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Vene 2. Nr. 47l. Moryen-Nusgave. leipziger Tageblatt. Mittwoch, lS. Septemver l9l4 Vie rujfl/chen Gstjeeprovinzen von Truppen entblößt! werden sollten, fragt der „Nieuwe Rotterdamsche Courant, was Ausstand zu der Befreiung Polens und Finnlands und England zu der Befreiung Aegyptens sagen würde. Stockholm, IS. Setzten» er. An» Berlin wird „Asionbla-et" detzeschlerr, datz Vteneralotzrrst non Hindenburg von russischen Ste fan gen en die Bestätig«», erhalten hab«, das; die vorher genannte „ Millionen armee" in Wilna überhaupt nicht existiere, da sämtliche Truppen und sogar die Garde die Order erhalten hätten, sich an Sen Kämpfen an der Weichsel z» beteiligen. Tatsächlich sollen die O st- seeprovinzen von russischen Truppen entblößt sein. Aus Eirund privater Mitteilungen können wir dies nur bestätigen. Aue Lage in Galizien. Wien, 15. September. Der Kriegsberichterstatter der „Zeit" meldet von 1 Uhr 10 Min. nachmittags: Der Abmarsch unserer Truppen in die neuen Stellungen ist in vollständiger Ruhe ohne Belästigung seitens des stark erschöpften Gegners erfolgt Die Truppen zogen mit dem Be wusstsein ab, einen Erfolg errungen zu haben, da sie 80 dem Feinde abgcnoinmene Geschütze und über 10000 Gefangene milführen. Die neue Stellung ist bereits bezogen. Der Geist der Truppen ist trotz des schlechten Wetters vorzüglich. Die Armeen Dank! und Auffcnberg haben sich mit der Hauptarmee vereinigt. Echän-ung -es Roten kreuze» -urch Franzosen. Das „Berl. Tagebl." meldet aus Straßburg im Elsaß vom 25. August: Im Metzer Kranlenhause gaben die Landwehr leute Christof el, Gefreiter Hain und Bruno Lehmann zu Protokoll, das; am 25 August abends französische Soldaten in ein deutsches Feldlazarett eindrangen und den Stabs arzt nieder stachen. Biele Verwundete suchten mit Hilfe des Sanitätspersonals zu entfliehen, wurden aber von den Franzosen verfolgt und zu- sammen mit den Sanitätern niedergemacht. Das Lazarett ging in Flammen auf. Eine vernünftige Stimme aus Italien. Rom, 15. September. Professor Alberto del Monte von der Universität Neapel antwortete auf das bekannte Rundschreiben der Leipziger Professoren an die italienischen Kollegen, daß er jetzt während des Krieges auf Grund ein seitiger Darstellung mit gutem Gewissen kein Urteil abgeben könne, aber er müsse sagen, dass er auch der anderen Partei um so weniger Glau ben schenke, als, solange die Welt stehe, es Kriege gebe und sie mit Glacehandschuhen nicht geführt werden können. Es sei nicht anzuuehmen, das; ein Volk, wie die Deutschen, die moralisch und ma teriell gciund seien und Haus und Familie Wien, 15. September. Die österreichische „Volke- ,zeitung" erhält folgende Erläuterungen u der neuen Phase des österreichisch-russischen Krieges: Die H a u p 1 v c r b i n d u n g e n unserer Armee lausen in westlicher und südwestlicher Richtung. Diese Verbindungen dürfen nichr bedroht werden. Ter Er solg unserer grasten Siege bei Krasnik und Ko marow bestand in der genügend langen Fern! al tung des übermächrigen Stostes der immer von Osten nach Norden vorgeschobenen Hiljsträfte. Dieser Stost richtete sich al>er gegen unsere Hauptvcrbindungen, war daher sehr gefährlich. Unsere Erfolge waren absolut reelle. Etwa 50 000 G e s a n gene und :l00 erbeutete Geschütze beweisen dies. Ebenso sind die bisher angeordncten riickläusis-cn Bewegungen niemals verschleierte Niederlagen gewesen, da unsere Truppen durch volle drei Wochen trotz aller Verluste unablässig kämpften, und zwar in stets erneuten An griffen. Dies beweist die erhaltene Schlagfertigkeit unserer wirklich Heber menschliches leistenden Truppen, die auch keine Verluste durch unverwundete Gefangene erlitten. Es ist durch die von uns gefangenen Russen jetzt erwiesen, dast Ruhland nicht nur seine europäischen Korps und deren sehr starke Reseroeformationen vor zeitig mobilisiert hat, sondern dah dies noch viel früher, vielleicht schon im Mat, bei den asiatischen Korps geschehen »st. Unser« Armee» taten aber mit dem Korps des asiatischen Rußland hat man nicht rechnen können. Rußland war in der Lage, deren Mobilisierung, die schon im Frühjahr erfolgt sein must, erfolgreich zu verheimlichen. Unter den Gefangenen Auffenbergs und Dankls be finden sich Baschkiren und Tungusen, das sagt genug. Unseren Truppen blüht jetzt erst Schlaf, Nahrung und Reinlichkeit. Das haben diese Helden schwer verdient. über alles spitzen, ohne Grund Frauen und Kinder umbringe. Wenn er auch le n endgültige > U-teic abgcbcn könne, so halte er es doch für seine Pflicht, nur seiner Bewunderung für dieses Volk Ausdruck zu geben, das heute den Beweis für die grösste militärische Kraft und für jene vollendete Organisation zu einem einheitlichen Ganzen liefere, die einen Staat auf die höchste Stufe der Voll kommenheit erhebe und ihn der höchsten Ziele würdig mache. vergebliche Sittdejuche eines Geschäftsführers -es Drewerbanöes. Sofia, 15. September. Wie nunmehr bekannt wird, bat der Präsident des Londoner Balkan komitees, Buxton, die Valkanreise, auf der er gegenwärtig sich befindet, im Auftrage der englischen Negierung unternommen, um Bulgarien und Rumänien auf die Seite des Drei verbandes hinüberzuziehen. Herrn Buxton wurde von der englischen Regierung für die Fahrt durch das Mittelmeer ein englisches Kriegsschiff zur Verfügung gestellt. In Sofia hat Herr Buxton große Ver sprechungen gemacht: Bulgarien werde auf Kosten der Türkei beträchtliche Gebietserweiterungen erlangen, falls cs sich auf die Seite des Dreiverban des stelle und im gegebenen Falle gegen die Türkei militärisch vorgehcn werde. Außerdem soll Buxton Bulgarien die Wiedererlangung der Dobrudscha ver sprochen haben, falls ein Eingreifen gegen Rumänien nötig werden sollte. Die Mission Buxtons wird in Sofia als vollständig gescheitert be zeichnet, da die Regierung fest entschlossen ist, die Neutralität nicht aufzugcbcn und sich nach keiner Seite hin zu binden. Buxton reist jetzt in ähnlicher Mission nach Bukarest. Man glaubt jedoch, daß er auch dort nicht viel Glück haben wird. (Lin schweizerischer Protest. Bern, 1-1. September. Das „Luzerner Tageblatt" Churchill, -er Phrasenheld. London, 15. September. In einer Rede, die Marineminister Churchill am 11. September in einer großen Versammlung im Londoner Opernhaus hielt, betonte er die Einigkeit der englischen Parteien. England müsse am Ende des gegenwärtigen Krieges große und gesundet!!) Prinzipien für das politische System Europas erstreben Das erste dieser Prinzipiell sei die Achtung der Nationalität. Bei der Rekonstruktion Europas die auf den Krieg folgen müsse, sollten die unterworfenen t?!) Völker befreit und die nationalen Wünsche der unterdrückten Bevölkerung berücksichtigt werden. Rotterdam, 15. September. Zu den Erklärungen des englischen Marineministers Churchill, daß bei der Rekonstruktion Europas, die auf den Krieg folgen müsse, die unterworfenen Völker befreit fordert die Bundesbehürden auf, gegen schwere Verletzung der schweizerischen Neu tralität durch Frankreich cinzuschreiten. 1500 Schweizer seien gezwungen, in das franzö sische Heer cinzutreten, da sie andernfalls aus gewiesen werden würden. Neberfliissige Berater. Frankfurt a. Main, 15. September. Die „Franks. Ztg." meldet aus Konstantinopel: Die englische M a r i n e m i s si o n, mit Admiral Lim pusan der Spitze, die schon seit mehreren Wochen keinen Dienst mehr auf der türkischen Flotte tat und nur noch in den Bureaus des Marineministeriums be schönigt war, hat heute um ihre E nt l a s s u n g aus türkischen Diensten nachgesucht. fiufftan- gegen -le Nle-erlän-er auf Sarneo. Nach Berichten aus Borneo ist unter den Eingeborenen des holländischen Teils der Insel ein Auf st and ausgebrochen, der schon seit geraumer Zeit vom Norden her vorbereiter worden ist und den Engländern Gelegen heit geben soll, die ganze Insel unter ihren Einfluß zu bringen. Die englischen Gentlemen verfahren, wie man sieht, überall nach demselben Rezept, sich die Früchte kolonialer Arbeit anderer Völker an zueignen. Nationales Selbftbnvußtfeln un kriegsgefangene. Die Verleugnung des nationalen Selbst bewußtseins gegenüber Kriegsgefangenen hat bis her als ein schlimmes Vorrecht gewisser Ver treterinnen dentscl)«r Weiblichkeit gegolten. Aus einer Bekanntmachung des stellvertretenden Generalkommandos des 1. bayerischen Ar- meetorps geht aber hervor, daß es auch unter den deutschen Männern Ehrvergessene gibt, die im Verkehr init Kriegsgefangenen gegen die Gebote nationaler Selbstachtung grob verstoßen. Das bezeichnete Generalkommando macht näm lich folgendes bekannt: „Die kürzlich ergangene Warnung, Kriegs gefangenen gegenüber nicht sein Deutschtum zu vergessen, ist leider abermals nicht beachtet worden. Einer von denen, die n ichtwissen, was sich gehört, ist der Großkattf-- m ann Mar ix in München. Gegen ihn ist die Straseinfchreituna veranlaßt worden." So bedauerlich cs ist, daß gegen einen Mann von der Lebensstellung des Genannten ans einem derartigen Anlaß vorgegangen werden muß, so wirksam wird dieses Vorgehen sein. Denn da es nicht nur aus der Einleitung des Strafver fahrens, sondern auch ans der öffentlichen Bc- tanntgabe des amtlichen Einschreitens besteht, ist es in hohem Grade geeignet, sowohl im vor liegenden einzelnen Falle die notwendige Sühne für die Verletzung des nationalen Selbstbewusst seins' hcrbeizuführen, als auch im allgemeinen ab schreckend zu wirken. Das Verfahren des baye rischen Generalkommandos verdient nach beiden Richtungen auch dort Nachahmung, wo weibliche Personen Kriegsgefangenen gegenüber beweisen, daß sie nicht wissen, was sich gehört. Vas Eiferne kreuz für Zlieger. München, 15. September. lEig. Drahtmeld.) Drei bayrische Flieger haben wegen ihrer glänzen den Erkundungsflüge das Eiserne Kreuz erhal ten, und zwar zwer Söhne von bekannten Malern, die Leutnants Errch Scheuermann und Franz Di em er, sowie der Oberleutnant im 7. Feld artillerieregiment Peter. Fürs Vaterland gefallen. Am 12- Sepjombcr ist auf dem Schlachtfeld kn Ostpreußen der'Zgjiihrige Gras Adolf von Höhen thal und Berg en, der Sohn des früheren sächsischen Ministers des Innern, gefallen. Der Bruder Les Gefallenen, Graf Leo von Hohenthal und Bergen ist zu Anfang des Krieges verwundet worden. Wie aus den Fnmilienanzeigen der vorliegenden Ausgabe unseres Blattes ersichtlich ist, starben den Heldentod für das Vaterland der Leutnant der Reserve im Inf.-Regiment Nr. 107 Rechts anwalt Dr. F r i tz W u 1 h e n o w, der Einj.-Freiw. Unteroffizier des Feld-Art.-Regts. Nr. 02, Drplom- Jngenieur Rudolf Hofmann, der Unteroffizier der Reserve Willy Rupprecht, der Gefr. der Reserve im Jnf.-Neg. Nr. 107 Leopold Georg Büttner und der Landwehrmann Buchhalter Walter Lieberwirth. Ferner sind gefallen der Oberst und Regiments kommandeur im Feld-Art.-Reg. Nr. 12, a. H der Saxo nia zu Leipzig, Hermann Schulz, der Oberst leutnant im Res.-Reg. Rr. 101 Kurt Volkmann, der Oberleutnant im Landwehr-Jnf.-Neg. Nr. 125 Dr. jur. Paul Preß! er, der Leutnant der Re«, im Jnf.-Neg. Nr. 134 Erich Moeller, der Offizier stellvertreter im Bayr. Rej.-Jnf.-Rcg. Nr. 1b Dr. phil. EerhardBurck, der Unteroffizier der Res. im Ers -> Bat. Nr. 89 Postassistent Rudolf Wangermann, der Gefreite im Jnf.-Neg. Nr. 107 MarLandaraf, der Gefreite im Jnf.-Regt. Nr. 179 Arthur Voigt, der Etntährtg-Freiwtlltge imJnf.-Negt. Nr. 10V Paul Adols Richter, der Eini.-Fretwillige im Inf.- Regt Nr. 106 Johannes Lotze, der Musketier im Jnf.-Regt. 105 Otto Pohl. der Res. im Jnf.- Regt. Nr. IM Arthur Dümk«, der Musketier Walter Thärtchen und der Musketier im Infanterie-Regiment Nr. 105 Paul Hill. Das Lehrerkollegium der 20. Bezirksjchule arbt den Tod des Leutnants der Reserve im 178. Jnfanterie-Regi- ment Erwin Scheuer bekannt. Der Vorstand des Allgemeinen Knappschafts- Vereins zeigt den Tod des Generaldirektors des All gemeinen Knappschafts-Verein» zu Bochum, des Oberleutnants der Reserve August Köhne an. Geheimrat Dr. von Brünneck ist vor wenigen Tagen als Hauptmann der Landwehr an der Spitze seiner Kompanie gefallen. Der Generalleutnant und Kommandeur der 3. Jnf.-Division gibt bekannt, daß der Führer der Vorhut der 8. Division, General major Nieland, im Straßentampfe verwundet und seinen »chweren Verletzungen erlegen sei. und sein Adjutant Hauptmann Fabian tödlich getroffen sei. Die Niederlausitzer Brikett- Verkaufs - Gesellschaft gibt Len Heldentod des Bergwerksdtrektors Otto Schaafhausen bekannt Am 7 September fiel Generalmajor und Brigadekommandant Walther Scherbening. Von schönem Einvernehmen zwischen Vorgesetzten und Unter gebenen zeugt die Anzeige, die die Demminer Ulanen vom Tode des bekannten Herrenreiters Raimar von Raven geben: „Mit Stolz und Freude nannten wir ihn einst den Umrigen. Der Sieges reiter von 1909 ritt seinen schönsten Siegesritt in den Tod für seinen König." Ehre ihrem Andenken! weitere Mel-ungen. Die außerordentliche Sitzung des Branden burgischen Provinziallandtages hat einstimmig ohne Debatte beschlossen, 100 000 <N zur Linderung Les Notstandes in Ostpreußen zu bewilligen und sich mit 25 Millionen an der Zeichnung der Kriegsanleihe zu beteiligen. In der „National Tidende" schreibt einer der an gesehensten dänischen politischen Journalisten, Dr. Besthorn, zu der gestrigen Mitteilung des deut schen Reichskanzlers: „Wir in Dänemark haben nur den Wunsch, die Neutralität und Integri tät des Landes zu bewahren, und sind dem Reichskanzler aufrichtig dankbar für die Ve'.immt- heit, mit der er erklärt hat. daß cs Deutschland nicht ein falle, an die Neutralität der skandina vischen Länder zu rühren." Wie die „Dresdn. Volksztg." meldet, hat der Reichspostsekretär auf eine Beschwerde des „Zentral verbandes Deutscher Konsumvereine" genehmigt, daß Post- und Telegraphcnbeamte dem sozialdemokra tischen Konsumverein beitreten dürfen. Die Ober postdirektionen sind entsprechend verständigt worden. -k Die an Bord des Dampfers „Catania" aus Aegypten in Catania eingetroffenen Diplo maten und Konsuln Deutschlands und O e st er reich - U n g a r n s , die zusammen Alexandrien ver lassen haben, sind am Donnerstagabend nach Nea^pk-l-viech- G enua abgeieist. — . * In Frankreich ist unter anderen auch gefa4l-e.tr der Kapellmeister Dr. Felix Schreibet als Leutnant der Reserve im 1. bayrischen Feld- artillericregiment. Dr. Schreiber hatte erst noch vor wenigen Monaten in Paris am Theater der Champs Elysces die Einstudierung von Wagner werten, insbesondere des „Parsifal" und der „Meistersinger" geleitet. * Wie die „Tägl. Rundsch." erfahrt, wird der be kannte Pianist Professor Karl Friedberg in England als Kriegsgefangener festgehalten. Der konservative Landtagsabgeordnete Bürger meister Preuß in Striegau, der als Hauptmann und Kompaniechef in einem Reserve-Iägerbataillon an den Kümpfen bei Tannenberg teilgenommen hat, teilt in einer Karte an den Magistrat Striegau mit, daß seine Kompanie von den Russen eine Kriegs kasse mit 140 000 Rubeln (rund 300 000 er beutet har. A- Das Gymnasium in Ellwangen (Würt temberg) hat das Schuljahr wieder eröffnet, aber ohne die oberste Klasse, da diese geschlossen in den Krieg gezogen ist. vemsche Mönnrr. 36s Geschichtlicher Roman von Wilhelm Jensen. Au derartigen Ansknndnngsrittcn ließ der Herzog Ebergard Falke nicht teilnchmen, son dern hielt sie, einem Adjutanten ähnlich, den Tag hindurch in seiner Nähe und bediente sich ihrer nur zu gelegentlicher Ausrichtung von Aufträgen an die Nachhut-Offiziere seines Korps: mit spielender Leichtigkeit führte fie fein Geheiß aus und kehrte hurtig wieder zu ihm nach vorn zurück. Er hatte ihr einen Mantel gleicher Art Ivie allen übrigen Reitern zuge teilt, jo daß ihr Aenßeres ziemlich mit der einer Keinen Zahl unterwegs noch zur Truppe hinzu gekommener junger Leute übcreiustiminte, für die keine Moulur mehr vorhanden gewesen; sie bot deshalb nichts geradezu Auffälliges, uud außerdem trug jeglicher so erust-crwartungs- schlvere Gedanken im Kops, daß er in zu vollem Maße von dem, was jeder Augenblick Ivsbrcchcn lassen konnte, in Anspruch genommen wurde, nm ans etwas Ungewöhnliches an einer Er- scheinnng achtzugeben. Daß Lorenz Falke nicht um einer mißlichen Lage willen, vielmehr aus Anhänglichkeit und vaterländischer Begeisterung gebeten habe, sich der Schwarzen Schar an schließen zu dürfen, halte der Herzog sogleich richtig erlaßt und ebenso das Verlangen der Tochter des Wirtes. Was ihn auch ihrem Wunsche witliährig gemacht, war unschwer be greiflich; sie hatte ihn vor oer Gefangennahme behütet, die Nacht als Wächterin vor seiner Stube zngebracht, sich ans dem blauen Kittel, den er zurückgelassen, einen Rock augefertigt; dies letzte sonderbare Tun l-atte vielleicht auch einen besonderen Eindruck aus ihn ansgeübt. Klar bewußt, was i'n eigentlich zu ihrer Mit nahme bestimmt habe, mochte er sich selbst nicht sein, aber am nächsten tras ivohl die Vermutung zu, es sei ein Gefühl in ihm zur Oberhand gelangt, ihre Gegenwart bei der Schwarzen Schar bringe dieser Heil, verheiß« em« glüL, liche Erreichung des Zieles. Jedenfalls wies manches in seinem Wesen darauf hin, daß er solcher „romantischen" Empfindung zugänglich sein könne; nur hatte er sich vor seiner Ein willigung erst selbst davon überzeugen müssen, das Mädchen sei fähig, sich wie ein Mann sicher im Sattel zu behaupten und mit den voraus sichtlichen gewaltsamen Anstrengungen der an deren Reiter zu wetteisern. Das wollte und konnte sie, ließ darüber keinen Zweifel: eigent lich war's bedauerlich, daß sich unter ihrem Mantel nicht ein Mann barg, denn an kluger Einsicht, Mut und Tüchtigkeit hätte sic's mit jedem ausgenommen. Freilich ab und zu trat eine weibliche Eigenschaft bei ihr zutage: die einer zur Widerrede neigenden Eigenwilligkeit. Beim Aufbruch von der Nachtrast in Aschers leben hieß der Herzog sie zur Ueberbringung eines Befehls zum Leutnant Gibich reiten, doch sic antwortete nur kurz: „Ich weiß nicht, wo der ist." Etwas unwillig fiel der Herzog ein: „Wllßt' ich's, hält' ich dich nicht nötig; es ist deine Sache, ihn aufzusuchen." Nun ritt sie stumm davon, kehrte nach einiger Zeit zurück und berichtete wieder ebenso kurz: „Ich habe ihn nicht finden können." Hörbar war's eine Ausrede, sie batte keine Lust zum Suchen ge- habt. Einem Manne wär's nicht glimpflich hin gegangen, doch ihr erwiderte der Herzog nur: „Willst du, daß ich dich nach Halle zurück, schicke?" Ernstlich gemeint aber war auch das nicht; sie tonnte sich solche Eigenwilligkeit her ausnehmen, denn er hätte damit die Glückvcr- heißung seines Korps zunichte gemacht. So sandte er einen anderen "Boten zur Her. anbcrufuna des Leutnants Gibich ab und bc. austragte diesen, raschmöglichst mit einer halben Schwadron gegen Halberstadt vorauszurcitcn, um zu erkunden, ob sich in der Stadt eine größere feindliche Truppenstärke befinde. Im Galopp stoben die Husaren davon, doch auch für ihre Schnelligkeit war's noch manche Stunde bis dorthin, und Nachmittag ward's, ehe sic die Botschaft zurückbrachten, am Morgen sei von Magdeburg her der Oberst Meyronnet mit einem westfälischen Infanterieregiment unter klingender Musil in Halberstadt cingezogeu uud warte ungeduldig darauf, die „Schwarze Baude" zu vernichten. Eine unwillkommene Nachricht war's, aber sic versetzte den Herzog keinen Augenblick in Zweifel, was geschehen müsse. Er hätte aus weichen uud seitwärts an der Stadt vorbei seine Richtung auf Braunschweig fortsetzcn ton nen, doch das Zurücklassen einer so beträchtlichen Geguerzahl unmittelbar hinter seinem Rücken erschien ihn: unbedingt als ausgeschlossen, und mit sofortigem Entschluß eilte er im Geschwind marsch gegen Halberstadt vor. Als er dies er reichte, bereitete sich die Sonne schon mählich zum Niedergang; in vermessener Gering schätzung sandte oer Oberst den Anrückenden einige Kompanien entgegen, die indes, fast ohne zum Schuß zu gelangen, im Nu übereilten und zersprengt hinter die städtischen Tore und Mauern zurückslüchtcteu. Von diesen dagegen empfing die Nachdräugeuden ein heftiges Ge- wehrseuer, uud der Herzog erkannte rasch, seine Absicht, die altpreußische Stadt zu schonen, sei nicht durchführbar. Er gab Befehl, das Hars. lebcr Tor nut Pulver zu sprengen, auch au den anderen Toren loderten Flammen auf, und durch die Breschen stürmte die Schwarze Schar ins Innere hinein. Mit erbitterter Wut warf sie sich auf die Westfalen, die im Gefühl, von ihren dcutschgesinnten Landsleuten keinen Par don erlangen zu können, sich mit dem Mute der Verzweiflung verteidigten. Ungeheures Ge töse erfüllte die Straßen, durch die bis vor wenigen Jahren der „Vater Gleim" als Acht zigjähriger in stiller Beschaulichkeit gewandelt war, um unablässig in seinen Liedern dem deut schen Volke Einigkeit und Kampf auf Leben und Tod für die Rettung des Vaterlandes zu predigen. Jetzt kämpften hier Deutsche für die schmachvolle Gewaltherrschaft des französischen Kaisers über ihr Vaterland; in die Häuser flicl)end, schossen die Westfalen auf ihre bluts verwandten Gegner, die über die Treppen empor, fliegend schonungslos mit Säbel und Gewehr. kolben zwischen den Stubenwänden die Verräter der deutschen Heimat niedermachten. Was dem offenen Kampf nicht gelang, suchte der Meuchel mord zu vollbringen; ein westfälischer Sergeant, der sich den Totenkopftschako eines Husaren auf den Kopf gedrückt, schlich zum Herzog hinan und stand inr Begriff, ihn hinterrücks nieder- zustecheu, als der Bedrohte, noch eben recht, zeitig zuvorkommend, ihm mir einem wuchtigen Hieb den Schädel zerspaltete. Gleichmütig gab er dem Hinstürzcndcn als Grabspruch mit: „Du hätt'st mich im Schlaf umbringeu müssen, wenn ich wache, sind meine Augen offen." Zufällig befand Hans Gibich sich in der Nähe und ver nahm die Worte, doch im nächsten Augenblick riß es ihn weiter. Als sei ihm sein Leben völlig gleichgültig, war er achtlos durch die Straßen gejagt, wollte jetzt mit einem kleinen Reiter- trupp gradaus in die Hauptmasse des Feindes, die sich am Domplatz fest zusammengcschlossen hatte, hiucinstürmen; schon knatterte iym von ihr eine erste Salve entgegen. Doch ein don. nerndes „Halt!" vom Mund des Herzogs bannte ihn fest, und hinterdrein flogen die Worte: „Bist du verrückt und glaubst, dein Tod nützt uns!" Merkbar hatte der Mordanschlag doch eine er bitternde Wirkung auf den Rufenden geübt, denn er gebot jetzt: „Die Kartätschen her und auf die Kanaillen, sie vcrdienen's nicht anders!" Hastig rasselten einige auf dem Eilmarsch mit- geführte Geschütze herzu und schleuderten einen Kugelhagel zwischen die gestauten Fußvoltreihen, die unter dem unerwarteten Kanonenfeucr wank ten und umsonst nach Deckung suchten. Furchtlos ritt Ferdinand Wilhelm von Dörnberg gegen sie vor und schrie ihnen mit überhallender Stimme zu: „Hier habt ihr's nicht mit Bauern, flegeln zu tun! Werft die Waffen hin, ihr Hunds fötter, sonst springt ihr bis zum letzten über die Klinge!" Lodernder Grimm klang aus dem Ruf, ließ die Hörer am Ernst der Drohung, schonungslose Vergeltung für Kassel zu üben, nicht zweifeln. (Fortsetzung in d«r Abendausgabe.)