutgetränkte Meer steigen, das den schönen Leib des verstüm melten Europas trägt, und ich höre den Sturm des Wahnsinns, der die Seelen forkreißt. Wenn ich auch allein bliebe, ich werde dir treu sein. Ach werde nicht hingcken zum gotteslästerlichen Abendmahl des Blutes. Ach werde nicht meinen Teil essen vom Leib des Menschen Sohn. Ach bin aller Bruder, und ich liebe euch alle, ihr Menschen, denen gegeben ist, eine Stunde zu leben, und die ihr euch diese Stunde raubt. Daß doch aus meinem Herzen auf dem heiligen Hügel über den Lorbeeren des Ruhms und den Elchen der Oelbaum wachse in der Sonne, wo die Grillen singen! Hehrer Friede, der du unter deinem erhabenen Zepter die Wirrungen der Welt hältst und die Wogen, die sich entgegen schäumen, gib den Meeren deinen Rhythmus! Du gleichst einer Kathedrale, die ruht auf dem gerechten Gleichgewichte der feind lichen Kräfte, einer blendenden Rosette, durch die das Blut der Sonne in strahlenden Garben bricht, die das harmonische Auge des Künstlers gebunden. Wie ein großer Vogel, der in der Mitte des Himmels schwebt und mit seinen Schwingen die Ebene deckt, geht dein Flug jenseits von dem, was ist und war und sein wird. Du bist die Schwester der Freude und die Schwester des Schmer zes, du bist dle jüngere und weisere Schwester; du hältst sie bei der Hand wie zwei Flüsse, dle ein klarer Bach verbindet, wo der Himmel sich spiegelt zwischen der doppelten Reihe meister Pappeln. Du bist die göttliche Botin, die kommt und geht, wie die Schwalbe, von einem Ufer zum andern, die sie eint und den einen sagt: „Weinet nicht mehr, die Freude kehrt wieder", und zu den an dern: «Seid nicht eitel, das Glück flicht, wie es kommt." Deine schönen Mutterarme umschliesten zärtlich deine feindlichen Kin der, und du lächelst, indes du sie an deinen geschwellten Brüsten saugen siehst. Du einst die Hände, die Herzen, die sich flehend suchen, und du spannst unter das Aoch die störrischen Stiere, auf dast du stakt zum Kampfe den Zorn ihrer dampfenden Weichen nütztest, um in den Grund der Felder die lange und tiefe Furche zu ziehen, in die der Same flieht. Du bist die treue Gefährtin, die bei der Rückkehr die müden Kämpfer aufnimmt. Sieger, Be siegte, sie sind dir in deiner Liebe gleich. Denn der Preis des Kampfes lfk nicht ein Fetzen Erde, den das Mark des Siegers und des Gegners nähren wird. Er gebührt dem, der zum Werkzeug deS Schicksals sich gemacht, und der unter seiner Hand nicht wankte. O Friede, der du lächelst mit milden Augen voller Tränen, sommerlicher Regenbogen, sonnenwarmer Abend, der du mit leuchtenden Händen die getränkten Felder liebkosest, die ge fallenen Früchte hegst und die Wunden der Bäume, die der Wind und der Hagel geschlagen. Siehe über uns deinen Balsam aus und wiege ein unsere Schmerzen. Sie werden vergehen, wie wir auch. Du allein bist ewig! Brüder, einen wir uns. Und ihr auch, ihr Kräfte, die ihr in meinem zerrissenen Herzen kämpft, ohne Fieber und Hast, denn wir jagen nicht nach der Zeit. Mir Grenzer Roman von Wilhelm Poeck «Nachdruck verbot«».) Man konnte nicht wohnen, nicht leben wie ein Arbeiter. Die Kinder sollten doch mindestens so viel lernen, wie man selbst ge lernt hakte. Und die Preise für die Lebensmittel wuchsen, die Mieten wuchsen, die Ansprüche an das Leben wuchsen. Leider nicht in gleichem Mähe das Gehalt. Außenstehende hatten ja nicht die Kenntnis dieser großen Kalamität, die man geradezu als Krebsschaden des Standes bezeichnen konnte. Aber wer zum Bau gehörte oder, wie man sich im Zöllnerjargon ausdrückte: wer von der «Parkte" war, der wuhte es. Das sickerte durch Registra turen und Gcheimjournale — denn „Schuldensachen" eines Be amten wurden als «geheime" Korrespondenzen behandelt — das sprach sich in den Bureaus, auf den Abfertigungsstellen, den Grenzstationen, den Kaffeekränzchen der Zöllnerdamcn herum. Immerhin: besser für die Töchter, einen Beamten heiraten, als gar nicht. Und wenn einmal einen Beamten, dann am liebsten einen Zöllner. Die Zöllner aalten unter den mittleren Beamten nun einmal als die vornehmste Klasse. Keine andere Beamten kategorie zählte unter ihren Mitgliedern so viele Reserveoffiziere. Anaktive oder verabschiedete Offiziere suchten am liebsten Unter kunft bei der «Zollpartie'. Natürlich kielten sich die Herren, die am Degen das silberne Portepee tragen dursten, wieder sür be deutend vornehmer als die Nichkosfizierc. Dieser Klassengegensatz ging so weit, daß sogar bei Beförderungen auf die Offiziers qualität gesehen wurde, und man ganz offen von einer eklatanten Bevorzugung der Offiziere in der „Partie" reden konnte. Daher .nveifelte auch Frau Westhusen, ob man ihren Mann trotz seiner Tüchtigkeit befördern würde, zumal er «Wilder' war. So nannten die mit Oberprimareife oder dem Abiturium aus dem Supernume- rariat hcrvorgegangenen Beamten die aus den Aufsehern hervor gegangenen Kollegen. Es Kan» nicht sehr häufig vor, daß esn früherer Grenzaufscher cs bis zum Oberbeamken brachte, und die Stössel des Hauptzollamtsdirigentcn war für ihn noch schwerer zu erreichen. Ader Frau Wcsthuscn wünschte und hoffte ebenso sehnsüchtig aus den «Oberzollinspektor' wie ihr Mann, wenn sie cs auch nicht merken ließ Cie gab ja nicht viel auf gesellschaft liche Kaffeekränzchenordnung, bei der sämtliche Damen nach Rang und Würden ihrer Männer gesetzt, angercdct und behandelt wurden, aber sie wollte doch, da sie nun einmal Vcamlcnfrau war, im Avancement nicht gern hinter einer jüngeren Dame Zurück bleiben. Auch daS Gehalt war höher — und die Tochter eines Obcrrollinspektors, der in seinem Kreise aus der Stufe der höchsten Macht stand, hatte bessere Chancen als andere. So und ähnlich bewegten sich Gedanken, Sorgen, Wünsche, Pläne in dem Kops der Frau Wcsthuscn, bis auch sie endlich cin- ichlief. Der Rendant schnarchte schon lange. ohne Fieber und Host, denn wir jagen nicht nach der Zeit. Wir haben sie besiegt. Aus den Weidenruten von Jahrhunderten baut der Friede sein Rest. Wie die Zikade in den Feldern singt . . ., das Gewitter dräut, die Flut des Regens fällt, ertränkt die Furchen und den Gesang . . . Aber kaum ist der Sturm gewichen, stimmt der kleine eigensinnige Sänger von neuem an. So recke ich das Haupt, während man im rauchenden Orient über die zerstampfte Erde kaum erst den rasenden Galopp der Dierreiter entschwinden hört, und hebe wieder an meinen armseligen und nimmermüden Gesang. Städtisch« Theater. Dle nächste Aufführung von StrindbergS Kammerspiel „Gespenstersonate" findet nicht wie angekünüigt am Dienstag, 4., sondern am Mittwoch, den 5. A a n u a r, im Alten Theater statt. Schauspielhaus. Der Schwank «Die Diener lassen bitten" von Ritter und Impekoven, der am Reusahrstage im Schauspielhaus« zur Erstausführung kommt, wird von Hans Sturm in Szene gesetzt und ist in den Hauptrollen besetzt mit den Herren Donat, Wildenhain, Wötzel, von Zedlitz, Medecow, Balquä, Keßler, Laurence, Burger und den Damen Monser, Krüger-Michaelis, Förster, Reichenau, Hübsch und Beckow. — Eine Wiederholung von .Armut" stehl am 4. Januar auf dem Eplelplan, eine Wiederholung von .W e l b s t e u f e l" am 6. * Ein Weihnachtsspiel bei Reinhardt Aus Berlin wird uns geschrieben: An diesen Festtagen zur Krtegszett, die das Schenken zu größerer Pflicht und Freude machten, als je zuvor, hat auch Max Reinhardt den Berlinern seinen WeihnachtS- tribut entrichtet. Montag nachmittag sand in öffentlicher Generalprobe im Deutschen Theater die erste Reinhardtsche Wiedergabe des Krippen spiels .Der Stern von Bethlehem" von Otto Falkenberg statt. Das Märchen, das in Form einer einfach gehaltenen Bilderrelhe di« bibli schen Begebenheiten von der Offenbarung bis zur Anbetung der Heilt- gen drei Könige versinnbildlicht, war von Reinhardt in ein prächtiges Gewand gekleidet worden, das den großen wie den kleinen Kindern, die das seitlich gestimmte Haus füllten, viel Freude bereitete. Reinhardt der Elilgewandle, der von Shakespeare zu Absen, von Strtndderg zu Schiller, von Goethe zu den Uebermodernen eilt, um dann einen Augen blick in der naiv-legendären Einfachheit der biblischen Weihnacht zu verweilen, fand für dle neue Aufgabe mit nachspürendem Anstinkt die rechte Farbe und den rechten Ton. Dle Zweiteilung der Bühn« in einen gotisch ausgebauten ktrchenartigen Borraum und eine durch einen Borhang abschließbare Hinterbühne, auf der die Schauplätze der Be- geb^nheiten im bunten Wechsel erschienen, gab der Inszenierung eine Herbheit des Stiles, die das Spiel in seiner farbigen Gliederung mit einem einheitlich gefügten Rahmen umspannt«. Der Dichter hat selbst lein Weihnachtsmärchen im Etil« festgelegl, indem er alte Motiv« meist süddeutschen Ursprungs in loser Ungezwungenheit, aber sinngemäß aneinanderfügt«. Die herbe Einfachheit der Dichtung Falkenbergs wurde durch bildhafte Wirkungen und eine darstellerische Beweglichkeit verlebendigt, der Musik und Chor wirksam zur Sette traten. Es wurde gesorochen, gegeigt und gesungen, um der Weih- nachtssttmmung den rechten Ausdruck zu geben. Bielleicht wäre dieser Ausdruck noch gesteigert worden, besonders für den jugendlichen Teil der Zuschauer, wenn die im übrigen sehr schöne Stilisierung ein wenig zu gunsten des nalven WeihnachtsrctchtumS zurückgelreten wäre. Die Dar- steller, deren Sprach« Reinhardt durch eine leicht« österreichische und deutsche Färbung etwas Bolkstümliches verliehen hatte, wurden ihren biblischen Ausgaben mit Verständnis gerecht. Die Maria gab Else Heims, bildhaft in der Erscheinung, mit einem stillen Glanz, der seine Wirkung tat. Vorzüglich war Wilhelm Dlegelmann als unge schlachter Ritter, und A o s« f Danegger, der sugendlich« Allerwelts- Künstler der Reinharbtbühne, erschien im Hirtenkletd« als opernhaft geschulter Bariton. Licht- und Mastenwirkungen ergänzten das Spiel, das reichen Beifall fand und wohl eln gutes Stück des kommenden AahreS mttleben dürfte. Die Muflk von Bernhard Stavenhagen schmiegte sich mit volkstümlichen Motiven sehr glücklich dem Spiele an. v. Dürers Dresdener KruzifixnS — eine Fälschung An der längsten Sitzung der Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft in München sprach Herr Kehrer über die Echtheit des berühmten kleinen Bildes der Dresdner Galerie, das vor düster gestimmter Land schaft Christus am Kreuze zeigt und auf den Namen Dürers geht. Er wies auf die Schwierigkeiten hin, das Bild in der Entwicklungsleihe an einen richtigen Platz zu stellen; das miniakurartig behandelte Werk fällt aus dem Zusammenhänge heraus. Der Forschung ist es erst seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bekannt; nach Dresden 2. Die Rendankenfamilie erwachte von einem plötzlichen Ruck des Zuges. Man glaubte, die Maschine habe sich wieder in Be wegung gesetzt. Aber es war ein Irrtum. Der Zug hielt schon im Bernaucr Bahnhof. Der Sturm tobte mit unverminderter Kraft. Dicke Schnee wirbel fegten durch die Luft. An der Straße lag der Schnee fußhoch. Der Rendant erkundigte sich, ob die Zloczewicer Post schon abgesahren sei. Die Antwort: Der Zloczewicer Postschlitten sei überhaupt nicht gekommen. Man überlegte, was zu tun sei. Die Meinungen waren ver schieden. Schließlich sagte Grek: «Mich dünkt, Papa, wir gehen in ein Gasthaus und essen erst mal zu Mittag. Ach hab' gehörigen Hunger. Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall. Vor dem Bahnhof hielt eln Schlitten, dessen Kutscher ein Schild mit der Aufschrift „Hotel zum Deutschen Kaiser an der Mühe trug. „Dorthin wollen wir fahren," entschied der Rendant. Am Gastzimmer des Hotels saßen ein Zollbeamter und zwei andere Herren. Die tranken Ungarwein. Beim Eintritt der Rendankenfamilie erhob sich der Beamte und stellte sich vor. Es war der Ohergrenzkonlrolleur Kleinschmidt aus Dzialowo, der bei dem Bernauer Skeueramt die monatliche Kassenrevision vor genommen hatte. Auch die beiden Herren, elegante Erscheinungen, wurden vorgestellt. ES waren russische Offiziere in Zivil. Die Rendankenfamilie rückte mit an den Tisch. Die Obcrgrcnzkonkrolle Dzialowo gehörte zum Hauptzollamk Zloczewice. Der Rendant und seine Frau beschlagnahmten so gleich den Oberkontrolleur, um ihn nach den dienstlichen und sonstigen Verhältnissen des Hauptamts gründlich auszufragen. „Ach will Ahnen was sagen," sagte der Obergrenzkonkrolleur, „hätte mir jemand an der Wiege gesungen, daß ich einmal in diese verdammte polnische Ecke verschlagen werden sollte, ich wäre lieber Packhausarbeiter geworden. Sie treffens ja noch einigermaßen. Der Oberinspektor hat ja, als junger Jurist, vom praktischen Zolldicnst nicht viel Ahnung, und auch sonst ist aus dem Amt nichk alles wie s sein soll. Aber er wird Ahnen dienst lich freie Hand lassen. Ahnen geht ja ein gewaltiger Ruf voraus. Persönlich ist er sehr angenehm, hat aber vor allem nicht den Auristcntrick. Seine Frau — na, Sie wißen ja, die Frauen sind immer päpstlicher als der Papst. Ader im ganzen eine angenehme Dame, lieber den HaupkamtSkontrolleur Mekuweit will ich nichts saacn. Ach spreche nämlich prinzipiell nur Gutes von Menschen, wo ich das nicht vor meinem Gewissen verantworten kann, laß ich s lieber ganz. Rur soviel: er steht mit dem ganzen Amt auf dem qui Vtve, ausgenommen Nlit dem Chef, lieber seine Frau sag' ich noch weniger, von der wird die Frau meines Kollegen Schott Ihrer Gemahlin schon allerlei berichten. Rur eins: die Schotts sind vor sieben Wochen, in einem Schneetreiben wie heute, von Hannover nach Zloczewice eingerückt, und als sie ankommen, schickt Frau Assessor ihnen aus ihrer Mittagsküche warmes Esten hinüber. Da sagt die Mekuweit zu der gnädigen Frau: „Aber daS wäre doch nicht nötig gewesen, die gehören ja nichk zu unS." j kam es 1865 auS dem Nachlasse von Aos. Dan. Boehm. Bei der ge nauen Blldanalyse ergibt sich, daß an dem (nicht konstruierten) Akte j das Gefüge der Brust und der Schultcrpartien ausfallend unklar und schwächlich ist; am erstaunlichsten ist jedoch das Motiv des ungleiche« Ausblickes: das linke Auge sicht senkrecht, das rechte schräg nach oben. Das Bild trägt Dürers Monogramm und Jahreszahl; als solche Kanu nur 1506 in Betracht kommen — also die Zeit der zweiten italie nischen Reise. AndeS sind unmittelbare venezianische Einflüsse nicht nachweisbar. Zur Entscheidung der Frage der Echlycit liegt gerade für das Thema deS Kruzifixus ein großes Berglcickmaterial vor. Dem Dresdner Bildchen fehlen alle wesentlichen Elemente von Dürers Stil; man vermißt feine knorrige Kraft, die temperamentvolle Zeichnung; Ausdruck und Plastizität sind mangelhaft. Ganz rindürcrisch ist dle Malweise, glasig durchscheinend, durckschimmernd. Die liederliche Unterschrift stammt weder von Dürer noch überhaupt aus seiner Werkstatt. Andererseits ist diese Art von Fcinmalercr bei Dürer noch nicht vorhanden. Dieser zaghaft-flache, süßlich-theatralische ChriltuSkopf, der mit ungleichem Blicke ins Jenseits schaut, war sür ein Publikum bestimmt, das 1506 noch nicht geboren war. Fast das ganze deutsche 16. Jahrhundert kennt weder im Tafel-, d. h. Andachtsbilde noch im Epitaph das Linzclmvtiv des Gekreuzigten; zum erstenmal findet cs sich bet Eranach d. I. 1571. Diese Vorstellung seht die breite Grundlage der Reformation und Gegenreformation voraus. Das Bild ist aber im Geiste der italienischen Renaissance komponiert. Ls hat ein Mono gramm, wie wir es auf Dürers Zeichnungen finden, also liegt eine solche zugrunde. Dürers Zeichnungen sind im Kreise der Nachahmer und Fälscher um die Wende des 16. Jahrhunderts sür Oclgemälde viel fach verwendet worden; um 1000 war eine ausfallende Steigerung von DürerS Ruhm fühlbar. Die Werke der Nachahmer haben gerade die Elemente, die den Dresdner Gekreuzigten auszeichnen. Hofmann, Günther oder Fischer; einer von ihnen kommt als sein Maler in Be tracht. DaS Dresdner Bildchen ist eine sehr geschickte Nachempfindung DürerS, um 1600 zu datieren. Wegen des DürermonogrammcS gehört sie in daS Gebiet der Fälschungen. Bemerkenswert ist, daß bei der Aus sprache über Kehrers Darlegungen weder Wölfslin noch Braune, die beide das Wort ergriffen hatten, Einwendungen gegen Kehrers Haupt these zu erheben hatten. Rabindranath Tagore von den Engländern interniert Der bekannte indische Dichter und Träger deS Robel-Lite- rakur-PreiseS, Rabindranath Tagore, ist nach einem der „San Francisco Chroniclc" auS Indien zugegangcnen Bericht in Kal kutta von den britischen Behörden interniert und seine beabsichtigte Reise zur Weltausstellung von San Francisco ver eitelt worden. Tagore soll in einer öffentlichen Versammlung die jetzige Behandlung der Hindubevölkerung durch die Engländer heftig kritisiert haben. * . * Der Insel-Almanach auf das Jahr 1916 ist unä soeben zu gegangen. Gr enthält in abwechslungsreicher Folge Gedichte, Er zählungen, Aussätze, Reden und Briefe hervorragender Schrift steller wie Ricarda Huch, R. A. Schröder, Albrecht Schaeffer, Josef Winckler, Ernst Hardt, Felix Braun, Oskar Wochrle, Richard Dehmel u. a. AuS dem gleichen Verlage ging uns ein Oesterreich!- scher Almanach zu. Diese Neuerscheinung ist bestimmt, die Stimme Oesterreichs und seiner Dichter erklingen zu lassen und so besonders berufen, zur Vertiefung unserer Kulkurgcmcinschaft zu wirken. Kleme Mitteilungen HanS Pfitzners neue Oper „Palästrina" wird, wie uns geschrieben wird, während des Krieges Nicki zur Aufführung kommen. Die Oper ist ausschließlich für Männerstimmen geschrieben und enthält nickt die kleinste Frauenparlie. In diesen Zeiten würde der zweite Akt, der das Trienter Konzil vorsübrt, auck erheblichen Zen surschwierigkeilen begegnen. Lin Lustspiel „Onkel Josef" erlebte im Hildesheimer Stadt theater mit Karl William Büller als Gast erfolgreiche Urauf führung. Das Erscheinen der Nummer 52 der Zeitschrift Die Schau bühne" ist verboten worden. In Warschau starb, wie man uns mitkellt, am 21. ds A. R a i ck - mann, der Begründer der Warschauer „Philharmonie ', die er im Sinne Paderewskis ins Leben rief, und mehrjähriger Leiter oer War schauer Oper. Im Jahre 1855 war er in Warschau geboren. Unter an derem begründete er 1863 die Warschauer Zeitschrift „Musikalisches Echo" und hat außerdem eine eifrige literarische Tätigkeit entfaltet. Dabei ist der alte Mekuweit früher Dragonerrvachtnreister ge wesen, und Schott ist doch, wie ich, Reserveoffizier. Aber als HaupkamtSnnlglicd hat er einen furchtbaren Ragrl, obgleich er Im Range eigentlich nichk höher steht als Schott und ich. Ra, die Schotts sind aut die Mekuweils nicht schlecht geladen, denn sie Havens natürlich brühwarm zu wissen bekommen. Rämlich was der oder die eine auf dem Hauptamt sagt, tut, schreibt, kocht, käuft, bäckt, niest oder träumt, das weiß in einer halben Stunde das ganze übrige Amt, vor allem die, die'S nicht wissen sollen. Der allbekannte Bureau- und Dlcnstbotcnklatsch, wissen Cie. Aus dem Grunde ist mirs ganz lieb, daß ich mein „TuSkulum ' — der Oberkonkrolleur lachte grimmig — für mich allein in Dzialowo habe. Aber, gnädige Frau, daS ist auch das einzige. ES ist doch 'ne Schande, daß man eine gebildete Familie auf zwei Jahre lang — denn unter dem komm ich nicht los — in ein gottverlassenes Polackendorf schickt, wo nichts von Kultur ist, aber auch rein gar nichts, als 'ne katholische Kapelle und ein jüdischer KaufinannS- laden. Sie sollten meine Dienstwohnung sehen. Unter den Polackenbaracken nimmt sie sich ja auS wie ein Palast, aber was daS sagen will, können Sie sich denken. Dabei der Deutschen haß. Ra, Sie werdens bald selbst merken. Kratzfüße machen sic, Bücklinge bis aus die Erde und küssen Ahnen den Stiefel und Rock, aber hintcrm Rücken machen sie 'ne Faust. Die Pfaffen sind ebenso. Ach reite und fahre nie ohne geladenen Revolver, nicht bloß wcil'S ordonnanzmäßig ist. Fünf Jahre bin ich verheiratet, aber so viel Tränen, wie meine Frau in den drei Monaten un seres Hierseins vergossen hat, hat sie in unserer ganzen Ehe nicht geweint. Zum Glück haben wir zwei Kinder, ich glaube, sonst wäre sie schon verrückt. Verkehr gibts nicht. An der Rähc ist ein gräfliches Gut — sieht auS wie 'ne große Scheune —, und dort ist ne Brennerei, und ich habe dort den Branntwein abzunehw.cn. Glauben Sie, daß man mich grüßt, wenn ich auf den Hof reite, oder daß der Herr Graf und die Frau Gräfin meinen Gruß er widern? Fällt ihnen gar nicht ein. Nicht bloß, weil ich ein ge wöhnliches subalternes Luder bin — verzeihen Sie, Frau Ren dant —, sondern weil wir Dculsche sind. Da ist dem Assessor neu lich eine nette Geschichte passiert. Er macht mit seiner Frau — er in vollem MichS, sie In BesuckSkoilette — der Gräfin Plawicka auf — na, Dingsda — eine Visite. Die Herrschaften werden durch ein Zimmer in ein Lokal geführt, was die Polen „Salon" nennen. An diesem Zimmer liegt die Plawicka, anmutig hin gegossen in einem Neglige aus dem Sofa, raucht Zigaretten und nimmt von unserem durchvasfierenden Oberinspektor und seiner Gemahlin absolut keine Notiz, läßt die Herrschaften in dem „Salon" eine halbe Stunde lang antichambrieren, wechselt dann mit ihnen ein halbes Dutzend vornehm - Kühle RcdenS- arien und gibt darauf durch eine majestätische Hand bewegung zu verstehen: die Audienz ist zu Ende. Ach verstehe ja nicht viel von Politik und bin überzeugt, daß der alte Fritz ein großer König mar. Aber ich wollte doch, diese Polackei hätte er sich bei der Teilung Polens nicht andrehen lasten. Dann brauchte meine Frau sich nicht die Augen auszuweincn, und ich brauchte nicht mit meinen Leuten bet Nacht und zwanzig Grad Kälte hinter diesen verflixten Schmugglern hcrzusthen.' jForlsehllng in der Abend-AuSgabe.)
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