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MtttwoM, 16. Sememver 1914. 8 Leipziger Tageblatt. Nr. 4N. Morgen-Nusgsve. Sette 3 Vie kampfesweije -er französisihea und russischen Truppe» im Gefecht. Bon Generalleutnant z. D. Baron ». Ard«»»«. (Vom Oberkommando in den Marken zur Veröffentlichung zugelassen.) H. Di» Aussen. Es ist ein alter Ersahrungssatz der Geschichte, daß die Völker und die Heere fast nie die richtigen Schlußfolgerungen aus den gemachten Erfahrungen ziehen. Die deutsche Armee hat erst von 1888 ab die Konsequenzen aus den Erfahrungen des Krieges 1870/71 sich nutzbar zu machen angefangen und dies Bestreben erst seit kurzem vollendet. Daher ist nicht anzunehmen, daß die russische Armee aus dem Feld zuge gegen Japan 1901/05 viel gelernt hat. Alle Anzeichen sprechen dagegen. Vor allem hat das Offizierkorps die furchtbare Lehre die »er Jahre nicht beherzigt und keine Einkehr in sich gehalten. Was helfen da Reg ements. Die russische Militärver waltung hat es sich zwar angelegen sein lassen, in einer Fülle von Reskripten ihrer Armee die taktische Weisheit aus deutschen und sranzösi chen Vorschriften einzuflößen. Aber schon die Erfahrung der Manöver hat gezeigt, daß die modernen Anschauungen über das Gefecht, vor allem die Betätigung des einzelnen Mannes in dem Kopfe der Iwan-Iwanoff sscherz- bezeichnung für den russischen Soldatens keinen Ein gang gesunden haben. Die einzige mögliche Kampf- wrm für die Infanterie — der Schützenschwarm — hat nur äußerlich, nicht innerlich die nötige Lvert- jchätzung gefunden. Die russische Infanterie hat sich von der Kolonnentaktik noch nicht befreit — sie. die den Massenherdentrieb des russischen Volkes, seinen blinden Gehorsam ohne Nachdenken Zu recht eigent licher Grundlage hat. Die unstreitige — wenn auch oft passive — Tapferkeit des russischen Soldaten kommt in dieser Kampssorm am besten zur Geltung. Unvergessen ist das Standhallen der russischen Vier- .'üe in der Schlacht von Zorndorf gegenüber der preußischen Artillerie, die mit Vollkugeln stunden lang blutige Furchen in ihren Gliedern zog. ohne sie zum Weichen zu bringen. Bezeichnend ist der Sturm auf Silistria in einem der Türkenkriege Katharinas II. Die Sturmkolonnen standen ratlos vor den Festunasgräben, deren Ränder nicht sturm reif durch die Artillerie gemacht worden waren. Vor ihnen gähnte die Tiefe. Der russische Besehlshaber Graf Orlow II. — der Günstling Katharinas — wurde um weitere Befehle befragt. Er antwortete: „Stoßt sie hinüber." Darauf drängten die Hinteren Kolonnen die vorderen in den Graben hinein, diesen ausfüllend. lieber ihre Leiber hinweg erfolgte bann der Sturm. Dieser Art heroischen Gehorsams mögen die russischen Truppen noch fähig sein. Alle ihre Niederlagen am Palu, Schiaho, Mulden usw. haben keinen eiligen Rückzug, kein« Panik gezeitigt. Aber dieser passive Heldenmut vermag keinen Sieg in einer modernen Feldschlacht zu gewinnen. Dazu gehört die frische, fröhliche Initiative. Die russischen Schützenschwärme werden daher den un widerstehlichen Drang nach vorwärts nicht haben. Ihre Unterstützungstruppen werden geschlossen, aber nicht in der verlustoermeidenbcn geöffneten Ordnung Vorgehen. Ihre Artillerie ist numerisch der unseren weit unterlegen, aber auch im Material. Und: sie haben überhaupt keine schwere Artillerie des Feld heeres — eine nickt gut zu machend« Versäumnis. Die russische Kavallerie hat keine Ruhmesgeschichte wie die deutsche. Wildverwegene Attacken besonders größerer Kaoalleriemassen fehlen durchaus. Waffen- taten einzelner Regimenter sProbstheida 18. Ok tober 1813 und Kulm 20. August desselben Jahres) ändern darin nichts. Im Japanischen Krieg hat die russische Kavallerie durchaus versagt, sowohl in der Aufklärung als auch in der Gefechtstätigkeit svgl. die vortrefflichen Werke von ,zreytag - Loringhovcn, Tettau und selbst des russischen Eeneralstabes). Sie hat nicht einmal in größerem Maße an gegriffen. Die bisherigen Erfahrungen im jetzigen großen Kriege lassen hoffen, daß die im Japanischen Kriege hervorgetretenen Erscheinungen Lei der rus sischen Kavallerie wiederkehren — nämlich Mangel an schneidiger Initiative, Indolenz und Schwerfällig keit, Gleichgültigkeit gegen das Schicksal benachbarter Truppen, Zersplitterung der Kräfte, Neigung zu An griffen ohne genügende Truppenstärke. An dem Verhalten der russischen Kavalleriedivisioncn an un serer Grenze lassen sich im kleinen diese Fehler bereits nach weisen. Das russische Offizierkorps ist nicht der getreue Kamerad der Mannsck-aften wie in unserem Heere. Der Mangel an Fürsorge für den gemeinen Mann ist grenzenlos. Schon zeigt die große Anzahl russischer Ileberläufer, daß jetzt die Ernährung der Armee versagt — übergelaufene Kosaken ver handeln ihre Pferde für drei Rubel, die eingezoge nen Reservisten müssen teilweise mit der Knute zu den Sammelplätzen getrieben werden. Dazu gährt in Polen und der Ükcaina die politische, in Großruglano die soziale Revolution. Fernpatrouillen unserer Ka vallerie sind in Polen als Befreier mit stürmischem Jubel begrüßt worden (Feldpostbriefe liegen mir vor). Daß der Krebsschaden des russischen Heeres, Untreue des Beamtenheeres und auch der Offiziere zu eigener Bereicherung, noch fortwuchert, ist zweifel los. Wer sich in dieser Richtung einen Einblick in die wahrhaft schauerlichen Verhältnisse der russischen Intendantur usw. verschaffen will, der lese das Buch von Max Bcyrmann: „Hinter den Kulissen des Mandschurischen Krieastheaters." Berlin 1905 bei C. A. Schwetschke L Sohn. Alle diese Schäden könnte wettmacken eine geniale Führung der Oberfeldherren und der berufenen Unterführer. Die Fehler der Kriegführung gegen Japan waren himmelschreiend. Das russische Eeneral- stabswerk gibt sie bitter und widerwillig zu. Es ist ab«r bei dem lethargischen Charakter des russischen Offizierkorps keineswegs zu erwarten, daß ihm jetzt eine Fülle strategischer Kapazitäten erstehen sollte. Ein hoher englischer Offizier sprach neulich aus, daß das russische Offizierkorps seit 1905 dasselbe geblieben sei. Die Fehler d«r russischen Kriegsführung 1901/06 lagen sich mit folgenden Stichworten charakterisieren: „Ueberschätzung Les Gegners seiner Stärke nach (Kuropatkin sägte: das Auge der Furcht sieht groß — er hatte aber dieses Auge), dadurch Mangel an Ini tiative, das Opfern vorgeschobener Abteilungen — selbst von Armeen — ohne rechtzeitige Unterstützung. Kuropatkin hatte als Entschuldigung das törichte Wort der „sukzessiven Offensive" geprägt. Vor allem aber lähmte der Mangel einheitlichen Befehls, ein heitlicher Führung. Der Kriegsrat war in Perma nenz erklärt. Theoretische Spitzfindigkeiten wurden entwickelt, die kostbarste Zeit versäumt, man sckuf nicht die Ereignisse, sondern ließ sich davon über raschen, Defensiostellungen nahm man ein. ohne aus diesen heraus sich zur Offensive entwickeln zu können sSchaho. siehe russisches Eeneralstabswerk). Der Ent mutigung gab man sich willenlos hin, man schlug sich nicht mehr für den Sieg, sondern nur für den Rückzug " Von den russischen Unterfeldherren hat nur der gefallene General Kontradenko (Verteidigung von Port Arthur) die bewundernden Blicke der Mitwelt auf sich gelenkt, und der gleichfalls gefallene deutsche General Graf Keller. Alle anderen waren mittel mäßige Köpfe, die den Schlendrian von oben gleich mütig mitinachten. Ajchnei Kriegsanleihe! Die Führung aber ist der wichtigste Faktor in der von imaginären Größen durchsetzten Gleichung des Erfolge». Unser« deutschen Führer haben schon jetzt gezeigt, daß sie das Vertrauen von Volk und Heer wert sind. Wir dürfen vertrauen, daß sie ihr schweres Werk -u gutem Ende führen werden. Letzte Depeschen und Fernsprech Meldungen. (Nach Schluß der Redaktion eingegangen.) Der Krieg. Der Reichskanzler und der Deutsch-Amerikanische Wirtschastsverband. Berlin, 15. September. Anläßlich der am 14. Sep tember in Berlin abgehaltenen Ausschuß sitzung des Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsverbandes sandte der Verband im Anschluß an ein Referat des Syndikus Dr. Strescmann an den Reichskanzler ein Telegramm, in dem er ihm davon Kenntnis gab, daß in dieser Sitzung unter einmütiger begeisterter Zu stimmung der Wunsch d.r deutschen Export- ind ustrie zum Ausdruck gebracht worden sei, den uns aufgezwungenrn Krieg durchzuführen und durchzuhalten bis zur endgültigen Niedcrringung der Gegner, da nur durch eine solche Durchführung des Krieges die Gewähr geboten werden könne für einen kommenden dauern den Frieden, und damit für die nach einem solchen Frieden sicher zu erwartende völlige Wiedcraufrich- tung und Ausdehnung des gesamten deutschen Wirt schaftslebens. Der Verband bat den Reichskanzler, davon überzeugt zu sein, daß in dieser Auffassung der Lage die gesamte deutsche Industrie, auck die durch den Krieg am meisten in Mitleiden schaft gezogene deutsche Exportindustrie, einig sei. Darauf ist dem Deutsch-Amerikanischen Wirtschafts verband von dem Reichskanzler ein Ant worttelegramm zugegangen, in dem es u. a. heißt: „Der zähe nationale Wille, den mir die Kundgebung des Deutsch-Amerikanischen Wirt schaftsverbandes bestätigt, ist die Gesinnung, die das Schicksal von allen Teilen unseres Volkes fordert. Nur so kann das deutsche Volk der ungeheuren Aufgabe gerecht werden, vor die es gestellt ist, und in unerschütterlicher Einigkeit stärker und größer aus diesem Kampfe hervorgehcn. Reichskanzler von Bethmann Hollweg." Die -rutsche Aivilverwaltung in Survalki. (Von unserer Berliner Redaktion.) 9 Berlin, 15. September. Der Regierungs präsident von Münster, Graf von Meerveldt, ist, wie wir hören, als Zivilverwaltungsbeamter dem Armee-Oberkommando des Ostens für die besetzten russischen Gebiete beigegcben worden. Ein Eeneralgouverneur für diese Gebiete ist noch nicht ernannt worden. Ob er er nannt werden wird, entzieht sich einstweilen unserer Kenntnis. wichtig für Zeichner von Kriegsanleihen. Berlin, 15. September. (W. T. B.) Den Zeich nern von Kriegsanleihen werden von den Darlehns- kassen Darlehen zum Zinsfüße des Neichsbanidiskonts (zurzeit 6 Proz.) gewährt. Hierzu wird von zustän diger Seite darauf hingewiesen, daß dieser er mäßigte Zinsfuß nicht nur dann gewährt wird, wenn das Darlehen unmittelbar zur Einzahlung auf die Kriegsanleihen verwendet wird, sondern auch bei spätererDarlehnentnahme, sofern sie nach gewiesenermaßen durch die Beteiligung des Darlehns nehmers an den Kriegsanleihen erforderlich gewor den ist. Postreftelung für Angehörige der Kaiserlichen Marine. Berlin, 15. September. (W. T. B.) ^"llregelung für Angehörige der Kaiserlichen Marine: 1. Bei Postsachen, die für die bei Behörden und Marineteilen am Lande befindlichen Marine angehörigen bestimmt sind, muß die Adresse außer der Behörde, dem Marineteil usw. auch den Be stimm ungsort enthalten. 2. Bei Postsachen für die an Bord von Schiffen befindlichen Marineangehörigen muß die Adresse nur den Schisfsnamen ohne Ortsangabe tragen. Ausfuhr und Durchfuhr von Waren in Deutschland. Berlin, 15. September. Der „Reichsanzetger" enthält eine Bekanntmachung des Stellvertreters des Reichskanzlers vom 15. September, laut deren das Verbot der Aus- und Durchfuhr von mechanisch und chemisch bereiteten Holzstoffen (Holzmasse und Zellulose) aufgehoben wird, dagegen die Aus fuhr von Salzsäure, Farben und Farb stoffen sowie allen zur Herstellung von Spreng stoffen und Teerfarbstoffen verwendbaren (im Bericht einzeln aufgeführten) organischen Er zeugnissen mit Ausnahme von Benzoe-Säure und ihren Salzen verboten ist. Veutsch-engttsche Schutztruppengefrchte. Berlin, 15. September. (W. T. B.) Nach einer unbestätigten Meldung des Reuterschen Bureaus aus Livingstonia vom 14. September fiel eine deutsch - ost afrikanische Schutztruppen- Abteilung am 5. September in Britisch« Nordrhodesia ein und griff die Niederlassung Abercorn an. Der Angriff wurde zurück geschlagen. Am 6. September wurde wieder ge- schossen, ohne daß ein regelrechter Angriff erfolgte. Am 9. September eröffneten die Deutschen ein Feuer mit leichten Feldgeschützen, die durch Maschinen geschütze zum Schweigen gebracht wurden. Die Deutschen verließen ihre Stellung und befanden sich in der Nacht 15 Meilen östlich von Abercorn. Leut nant Mac Carthy machte mit SO Mann und einem Mafchtnenaelckütz einen nächtlichen LUmaxlch und verfolgte den Feind bis an die Grenze. — Eine weitere Meldung des Reuterschen Büros aus Nai robi vom 12. September berichtet über Kämpfe an der Grenze von B r i t i s ch-O sta f r i ka und von Nyafsa-Land. Tine deutsche Abteilung über schritt di« Grenze bei Mohoru am Viktoria-See und besetzte Karungu; sie rückt gegen Kisii vor. Eine andere deutsche Abteilung, die nach dem Tsavo-Fluß vorgerückt war, hatte mit Truppen aus Bura und Mtoloandei ein Gefecht; Einzelheiten sind noch nicht bekannt. In Nairobi eingetroffene eng lische Verwundete berichten, daß die Englän der in einem heftigen Feuer deutscher Maschinen gewehre gestanden und einen Bajonettangriff ge macht hatten, um die Maschinengewehre zu nehmen. Der Angriff sei jedoch mißglückt. Die heimtückischen Belgier. Berlin, 15. September. Wie eine höhere deutsch« Kommandobehörde berichtet, hat man bei bel gischen Franktireurs Stockgewehre und Stockschirmgewehre vorg«funden. Der er wähnten Behörde ist eines der dem Feind« abgenom- mcnen Stockgcwchre vorgelcgt worden. Es ist etwa 80 Zentimeter lang und kann durch einfachen Druck auf einen Knopf abgefeuert werden. Die heim tückische Art dieser Waffe entspricht durchaus dem Wesen derer, die sie benutzen. Wir hoffen deshalb, daß unser« Truppen ein scharfes Augenmerk auf scheinbar harmlose Gegenstände in der Hand der fanatisierten Belgier richten werden. Vie Serben über -le Save zurückgetrieben! Wien, 15. September. Amtlich wird gemeldet: Die über die Save eingebrochenen serbischen Kräfte wurden überall zurückgeschlagen. § yrmien und Banat sind daher vom Feind« vollständig frei. Der Volksschreck kn Zrankreich. Berlin, 15. September. Berichterstatter hol. ländischer und skandinavischer Blätter melden den Eintritt einer verhängnisvollen Verwirrung in Frankreich. Die Eisenbahnve rbindung zwischen Parisund Bordeaux sei unter, krochen. Die Flucht der Pariser Bevöl kerung, anfangs von der Militärverwaltung begünstigt, habe einen Umfang angenommen, der alle Ordnung aufhebe und selbst die militärischen Vorkehrungen zu erschweren anfange. Auf den Landstraßen nach dem Westen und Süden bewegen sich Tausende von Flüchtlingen, meistens arme Leute, die ihre letzte Habe mitschleppen. Die bäuerliche Bevölkerung sei noch verhältnisMtäjzig ruhig geblieben. Die Kriegs.„Begeisterung" der englischen Söldner. Hamburg, 15. September. (Eigener Draht bericht.) Mit welcher „Begeisterung" die eng lischen Söldner in den Kampf ziehen, dafür liefert folgende Stelle in dem Feldpostbriefe eines jungen Kürassieroffiziers vom westlichen Kriegsschau platz einen hübschen Beweis: Englische Briefe sind von uns gefunden worden, in denen sie sich bitter be schweren, sie seien zum großen Manöver nach Belgien geschickt worden, und nun würde scharf geschossen und die Franzosen stellten sie immer an die gefährlichsten Poften. Tatsächlich haben wir auch noch Platzpatronen bei ihnen gefunden. . . Eine derbe Abfuhr für englische Maulhelden. Wien, 15. September. Die „Neue Freie Presse" schreibt zu den Äußerungen Lord Curzons und Lord Beresfords: Eine verzweifelte Stimmung muß in England herrschen. Was da in die Oeffent- lichkeit dringt, hat den Anschein, als sollte durch bombastische Worte der Mißerfolg der Waffen ersetzt werden. Heute können wir aus zwei Aeußernngen ermessen, bis zu welchem Grade sich die innere Demoralisation gesteigert hat. Lord Beresford, der frühere Adjutant der Königin Victoria und des Königs Eduard, behauptet, der Friede werde in Berlin geschlossen werden. Curzon, ein Mann, der früher Llzekünig von Indien war, und von dem man einige diplomatisch« Zurückhaltung verlangen könnte, träumt sogar von dem Augenblick, wo die Lanzen bengalischer Reiter auf den Straßen Berlins funkeln und dunkelhäutige Eurkhas es sich im Potsdam«: Park bequem machen werden. Vielleicht erlebt das Lord Curzon wirklich noch. Dem Berliner Publikum könnten Exemplare Lieser exotischen Völkerschaften vorgezeigt werden als Kuriosum und als Ausdruck der äußersten Hilfslosigkeit des Riesenreiches, das, von schlechten Politikern in eine wahnsinnige Kampagne hineingerisien, nun nicht mehr weiß, wie es die Katastrophe verbergen soll. Das kann keinen Zuwachs an Autorität bringen, welche England in dem so sehr unterwühlten Indien braucht, das kann nur ein Gefühl des Trotzes und der Ver achtung gegen England wecken, und vielleicht wird der große Lord Krtchener noch sehr bedauern, daß er mit großen Spesen sich Zuschauer aus Indien verschrieb, di« zu Hause von den deutschen Siegen erzählen können. Verständlicher ist es, wenn ein alter Seebär wie Lord Beresford sich gehen läßt. Es ist aber ein trauriges Zeichen von Entartung eines Mannes, der beim Bom bardement von Alexandrien und in Afrika wegen Tapferkeit gelobt und berühmt wurde und Befehls- Haber der Mittelmeerflotte war, daß er jetzt wie der ruhmredige Soldat in der Komödie den Mund voll- nimmt und das Fell de» Bären verteilt, ehe der Bär noch gefunden ist. Die Reden Beresfords, Curzons und Churchills sind nur Toten bl um en für das Grab des englischen Prestiges. Wie», 15. September. Die „Arbeiterzeitung" schreibt zu den Reden Beresfords und Curzons: Wir dürfen nicht überhören, was diese edlen Lords hoffen und vrophGeien, denn au» diesen brutal Johannes Wichern s. Halle a. S., 15. September. (Eig. Drahtbe r.) In Bad Kösen starb, KOjährig, Dr. theol. Jo hannes Wichern, der Begründer der Genossen schaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege. Er war der Sohn von Johann Hinrich Wichern, dem Stifter der Inneren Mission. Schwerer Unglücksfall beim Biktoriaschießen. Adorf i. V., 15. September. (Eig. Drahtber.) Beim Biktoriaschießen der hiesigen Schützengesell schaft aus Anlaß der Gefangennahme von 30 000 Russen zersprang der Böller, und Eisenteile des Roh res flogen nach allen Seiten auseinander. Dabei wurden von der Bedienungsmannschaft fünf Mann verletzt, und zwar drei schwer. Dem Sticker Krauß mußte ein Vein bis zum Oberschenkel abgenommen werden. In der Nachbarschaft wurden sämtliche Fensterscheiben zertrümmert. UM» Unser» gestrige Abrndausgab« umfaßt 4 Seite», di« vorlirgend» Avsgabe 19 Eriten, zusammen 14 Z eiten. gehässigen Reden erkennen wir, was di« Zu- kunft de» deutschen Volkes wäre, wenn die Gegner siegen und triumphieren könnten. die Thronre-e -er Königin Wilhelmine. Haag, 15. September. Bei der Eröffnung der General st aaten hielt die Königin fol gende Thronrede: „Ich bin unter sehr außergewöhnlichen Umständen in Ihre Mitte wiederackehrt. Wir alle sind erfüllt von dem Gedanken an den sch recklichen Krieg, der in einem großen Teile der Kulturwelt wütec. Infolgedessen befindet sich unser Land in einer Lage, die noch mehr als sonst ununterbrochene Wachsamteil erfordert. Ich kann jedoch dankbar feststellen, daß unsere freundschaftlichen Verhältnisse zu allen Mächten fortdauern und die a v - so lute Neutralität, die Holland beobachtet und mit allen Kräften handhaben wird, bis jetzt in keinerlei Weise verlebt worden ist." Die Königin sprach sodann ihre Befriedigung über dir rasche, tadellose Mobilmachung des Heeres und der Marine aus und zollte der Weise, in der beide ihre Aufgabe erfüllen, Anerkennung. Sie fuhr fort: „Ich bemitleide innigst das Schicksal der Völker, die in den Krieg verwickelt sind. Holland trägt opferbereit die außergewöhnlichen ihm auf- aebürdeien Lasten und empsängt mit offenen Armen die Unglücklichen, die innerhalb der Landesgrenzen Zuflucht suchen. Obgleich unser Wirtjcl-aftsleben in allen Zweigen den Druck der Verhältnisse empfindet, fängt es doch an, einige Besserung zu zeigen. Mehrere Erzeugnisse der Land wirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie finden erneut Absatz. Sowohl England, wie Deutsch, land und Belgien schließen regelmäßige lausende Geschäfte ab. Die Kolonien werden stark beein trächtigt durch die Desorganisation von Post-, Tele graphen- und Seeverkehr. In allen Kolonien sind Maßnahmen getroffen worden zur Wahrung der politischen Neutralität. Ich appelliere vertrauens voll an alle, auch in Handel und Industrie, peinlichst alles zu vermeiden, was die Neutralität und na tionale Existenz gefährden könnte. Jeder Kaufmann muß sich dessen bewußt sein, daß selbst der Schein vermieden werden muß, daß in der oder durch die holländische Kaufmannschaft eine günstigere Gesinnung zugunsten des einen oder des anderen Kriegführenden vorherrscht. Ich bin glücklich, daß mein Volk in treuer Pflicht erfüllung eins mit mir dem Vaterlande zu dienen trachtet. Ich erwarte, daß die im Lande offenbarte Einmütigkeit aufrechterhalten wird bis zum Ende. Ich flehe Gott an, uns Kraft zu geben, und erkläre die Session der Generalstaaten für eröffnet." Die Sorte gönnen wir ihnen. Rotterdam, 15. September. (Eig. Drahtber.) Aus London wird gemeldet: Eine Anzahl Eng länder mit deutschklingenden Pa.nen gab in Inseraten bekannt, daß sie neue Namen angenommen haben: Kellermann wird in Kcrly, Mamelsdorf in Morland, Secligmann in Sclwyn, Dorn in Dawn umgetauft werden. (Wir brauchen diesen Deutschen keine Tränen nac^u- weinen. Die Red.) Die neue Spannung zwischen der Union und Mexiko. Frankfurt a. M., 15. September. Die „Frankfurter Zeitung" meldet aus New Pork: General Villa verlangte energisch, Carranza solle die Ver einigten Staaten auffordern, Vera, cruz zu räumen. Carranza verhandelt mit dem Vertreter des Präsidenten Wilson. — Im Staate Puebla sind offenbar ernste Unruhen ausge- »rochen. Eln jchweöstcher Vampfrr von eknrm errgttjchen Kreuzer überrannt. Eotenburg, 15. September. Der hier beheimatete Dampfer „Tua" ist am letzten Mittwoch früh in der Nordsee von einem englischen Kreuzer über rannt worden und gesunken. Nach dem Zu- sammenstoß konnte ein Teil der Besatzung an Bord des Kreuzers springen. Fünf Mann fielen ins Wasser, von denen drei, darunter der Kapitän, ge- retten wurden, während der Maschinist und ein Passagier ertranken. Aufgeschobener Besuch der Wiener Stadtvertretung in Berlin. Wien, 15. September. Bürgermeister Dr. Wei s- kirchner hat an den Berliner Bürgermeister Dr. Re icke folgendes Schreiben gerichtet: Es ist wohl selbstverständlich, und ich erfülle nur einen Akt der Höflichkeit, wenn ich Ihnen, hochverehrter Herr Bür germeister, mitteile, daß infolge der über uns herein gebrochenen ernsten Zeiten der von der Wiener Gemeindevertretung für Ende dieses Mo nats beabsichtigte Besuch Berlins unter bleibt. Hosien wir im Vertrauen auf Gott und unsere verbündeten tapferen Armeen, daß es gelingt, unsere gemeinsamen Feinde zu bezwingen: dann wer den wir zu unseren lieben Freunden nach Berlin eilen und ihnen die treue Bruderhand drücken. Möge der Allmächtige unseren LVaffen seinen Segen geben. dauptschristleiter: Dr. Vern». tztzestrnr««» Verontwl'rU-cbe -chrifzoitrr: für Politik De. Ar«» Günther: für die Landes»,eitun, McNthrr Ochintzlert für Leipziger und sichsisch« Rnaelrgenheiien Arn«ltz giink«: für Kunst und Wissen schaft Lr. gfrirbrich Gebrecht: sür Musik Auern Segnitz: Gericht H«»rfrlv: sür die Reise». Bader- und Berkehr«,eitung ^»tzwi« Metzer. — Für den Aueeigenteil -einr. valser. Btrlag: Lrtvtzttzrr r«»etzl«tt. Gesellsckxist mit beschränkter Haktuna. D«ck: Fächer ck Kttrstr»